Titel: | Paul Mauser's Repetirgewehr. |
Autor: | W. S. |
Fundstelle: | Band 250, Jahrgang 1883, S. 454 |
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Paul Mauser's Repetirgewehr.
Mit Abbildungen auf Tafel 30.
P. Mauser's Repetirgewehr.
Unter den in neuerer Zeit vorgeschlagenen Repetirgewehren mit Cylinderverschluſs
verdient ohne Zweifel das von Paul Mauser in Oberndorf,
Württemberg (* D. R. P. Kl. 72 Nr. 15 202 vom 16. März 1881) alle Beachtung, so daſs
seine nähere Beschreibung von allgemeinerem Interesse erscheint (vgl. Fig.
2 bis 7 Taf. 30).
Das Repetirgewehr gleicht im Wesentlichen vollkommen dem deutschen Infanteriegewehre
M/71.Vgl. 1875 216 * 145. * 230. 1880 235 * 350. 1881 241 * 189. 1882 244 *
197.
Das Magazin liegt unter dem Laufe im Vorderschafte und besitzt einen Kolben bekannter
Construction mit Feder zum Vorschübe der Patronen. Unterhalb der Patroneneinlage
liegt im Gehäuse ein Löffel b, welcher sich um die
Achse g dreht und vorn eine Nase h besitzt, um das Magazin in gehobener Stellung des
Löffels b nach hinten abzuschlieſsen. In der linken
Verschluſsgehäuseseite ist auſsen eine Feder e
befestigt, die mit ihren Enden n und d in das Innere des Gehäuses hineinragt. Das hintere
Ende n hält, indem es in Aussparungen am Löffel b einspringt, letzteren in seinen äuſsersten Stellungen
fest. Das Federende d dagegen hält im ungespannten
Zustande der Feder e die Patronen im Magazine zurück;
erst wenn der Löffel b an dem Vorsprunge m vorbeistreicht, wird d
zur Seite gedrückt und die Feder e läſst nun die
Patronen aus dem Magazine nach hinten austreten. Auf der linken Seite des Löffels
b gleitet über der Achse g in einer Schwalbenschwanznuth ein Gleitstück i, welches durch Drehen eines am Gehäuse bei t drehbar unterstützten Winkelhebels s
gehoben oder gesenkt werden kann. In ersterer Stellung tritt das obere Ende des
Gleitstückes t in die Ausziehernuth l der Gewehrhülse und wird beim Vor- und Zurückschieben
des Verschluſscylinders von dem mit Anschlägen q und
p versehenen Auszieher o (Fig. 6)
getroffen und dem entsprechend der Löffel b um die
Achse g gedreht. Wird der Winkelhebel s nach vorn gestellt, so tritt i aus der Ausziehernuth l und kann nun eine
Bewegung des Löffels durch das Oeffnen und Schlieſsen des Gewehres nicht
stattfinden.
Der Vorgang beim Gebrauche des Repetirgewehres ist nun folgender: Angenommen, der
Verschluſs sei geöffnet worden und der Löffel b stehe
daher oben. Beim Schlieſsen des Verschlusses geht der Löffel 6, weil das Gleitstück
i vom Ansätze q des
Ausziehers getroffen wird, herab, drückt den Kopf d der
Feder e an der Warze m
zurück und die erste Patrone wird von der Schraubenfeder des Magazins auf den Löffel
b geschoben, während die zweite Patrone dadurch
wieder von dem Kopfe d aufgehalten wird, daſs die Feder
e, nachdem der Löffel b an der Warze m vorbei ist, wieder vortritt.
Oeffnet man jetzt den Verschluſs von Neuem, so wird der Löffel, indem der Ansatz p des Ausziehers gegen das Gleitstück i stöſst, gehoben und die auf dem Löffel liegende
Patrone hinter die Lauföffnung gebracht. Während dieser Zeit tritt die zweite
Patrone, da der Kopf d beim Aufsteigen des Löffels b, wobei dieser wieder an der Warze m vorbei geht, zurückgedrückt wird, rückwärts bis an
die Nase h des Löffels b.
Beim Schliefen der Kammer wird die Patrone durch den Verschluſscylinder vom Löffel
b fort in den Lauf eingeschoben, der Löffel b geht herab und empfangt die zweite Patrone, während
die dritte vom Kopfe d aufgehalten wird. Nach dem
Abfeuern der ersten Patrone wird die Kammer nun geöffnet, der Auszieher zieht die
Hülse heraus und die zweite Patrone wirft sie während ihres Aufsteigens auf dem
Löffel aus der Gewehrhülse hinaus. Derselbe Vorgang wiederholt sich beim erneuten
Schlieſsen der Kammer.
Um das Repetirgewehr in einen Einzellader zu verwandeln, legt man den Winkelhebel s nach vorn, wodurch das Gleitstück i aus der Ausziehernuth entfernt und aus dem Bereiche
der beiden Ansätze pq des Ausziehers gebracht wird. Der
Winkelhebel s schwingt an der linken Seite des Gehäuses
um die Schraube t und kann an dem vorstehenden
Daumengriffe u bewegt werden. Er zieht mittels des auf
dem kurzen Arme befestigten, durch einen länglichen Schlitz im Gehäuse tretenden und
in einer Quernuth des Gleitstückes i eingreifenden
Stiftes v den Block i
herab; dabei legt sich i gegen den Vorsprung x und wird dadurch der Löffel, solange i unten steht, unverrückbar festgehalten. Diese
Einrichtung läſst sich in etwas abgeänderter Weise an jedem Gewehre mit
Cylinderverschluſs anbringen. Die Patentschrift gibt die Verbindung der
Repetirvorrichtung mit dem deutschen Reichsgewehre M/71 an.
Das Zusatzpatent * Nr. 20738 vom 7. Mai 1882 betrifft einige Verbesserungen an dem
vorbeschriebenen Repetirgewehre. Die erste bezieht sich auf den Block i; derselbe besitzt einen seitlichen schrägen
Vorsprung, welcher sich in der tiefsten Stellung des Gleitstückes i über die Warze n der
Feder e legt und diese dadurch in die früher
besprochene Aussparung des Löffels eindrückt. Eine Herabbewegung des Löffels ist
dadurch auch ohne Anbringung des Vorsprunges x
unmöglich gemacht. Zur Feststellung des Hebels s in
seinen verschiedenen Lagen wird an der linken Seite des Gewehrgehäuses eine mit (den
verschiedenen Stellungen entsprechenden) Knaggen versehene Feder angebracht. Das
freie Ende dieser Feder tritt in die Ausziehernuth l
ein, wenn der Hebel s nach vorn gedreht ist, also das
Gewehr als Einzellader gebraucht wird. In diesem Falle trifft der Anschlag p des Ausziehers beim Oeffnen der Kammer gegen das
Federende und wird durch diesen Stoſs die verschossene Hülse ohne Verdrehung des
Gewehres aus der Gewehrhülse geworfen.
Die übrigen Neuerungen stehen mit der Repetirvorrichtung in keinem direkten
Zusammenhange und können deshalb kurz behandelt werden; sie betreffen einen kurzen,
eigenthümlich gestalteten und zwischen Kammerleitschiene und Verschluſskopf liegenden Auszieher
und einen Auswerfer, welcher aus einer an der Kammer verschiebbaren Schiene besteht;
dieselbe wird beim Oeffnen bezieh. Schlieſsen der Kammer vor- bezieh.
zurückgestoſsen und die vom Auszieher gefaſsten Hülsen werden bei ersterer Bewegung
herausgeschleudert.
Nach den Annales industrielles, 1883
Bd. 1 S. 414 sind im Juli 1882 2000 solcher Repetirgewehre vom preuſsischen
Kriegsministerium bei P. Mauser bestellt worden.
Auſserdem begann die kgl. Gewehrfabrik in Spandau die Herstellung der Gewehre in
groſsem Maſsstabe, nachdem man sich von dem Werthe des Repetirgewehres überzeugt
hatte. Vorerst sollen die Jägerbataillone mit dieser Waffe ausgerüstet werden und
dann die ersten 8 Armeecorps folgen, so daſs im J. 1886 die Neubewaffnung der ganzen
preuſsischen Armee beendet wäre. Mit einer solchen Neubewaffnung ändert sich auch
die Munitionszufuhr für den einzelnen Soldaten, da eine noch gröſsere Belastung des
Soldaten mit Patronen unthunlich ist, eine wirksame Handhabung des Repetirgewehres
aber trotzdem das Vorhandensein gröſserer Mengen Patronen erfordert. Man hat zu
diesem Zwecke schon Versuche angestellt, und zwar sollen beim Beginne des Feuers die
Pferde der Munitionsfahrzeuge abgespannt und mit Patronenbehältern beladen hinter
den Feuerlinien entlang auf und ab geführt werden, um die Mannschaften mit Patronen
zu versorgen. Diese Vertheilung soll durch einen Unteroffizier und 2 Mann
bewerkstelligt werden.
W. S.