Titel: | Ueber die Untersuchung von Mehl. |
Fundstelle: | Band 250, Jahrgang 1883, S. 227 |
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Ueber die Untersuchung von Mehl.
Mit Abbildungen.
Ueber die Untersuchung von Mehl.
Der Nachweis von Weizenmehl im Roggenmehle ist nach den
Untersuchungen, welche V. Berthold unter Leitung von Prof. F. v. Höhnel im
Laboratorium für Mikroskopie und Waarenkunde am Wiener
Polytechnikum angestellt und über welche Verf. in der Beilage der Zeitschrift für landwirtschaftliche Gewerbe,
1883 S. 1Fachzeitung für Waarenkunde mit specieller
Berücksichtigung der Rohstoffe und Fabrikate der landwirtschaftlichen
Gewerbe. Herausgegeben von J. Archleb
in Dobruschka, Böhmen. berichtet hat, ziemlich schwierig, weil
die sonst bei den Mehlen zur Unterscheidung dienenden Stärkekörner beim Roggen und
Weizen sich wesentlich nur durch ihre Gröſse unterscheiden. Beide Mehle haben
groſse, einfache, dick linsenförmige und sehr kleine rundliche und zusammengesetzte
Stärkekörner. Die groſsen linsenförmigen Körner erscheinen, von der Seite gesehen,
länglich und zeigen hierbei scheinbar eine dunkle Längsspalte in der Mitte. Die
Gröſse der Stärkekörner beim Weizen (Fig. 1)Die Vergröſserung beträgt bei allen Figuren 325. beträgt etwa 0mm,028 im Mittel, schwankt aber zwischen 0,015 und
0mm,045, die des Roggens (Fig. 2) meist 0,040 mit 0,014 bis 0mm,050. Die Stärkekörner des Roggens zeigen nicht
selten Schichtung oder radiale Streifung, welche beim Weizen sehr selten ist.
Auſserdem zeigen die Stärkekörner des Roggens oft 2 bis 5 breite Radialspalten,
welche beim Weizen nie breit und viel seltener sind. Diese Gröſsenunterschiede
können aber zum Nachweise von Weizenmehl in Roggenmehl nicht benutzt werden, da
viele Roggenstärkekörner ebenso groſs sind wie die des Weizens. Die für Roggen
charakteristischen Kernspalten könnten nur im umgekehrten Falle, nämlich beim
Nachweise von Roggenmehl im Weizenmehle, Anhaltspunkte geben.
Fig. 1. Weizen, Bd. 250, S. 228
Fig. 2. Roggen, Bd. 250, S. 228
Die Fruchtschale beim Weizen (Fig. 3) bez. Roggen
(Fig. 4) besteht aus über einander liegenden
Schichten von Langzellen a, Querzellen b und Knüttelzellen c; die
Samenschale aus der braunen Haut d und e und der hyalinen Schicht f. Darauf folgt die Kleberschicht g und das
Stärkegewebe h. Die Knüttelzellen sind nach Fr. v. Höhnel nicht
geeignet zur Unterscheidung, da sie bei allen Getreidearten stellenweise fehlen.
Fig. 3. Weizen, Bd. 250, S. 228
Fig. 4. Roggen, Bd. 250, S. 228
Die Abmessungen der Gröſse der einzelnen Elemente, wie sie L.
Wittmack in Wagner's Jahresbericht, 1882 S.
677 angibt, führten zu keinem Resultate, da die erhaltenen Zahlen keine genügenden
Unterschiede ergeben und nicht nur bei den verschiedenen Weizen- bezieh.
Roggensorten wechseln, sondern auch davon abhängig sind, ob die Abmessungen an
Elementen vorgenommen werden, die sich in der Nähe des Scheitels oder in der Mitte
des Kornes befinden. Nur die Gröſse der Kleberkörner und die Dicke der Haare und
Breite ihres Lumens haben Werth und können als unterscheidende Merkmale benutzt
werden. Die Langzellen des Weizens sind kürzer und dickwandiger, sowie dichter
getüpfelt als die des Roggens. Die Querzellen des Weizens sind länger und meist
dickwandiger als die des Roggens. Ihre Wandungen sind scharf begrenzt, gewöhnlich
geradlinig, dicht getüpfelt und ohne Zwischenzellräume an einander schlieſsend. Die
Querzellen des Roggens sind dagegen spärlich getüpfelt oder ganz ohne Poren, haben
eine nicht scharf begrenzte Wandung, sind an den Enden gewöhnlich abgerundet,
schlieſsen hier nicht eng an einander, zeigen daher ziemlich groſse
Intercellularräume.
Die Kleberzellen des Weizens sind etwas gröſser als die des Roggens, die Kleberkörner
sind erheblich gröſser: bei Weizen 0mm,003, beim
Roggen 0,0015 bis 0mm,002. Um die Kleberkörner
leicht ersichtlich zu machen, wird das Mehl auf dem Objektträger fein vertheilt und
mit alkoholischer Jodlösung betupft, wodurch bloſs die Kleberkörner gefärbt werden.
Sieht man dann im Mehle verschieden groſse Körner, so kann man mit Sicherheit auf
eine Verfälschung schlieſsen.
Weizen besitzt zwar im Allgemeinen mehr und längere Haare als Roggen; das
Charakteristische der Haare liegt aber im Verhältnisse der Wanddicke zur
Lumenbreite. Beim Weizen (Fig. 5) ist das Lumen
schmäler als die Wand, oft nur linienförmig, während es beim Roggen (Fig. 6) ebenso breit oder breiter als die Wand ist.
Die Wanddicke der Haare des Weizens beträgt 0,005 bis 0mm,008, des Roggens 0,003 bis 0,006, die Breite des Lumens derselben bei
Weizen 0,0015 bis 0mm,004, bei Roggen 0,004 bis
0mm,012. Nur bei den Haaren vom Dinkel (Triti-cum speltä) beträgt die Wanddicke 0,008 bis 0mm,012, die Lumenbreite 0,008 bis 0mm,010.
Fig. 5. Weizen, Bd. 250, S. 229
Fig. 6. Roggen, Bd. 250, S. 229
In den Mehlen findet man meist nur Bruchstücke der Haare, an denen aber diese
Merkmale leicht ersichtlich sind; doch kommen beim Weizen sowohl, als beim Roggen
einzelne Haare vor, welche diese charakteristischen Eigenthümlichkeiten nicht
zeigen, so daſs man also aus dem Aussehen eines Haares
noch keinen Schluſs ziehen darf. Sehr günstig für die Erkennung ist es aber, daſs
die Haare des Weizens länger sind und in gröſserer Menge vorkommen, ihre Auffindung
also leichter ist. Nach L. Wittmack sind ferner die
Roggenhaare meist allmählich conisch verjüngt, während die Weizenhaare lang
cylindrisch sind, was indeſs nicht allgemein bestätigt werden konnte.
Die braune Haut gibt keine Unterscheidungsmerkmale. Daraus folgt, daſs zum Nachweise
von Weizenmehl im Roggenmehle nur folgende Elemente benutzt werden können: die Kleberkörner, die
Querzellen und die Fruchthaare. Weit weniger wichtig sind für den genannten Zweck
die Langzellen und die Kleberzellen; gar nicht können hierzu die Stärkekörner
verwendet werden.
Eine sehr verbreitete Meinung ist nun die, daſs selbst bei den feinsten Mehlen wenn
auch nur sehr oder äuſserst geringe Mengen aller Gewebe
der Getreidefrüchte enthalten sind. Diese Ansicht mag für die Mehle der
Flachmüllerei ihre Berechtigung haben; gewiſs ist sie aber für die Producte der
Hochmüllerei unrichtig, da diese häufig keine Spur von Schalentheilen enthalten. Um
zur leichteren Auffindung der Schalentheilchen die Stärkekörner aufzulösen, wurden
die Mehle mit verdünnter Salzsäure gekocht, die zurückbleibenden Elemente durch
Verdunstenlassen der Flüssigkeit auf einen kleinen Raum eingeengt und nun erst
untersucht. Da aber durch diese Behandlung selbst bei Anwendung sehr verdünnter
Säure die Gewebselemente kleine Veränderungen bezüglich ihres Aussehens erleiden, so
ist darauf Rücksicht zu nehmen. (Vgl. Steenbuch 1882
243 86.) Es zeigte sich, daſs in den feinsten Mehlen
auſser Stärke und Kleber keine weiteren Elemente aufzufinden sind. Bei solchen
bietet nur die Gröſse der Kleberkörner ein Unterscheidungsmerkmal. Da aber die
feinsten Mehle wohl nie verfälscht werden, so kommt dieser Fall in der Praxis ganz
auſser Betracht. Selbst in den gröberen Mehlen kommen die charakteristischen Gewebe
nur in geringer und sehr wechselnder Menge vor.
Handelt es sich also darum, zu untersuchen, ob zu einem Roggenmehle Weizenmehl
betrügerischer Weise beigemengt ist, so wird man zunächst einige kleine Mehlproben,
mit Jodlösung behandelt und möglichst fein vertheilt, mikroskopisch dahin
untersuchen, ob zweierlei Kleberkörner vorhanden sind.
Dann wird man eine gröſsere Probe durch Kochen mit sehr verdünnter Salzsäure von den
Stärkekörnern befreien und die zurückbleibenden festen Theilchen bezüglich der
vorkommenden Haare und Querzellen untersuchen. Nur eine genaue und ausdauernde Untersuchung,
sowie die Rücksichtnahme auf alle unterscheidenden Merkmale erlauben die Lösung
dieser schwierigsten Frage, welche das Kapitel der Mehluntersuchung aufweist.
Fig. 7. Kastanie, Bd. 250, S. 230
Nach Untersuchungen von T. F. Hanausck (Daselbst * S. 3)
über die mikroskopische Nachweisung des
Kastanienmehles, welches als Zusatz zum Wurstgefüllsel, zu Gemüsen, zum
Bestreuen der Feigen, als Kaffee-Ersatz u. dgl. ein empfehlenswerthes Nahrungsmittel
bildet, sind die Stärkekörner (Fig. 7) besonders
charakteristisch. Man muſs namentlich auf die dreieckigen und die mit spitzen
Verlängerungen versehenen Formen achten und deren Gröſse (0,0201 bis 0mm,0256) berücksichtigen. Auch die auffallend
kleinen polygonalen Kleberzellen, die dünnwandigen, durch Eisenchlorid gebläuten,
elliptischen Mittelschichtzellen, die dickwandigen, braunen Oberhautzellen und die
Haare, deren Wandstärke sehr wechselnd ist, werden zur Bestimmung herangezogen
werden können. Jedenfalls ist das Kastanienmehl von dem Mehle der Getreide- und
Hülsenfrüchte auf den ersten Blick zu unterscheiden.
Nach R. Palm (Zeitschrift für analytische Chemie, 1883
S. 319) wird das auf Mutterkorn zu untersuchende Mehl
mit 10 bis 15 Th. Spiritus von 35 bis 40 Proc. unter Zusatz von einigen Tropfen
Ammoniak bei 30 bis 40° ausgezogen. Das Filtrat wird mit Bleiessig bis zur
vollständigen Fällung versetzt, der erhaltene Niederschlag auf einem Filter
gesammelt, zwischen Flieſspapier abgepreſst und der noch feuchte Rückstand mit kalt
gesättigter Boraxlösung digerirt, wobei man auch gelindes Erwärmen anwenden kann.
Längere Einwirkung stärkerer Hitzegrade bewirkt eine theilweise Zersetzung des
Farbstoffes durch den Borax. War nun Mutterkorn dem Mehle beigemischt, so ist in
diesem Falle der violette Farbstoff desselben gänzlich in den Bleiniederschlag
hineingegangen und letzterem von der Boraxlösung entzogen worden, welche dabei eine
charakteristische violette Färbung angenommen hat. Auf Zusatz von concentrirter
Schwefelsäure fällt der Farbstoff wieder in dunkel violetten Farben aus.
Im Brode läſst sich Mutterkorn schwierig nachweisen, da
beim Backen der Farbstoff zerstört wird. Zum Zwecke des Nachweises von Mutterkorn im
Brode wird letzteres getrocknet und gepulvert, mit der 10 bis 15 fachen Menge
Spiritus von 40 Proc. gelinde 5 bis 10 Minuten erwärmt Die hierbei erhaltene Lösung
wird über Kohle filtrirt, das Filtrat auf dem Wasserbade bis zum noch feuchten
Rückstande verdunstet und letzterer nochmals mit Spiritus von 40 Proc. erschöpfend
ausgezogen. Die abermals über Kohle filtrirte Lösung wird nun mit Bleiessig oder
neutralem Acetat bis zur vollständigen Fällung versetzt. Die Menge des hier
erhaltenen Niederschlages gibt einen Fingerzeig ab zur Beurtheilung der Menge des im
Brode enthaltenen Mutterkornes. Dieser Bleiniederschlag rührt von den organischen
Säuren des Mutterkornes her; gewöhnliches gutes Mutterkorn gibt durchschnittlich 8
Procent, reines Brod dagegen keinen solchen Niederschlag.