Titel: | Die Fixation des Persulfocyans in der Druckerei; von Heinrich Schmid. |
Autor: | Heinrich Schmid |
Fundstelle: | Band 251, Jahrgang 1884, S. 41 |
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Die Fixation des Persulfocyans in der Druckerei;
von Heinrich Schmid.
H. Schmid, über Persulfocyan in der Druckerei.
Daſs Schwefelcyanwasserstoffsäure und deren Salze unter dem Einflüsse gewisser
oxydirender Mittel gelbes unlösliches Persulfocyan,
C3HN3S3, abscheiden, ist eine längst bekannte Thatsache
der organischen Chemie. Prochoroff in Moskau fand, daſs
das Persulfocyan als Farbstoff dienen kann und hat in Deutschland ein Patent
angemeldetPatentanmeldung P. 1551 vom 9. April 1883: Verfahren zur Herstellung eines
gelben Farbstoffes aus Rhodanwasserstoffsäure von der Prochoroff'schen Dreibergen-Manufactur in Moskau (vgl. auch Moniteur scientifique, 1883 S. 558). auf die
industrielle Darstellung dieser Verbindung, welcher der Namen „Canarin“ beigelegt wurde. Zu diesem Zwecke soll Rhodankalium, KCNS,
in Gegenwart von Salzsäure und Schwefelsäure durch chlorsaures Kalium oxydirt
werden. Brom wirkt im gleichen Sinne. Die Ausbeute an Farbstoff beträgt 40 Procent des
verwendeten Rhodansalzes. Das Canarin stellt ein orangegelbes, ziemlich dichtes
Pulver dar, unlöslich in Wasser, Alkohol und Aether, löslich in concentrirter
Schwefelsäure und in kaustischen Laugen. Prochoroff
spricht von der Anwendung der alkalischen Lösungen zum Färben der Wolle; über Benutzung im Baumwolldrucke verlautet die
Patentbeschreibung nichts.
Die hervorragende Beständigkeit des Persulfocyans sowie seine Unlöslichkeit in den
gewöhnlichen Reagentien luden dazu ein, dasselbe für den Indienne-Druck als gelbe
Farbe nutzbar zu machen und schien mir hierzu der einzig richtige Weg der der
Erzeugung dieser Verbindung auf der Faser selbst, auf welcher sie, dank ihrer
Unlöslichkeit, fest haften muſste. Eine so energische Oxydationswirkung, wie sie zur
Bildung des Persulfocyans erforderlich ist, scheint zwar im ersten Augenblick
praktisch nicht leicht, im erwähnten Sinne, ausführbar zu sein; handelt es sich doch
hierbei einentheils darum, die vorzeitige Oxydation des Rhodanates in der Farbe zu
verhüten, und andererseits, den drohenden Angriff der Faser durch Säure und Chlor
abzuwenden. Die Farbe wurde anfänglich zusammengesetzt aus Rhodankalium und
chlorsaurem Natrium in Verbindung mit Metallsalzen, welche durch doppelte Umsetzung
leicht zersetzbares Rhodanat und Chlorat bilden konnten; das Dämpfen sollte alsdann
durch Lostrennung der Säuren die Einwirkung von HClO3 auf HCNS und Bildung des Farbstoffes ermöglichen. Die Chloride des
Aluminiums, Zinkes u.s.w. eignen sich hierzu am besten. Durch Aufdruck einer
Mischung von:
300g
Traganthschleim, 200g in 1l,
150
chlorsaurem Natrium.
100
Wasser und
250
Rhodankalium,
280
Chloraluminium 24° B.
und kurzes Dämpfen erhält man in der That Gelb auf dem
Baumwollgewebe. Indessen erleidet hierbei letzteres unabwendbar eine mehr oder
weniger bedeutende Schwächung, doch stets nur in dem die Farbe umgebenden Weiſs. Die
bedruckten Stellen behielten durchaus ihre Festigkeit und war jener Angriff
augenscheinlich auf Rechnung von beim Dämpfen entweichender Salzsäure zu schreiben,
welche aus dem Gewebe Girard'sche Hydrocellulose (vgl. 1883 250 271) bildete.
Durch Umgehung des Dämpfens, d.h. durch Umwandlung obiger Dampf färbe in eine „Oxydationsfarbe“ (durch Hängen entwickelbar) muſste jener
Uebelstand verschwinden. Die am nächsten liegende Idee der nöthig werdenden
Aenderung war Herbeiziehung des Vanadiums. In der That druckt man über obige
Rhodanatfarbe, welche sich ohne Dämpfen durchaus nicht entwickelte, eine Vanadium
haltige Mischung, oder druckt man jene Farbe auf mit Vanadium behandelten Stoff, so
findet durch bloſses Hängen ein „Steigen“ des Gelbes statt. Homöopathisch
geringe Mengen von Vanadium genügen hierzu und bestätigt sich in diesem Beispiele von
Neuem die mächtige Wirkung dieses „metallischen Fermentes“ in den Fällen, wo
es sich darum handelt, Chlor in activen Verbindungsformen aus Chlorsäure
abzuspalten.
Um die gegebene Formel auf einen einfacheren Ausdruck zu bringen, habe ich die
Aluminiumsalze der Schwefelcyanwasserstoffsäure und Chlorsäure im fertigen Zustande
in dieselbe eingeführt. Eine derartig zusammengesetzte Farbe liefert die besten
Ergebnisse sowohl in Bezug auf Schönheit der Farbe, als auf Regelmäſsigkeit der
Reaction. Man mischt:
280 Th.
Verdickungsmittel (z.B. Stärkekleister),
5
bis 15
Vanadiumchlorürlösung,
100
krystallisirtes AluminiumrhodanatGeliefert von der Compagnie des Cyanures
in Paris.
100
chlorsaure Thonerde 24° B.
Die chlorsaure Thonerde stellt man dar durch Mischen einer
Lösung von 7900g krystallisirtem chlorsaurem
Barium in 8l heiſsem Wasser mit einer Lösung von
5280g krystallisirter schwefelsaurer Thonerde
in 5l,5 heiſsem Wasser und Filtriren; die
Vanadiumlösung durch Lösen von 20g
Ammonmetavanadat des Handels in 100g Salzsäure und
200g Wasser und Reduciren der Lösung mittels
30cc käuflichem Natriumbisulfit. Man erwärmt
bis zur Blaufärbung und vollständigen Lösung und verdünnt auf 20l. 1l dieser
Lösung enthält also 1g Ammonvanadat (entsprechend
nicht ganz 0g,5 metallischem Vanadium); sie ist
dieselbe, welche für Anilinschwarzfarben Verwendung findet.
Das neue Applicationsgelb entwickelt sich in der warmen Hange (in den
Oxydationskammern für Anilinschwarz) mit derselben Leichtigkeit wie Anilinschwarz,
zu welchem es ein wahres Seitenstück bildet. Ohne jene geringe Menge von Vanadium in
der Farbe würde keine Gelbbildung eintreten; aber es genügt, die Vanadium freie
Farbe auf Zeug aufzudrucken, welches mit einer Lösung von nur 1g,5 metallischem Vanadium in 1l präparirt worden war, um die Reaction zu
bewerkstelligen. Vanadium bildet hierbei (nach Rosenstiehl) chlorsaures Salz, das am leichtesten zersetzbare aller
Chlorate, welches also bei der niedrigsten Temperaturerhöhung jene unter HClO3 stehenden Chloroxydationsproducte abgibt, unter
deren Einfluſs Rhodanwasserstoffsäure Persulfocyan bildet. Anstatt 12 bis 24
stündigem Hängen führt einmaliges Durchnehmen durch den Mather und Platt'schen continuirlichen Anilinschwarzkessel ungleich
rascher zum Ziele (80 bis 90°). Man erhält in allen Fällen lebhafte und satte
Färbungen ohne Schwächung der Faser. Ein Degummiren in Kreide mag zweckmäſsig der
Oxydation folgen; Seifen bildet den Schluſs der Operationen.
Das neue Gelb zeigt eine groſse Beständigkeit gegenüber chemischen Einflüssen; weder
die concentrirten Alkalien, noch die Säuren – nicht einmal concentrirte
Salpetersäure – zerstören es, oder lösen es von der Faser ab (in Salpetersäure wird
es nur auf einen helleren Ton herabgestimmt).
Am empfindlichsten ist es gegenüber Chlorkalk. Kochende Seifenbäder lassen es
unverändert. Luft und Licht schwächen es nur langsam. Die gelbe Farbe besitzt
auſserdem die merkwürdige Eigenschaft, den aminartig constituirten Anilinfarbstoffen
gegenüber die Rolle einer Beize spielen zu können, indem sie beim Färben
Methylenblau, Anilingrün, Roth, Violett u.s.w. anzieht und lebhafte Töne
hervorbringt, welche mäſsigem Seifen widerstehen. Diese Farbstoffanziehung ist nicht
etwa auf Rechnung des Schwefels zu schieben, welcher sich neben Persulfocyan in der
Farbe hätte bilden können und welcher ja nach Lauth
ebenfalls Anilinfarben fixirt; wenigstens „zogen“ beim Färben mit
Schwefelkohlenstoff entschwefelte Muster ebenso gut wie im nicht behandelten
Zustande. Ebenso wenig trägt Oxycellulose (vgl. 1883
250 271) Schuld daran, für deren Bildung, wie man
voraussetzen könnte, in der Farbe die nöthigen Elemente vorhanden wären; denn
erstlich sind die bedruckten Stellen nicht im mindesten angegriffen und dann
ertragen sie nach dem Färben das Seifen, was bekanntlich bei den
Oxycellulose-Farblacken nicht der Fall ist.
Wir haben also jedenfalls eine neue Farbe vor uns, welche unser Interesse verdient
und wohl nützlicher Anwendung fähig ist. Zu einer allgemeineren Verwendung in
mehrfarbigen Dampfartikeln müſste sie in eine eigentliche Dampffarbe umgewandelt
werden; so, wie sie angegeben, ist und bleibt sie Oxydationsfarbe, welche
Vereinigung mit Dampffarben nicht ohne Schwächung des Gewebes ertrüge.
Auf Wolle entwickelt die beschriebene Farbmischung weder
beim Hängen, noch beim Dämpfen Gelb, was sich aus dem auſserordentlich reducirenden
Charakter dieses Textilstoffes leicht erklärt.
Noch eine Bemerkung in Bezug auf das Persulfocyan: Man hat jüngst die Meinung
ausgesprochen, daſs die reservirende Wirkung der Sulfocyanide als Schutzpapp unter
Anilinschwarz auf der Bildung jenes Stoffes beruhe. Wie aus obigen Versuchen
hervorgeht, ist dem nicht so; das „Weiſs“ wäre ja unmöglich. Uebrigens
bemerke ich, daſs die Schwefelcyanwasserstoffsäure bedeutende Mengen von Chlor oder
chlorigen Producten verschlucken kann, ehe Bildung von Persulfocyan stattfindet.