Titel: | Das Gesetz der proportionalen Widerstände und seine Anwendung auf Sanddruck und Sprengen; von Fr. Kick. |
Autor: | Fr. Kick |
Fundstelle: | Band 250, Jahrgang 1883, S. 141 |
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Das Gesetz der proportionalen Widerstände und
seine Anwendung auf Sanddruck und Sprengen; von Fr. Kick.
Mit Abbildungen.
Kick, über das Gesetz der proportionalen Widerstände.
Der Name thut zwar nichts zur Sache; aber er ist nöthig, um sie zu bezeichnen und
leichter von ihr sprechen zu können. Aus diesem Grunde nennen wir jenes Gesetz, das
auf Grund von Versuchen festgestellt wurde und welches lautet:
„Körper bestimmten Materials und bestimmter Form bedürfen zu
einer bestimmten Formänderung oder Theilung einer Arbeitsgröſse, welche gleich
ist dem Producte aus dem Körpergewichte in die für die Gewichtseinheit desselben
Materials bei geometrisch ähnlicher Grundform und gleicher Formänderung oder
Theilung benöthigte Arbeitsgröſse“ (vgl. 1883 247
5)
das Gesetz der proportionalen Widerstände geometrisch
ähnlicher Körper gleicher Massen oder kurz das Gesetz der proportionalen
Widerstände. Eine andere Form des Ausdruckes dieses Gesetzes gaben wir in D. p. J. 1879 234 257 und
260, wo es hieſs:
1) Die Arbeitsgröſsen, welche zu
gleichartiger und mit gleicher Geschwindigkeit erfolgender Formänderung zweier
geometrisch ähnlichen und materiell gleichen Körper erfordert werden, verhalten sich
wie die Volumen oder Gewichte dieser Körper; also A :
A1 = V : V1 = 1 : a3. Hierbei ist unter gleichartiger Formänderung
jene verstanden, bei welcher die beiden deformirten Körper in den einzelnen in
Vergleich gezogenen Stadien der Deformation geometrisch ähnlich bleiben.
2) Die Drücke, welche zur
gleichartigen Formänderung zweier geometrisch ähnlichen und materiell gleichen
Körper erfordert werden, verhalten sich wie die correspondirenden Querschnitte der
gepreſsten Körper, also Q : Q1 = F : F1 = 1 : a2, unter a das Verhältniſs der linearen analogen Abmessungen
verstanden.
Im Nachstehenden sei es zunächst versucht, eine theoretische Begründung des Satzes
der proportionalen Widerstände zu geben, und daran zwei neue, durch Experimente
bestätigte Anwendungen desselben geschlossen.
Zwei geometrisch ähnliche Körper gleicher Materie werden gleichzeitig so deformirt,
daſs sie während der Formänderung stets geometrisch ähnlich bleiben. Alle linearen
Abmessungen bleiben im Grund Verhältnisse 1 : a.
Betrachten wir nun eine Gruppe von Massentheilchen des einen Körpers während eines
Zeittheilchens dt, so wird im Allgemeinen ein
Lagenwechsel dieser Theilchen gegen einander
stattfinden und gleichzeitig eine Ortsveränderung. Als specielle Fälle sind zu
bezeichnen: eine Ortsveränderung ohne Lagenwechsel (Mitbewegung) und Ruhe der betrachteten
Theilchen, während andere sich bewegen. Vermöge der vorausgesetzten geometrischen
Aehnlichkeit beider in Deformation befindlicher Körper entspricht jedem dV des einen Körpers ein dV1 des zweiten von analoger Lage
(proportionalen Coordinaten, d.h. solchen, welche gleichfalls im Grund Verhältnisse
stehen) und es ist erlaubt, sich diese Körperdifferentiale in demselben
Volumenverhältnisse zu denken, in welchem die Körper selbst stehen, also dV : dV1 = V : V1 = 1 : a3, wobei a wieder das Grundverhältniſs oder das Verhältniſs der
linearen analogen Abmessungen bezeichnet.
Bei jedem Lagen Wechsel der Theilchen sind innere Kräfte zu überwinden. Jedes
Massendifferential ist durch seine Oberfläche in
Verbindung mit den umliegenden Massentheilchen und die Reactionen treffen
naturgemäſs die Oberfläche des Theilchens. Auf das Theilchen dV wirke bei dessen relativer Verschiebung um
ds die Reaction ξdO. Nun nehmen wir an, daſs das Theilchen
dV1 des zweiten
Körpers, dessen Lage durch proportionale Coordinaten x1, y1, z1 gegeben ist, denselben specifischen Widerstand ξ zu überwinden habe; die Reaction wird
hier ξdO1 sein. Die Arbeitsdifferentiale werden sein dA = ξdOds und
dA1 = ξdO1ds1. Nachdem dO1 =a2dO
und ds = ads1 ist, so erhalten wir dA : dA1 =
ξdOds : ξ a3dOds = 1 : a3.
Stehen aber die zur proportionalen Verschiebung der analogen Massentheilchen
erforderlichen Arbeitsgröſsen in dem angegebenen constanten Verhältnisse, dann muſs
auch die Summe derselben bezieh. die Gesammtarbeit stets in diesem Verhältnisse
stehen und unser Gesetz wäre erwiesen. Auf jene Arbeitsgröſse, welche zur bloſsen
Orts Veränderung erforderlich ist, wurde keine Rücksicht genommen, da dieselbe
gegenüber der Verschiebungsarbeit als verschwindend klein zu betrachten ist.
Die oben gemachte Annahme, daſs die Massentheilchen analoger Lage in beiden der
Deformation gleichzeitig unterworfenen, stets geometrisch ähnlich bleibenden Körpern
in jedem einzelnen Zeitdifferentiale gleichen
specifischen Pressungen unterworfen sind, wobei sich diese Pressungen während des
Fortschreitens der Formänderung beliebig ändern können, ist gewiſs die denkbar
einfachste und hat schon, daher die Wahrscheinlichkeit für sich. Sie wird noch
weiter durch folgende Erwägung bestätigt. Soll die Aenderung der Form bei beiden Körpern so stattfinden, daſs dieselben stets
geometrisch ähnlich bleiben, so müssen die analogen
Körperdifferentiale in jedem Zeitdifferentiale nach derselben Richtung sich bewegen, bezieh. parallele Bahnen durchlaufen; es
muſs in beiden Fällen ein ganz gleichartiges Kräftespiel stattfinden. Ist nun auch
die Druckvertheilung unbekannt, so läſst sich von den äuſseren Kräften, welche die gleichartige Formänderung bedingen, doch
behaupten, daſs die verlangte analoge Formänderung nur bei gleichartiger Einwirkung
dieser Kräfte möglich wird und daſs der specifische
Druck an den Oberflächen-Elementen analoger Lage gleich sein muſs. Ist dies der Fall, so
müssen sich diese Kräfte der gleichartigen Kräftezerlegung wegen auch so
fortpflanzen, daſs an irgend einem Punkte m des einen
Körpers derselbe active specifische Druck herrscht wie im analogen Punkte m1 des zweiten Körpers.
Herrschen aber in den analogen Punkten m und m1 dieselben activen
specifischen Drücke, dann können auch dieselben inneren specifischen Widerstände ξ überwunden werden. Mithin ist auch hierdurch die
obige Annahme gerechtfertigt und unser Gesetz bewiesen, so weit es sich ohne
Kenntniſs des Wesens der Materie beweisen läſst.
Auf Flüssigkeiten geringen inneren Widerstandes kann
unser Deformationsgesetz darum keine Anwendung finden,
weil bei diesen die zur bloſsen Ortsveränderung der Massentheilchen erforderliche
Arbeitsgröſse nicht mehr gegenüber der Verschiebungsarbeit verschwindet; hingegen
gestattet es die Anwendung auf körnige Materialien, z.B. Sand, ganz wohl, sobald die
Korngröſse gegenüber den angewendeten sonstigen Abmessungen als verschwindend klein betrachtet werden kann und wir es
mit statischen Aufgaben zu thun haben. Wird z.B. ein
Gewicht G durch Sand S in
der in Figur 1 dargestellten Art getragen, herrscht
also hier Gleichgewicht, so wird eine geometrisch ähnliche Sandmasse ein Gewicht G1 zu tragen vermögen,
welches denselben specifischen Druck ausübt, d.h. G : G1 = 1 : a2.
Fig. 1., Bd. 250, S. 143
Versuche haben dies bestätigt. Erzeugt man sich z.B. aus 1k äuſserst feinem Sande einen Kegel vom
natürlichen Böschungswinkel, was am besten durch Aufwärtsheben (Streifen) kleiner
Sandmengen durch ein Kartenblatt geschieht, wobei man natürlich diese Arbeit rundum
vorzunehmen hat, und einen zweiten Sandkegel von dem 8fachen Gewichte. Die Volumen
beider Kegel verhalten sich wie 1 : 8, die linearen Dimensionen wie 1 : 2. Setzt man
nun mit aller Vorsicht auf den kleineren Sandkegel ein Gewicht von z.B. 1k auf, auf den gröſseren von 4k, wobei sich deren Durchmesser wie 1 : 2
verhalten müssen, was erforderlichen Falles durch Kartenpapier zu rectificiren ist,
so findet ein Einsinken beider Gewichte statt und zwar derart, daſs für das
Gleichgewicht der Abstand h des einen Gewichtes von der
Bodenplatte zum analogen Abstande h1 des zweiten Gewichtes im Grundverhältnisse 1 : 2
stehen soll. Je gröber der Sand, desto geringer ist allerdings die Uebereinstimmung
und zwar wird h1
gröſser als ah gefunden werden, wenn a > 1 ist. Die Ursache hiervon liegt einestheils darin,
daſs ein bereits merkbarer Theil der Arbeitsgröſse des langsam sinkenden Gewichtes
auf die Ortsveränderung der Sandkörnchen entfällt, hauptsächlich jedoch darin, daſs zwischen den
Sandkörnchen Luft sich befindet, welche um so mehr elastisch reagirt, je gröſser das
Sandvolumen und je rascher die Einwirkung erfolgt. Hängt man z.B. die Gewichte G, G1 so auf, daſs sie
die Spitzen der Sandkegel gerade berühren und brennt man die Fäden ab, so ist das
Verhältniſs der analogen Höhen, welche nun mit h' und
h1' bezeichnet
seien, nicht mehr 1 : a, sondern h1' ist wesentlich
gröſser als ah'.
Die oben durchgeführten theoretischen Betrachtungen gelten daher hier nur für
statische Fälle; statt dem inneren Widerstände der Verschiebung der Massentheilchen
fester, plastischer Körper tritt hier in ähnlicher Weise die Reibung der
Sandtheilchen an einander auf. Es kann daher von unserem Gesetze auch bei Sand
Gebrauch gemacht werden, namentlich bei Lösung jener Fragen, welche sich auf den Druck des Sandes auf Gefäſswände beziehen,
vorausgesetzt, daſs die Korngröſse gegenüber den sonstigen Abmessungen verschwindend
klein ist.
Eine ganz besonders schöne Anwendung läſst das Gesetz der proportionalen Widerstände
in der Sprengtechnik zu. Es lehrt die Erfahrung, daſs
durch die Wirkung des Explosivs gegen die dem „Pulversacke oder Minenherde“
A (Fig. 2) nächst
liegende freie Wand MN eine kegelförmige Gesteinsmasse,
der Wurfkegel, herausgerissen wird. Die Entfernung AB
des Minenherdes A von der freien Wand führt die
Bezeichnung „Vorgabe“. Durch den Druck der Gase des Explosivs wird der
Zusammenhang zwischen dem Materiale des Wurfkegels und den umliegenden Massen
aufgehoben. Geometrisch ähnliche Formen vorausgesetzt, wird die Gleichung Q : Q1 = 1 : a2 unmittelbar anwendbar sein, wobei unter
a wieder das Verhältniſs der gleichartigen linearen
Abmessungen, also auch das Verhältniſs der Vorgaben zu verstehen ist.
Fig. 2., Bd. 250, S. 144
Man erhält hierdurch zunächst den Satz: Die Pressungen,
welche die Explosivs auf die Massen der Wurfkegel bei deren Abtrennung ausüben
müssen, verhalten sich wie die. Quadrate der Vorgaben (I).
Denken wir uns nun zwei Minenherde geometrisch ähnlicher Form, deren Abmessungen sich
wie die betreffenden Vorgaben verhalten, und bezeichnen deren Volumen mit V : V1 = 1 : a3. Da nun die Gewichtseinheit des
Explosivs eine bestimmte Gasmenge bei vollkommener Vergasung liefert, so wird die
specifische Spannung der Explosivgase unter sonst gleichen Verhältnissen dann die gleiche sein, wenn die Volumen der Minenherde proportional sind
den Gewichten des Explosive. Bezeichnen wir letztere – die Ladungen – mit L und L1, so wird für gleiche specifische Spannung V : V1 = L : L1 sein müssen. Bei gleicher Spannung werden sich die
Pressungen, welche die Gase gegen die analogen Flächen der Minenherde ausüben, wie
diese Flächen verhalten und man erhält demnach Q : Q1 = F : F1 = 1 : a2 und damit ist dem Satze (I) entsprochen
und zwar unter der Voraussetzung, daſs die Ladungen proportional den Volumen der
Minenherde sind.
Bei durchaus analogen Verhältnissen, d.h. solchen, bei welchen nebst demselben
Gesteine und gleichem Explosive auch Proportionalität der gleichartigen Abmessungen
vorhanden ist, gelangt man mithin zu dem Schlüsse, daſs sich die Mengen des
anzuwendenden Explosivs (Ladungen) nach der Gleichung L :
L1 = V : V1 = 1 : a3 berechnen lassen.
In demselben Verhältnisse stehen, der geometrischen Aehnlichkeit wegen, auch die
Wurfkegel und führt unsere Betrachtung daher zu dem alten
Axiome der Sprengtechnik: Zwei normale Ladungen
verhalten sich wie die Volumen der Wurfkegel (II).
Den Satz I suchte Verfasser durch Versuche zu bestätigen, wobei die kugelförmigen
Hohlräume in künstlichen Steinen (Cementmassen) dem hydraulischen Drucke einer mit
Manometer und Windkessel versehenen Pumpe ausgesetzt wurden. Diese in den
Vorarbeiten sehr mühsamen Versuche sind zwar noch nicht abgeschlossen; aber soweit
sie ausgeführt sind, bestätigen sie die Gültigkeit des Satzes der proportionalen
Widerstände auch für das Sprengen und sie sind ein Beweis, daſs das alte Axiom der Sprengtechnik richtig, hingegen die
neuere, hiervon wesentlich abweichende Theorie H.
Hoefer's (vgl. 1880 237 221. 1881 242 153) unrichtig ist.
Prag im Oktober 1883.