Titel: | Ueber die Verunreinigung der Luft durch menschliche Athmungsproducte. |
Fundstelle: | Band 249, Jahrgang 1883, S. 419 |
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Ueber die Verunreinigung der Luft durch
menschliche Athmungsproducte.
Hermans, über Verunreinigung der Luft durch
Athmungsproducte.
Man hat bekanntlich die Beobachtung gemacht, daſs Menschen, welche in überfüllten
Räumen leben oder längere Zeit sich daselbst aufhalten müssen, mehr als andere
Personen und leichter Störungen ihrer Gesundheit unterworfen sind, daſs aber meist
mit der Einführung einer Lüftung solcher Räume Gesundheit und Leistungsfähigkeit der
Inwohner verbessert wurden.
J. Th. H. HermansArchiv für Hygiene, 1883 S. 1. hat
nun versucht, die Ursachen der Luftverderbniſs für
solche Räume festzustellen, wo eine solche dem Anscheine nach allein unter dem
Einflüsse der Athmung und Hautthätigkeit des Menschen stattfinden konnte.
Bezüglich des Sauerstoffgehaltes der Luft wurde bereits
von Regnault und ReisetAnnales de Chimie et de Physique, Bd. 27 S. 32,
vgl. D. p. J. 1878 227 * 250. gezeigt, daſs Thiere erst bei einem Gehalte
von 10 Proc. Sauerstoff der Athemluft anfingen, schneller zu athmen, daſs aber bei 4
bis 5 Proc. Erstickungserscheinungen eintraten. Nach W.
MüllerLiebig's Annalen, 1858 Bd. 108 S.
257. wird das Athmen erst bei 5 bis 7,5 Proc. Sauerstoff
beschwerlich, während er, wie auch Friedländer und HerterZeitschrift für physiologische Chemie, 1879 S.
19 u. 145.
, bei 15 Proc. Sauerstoff noch keine Einwirkung auf den
Athmungsprozeſs feststellen konnte. Ist aber der Sauerstoffgehalt der Athmungsluft
um 4 bis 7 Proc. herabgesetzt und dauert der Aufenthalt in solcher Luft einige Zeit,
so findet nach HerterVirchow's Archiv 1882 S. 290. eine
Verminderung der oxydirenden Prozesse im menschlichen Körper statt, welche jedoch
durch Erhöhung der Respirationsthätigkeit ausgeglichen werden kann. Solche
beträchtliche Verringerungen des Sauerstoffgehaltes kommen aber nur unter ganz
besonderen Verhältnissen in Räumen vor, in welchen sich Menschen aufhalten.
Aehnlich verhält es sich aber auch mit der Kohlensäure,
Wohl hat man sich daran gewöhnt, auf Grund der eingehenden Untersuchungen Pettenkofer's (vgl. 1862 163
53) die Kohlensäure als Maſsstab für den Grad der Luftverunreinigung zu wählen; aber
man legt hierauf allein Werth als auf ein indirektes Kriterium der Güte der Luft,
indem man bekanntlich annimmt, daſs in einer Luft, wo Menschen athmen, die Zunahme
der Kohlensäure proportional mit anderen nachtheiligen Luftveränderungen einhergeht
und, da die
quantitative Bestimmung der Kohlensäure nach der von v.
Pettenkofer angegebenen Methode verhältniſsmäſsig leicht auszuführen ist,
eine Zimmerluft u. dgl. so leicht controlirt werden kann.Vgl. Ferd. Fischer: Chemische Technologie der
Brennstoffe, S. 201.
Von Kohlensäure müssen schon beträchtliche Mengen in der Athemluft zugegen sein, bis
eine Wirkung derselben auf den thierischen Organismus eintritt. Nach Versuchen von
Friedländer und Herter
treten beim Einathmen einer Luft mit 20 Proc. Kohlensäure während einer Stunde noch
keine eigentlich giftigen Wirkungen auf, sondern nur eine Reizung der Athmungsorgane
und Steigerung der Herzarbeit. Die Luft im Sooldunstbade zu Oeynhausen enthält
mehrere Procent Kohlensäure und doch wird sie ohne die geringsten Beschwerden 30 bis
60 Minuten lang eingeathmet; die Luft in Gährkellern enthält oft 4 Proc.
Kohlensäure, Mengen, welche in Wohnräumen, Theatern u. dgl. nicht vorkommen.
Da somit die quantitative Veränderung der normalen Luftbestandtheile nicht groſs
genug ist, um einen übeln Einfluſs der Luft in Wohnräumen zu erklären, so nahm man
an, daſs der Mensch auſser der Kohlensäure noch gasförmige Stoffe ausscheide, welche
bereits in sehr geringen Mengen in seiner Athemluft enthalten und wieder
eingeathmet, nach kürzerer oder längerer Dauer eine Art von giftiger Wirkung auf ihn
ausübten. Da aber die bisherigen wenigen in dieser Richtung ausgeführten Versuche
keineswegs beweisend sind, so hat Hermans die Luft aus
einem dicht verschlossenen Kasten von 1cbm,6
Inhalt, in welchem sich 1 bis 2 Personen einige Stunden lang aufhielten, wiederholt
untersucht. Wurde die gebildete Kohlensäure nicht theilweise durch Natronlauge oder
Aetzkalk entfernt, so stieg der Gehalt der Luft bis 5 Proc. derselben. Dabei ergab
sich, daſs nur dann die ersten bemerkbaren Erscheinungen der Athemnoth erfolgten,
wenn der Kohlensäuregehalt der Kastenluft mindestens 3 Vol.-Proc. betrug. Dabei war
es vollkommen gleichgültig, bis zu welchem Procentsatze der Sauerstoffgehalt
vermindert wurde, so zwar, daſs bei einem Gehalte der Luft von 10 Proc. Sauerstoff
durchaus keine unangenehmen oder übeln Empfindungen wahrgenommen wurden, so lange
eben keine 3 Proc. Kohlensäure anwesend waren.
Bei der gröſseren Anzahl der Versuche, besonders aber bei denen, bei welchen 2
Personen in dem Kasten sich befanden und ihre Athemproducte in den von diesem
umschlossenen Räume lieferten, wurden jedesmal gegen das Ende der Versuchsperiode 3
bis 4l Luft, welche nach steter Beseitigung der
Kohlensäure wiederholt und zwar 4 bis 5 mal zur Athmung gedient hatte, durch mit
Kupferoxyd gefüllte und auf Glühhitze erhaltene Röhren gesaugt, ohne daſs sich auf
diese Weise die Gegenwart brennbarer Gase nachweisen lieſs. Ebenso wenig wurde eine
Lösung von übermangansaurem Kalium reducirt, wenn die Luft aus dem Versuchskasten hindurchgeleitet
wurde. Auch die zur Absorption der Kohlensäure verwendete Natronlauge hatte keine
nachweisbare Mengen organischer Stoffe aufgenommen. Bei einer Anzahl von Versuchen
wurde endlich eine U-förmige Glasröhre von 25mm
Durchmesser in die im oberen Theile des Kastens befindliche Oeffnung der zur Gasuhr
führenden Röhre eingeschaltet, durch welche sonach bei der Circulation der Luft
diese mit den Exhalationsproducten beladen hindurch treten muſste. Brachte man eine
Kältemischung um diese U-förmige Röhre, so erhielt man in einiger Zeit 25 bis 40g Condensationswasser, welches, statt destillirten
Wassers zu der kochenden titrirten Chamäleonlösung zugesetzt, deren Titer nicht
veränderte. Ebenso wenig geschah letzteres durch Condensationswasser, welches von
den vorher sorgfältig gereinigten Wänden oder Fenstern des Kastens gesammelt wurde.
Daraus folgt, daſs der normale und gesunde Mensch keine nennenswerthen Mengen von
flüchtigen verbrennlichen Stoffen an die ihn umgebende Luft abgibt und daſs, wenn
letzteres geschieht, dies zunächst zurückzuführen ist auf die Entwickelung von
Gasen, welche bei einer mangel- oder fehlerhaften Verdauung im Darme, hauptsächlich
in Folge von unzweckmäſsiger Ernährung erzeugt werden, oder welche ihre
Entstehungsursache in Zersetzungsvorgängen von Abscheidungsproducten an der
Körperfläche, also auſserhalb des Körpers (bei schmutziger Haut Kleidern u. dgl.)
haben.
Trotzdem ist eine Lüftung von Räumen, in denen sich Menschen aufhalten, erforderlich,
wegen Bildung von Wasserdampf und Wärme. Zwar ist es bekannt, daſs in schlecht gelüfteten
Räumen selten eine vollkommene Sättigung der Luft mit Wasserdampf beobachtet wird,
weil eben meist die Wände und namentlich die tieferen Theile jener Räume und die
darin vorhandenen Gegenstände eine niedrigere Temperatur besitzen als die umgebende
Luft, so daſs eine Condensation von Wasserdampf und Durchfeuchtung dieser kühleren
Theile eintritt, welche um so gröſser ist, je mehr Wasserdampf vorhanden ist und je
gröſser die Temperaturunterschiede sind. Auch Kleidungsstücke nehmen hierbei
erhebliche Mengen Wasser auf. Bei der unvermeidlichen Gegenwart von Staub, welcher
zum Theile aus organischen, der freiwilligen Zersetzung fähigen und aus organisirten
Stoffen besteht, ist eine kleine Menge von condensirtem Wasser genügend, den
niederen parasitären Organismen, besonders den Spalt- und Schimmelpilzen Gelegenheit
zur Entwickelung zu geben. Es ist bekanntlich anzunehmen, daſs der mehr oder weniger
übele, dumpfe Geruch in nicht gelüfteten Räumen vielfach in diesem Verhalten seine
Ursache findet. In gröſserem Maſse kann man bekanntlich das Auftreten von riechenden
Stoffen wahrnehmen bei einer sichtbaren Durchfeuchtung einzelner Theile oder Flächen
unserer Wohnung oder bei dem Vorhandensein feuchter oder nasser, mit mehr oder
weniger Staub beschmutzter Kleidungen, wobei ebenfalls die Bildung der riechenden
Substanzen durch die Thätigkeit zum Leben erwachender Organismen bewirkt werden kann.
Fast allein durch eine richtig geleitete Ventilation ist man, bei der groſsen Menge
von Wasserdampf, die ein Mensch hervorbringt, im Stande, eine solche Condensation
mit ihren möglichen Folgen zu beschränken oder zu verhindern.
Mit der Bereicherung der Luft an Wasserdampf verhindert die ebenfalls eintretende Temperaturerhöhung derselben bei längerem Aufenthalte
des Menschen selbstverständlich dessen zweckmäſsige Abkühlung und zwar um so mehr,
je ungünstiger – z.B. in stark überfüllten Räumen, wo die Menschen eng an einander
sitzen oder stehen – die Bedingungen für die Wärmeabgabe durch Strahlung sind. Unter
solchen Verhältnissen kann die Körpertemperatur des Menschen sich leicht über die
normalen Grenzen erhöhen, was namentlich bei längerer Einwirkung, ganz abgesehen von
dem Einflüsse auf die Stoffzersetzungen, auf die nervösen Centralorgane, besonders
die des Gefäſssystemes, mannigfache Wirkungen ausübt. Es ist wohl sicher, daſs
Ohnmachtsanfälle u. dgl., welche in ungenügend gelüfteten Räumen mitunter beobachtet
werden können, nur in ganz bestimmten Fällen auf der Einathmung von nachtheilig
wirkenden Gasen beruhen, sondern daſs sie vorzüglich eine Folge der ungenügenden
Abkühlung sind. In der That findet bereits bei kurzem Aufenthalte in überfüllten und
mangelhaft gelüfteten Räumen eine Erhöhung der Körpertemperatur von 0,3 bis 0,6°
statt, da hier die seitliche Abkühlung sowie die Fortführung des an der
Körperoberfläche gebildeten Wasserdampfes erschwert wird.
Es ist viel weniger die Aufgabe wichtig, die bereits gebildeten Gase aus der Umgebung
des Menschen durch Lüftung zu entfernen, als vielmehr deren Entstehung so viel als
möglich zu beschränken oder zu verhindern. Die Umstände, unter denen die Darmgase
entwickelt werden, und ihre Menge unter verschiedenen Verhältnissen sind einstweilen
noch nicht genügend bekannt. Allein man darf wohl behaupten, daſs dann, wenn
entweder unzweckmäſsig zusammengesetzte Speisen und Speisengemenge, oder zu viel
Material, oder diese in unrichtiger Vertheilung der Mahlzeiten genossen werden,
Gährungen und ähnliche Prozesse im Darme leicht auftreten und daſs damit die
Veranlassung für Gasentwickelung reichlich geschaffen wird.
Alles sonach, was zur Verbesserung der Ernährungsweise des Menschen führt, dient
indirekt auch zur Erhaltung der Reinheit der Luft in seiner Umgebung. Auch bezüglich
der Unreinlichkeit an Körper und Kleidung sind nicht deren Folgen, wozu eine übel
riechende Luft gehört, zu bekämpfen, sondern es ist der Schmutz selbst möglichst
fern zu halten. Was hierbei schon oft mit Bezug auf die Ansammlung von riechenden
Stoffen, z.B. in Krankenzimmern u.s.w., so namentlich in neuester Zeit von den
Fehlböden (vgl. Emmerich 1883 248 137. A. Wagner 1883 249 343) ausgesprochen wurde, gilt gerade so gut von dem Schmutze, der
sich in den Kleidern und an der Körperoberfläche befinden kann. Mit der Reinerhaltung des Körpers
und der ihn bedeckenden Hüllen erzielen wir, mit Bezug auf die Eigenschaft der Luft,
welche wir Reinheit nennen, unter Umständen mindestens so viel, wenn nicht mehr, als
mit einer Ventilation. Nicht selten, so namentlich für Schulen, wäre es
zweckmäſsiger, statt gröſserer und theurer Lüftungsanlagen, solche Einrichtungen in
den Erziehungsinstituten, Schulanstalten u. dgl. zu treffen, welche es gestatten
würden, daſs sämmtliche, auch unbemittelte, Kinder einer Schule – und zwar die
letzteren erst recht – Jahr aus Jahr ein, auch in den kälteren Jahreszeiten ein oder
zwei Bäder in der Woche erhielten. –
Dieser Nachweis der nachtheiligen Wirkung des Wasserdampfes in unseren Wohnungen ist
um so mehr beachtenswerth, als sehr häufig bei gewöhnlicher Ofenheizung durch Kochen
von Wasser in den Ofenröhren, öfter aber noch bei Centralheizungen auf verschiedene
Weise bedeutende Mengen von Wasserdampf in die Zimmer geführt werden. (Vgl. F. Fischer 1883 248 378. 249 * 374.)