Titel: | Versuche mit gepresster Schiessbaumwolle; von M. v. Förster. |
Autor: | M. v. Förster |
Fundstelle: | Band 251, Jahrgang 1884, S. 372 |
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Versuche mit gepreſster Schieſsbaumwolle; von
M. v. Förster.
M. v. Förster, über Versuche mit gepreſster
Schieſsbaumwolle.
Oscar Guttmann hat in dankenswerther Weise meine in
einer Broschüre veröffentlichten Versuche über die vortheilhafteste Verwendungsweise
comprimirter Schieſswolle in einem Aufsatze dieses Journals (1883 250 456) eingehend beleuchtet und sehr interessante
Schlüsse gezogen. Folgende Entgegnung sei mir jedoch gestattet.
In wie weit bei detonirter Schieſswolle im geschlossenen Räume ähnliche Verhältnisse
in der Kraftentwickelung eintreten, als wie bei nicht eingeschlossener, auf dem
Ziele frei aufliegender, bin ich im Begriffe, näher zu ermitteln. Ich glaube, daſs
die bisher bekannten Versuche und Theorien den Gegenstand nicht völlig erschöpfen;
meine Versuche werden dies auch nicht thun, aber vielleicht zur Klärung der Sache
beitragen.
In Bezug auf mein Verfahren, Stücke comprimirter Schieſswolie mittels Eintauchen
derselben in ein Lösungsmittel mit einem Ueberzuge zu versehen, bemerke ich, daſs
EssigätherM. v. Förster hat in seiner Schrift ausdrücklich
gesagt, daſs er die Patrone in Aether,
Essigäther u. dgl. tauche. Bekannt ist, daſs sich Trinitrocellulose in
Aether nicht löst, und auch von Essigäther ist man dieser Meinung, trotzdem
ein Beobachter fand, daſs sie sich darin gelatinire. v. Förster's positiver Behauptung zu Folge hat Referent einer aus
dem J. 1883 stammenden Schieſswollpatrone von Stowmarket eine Probe
entnommen und sie mit Essigäther von 150 und 50° Wärme längere Zeit
behandelt, aber auſser dem Aufquellen des anfangs noch gepreſsten Stückes
keinerlei Veränderung gefunden; die
Schieſswolle war zum Theile fein suspendirt, der Rest sank als Pülpe zu
Boden und war nach endlichem Waschen und Trocknen wieder gebrauchsfähig.O. G. , ebenso
wie Nitrobenzol und noch verschiedene andere Stoffe, wohl Schieſswolle löst und zwar
genau so wie eine Mischung von Alkohol und Schwefeläther Collodiumwolle. Mein
Verfahren unterscheidet sich eben dadurch von den früheren mehrfach patentirten
Methoden, Patronen von Schieſsbaumwolle, Dynamit u.s.w. durch einen Ueberzug von
Collodium wasserdicht zu machen, daſs ich die damals für unlöslich gehaltene
Schieſsbaumwolle löse, daſs die überziehende Haut aus der eigentlichen Masse des
Schieſswollstückes selbst gebildet und nicht unter Benutzung eines anderen Stoffes
aufgetragen wird.
Gut nitrirte Schieſswolle enthält 7 bis 10 Proc. Collodiumwolle; wenn man ein Stück
solcher Schieſswolle in Aetheralkohol, dem Lösungsmittel der Collodiumwolle,
eintaucht, so dringt letztere Flüssigkeit in die Schieſswolle ein, ohne eine Haut zu
bilden, oder ohne auch nur eine nennenswerthe Lösung im Inneren des Stückes zu
bewirken. Dagegen wird sogar Schieſswolie, welche durch Extraction mit Aetheralkohol
von Collodiumwolle gänzlich befreit ist, vollständig von Essigäther gelöst. Daſs die
durch mein Verfahren
gebildete Haut nicht wasserdicht ist, liegt wohl darin, daſs jedes Stück
comprimirter Schieſswolle kleine Risse an der Oberfläche besitzt, welche durch das
Lösungsmittel theilweise vielleicht zugezogen, theilweise wohl auch erweitert
werden. Uebrigens sind die Risse nicht erheblich, mit bloſsem Auge nicht sichtbar
und schaden der Festigkeit des Stückes in keiner Weise. Um die Wasserdichtigkeit
herzustellen, lackire ich neuerdings die Stücke, nachdem sie mittels Essigäther eine
feste Haut erhalten haben, und bekommen sie dadurch die Eigenschaft, daſs sie, wenn
sie trocken sind, kein Wasser einlassen, wenn sie naſs sind, keine Feuchtigkeit
austreten lassen. Die gepreſste Schieſswolle wird bekanntlich sowohl trocken, wie
naſs verwendet.
Betreffend die Selbstzersetzung der Schieſswolle bemerke ich, daſs ich das Beispiel
in meiner Broschüre mit dem schlecht entsäuerten Stück Schieſswolle nur als einen
neuen Beleg und als einen solchen, der sich unter meinen Augen vollzieht, für meine
Ansicht angeführt habe, daſs sich Schieſswolle, selbst schlechte, unter annähernd
normalen und im praktischen Leben vorkommenden und einzuhaltenden Verhältnissen
nicht unter Feuererscheinung oder gar Explosion zersetzt. Das bei mir in Versuch
liegende, in Zersetzung begriffene Stück Schieſswolle habe ich luftdicht in eine
Kiste eingeschlossen, weil ich der Ansicht bin, daſs diese Art der Aufbewahrung
gerade für Beschleunigung der Selbstzersetzung mehr beitragen wird, als etwa eine
Aufbewahrung in der atmosphärischen Luft oder im Wasser, in welchen Fällen die sich
entwickelnden Gase leicht entweichen können und ein Druck nicht entstehen kann.
Auſser dem eben angeführten Versuche sind jedoch auch von mir und anderen mehr
competenten Leuten eine Reihe Versuche gemacht, welche meine Ansicht bestätigen.
Wenn man gute Schieſswolle Monate lang in einer höheren Temperatur (von z.B. 110°)
läſst, so verliert sie dauernd Stickstoff; es geht immer mehr Substanz verloren und
schlieſslich bleibt ein braunes Pulver übrig. Eine Feuererscheinung tritt nicht ein.
Wenn natürlich eine Temperatur hervorgerufen wird, welche eben die
Entzündungstemperatur ist (bei guter Schieſs wolle und bei allmählicher Erhitzung
175 bis 180°, bei plötzlicher Erhitzung etwa 240°, bei schlecht entsäuerter liegt
sie niedriger und sinkt bis 140°), so wird ein Brennen der Schieſswolle eintreten;
man kann dies jedoch keine Selbstzersetzung nennen.
In der Schieſswollfabrikation ist man schon seit einer Reihe von Jahren so weit
fortgeschritten, daſs man Schieſswolle, die erst so weit ausgewaschen ist, daſs sie
nicht mehr auf Lackmus reagirt, immer noch eine unvollständig, also vorläufig,
schlecht ausgewaschene nennt; erst durch Zerkleinern der faserigen Schieſswolle in
Staubform und weitere Behandlung kommt man in die Lage, eine rein ausgewaschene
Schieſswolle zu erhalten. Früher, ehe man das Verfahren der Zerkleinerung der
Schieſswolle, welches von Prof. Abel eingeführt ist,
anwendete, mag manche
mangelhafte Schieſswolle in Gebrauch und zur Lagerung gekommen sein; aber selbst von
dieser Schieſswolle ist mir ein sicher festgestellter Fall der Verbrennung oder
Explosion von Schieſswolle durch Selbstzersetzung nicht bekannt und würde die
Mittheilung eines solchen sehr dankbar aufzunehmen sein.
Es versteht sich von selbst, daſs jetzt, wo die Fabrikation so weit vorgeschritten
ist, daſs das Ziel erreicht werden kann, nur gute Schieſswolle und Collodiumwolle in
den Handel und in die weitere Fabrikation für Celluloid u.s.w. gelangen sollte;
dieselbe Anforderung müſste man an andere Sprengstoffe, wie Dynamit, Sprenggelatine
u. dgl., stellen und sollte durch den Staat eine Controle eingeführt werden, welche
bezweckt, daſs minder gute Sprengstoffe von der Verwendung ausgeschlossen werden. In
England werden Schieſswolle wie die anderen genannten Sprengstoffe einer Probe
unterworfen (vgl. 1883 249 * 513), und zwar müssen sie
die Jodkaliumstärke-Reaction mindestens 10 Minuten lang bei 150° Fahrenheit (= 65,5°
C.) halten; anderenfalls werden sie vom Verkehre ausgeschlossen.