Titel: | Neuere Kolbenschieber für Dampfmaschinen. |
Fundstelle: | Band 251, Jahrgang 1884, S. 346 |
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Neuere Kolbenschieber für
Dampfmaschinen.
Mit Abbildungen auf Tafel 25.
Neuere Kolbenschieber für Dampfmaschinen.
Kolbenschieber werden auſser für Wassersäulmaschinen allgemeiner nur für Dampfhämmer,
Dampfaufzüge und dergleichen von Hand zu steuernde Maschinen verwendet. Bezüglich
ihrer Benutzung bei gewöhnlichen Betriebsmaschinen herrscht die Ansicht, daſs sie
für diese unzweckmäſsig seien, weil sie, ungelidert, nicht lange dicht blieben und
die Anordnung von Packungen Schwierigkeiten biete. Nach mehrfachen Berichten über
mit Kolbenschiebern gemachte Erfahrungen scheint diese Ansicht indessen nicht ganz
gerechtfertigt zu sein. Jedenfalls sind die Vorzüge der Kolbenschieber so
wesentliche, daſs sie in vielen Fällen den Nachtheil eines geringen Dampfverlustes
durch Undichtigkeit aufwiegen. Zunächst ergeben sie bei den gebräuchlichen
Durchmessern immer verhältniſsmäſsig groſse Durchströmöffnungen bei kleinem Hube, da
sich dieselben auf den ganzen Umfang erstrecken. Dann erfordern sie wegen ihrer
vollkommenen Entlastung nur einen geringen Arbeitsaufwand zu ihrer Bewegung, in
Folge dessen auch die zur Bewegung dienenden Theile sehr dauerhaft sein werden.
Endlich lassen sie, ebenfalls wegen der Entlastung, eine genaue Regulirung des
Füllungsgrades in einfacher Weise zu. Diese Vorzüge lassen die Kolbenschieber ganz
besonders für schnellgehende Maschinen geeignet erscheinen, um so mehr, als der verhältniſsmäſsige Dampfverlust durch Undichtigkeiten
um so geringer sein muſs, je schneller die Maschine läuft.
P.
Armington in Lawrence, Mass., Nordamerika (* D. R. P. Nr. 22828 vom 24. August
1882).benutzt bei seinen schnell laufenden Maschinen (vgl. * S. 241 d.
Bd.), welche für elektrische Beleuchtung in kurzer Zeit eine groſse Verbreitung
gefunden haben, den in Fig. 1 bis
3 Taf. 25 dargestellten Schieber. Derselbe besteht aus einem Rohre,
welches an jedem Ende durch ein Rippenkreuz mit einem Vollkolben so verbunden ist,
daſs zwischen Rohr und Kolben je ein Ringspalt bleibt. Der Dampf tritt in der Mitte
bei e in den Schieberkasten ein und entweicht an den
Enden durch die Oeffnungen a. Die äuſseren Deckungen,
welche hier also den Beginn und Schluſs der Ausströmung bestimmen, sind sehr gering,
die für die Einströmung in Betracht kommenden inneren Deckungen dagegen sehr groſs
(nämlich gleich cd in Fig. 1)
genommen. Bewegt sich demnach der Schieber aus der in Fig. 1
gezeichneten Mittelstellung z.B. nach links, so wird der rechte Cylinderkanal für
die Ausströmung sofort geöffnet, die Einströmung links beginnt aber erst, wenn die
Kanten d und c
zusammentreffen; gleichzeitig ist dann auch die Kante n
mit der Kante m zusammengefallen und es findet daher
(wie bei dem Trick'schen Kanalschieber)
Doppeleinströmung statt (vgl. Fig. 3). Das
Voreilen des Schiebers muſs selbstverständlich so groſs sein, daſs zu Anfang des
Kolbenhubes die Einströmung schon begonnen hat; der Ausströmkanal ist dann schon
voll geöffnet, was für schnell gehende Maschinen sehr wichtig ist. Wegen der groſsen
inneren und kleinen äuſseren Deckungen sind ganz geringe Füllungen ohne übermäſsig
starke Compression zu erreichen. Die Cylinderstutzen, in welchen sich die Kolben
bewegen, sind sammt dem ganzen Schieberkasten direkt an den Dampfcylinder
angegossen. Versieht man dieselben mit einer auswechselbaren Ausfütterung, so ist
einer eingetretenen Undichtigkeit leicht abzuhelfen. Auch die Auswechselung der
Kolben selbst wird keine sehr erheblichen Kosten verursachen.
Wie aus einem Berichte von A. Spannagel in Stahl und Eisen, 1881 S. 175 hervorgeht, haben sich
auch bei Walzwerksmaschinen die Kolbenschieber recht
gut bewährt. Die Gesellschaft Phönix in Laar hat
dieselben seit dem J. 1872 in Betrieb, allerdings zuerst nur in vertikaler
Anordnung. Da sie aber ein tadelloses Verhalten zeigten, wurde im J. 1878 ein erster
Versuch mit horizontal liegenden cylindrischen Schiebern nach dem Systeme Rider gemacht. Trotzdem keine Liderung benutzt war,
zeigten die Schieber nach 2 jährigem Betriebe noch einen dichten Verschluſs. Im J.
1879 wurde dann ferner die Flachschiebersteuerung einer Schnellwalzmaschine in eine
Kolbensteuerung nach Meyer'schem Systeme umgeändert,
welche in Fig. 4 bis
6 Taf. 25 abgebildet ist. Wie bei der ähnlichen Anordnung von P.
Wirtz (vgl. 1880 236 * 360) sind innerhalb des
rohrförmigen Vertheilungsschiebers A die beiden
Expansionsschieber B auf der mit Rechts- und
Linksgewinde versehenen Schieberstange F angebracht.
Das Muttergewinde ist direkt in das Auge des Stegkreuzes eingeschnitten. Die Stange
C des Vertheilungsschiebers ist hier seitlich
gelegt und dient zugleich den Expansionsschiebern zur Führung und zum Halt bei einer
Drehung der Stange F. Der Dampf tritt an einem Ende des
Steuercylinders ein und erfüllt den ganzen Innenraum des Schiebers A, während der Abdampf in den ringförmigen Raum
zwischen A und dem Steuercylinder einströmt und aus
diesem abgeführt wird. Der Schieber A ist an jedem Ende
mit einem guſseisernen Packungsringe versehen, welcher breiter ist als die
quadratischen Oeffnungen in den Futtern N, mit denen
der Steuercylinder ausgekleidet ist. Der zugehörige Dampfcylinder hat 785mm Durchmesser, der Kolbenhub beträgt 1255mm und die Umlaufszahl der Kurbelwelle ist 100 in
der Minute. Auch diese Steuerung bewährte sich vortrefflich und lieſs nach 1½
jährigem Betriebe noch keine Undichtigkeit erkennen. Die Ausbesserungen werden sich
hauptsächlich auf eine nur selten erforderliche Auswechselung der Packungsringe
beschränken.
Ferner wurden dann auf demselben Werke die Flachschieber an einer
Schienenwalzmaschine durch die in Fig. 11 bis
14 Taf. 25 dargestellten Kolbenschieber ersetzt. Um eine bequeme Regelung
des Füllungsgrades während des Betriebes zu ermöglichen, wurde hier das System Rider gewählt. Der Vertheilungsschieber A bildet einen doppelwandigen Cylinder, dessen
Auſsenwand an jedem Ende mit einem zu den Erzeugenden senkrechten Schlitz und dessen
Innenwand mit schraubenförmigen Schlitzen versehen ist. Der innenliegende
Expansionsschieber ist entsprechend schraubenförmig abgeschnitten. Der durch den
Stutzen J (Fig. 11)
zuströmende Dampf gelangt also zunächst in den Mantelraum von A und aus diesem in die Cylinderkanäle. Zur Drehung des
Expansionsschiebers dient der Hebel E, durch dessen
Drehzapfen die Schieberstange hindurchgeht; letztere trägt eine Kurbel G, welche auf der an E
befestigten Stange F gleitet und die Drehung des Hebels
auf die Schieberstange überträgt. Wie bei Fig. 5 ist
der Schieber A mit breiten (nicht gezeichneten)
Liderungsringen und das Gehäuse mit einem (gleichfalls nicht angegebenen)
guſseisernen Futter zum Auswechseln versehen. Die Maschine hat 1000mm Cylinderdurchmesser, 1412mm Hub und macht gewöhnlich 90 Umdrehungen bei 0,2
bis 0,4 Füllung. Die Steuerung wurde von Gebrüder Klein
in Dahlbruch ausgeführt und von denselben später noch an einer groſsen Zahl
Walzenzugmaschinen angebracht.
Der in Fig. 7 und 8 Taf. 25
abgebildete einfache Kolbenschieber ist in vertikaler Lage bei einer
Schienenwalzmaschine des Stahlwerkes Bosch in Dortmund
benutzt, welche 1100mm Cylinderdurchmesser,
1200mm Hub hat und 100 Umläufe in der Minute
macht. Auch bei diesem Schieber findet wie bei Armington Doppeleinströmung,
jedoch in einfacherer Weise statt, wie aus Fig. 7
ersichtlich ist. Der Dampf tritt bei A ein und
entweicht oben und unten bei D. Der obere Kolben hat
einen etwas gröſseren Durchmesser als der untere, so daſs bei normaler Dampfspannung
der nach oben wirkende Ueberdruck ungefähr das Gewicht der Kolben sammt Stange
aufhebt. Trotzdem hier keine Liderung vorhanden ist, ergab der Schieber nach 3
jährigem Betriebe noch eine befriedigende Dichtigkeit.
Fig.
9 und 10 Taf. 25
zeigen endlich eine ebenfalls für groſse Walzenzugmaschinen bestimmte
Schleppschiebersteuerung von Ehrhardt und Sehmer in
Malstatt-Saarbrücken, deren Wirkungsweise dieselbe ist, wie bei den in D. p. J. 1880 235 * 93
besprochenen Schleppsteuerungen mit ebenen Schiebern. Der Dampf tritt an den Enden
ein und strömt in der Mitte ab.
Bei horizontaler Lage solcher Kolbenschieber kann allerdings durch das Eigengewicht
derselben leicht eine einseitige Abnutzung herbeigeführt werden. Diesem Uebelstande
könnte man jedoch dadurch begegnen, daſs man z.B. die vollen Kolben, wie sie in Fig.
1, 7 und 9
vorhanden sind, auf der dem Drucke des gespannten Dampfes ausgesetzten Seite nicht
senkrecht, sondern geneigt zur Achse, oben etwas vortretend, begrenzen würde, so
daſs diese Fläche eine Horizontalprojection ergibt, welche groſs genug ist, daſs der
darauf treffende, nach oben wirkende Dampfdruck bei normaler Spannung dem
Kolbengewichte das Gleichgewicht hält. Die rohrförmigen, an den Enden offenen
Schieber (Fig. 5 und
11) könnte man in gleicher Weise an den Enden schräg abschneiden. Wenn
Liderungsringe vorhanden sind und die Kolben im Uebrigen nicht dicht schlieſsen,
wären diese Ringe oben breiter als unten auszuführen. Als wirksamer Dampfdruck wäre
hierbei der Ueberdruck des frischen Dampfes über den in der Dichtungsfläche
durchschnittlich vorhandenen Druck in Rechnung zu bringen; letzterer lieſse sich
annähernd durch Anschrauben eines Manometers bei ruhendem Kolben oder genauer
mittels eines Indicators bei bewegtem Kolben bestimmen. Er wird im Allgemeinen
zwischen Einström- und Ausströmspannung ungefähr in der Mitte liegen. Bei 6at absoluter Spannung des frischen Dampfes im
Gehäuse und 1at Ausströmspannung würde also etwa
2at,5 wirksamer Dampfdruck anzunehmen sein, so
daſs für je 10k des Schiebergewichtes 4qc Horizontalprojection der betreffenden
Druckfläche nöthig wären. Ist die Betriebsspannung geringer als die, für welche der
Schieber berechnet ist, so wird das Eigengewicht desselben weniger vollständig
ausgeglichen; ist sie gröſser, so wird ein geringer Ueberdruck nach oben
stattfinden. Immerhin aber wird die einseitige Abnutzung vermindert werden.