Titel: | A. Mitscherlich's Neuerungen in der Herstellung von Zellstoff (sogen. Sulfitstoff). |
Fundstelle: | Band 251, Jahrgang 1884, S. 262 |
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A. Mitscherlich's Neuerungen in der Herstellung von Zellstoff (sogen.
Sulfitstoff).Vgl. 1883 247 516. 249 23.
* 124. * 302. 250 48. 186. * 321.
Mit Abbildungen auf Tafel 24.
Mitscherlich's Herstellung von Zellstoff.
Kürzlich ist das nordamerikanische Patent (Nr. 284319 eingereicht am 12. Juli 1883,
vgl. auch Papierzeitung, 1884 S. 1) von Alex. Mitscherlich früher in Münden jetzt in Freiburg
i. B. auf Verbesserungen in der Herstellung von Cellulose (Zellstoff, sogen.
Sulfitstoff) mit Nebenproducten erschienen, welche im Folgenden kurz wiedergegeben
sind und sich auf eine neue Bekleidungsweise des Kochers, auf eine Construction für
Rohrverbinder, auf ein Stampfwerk zur vollständigen Zertheilung des gekochten
Zellstoffes und auf die Art des Kochprozesses im Allgemeinen beziehen.
Fig.
10 Taf. 21 zeigt einen Theil des Kessels oder
Kochers mit der Ausmauerung und mit dem Mannloche.
Der Kessel hat etwa 4m Durchmesser und 12m Länge, so daſs verhältniſsmäſsig groſse Mengen
Holz auf einmal gekocht werden können. Die innere Fläche des Kessels A ist mit einem Belag a
von Blei versehen, welcher mittels eines Kittes aus Theer und Pech befestigt wird.
Der Kitt wird erwärmt und die Bleitafeln unter sanftem und vorsichtigem Streichen
auf das Eisen gedrückt; er hält das Blei in solider Weise fest und sichert den
Kessel vor der Gefahr der Säure vollständig. Selbst wenn das Blei an irgend einer
Stelle verletzt werden sollte, würde, wenn hier auch der Kitt verletzt wäre, nur
diese eine Stelle des Eisens angegriffen werden können; die Säure würde. unter dem
Bleie nicht weiter fressen können. Durch einfaches Erwärmen der Stelle, damit der
Kitt wieder das Eisen deckt, und Zukleben der offenen Stelle im Bleie ist der
Schaden wieder beseitigt. Diese Bleibekleidung ist geschützt durch ein Mauerwerk aus
mit Cement verbundenen porzellanartig gebrannten Steinen.
Es ist zweckmäſsig, nur dünnes Blei zu verwenden, damit man es
beim Auflegen gut in alle Vertiefungen und Ecken drücken kann und damit der Kitt
auch ein besseres Bindeglied zwischen dem Eisen und Bleie bilde. Wollte man zu
dickes Blei verwenden, so könnte man Gefahr laufen, unterhalb des Bleies Luftblasen
einzuschlieſsen oder den Kitt nicht überall gut festzudrücken und, für den Fall
einer Verletzung des Bleies, Gelegenheit zu gröſserem Angriffe des Eisens zu bieten.
Der Kessel würde auſserdem auch durch einen auf diese Weise herbeigeführten Fehler
unbrauchbar, weil beim Auftreten eines solchen geringe Mengen gelösten Eisens zum
Zellstoffe gelangen und denselben beeinträchtigen. Wird das Blei in angegebener
Weise sorgfältig auf die Innenfläche des Kessels geklebt, so ist das kostspielige
Verlöthen der einzelnen Bleiplatten überflüssig. Die Sicherheit und Dauer des
Kessels ist durch die neue Art der Bekleidung vergröſsert worden.
Die Mannlöcher b, welche zum Füllen und Entleeren der
Kessel dienen, haben, auſser der ersten Bleibekleidung a, noch eine zweite a1; welche ebenfalls mit dem aus Pech und Theer
bestehenden Kitte befestigt ist. Ferner ist hier noch eine dritte Bleilage a2 angebracht, welche
von der Flansche abwärts nach dem Kessel geht und über eine sehr dicke Lage von Kitt
a3 reicht. Diese
verschiedenen Lagen von Blei und Kitt sind hier deshalb nothwendig, weil der im
Kessel angebrachte Schutz (durch die glasirten Ziegel d) bei den Mannlöchern wegfällt. Ist die Bleilage a2 abgenutzt, so löst man sie ab und legt
eine neue auf.
Der Kesselinhalt wird durch Rohrsysteme geheizt, welche auf der inneren Fläche des
Kessels liegen und die untere Hälfte desselben, vom Boden bis etwa zur Mitte,
bedecken. Eine gröſsere Anzahl einzeln mit Dampf gespeister Röhren ist gewählt,
damit die Kochung keine Störung erfährt, falls ein Rohr undicht werden sollte; man
schlieſst die Zuführung zum schadhaften Rohre ab und unterbricht die Kochung nicht.
Diese Rohre müssen den mechanischen und chemischen Einwirkungen gut widerstehen und
deshalb sind sie aus einer Legirung von Blei und Antimon hergestellt.
Die beiden Enden je eines Rohres sind an der Kesselwand durch eine Verschraubung befestigt, welche in Fig. 11
Taf. 21 dargestellt ist. Ein kurzes Stutzrohr B aus
Blei wird mittels einer Unterlage e von Blei und der
Mutter e1 an der
Kesselwand A befestigt. Nun schraubt man das über die
Röhre B gestreifte Stück f
in B hinein, schiebt rechts über das Rohr einen
Dichtungsring i aus Blei oder Asbest und schraubt nun
die Mutter e1 fest.
Mittels dieser Einrichtung erhält man eine sehr sichere dampfdichte Verbindung
zwischen Rohr und Kessel, welche auch der Säure zu widerstehen vermag.
Der Kessel ist ferner mit einer Vorrichtung zur Prüfung des
Inhaltes und zur leichten Beobachtung von
Temperatur und Druck versehen, was mittels der in Fig. 9 Taf.
21 dargestellten Einrichtung erreicht wird, welche nur eine einzige Oeffnung in der
Kesselwandung verlangt. Dieselbe besteht aus dem Rohrstutzen g, welcher mittels der Mutter g1 an der Kesselwand befestigt ist. Ein
Thermometerrohr g2 geht
durch die Mitte von g und wird daselbst zum Schütze von
dem Rohre g3 umgeben.
Zwischen g und g3 ist hinreichender Raum, um mittels des Ventiles
G eine kleine Menge vom Kesselinhalte ablaufen zu
lassen. In das aufwärts gebogene Ende des Rohres g2 steckt man das Thermometer. Ferner läſst sich hier
noch ein Manometer und ein Glas zur Anzeige der Höhe der Flüssigkeit im Kocher
anbringen.
Ist das Holz während einer hinreichenden Zeit gekocht worden, so gelangt es vom
Kocher nach einem Stampfwerke, welches die einzelnen
Fasern des Zellstoffes trennen und die inkrustirenden Substanzen auswaschen soll.
Diese im Wesentlichen bekannte Vorrichtung besteht aus einer Anzahl Stampfen, welche
nach einander mittels Daumen von einer Welle aus gehoben werden; sie gehen schräg
derart auf und nieder, daſs der Holzstoff nicht öfters an derselben Stelle getroffen
wird und sich härtere Theile von den weicheren lösen, wie z.B. die Asttheile, welche unter anderen
Umständen von den Stampfen zerkleinert werden und die Güte des Stoffes
beeinträchtigen würden. Damit die Astknoten nicht zerkleinert werden, berühren die
Stampfen den Boden nicht und sind auch von den geneigten Seitenwänden des Troges
etwas entfernt; hierdurch wirken die Stampfen nur allein drückend auf den Stoff,
ohne die Astknoten zu zermalmen. Der gekochte Stoff wird am unteren Ende des Troges
aufgegeben und das Wasser an verschiedenen Punkten. Die Stampfen fallen derart, daſs
die ganze Masse sich auf dem geneigten Boden nach aufwärts bewegt. Dadurch läſst
sich ein ordentliches Waschen und Loslösen der Fasern erreichen, ohne dieselben
anzugreifen, da das mit jedem Schlage ausgepreſste Wasser schnell wieder aufgesaugt
wird, u.s.w. Nach dem Stampfen wird der Stoff in bekannter Weise marktfähig
gemacht.
Das Kochen des Holzes wird in folgender Weise
ausgeführt:
Zunächst wird das Holz von der Rinde befreit, in Stücke
zerschnitten und in den Kochkessel gebracht. Sodann wird es gedämpft, welcher
Vorgang besondere Aufmerksamkeit verdient, weil davon in hohem Grade das Gelingen
des nachfolgenden Kochens abhängt. Durch das Dämpfen soll das Holz nicht für die
Einwirkung der Säure vorbereitet, sondern die atmosphärische Luft aus den Poren des
Holzes getrieben werden, damit die Säure in die Zellen des Holzes leicht eindringe.
Auf diese Weise erlangt man nicht allein eine schnellere Einwirkung der Säure auf
das Holz, sondern durch die Aufsaugung einer gröſseren Menge der Lösung kann auch
eine gröſsere Menge Holz in den Kessel gebracht werden; man nutzt also den
vorhandenen Raum besser aus und vergröſsert die Ladung. Das Dämpfen geschieht
während einer längeren oder kürzeren Zeit je nach Art des Holzes. Ist das Holz
frisch gefällt und feucht, so läſst sich die Luft in verhältniſsmäſsig kurzer Zeit
austreiben; ist es aber hart und trocken, so wird eine längere Einwirkung des
Dampfes erforderlich. Das Austreiben der Luft wird ferner beschleunigt durch
Einführen der Lösung von Schwefligsäure-Verbindungen, wobei eine schnelle
Condensation und Abnahme des Druckes im Kessel stattfindet. Man hat aber dabei Acht
zu geben, daſs die Temperatur während des Dämpfens nicht über 100° steige, da
praktische Versuche erwiesen haben, daſs ein vortheilhaftes Dämpfen bei höherer
Temperatur nicht eintritt. Diese Behandlung des Holzes ist ganz verschieden von dem
Dämpfen, welches man vor dem Schleifen des Holzes anwendete, da in letzterem Falle
eine chemische Wirkung angestrebt und dem Stoffe eine bräunliche Farbe mitgetheilt
wird.
Nachdem das Holz ordentlich gedämpft worden ist, wird der Kessel
mit der Schwefligsäure-Verbindung beschickt. Die Menge der organischen Stoffe,
welche verarbeitet werden sollen, muſs zu dem Concentrationsgrade der Lösung in
einem bestimmten Verhältnisse stehen. Dieser ist verschieden und hängt von gewissen
Bedingungen bei der Herstellung derselben ab. Besteht zwischen den organischen
Substanzen und der Lösung das richtige Verhältniſs nicht und ist z.B. eine
ungenügende Menge organischer Substanzen vorhanden, so schlagen sich leicht auf der
Faser unlösliche Salze nieder, welche nur mit Schwierigkeit ausgewaschen werden
können. Ist z.B. zweifach schwefligsaurer Kalk zu der Lösung benutzt, so kann sich
schwefligsaurer Kalk bilden, welcher nur schwer löslich ist. Wird dann solcher Stoff
zu Papier verarbeitet, so wird man darin später Knoten bemerken. Ueberdies braucht
man für solchen Stoff beim Bleichen viel gröſsere Mengen Chlorkalk, so daſs die
Kosten des Bleichens beträchtlich erhöht werden. Befindet sich dagegen eine zu
groſse Menge organischer Substanzen in der Lösung, so wird der Stoff nicht weich
genug, d.h. nicht hinreichend aufgeschlossen.
Die besten Verhältnisse sind durch Versuche zu ermitteln, indem
man von Zeit zu Zeit eine kleine Probe aus der oben beschriebenen Ablaſsröhre
entnimmt und untersucht.
Während des Kochens müssen Temperatur und Kochdauer streng beobachtet werden. Der
erste Theil des Kochens besteht in einer langsamen, zunehmenden Wirkung der Lösung,
so daſs Alles, was vom Holze aufgenommen ist, wieder ersetzt werden kann. Dies
findet am besten bei einer Temperatur von nicht viel mehr als 108° statt. Hiernach
findet eine schnellere Wirkung statt und zwar bei einer Temperatur, welche nach und
nach bis auf 118° erhöht wird; besonders gegen das Ende des Kochens hat man zu
achten, da dies Hand in Hand mit dem Austreiben der überschüssigen schwefligen Säure
vor sich geht. Wird die schweflige Säure abgekocht, so wird die Wirkung ebenso
aufgehalten wie beim Erniedrigen der Temperatur. Wenn man die verschiedenen Stufen
der Umwandlung gut beobachtet, indem man von Zeit zu Zeit Proben entnimmt und prüft,
kann man sich über die Menge der noch im Kessel befindlichen wirksamen Lösung
Gewiſsheit verschaffen. Ist z.B. zweifach schwefligsaurer Kalk benutzt und die
Probelösung mit Ammoniak versetzt, so zeigt sich ein Niederschlag, indem durch das
Ammoniak ein Theil der schwefligen Saure gebunden wird und der schwefligsaure Kalk
als Niederschlag zu Boden fällt. Die Salze, welche sich im regelrechten Verlaufe des
Prozesses bilden, werden nicht niedergeschlagen. Aus dem Niederschlage kann das
Verhältniſs der wirksamen Lösung leicht bestimmt werden. Ist der Niederschlag nur
etwa 1/16 des
Volumens der Probelösung, so ist der Zeitpunkt zum Abkochen der schwefligen Säure
gekommen. Hierdurch sinkt die Temperatur und auch der Druck läſst gleichzeitig nach.
Ist der Niederschlag im Probeglase nur 1/32 der Probe, so ist der Prozeſs vollständig beendet
und die Lösung muſs schnell abgelassen werden. Ein noch geringerer Niederschlag
beweist, daſs der Prozeſs zu weit geführt wurde und daſs keine nutzbaren Stoffe mehr
vorhanden sind; in solchem Falle würde sich freie Säure, wahrscheinlich
Schwefelsäure, bilden und der organischen Masse eine schädliche braune Farbe
mittheilen.
Zur sicheren Führung des Kochprozesses durch die verschiedenen,
sehr wichtigen Stufen und Temperaturen, ist ein Kessel von groſsen Abmessungen und
mit der beschriebenen Einrichtung vortheilhaft. Eine höhere Temperatur würde zwar
den Prozeſs beschleunigen, aber auch höheren Druck bedingen, und der auf diese Weise
gewonnene Zellstoff würde nicht allein in Qualität, sondern auch in Zähigkeit und
Menge zurückstehen.
Der chemische Vorgang, welcher während des Kochens stattfindet,
ist etwa folgender: Die schweflige Säure wird durch einen Theil des Sauerstoffes der
organischen Stoffe höher oxydirt zu Schwefelsäure, welche sich unter normalen
Verhältnissen mit den Basen, welche vorher mit der schwefligen Säure vereinigt
waren, verbindet. Bei schlechter Führung des Prozesses würde sich freie Säure in der
Lösung bilden und auf die Faser zerstörend einwirken. Neben der freien Säure und
ihrer Verbindung bilden sich aus den inkrustirenden Substanzen Verbindungen mit
Gerbsäure. Für die regelrechte Ausführung des Prozesses ist es Hauptbedingung, daſs
die Schwefligsäurelösung frei von polythionsauren Salzen sei, da durch letztere die
Kochung miſsglückt. Zu gleicher Zeit nimmt die Temperatur stark zu und die dem
Kessel entnommenen Proben zeigen eine abnorm schnelle Abnahme von schwefliger Säure.
Die Polythionsauren entstehen gewöhnlich in Folge der Gegenwart freier
Schwefeldämpfe während des Röstprozesses. Um sie zu vermeiden, muſs man Sorge
tragen, daſs die schweflige Säure frei von solcher Säure oder ihren Salzen erzeugt
wird.