Titel: | Ueber die Zuckergewinnung aus Melasse mittels Kalk. |
Fundstelle: | Band 251, Jahrgang 1884, S. 374 |
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Ueber die Zuckergewinnung aus Melasse mittels Kalk.
(Fortsetzung des Berichtes von S. 313 d.
Bd.)
Ueber die Zuckergewinnung aus Melasse mittels Kalk.
Hier ist auch der Punkt, wo die theoretische Erörterung der Berechtigung der von Manoury vorgeschlagenen Vorbehandlung der Melassen mit
Kalk und Soda am Platze scheint, nicht lediglich mit Soda. Es scheint, als ob man
die Gefahr, welche in der Bildung der Kalksalze liegt, bei der Reaction hat
vermeiden wollen. Da aber bei jedem Verfahren eine solche Einwirkung stattfindet und
nicht zu vermeiden ist, auch nicht bei Manoury, so ist
es gar kein unpraktischer Gedanke, sie wenigstens unter solchen Bedingungen vor sich
gehen zu lassen, welche man in der Hand hat. Man ruft noch vor der
Melassekalk-Bereitung durch energisches Kochen der Melasse mit Kalk die doch nicht
zu umgehende Bildung jener Kalksalze hervor, welche wohl gröſstentheils
wasserlöslich sind, die aber nun mittels kohlensauren Natrons in Alkalisalze und
kohlensauren Kalk übergeführt werden. Diese Alkalisalze sind aber auslaugbar und es
wird so eine gewisse Menge organischen Nichtzuckers aus dem Melassekalke entfernt,
welche sonst an Kalk gebunden, als in verdünntem Alkohole unlöslich, nachher die
saturirten Zuckerkalke verunreinigt hätte. Vermieden wird die Reaction des Kalkes
auf den Nichtzucker durch die Vorreinigung jedoch auch nicht, wohl aber bedeutend
eingeschränkt.
Ohne Zweifel kann dieser Erfolg durch Zusatz von Soda zu den saturirten Zuckerkalken
nicht erreicht werden; es wird hier nur wenig Nichtzucker sich ausscheiden und die
Krystallisation ungünstig beeinfluſst werden. Eine bloſse Behandlung der Melassen
mit Soda wird höchstens den Erfolg haben, die bereits in der Melasse enthaltenen
Kalksalze umzusetzen, eine Wirkung, die übrigens auch durch das erstere Verfahren
erreicht wird; die Bildung von Kalksalzen bei der Reaction des Kalkes auf die
Melassen kann aber dadurch keineswegs vermieden werden. Angenommen, in der mit Soda
behandelten und darauf mit Kalk oder Kalkhydrat in Melassekalk umgewandelten Melasse
entstände zunächst durch Umsetzung kohlensaurer Kalk und Aetzalkali, so würden durch
letzteres zwar eine gewisse Menge auslaugbare Alkalisalze entstehen, nebenbei aber
nach wie vor direkt sowohl, wie durch Umsetzung der Alkalisalze auch Kalksalze.
Dennoch finden sich in den aus so behandelten Melassen erhaltenen Zuckerkalken organischsaure Kalksalze,
welche nun zum Theile erst durch die besprochenen Umsetzungen während der Laugung
sich bilden. Die Zuckerverluste sollten hauptsächlich dadurch verursacht werden,
daſs ein Theil des Zuckers während der Reaction an weniger Kalk gebunden ist, als
einem Trisaccharate entspricht, und war es unentschieden, ob durch Einwirkung von
Aetzkali oder von organischsauren Alkalisalzen auf den dreibasischen Zuckerkalk auch
weitere Mengen des letzteren zersetzt würden. Beides erscheint in irgend erheblichem
Maſse wenig wahrscheinlich. Ist die Einwirkung des freien Alkalis in der
bezeichneten Richtung von Belang, so muſs dementsprechend der Zuckerverlust steigen
und in einem bestimmten Verhältnisse zum freien Kali stehen, welches sich dem aus
der Formel C12H22O11.K2O
abzuleitenden nähert; dem widersprechen aber die erhaltenen Resultate. Mit Rücksicht
auf die zweit bezeichnete Reaction muſs ein anderes Verhältniſs sich herstellen,
nach der GleichungAc bedeutet organische Säure. : C12H22O11.3CaO + 6AcK = C12H22O11.K2O + 2K2O + 3Ac2Ca, so daſs niemals ein aus dem Zuckergehalte der
Laugen wenigstens annähernd zu berechnender Alkaligehalt auftreten könnte. Bei den
Versuchsresultaten ist aber in keinem einzigen Falle die Menge des vorhandenen
Aetzkalis gegenüber dem Zucker so groſs, wie es diese Gleichung verlangt; vielmehr
ist der Zucker meist in einem Verhältnisse vorhanden, wie es etwa der Formel C12H22O11.K2O entspricht.
Da nun einerseits eine Anzahl Fälle festgestellt ist, wo die Menge des freien
Alkalis mehr als 1 Mol. beträgt, andererseits aber nie eine 3 Mol. entsprechende
Menge nachzuweisen war, vielmehr in der weitaus gröſsten Zahl der Versuche dieselbe
sich der durch 1 Mol. bedingten nähert, so kann man behaupten, daſs die beiden
erwähnten secundären Ursachen der Zuckerverluste nur in geringem Maſse gegenüber der
Hauptursache wirksam sein können.
Es scheint, daſs die Fälle der Uebereinstimmung des gefundenen und des aus Kali
berechneten Zuckers auf einer Zufälligkeit beruhen, derart, daſs gerade eine
hinreichende, sogar überschüssige Menge von Kalisalzen vorhanden war, welche durch
den in Lösung gegangenen minderbasischen Zuckerkalk zersetzt werden konnte. In der
That sind fast überall in diesen Fällen auch noch un-zersetzte Mengen
organischsaurer Alkalisalze, mitunter auch noch Kalk vorhanden, oder beides
zugleich. Dies ist leicht begreiflich, da ja nicht alle Säuren der Melasse mit Kalk
in verdünntem Alkohole unlösliche Salze bilden und da Aetzkalk in letzterem
ebenfalls nicht ganz unlöslich ist. Da nun so gar keine regelmäſsigen Beziehungen
zwischen Zucker und freiem Kali sich nachweisen lassen, so wird man nicht fehl
gehen, wenn man die Hauptursache der Zuckerverluste in der mangelhaften Bindung des
Zuckers im Melassekalke sucht.
Wenn wir hiernach eine Klassifikation der einzelnen Verfahren aufstellen wollen, so
stellen sich die Zuckerverluste im Durchschnitte aller 4 Versuche auf 100 Zucker
bei:
Werthzahl(100 a:
durch Quotient)
Durchschnitts-quotient
Eißfeldt
8,29
9,23
89,7
Manoury
15,21
10,11
93,4
Scheibler-Seyferth
22,20
24,58
90,3
Weinrich
28,88
32,77
88,1
Drevermann-Sostmann
7,25
9,62
73,9
Ganz unzweifelhaft sind also mit der Darstellung des Zuckerkalkes nach Eißfeldt's Methode die geringsten Zuckerverluste
verbunden. Es ist nun zu berücksichtigen, daſs in allen Fällen die Zuckerverluste
etwas hoch erscheinen, weil fast bis zur äuſsersten erreichbaren Grenze ausgewaschen
ist, und vielleicht eine unwesentliche Verbesserung der Quotienten auf Kosten des
Zuckers herbeigeführt worden. Was nach Entfernung der Alkalien noch weiter
ausgelaugt werden kann, sind lediglich Kalksalze und Zuckerkalk und es erscheint
keineswegs unmöglich, daſs ein zu weit getriebenes Auslaugen den Quotienten nicht
mehr verbessert, sondern erniedrigt, indem mehr Zuckerkalk schlieſslich entfernt
werden kann als die vielleicht schwerer löslichen Kalksalze.
Es muſs überhaupt festgehalten werden, daſs die Reinheit der Zuckerkalke wesentlich
von einem mechanischen Vorgange der Laugung abhängt. Nehmen wir die annähernde
Unlöslichkeit des Trisaccharates in verdünntem Alkohole an, so kann aus irgend einem
Melassekalke zunächst nur so viel Zucker in Verlust gehen, als vom minderbasischen
Saccharat vorhanden war. Der Grad der Verunreinigung, der hierin begründet ist, d.h.
in der Umsetzung des als Zuckerkalk gebundenen Kalkes mit organischsauren
Kalisalzen, ist für alle Verfahren unvermeidlich und richtet sich nach der
Vollständigkeit des Gebundenseins des Zuckers im Melassekalke. Die weitere
Verunreinigung aber, welche nun in der ferneren Einwirkung des überschüssigen
Aetzkalkes des Melassekalkes auf die Kalisalze liegt, hängt lediglich von der
Schnelligkeit der Auslaugung ab.
Da der Aetzkalk in verdünntem Alkohole nur in geringer Menge und sehr langsam löslich
ist, so ist es möglich, die auſserordentlich leicht in Lösung gehenden Alkalisalze
zu entfernen, bevor nennenswerthe Mengen Kalk zur Einwirkung gekommen waren. In den
ersten Portionen der Laugen befindet sich die gröſste Menge Nichtzucker wie Zucker
gelöst, in folgender Reihenfolge:
Nichtzucker
Zucker
Eißfeldt
Manoury
Manoury
Weinrich
Weinrich
Scheibler-Seyferth
Scheibler-Seyferth
Eißfeldt
Drevermann
Drevermann
Zur Lösung einer ungefähr gleichen Menge Nichtzuckers sind im
Anfange der Laugung erforderlich nach:
Manoury
1 Th. Lauge
Eißfeldt
1,18
Weinrich
1,81
Scheibler-Seyferth
7,01
Drevermann
8,18
Die damit gelösten Zuckermengen betragen nach:
Eißfeldt
1 Th.
Weinrich
2,79
Manoury
2,89
Drevermann
3,20
Scheibler-Seyferth
3,97
Gleichzeitig enthalten die ersten Laugen auch die gröſsten
Mengen freien Kalis; somit sind hier die gröſsten Mengen Kalksalze entstanden. Da
aber die Löslichkeit der Kalisalze in verdünntem Alkohole gröſser ist als die des
Zuckerkalkes oder Aetzkalkes, so ist in der ersten Lauge auch noch die gröſste Menge
unzersetzter Alkalisalze vorhanden, die allmählich ganz verschwinden, weil in den
weiteren Portionen der Laugen genügend Kalk und Zuckerkalk gelöst war, um die
kleinen Reste noch gelöster Alkalisalze zu zersetzen. Hier sind schlieſslich keine
gebundenen Kalisalze mehr vorhanden; alles Kali ist als Aetzkali vorhanden und zwar
verschwindet das organischsaure Alkali aus den Laugen bei den verschiedenen
Verfahren in folgender Reihenfolge:
Nach
Manoury
nach
6,28l
und 5l,26 Lauge
Eißfeldt
„
7,26
Weinrich
„
11,03
noch nicht
vollständig
Drevermann
„
13,27
ziemlich
„
Scheibler-Seyferth
„
14,37
noch keineswegs.
Es verbleiben also bei den letzteren drei Verfahren die
Kalisalze vermöge der mangelhafteren mechanischen Auslaugung länger im Melassekalke
als in den beiden ersteren. Das Weinrich'sche Verfahren
steht jedoch den beiden ersten näher als den beiden letzten. Das Drevermann'sche ist aber nicht wohl zum Vergleiche
heranzuziehen.
Die Quotienten der Laugen sind um so schlechter im Beginne der Auslaugung, je rascher
und vollständiger diese verläuft und je vollständiger der Zucker gebunden ist. Es
verhalten sich in Bezug auf den Quotienten der ersten Lauge die einzelnen Methoden
folgendermaſsen:
Eißfeldt
10,9
Weinrich
22,5
Manoury
24,09 und 25,94
Drevermann
24,15
Scheibler-Seyferth
34,01
Diese Beziehung ist aber nicht so entscheidend für den Werth
der einzelnen Methoden, da mit der Auslaugefähigkeit des Melassekalkes überhaupt
natürlich auch die gegenüber dem minderbasischen Zuckerkalke wächst, sie sich sonach
aus der gröſseren oder geringeren Vollständigkeit der Bindung des Zuckers als
Trisaccharat und der Auslaugefähigkeit des Melassekalkes überhaupt zusammensetzt.
Die Nichtzuckerstoffe müssen zu Folge der Veränderungen, welche bei den
Melassekalk-Bereitungen vor sich gehen, bei sämmtlichen verschiedenen Verfahren auch
eine entsprechend veränderte Löslichkeit besitzen, da es sich doch um dieselben
Melassen handelt.
Am stärksten müſste diese Einwirkung bei dem Scheibler-Seyferth'schen Verfahren auftreten. Wenn man berücksichtigt,
daſs von den 20 Proc. Wasser, welche die Melasse durchschnittlich enthält, nur etwa
2 Proc. während der Reaction in Dampfform übergehen, etwa 8 Proc. durch den Kalk
gebunden werden und über 60 Procent der Trockensubstanz als unlösliches Trisaccharat
ausgeschieden werden, so müssen die übrigen 10 Proc. Wasser, welche vorher rund 40
Proc. Trockensubstanz in Lösung erhalten haben, nun doch wohl hinreichen, um 30
Proc. in dem gleichen Zustande zu erhalten, obschon scheinbar der Melassekalk
absolut trocken ist, wenn nicht durch die Ausscheidung des Zuckers die gesammten
Löslichkeitsverhältnisse des Nichtzuckers (Doppelsalzbildungen u. dgl.) gestört
wurden, vielleicht ein groſser Theil desselben unlöslich geworden ist.
Wenn man jedoch erwägt, daſs 1l der ersten Lauge
enthält nach:
Zucker
Nichtzucker
Gesammt-Zuckerverlust
Eißfeldt
8,24g
67,36g
8,29g
Manoury „
ohnemit
Vorrein „
27,621,4
97,161,1
15,21
Weinrich
19,54
77,26
28,88
Scheibler-Seyferth
14,33
37,77
22,20
Drevermann
11,98
37,62
7,25
so kann man ohne Zweifel daraus den Schluſs ziehen, daſs, da
bei denjenigen Verfahren, welche die geringste Menge Nichtzuckers im ersten Liter
enthalten (Scheibler-Seyferth), nicht auch zugleich der
Zuckergehalt in demselben Verhältnisse mit obigem Vorbehalte geringer, somit die den
lösenden Flüssigkeiten sich darbietende Oberfläche nicht geringer war als bei den
Verfahren, welche in obiger Beziehung günstiger erschienen (Eißfeldt, Manoury, Weinrich), der Nichtzucker der letzteren in der That
etwas leichter auslaugbar erscheint als der des ersteren. Die Versuche ergaben
weiter, daſs nahezu ausnahmslos die Menge der durch den Auslaugungsprozeſs
entstandenen Kalksalze die der bei Bereitung des Melassekalkes gebildeten Salze um
das Zwei- bis Vielfache übertrifft, und zwar bereits die der in verdünntem Alkohole
unlöslichen, in Wasser dagegen löslichen, daſs dieses Verhältniſs aber noch
verschiedener wird, wenn man auch die in Wasser unlöslichen gebildeten Kalksalze
berücksichtigt.
Für die Bildung der bei der Melassekalk-Bereitung entstehenden Kalksalze ist
überhaupt diese Ursache der Kalksalzbildung nicht besonders wesentlich; vielmehr
erscheinen in der vorliegenden Versuchsreihe die geringen Mengen der so gebildeten
Salze auffallend und die Differenzen bei den einzelnen Verfahren nicht sehr
hervortretend. In der ersten Versuchsreihe bei den Versuchen nach Manoury ist die Menge der gebildeten Salze ungewöhnlich
groſs. Abgesehen von den sehr bedeutenden angewendeten Kalkmengen ist dies dadurch
zu erklären, daſs die vorbereitende Behandlung mit Soda und Kalk hier nicht so
energisch gewesen war, wie bei der zweiten Versuchsreihe. Es ergibt sich aber, daſs,
abgesehen von dem Fällungsverfahren, die geringste Menge jener Salze in der nach Manoury verarbeiteten vorgereinigten Melasse sich
gebildet hat. Dieser Unterschied ist nur in der Vorbehandlung begründet, da an und
für sich bei dem
ursprünglichen Manoury'schen Verfahren durchaus nicht
weniger Kalksalze gebildet werden wie bei irgend einem der anderen; die Art der
Vorreinigung befördert aber die Beseitigung derselben in so auſserordentlichem
Maſse, daſs sich im ausgewaschenen Zuckerkalke der Unterschied zwischen den beiden
Abarten des Manoury'schen Prozesses in ganz
unverkennbarer Weise zeigt.
Es erscheint aber nicht unmöglich, den Zweck, die in der Melasse enthaltenen sowohl,
wie die bei der Melassekalk-Bereitung entstandenen und sogar die während der
Auslaugung durch Umsetzung der minderbasischen Saccharate bislang unvermeidlich sich
bildenden Kalksalze dadurch zu beseitigen, daſs man den Melassen vor der Mischung
mit dem Kalke eine genügende Menge Soda oder Potasche zusetzt. Dieselbe würde zwar
ohne Zweifel zum Theile durch den Gehalt der Melassekalke an Kalkhydrat zersetzt
werden; ein anderer Theil aber wird bei der innigen Mischung auch auf die Kalksalze
reagiren, Alkalisalze werden in Lösung gehen und kohlensaurer Kalk sich abscheiden.
Bei der Laugung aber dürfte dieser Zusatz mit noch gröſserer Wahrscheinlichkeit von
Vortheil sein, weil die minderbasischen gelösten Saccharate nun, da sie zu ihrer
Zersetzung kohlensaures Alkali neben organischsaurem vorfänden und weil es in
höherem Grade wahrscheinlich ist, daſs das kohlensaure Natron dieser Zersetzung
unterliegt, da jene Saccharate leichter löslich sind als Aetzkalk in ungebundenem
Zustande, nicht zur Entstehung organischsaurer Kalksalze Veranlassung geben
würden.
Daſs in dem Melassekalke selbst oder bei dessen Bereitung eine vollkommene
Ueberführung des kohlensauren Alkalis in kohlensauren Kalk und Aetzkali stattfinden
sollte, ist nicht anzunehmen, da die hier vorhandenen Mengen Wasser, welche ja
Träger jener Reaction sein müssen, zu gering sind (vielleicht mit Ausnahne des Eißfeldt'schen Verfahrens, sowie in geringerem Maſse
des Weinrich'schen). Aber auch unter Einwirkung des
Laugespiritus wird sich dieses Verhältniſs nur zum Theile ändern, da der Aetzkalk
weit schwerer löslich ist in jenem, als das kohlensaure Alkali.
Die Entstehung des freien Kalis in den Laugen hat im Wesentlichen zwei Ursachen:
einmal die Einwirkung des einbasischen löslichen Saccharates, dann die des gelösten
Kalkhydrates auf die Alkalisalze; diese letztere Ursache ist aber die bei weitem
weniger wirksame. Von den aufgeführten 28 Fällen reicht in 16 Fällen die Menge des
ausgelaugten Zuckers hin, die Entstehung des freien Kalis nach der Gleichung 2AcK +
C12H22O11.CaO = C12H22O11.K2O + Ac2Ca zu
erklären. In allen übrigen Fällen ist die Menge des sonst gebildeten freien Alkalis
eine sehr geringe. Bei Manoury, wo die Menge des
vorhandenen Kalkes viel gröſser ist, erscheint die des so gebildeten Kalis viel
kleiner; sie beträgt nur etwa 3 Procent des gesammten Kalis. Bei Scheibler-Seyferth und bei Weinrich ist gar kein Kali durch direkt gelösten, nicht an Zucker
gebundenen Kalk entstanden, so daſs ohne Zweifel der Wassergehalt der Melassekalke
auf diesen Punkt von Einfluſs ist. Von den bei dem Auslaugungsprozesse erhaltenen
Salzen verunreinigen in Wasser lösliche die saturirten Zuckerkalksäfte, die
unlöslichen bleiben bei der Saturation zurück. Beide geben einen Maſsstab für die
Güte des erzielten Zuckerkalkes, die im ersten Falle im indirekten, im zweiten im
direkten Verhältnisse zur Menge der gebildeten Kalksalze steht. Ordnet man die
Zuckerkalke nach der Menge der löslichen Kalksalze, so
erhält man: 1) Manoury (und Drevermann), 2) Scheibler-Seyferth und 3) Eißfeldt bezieh. Weinrich,
oder nach der Menge der unlöslichen: 1) Weinrich (Dreveremann), 2)
Eißfeldt. 3) Scheibler-Seyferth und 4) Manoury, also die
(nahezu) umgekehrte Reihenfolge.
Die Structur des Melassekalkes, vielleicht auch die Menge des vorhandenen Kalkes
sowie die Reactionstemperatur scheint auf die Qualität der gebildeten Kalksalze
einen bisher noch nicht erkannten Einfluſs zu haben. Dem Inhalte der Zuckerkalke an
organischsauren Kalksalzen nach, sind die einzelnen Verfahren folgendermaſsen zu
ordnen: 1) Manoury (Drevermann-Sostmann und Drevermann-Gundermann), 2) Eißfeldt bezieh. Scheibler-Seyferth, 3) Weinrich. Nach den Quotienten: 1) Manoury, 2) Scheibler-Seyferth bezieh. Eißfeldt, 3) Weinrich. Nach den Zuckerverlusten: 1) Eißfeldt, 2) Manoury
(Drevermann-Sostmann), 3) Scheibler-Seyferth
(Drevermann-Gundermann), 4) Weinrich. Nach der
Auslaugegeschwindigkeit: 1) Eißfeldt bezieh. Manoury, 2) Weinrich, 3)
Drevermann, 4) Scheibler-Seyferth. Nach dem Gehalte der Zuckerkalke an Alkalien; 1) Manoury, 2) Weinrich, 3)
Scheibler-Seyferth, 4) Eißfeldt. Nach dem Gehalte an organischem Nichtzucker: 1) Manoury, 2) Scheibler-Seyferth bezieh. Eißfeldt, 3) Weinrich.
Beim Scheibler-Seyferth'schen Verfahren hat die
Anwendung 40 procentigen Alkoholes eine gröſsere Reinheit in Bezug auf Nichtzucker,
organischen Nichtzucker, auf Kalksalze und auf Alkalien (letzteres in geringerem
Grade) bei gleichen Zuckerverlusten zur Folge gehabt. Dasselbe gilt von dem nach Eißfeldt bereiteten Melassekalke; nur verschwinden die
Unterschiede ganz wesentlich. Noch mehr ist dies bei dem Weinrich'schen Melassekalke der Fall. Bei dem Manoury'schen Verfahren macht sich ein Unterschied nur in den
Alkalisalzen, die durch den schwächeren Alkohol vollständiger weggenommen werden,
und in den Zuckerverlusten bemerkbar, welche bei stärkerem Alkohol geringer sind.
Bei dem Fällungsverfahren steigt die Menge der Kalksalze ein wenig mit der
Verwendung schwächeren Alkoholes, ebenso die Zuckerverluste. Die Lösungsfähigkeit
des 40 procentigen Alkoholes ist fast durchweg etwas gröſser als die des 35
procentigen oder doch ihr gleich; dies hat seine Ursache in der Entstehung gröſserer
Mengen von Kalksalzen bei Anwendung schwächeren Weingeistes.
Die Bildung organischsaurer Kalksalze während der Auslaugung muſs um so reichlicher
vor sich gehen, je langsamer der Laugenabzug erfolgt, weil die Lösung des Aetzkalkes
bei weitem langsamer erfolgt als die der Kalisalze. Die Verwendung von Laugen
anstatt stets neuen Alkoholes ist von Vortheil für die Ausnutzung des letzteren. Bei
den mit einigen der beschriebenen Verfahren angestellten Versuchen hat sich übrigens
ergeben, daſs die vollständige Auslaugung durch Verwendung der Laugen nicht
schneller bezieh. nicht unter geringerem Verbrauche an Lauge erfolgt. Dagegen mag
der Wiederverwendung der Laugen nicht abgesprochen werden, daſs sie die
Zuckerverluste einschränkt, einestheils wegen geringerer Löslichkeit des
Zuckerkalkes in Lauge, wenn dem nicht die Anhäufung von Kali das Widerspiel hält,
andererseits weil die Berührung mit ungebundenem Aetzkalke einen Theil des gelösten
Zuckers in unlösliches Saccharat verwandeln kann (welch letzteres übrigens auch Kali
zu führen vermag). Weiter aber werden die Laugen in Folge ihres geringeren
Lösungsvermögens gegen Kalk auch zur Bildung von Kalksalzen geringere Veranlassung
geben.
Das Verhältniſs des Kalkes zum Zucker in den verschiedenen Zuckerkalken beträgt auf 1
Mol. Zucker beim Verfahren nach Scheibler-Seyferth 3,63
bis 3,75, nach Eißfeldt 2,70 bis 3,04, nach Weinrich 3,06 bis 3,89, nach Manoury 15,50 bis 18,86, nach Drevermann-Sostmann 2,87 bis 2,94 und nach Drevermann Gundermann 3,84 bis 3,91 Mol. Kalk. Diese Zusammenstellung
ergibt, daſs das theoretisch erforderliche Molekularverhältniſs vorhanden ist im
Zuckerkalke nach Eißfeldt und Drevermann-Sostmann. Bei Drevermann-Sostmann-Gundermann und Scheibler-Seyferth sind, trotzdem nur die theoretisch erforderliche Menge
Kalk bei der Melassekalkbereitung angewendet worden, durch die gröſseren
Zuckerverluste die Zuckerkalke reicher an Kalk geworden. Das Manoury'sche Verfahren mit seinem bedeutenden Kalkgehalte steht ganz
auſserhalb.
Es ergibt sich somit, daſs mit verhältniſsmäſsig den geringsten Kalkmengen die
gröſsten Melassemengen verarbeitet werden können nach Eißfeldt und Drevermann-Sostmann; demnächst
nach Weinrich, Scheibler-Seyferth und Drevermann-Gundermann; schlieſslich nach Manoury. Die der Formel genau entsprechende
Zusammensetzung der Zuckerkalke nach Eißfeldt und Drevermann, sowie theilweise nach Weinrich beweisen übrigens, daſs die in diesen
Zuckerkalken enthaltenen optisch wirksamen Substanzen nur Zucker sind.
Das Fällungsverfahren in seinen verschiedenen Abarten
hat vor den übrigen Verfahren bei der vorliegenden Untersuchung ein verschiedenes
Verhalten gezeigt. Es ist dies ganz wesentlich in der Beschaffenheit des
auszulaugenden Fällungsproductes bedingt. Bei allen übrigen Verfahren ging die Lauge
ohne Druck unschwer durch den Melassekalk selbst in hoher Schicht, der nach dem Drevermann'schen (Sostmann'schen) Prozeſs erzeugte
Niederschlag erwies sich aber als auf diese Weise zu schwierig auslaugbar und
andererseits genügten die zu diesen Versuchen verfügbaren Apparate nicht, die
Versuche durch Auslaugung unter Druck quantitativ genügend genau auszuführen. Nach
den Versuchen muſs aber
zunächst der sehr geringe Gehalt der Zuckerkalke an Kalksalzen auffallen. Nun lösen
aber Zuckerlösungen um so mehr Kalk im Verhältnisse zum vorhandenen Zucker., als die
Concentration steigt, so zwar, daſs sehr verdünnte Zuckerlösungen noch nicht einmal
1 Mol., concentrirte dagegen 2 Mol. aufzunehmen vermögen. Bei sämmtlichen Verfahren,
welche auf der Darstellung von mehr oder weniger trockenem Melassekalke beruhen,
entstehen bei der Auslaugung sehr verdünnte Zuckerlösungen, die nur eine ganze
geringe Menge Kalk aufzulösen im Stande sind, welche letztere ihnen von der
Melassekalk-Bereitung anhaftet. Somit muſs auch bei dem Verfahren, welches, wie Manoury sehr groſsen Ueberschuſs an Kalk anwendet, die
Bildung höherbasischer Saccharate in den Laugen schwieriger erfolgen als bei dem Drevermann'schen Verfahren, welches mit weit
concentrirteren Zuckerlösungen arbeitet. Dagegen muſs sich bei den Fällungsverfahren
so rasch und vollständig unlösliches Trisaccharat bilden, daſs einbasisches
lösliches kaum vorübergehend entstehen wird, wenigstens nicht in genügender Menge,
um eine so bedeutende Zersetzung der Alkalisalze hervorzurufen, wie sie in den
Laugen der anderen Verfahren stattfindet.
Die Bewegung der Mischung von Kalk, Melasse und Alkohol wird die schnelle Entstehung
von Trisaccharat unter Umgehung der Bildung minderbasischer Saccharate noch
befördern. Somit liegt die Erklärung des Auftretens geringer bezieh. geringerer
Mengen von Kalksalzen darin, daſs bei Anwesenheil gröſserer Zuckermengen in
verdünnter alkoholischer Lösung neben organischsauren Alkalisalzen und Ueberschuſs
von Kalk unter fortwährendem Rühren sich wohl vorübergehend ein- bezieh.
wahrscheinlich zweibasisches Saccharar bilden mag, daſs dieses aber bei Gegenwart
von viel Kalk nicht zersetzend auf die Alkalisalze wirkt, sondern vorher in
unlösliches Trisaccharat übergeführt wird, daſs also die Bindung des Zuckers als
unlösliche Kalkverbindung, wie ja bereits von Sostmann,
Seyferth u.a. nachgewiesen, eine vollständigere ist, als bei einem Theile
der mit vorher dargestelltem Melassekalke arbeitenden Verfahren. In dem praktischen
Fabrikbetriebe muſs die Menge der gebildeten Kalksalze noch geringer sein, da hier
die Reinigung der Zuckerkalkbrühen in den Filterpressen sich weit schneller
vollzieht, die Auslaugung somit in geringerem Maſse zur Entstehung von Kalksalzen
durch allmählicher gelöst werdenden freien Aetzkalk wie durch die zersetzende
Einwirkung des letzteren auf die Nichtzuckerstoffe Veranlassung gibt.
Die von Gundermann vorgeschlagene Vorreinigung scheint nach den gegebenen Erörterungen in
ihrem Werthe noch etwas zweifelhaft zu sein. Die mit so behandelten Melassen
vorgenommenen Fällungen haben zu Kalksalz reicheren Zuckerkalken geführt, und werden
auch wohl meist dazu führen, weil es unmöglich sein wird, für jeden einzelnen Fall
die Menge des hinzuzusetzenden Chlorcalciums genau genug zu bemessen. Gundermann geht von der ganz richtigen Ansicht aus,
daſs durch Ueberführung eines Theiles der Alkalisalze in Kalksalze und Chloralkalien
durch Zusatz von Chlorcalcium (und Aetzkalk, um die Kalksalze besser auszufällen und
durch die nachher folgende Saturation eine weitere Reinigung zu erzielen) ein Theil
des Nichtzuckers in einen in verdünntem Alkohole unlöslichen Zustand übergeführt
wird. Es kann aber der Chlorcalciumzusatz nie so genau bemessen werden, daſs diese
Grenze erreicht wird; es kann Chlorcalcium unzersetzt gelöst bleiben bez. können
sich auch lösliche Kalksalze neben den Chloralkalien bilden und in beiden Fällen
können, wenn nach dem späteren Zusätze des zur Ausfällung des Zuckers benöthigten
Kalkes die Mischung wieder basischen Charakter annimmt, basische Salze ausfällend
den Zuckerkalk verunreinigen, was nicht erfolgt sein würde, wenn die Bildung von
löslichen Kalksalzen oder die Einführung unzersetzten Chlorcalciums ganz vermieden
worden wäre. Die Zuckerverluste sind gröſser gewesen als nach dem ursprünglichen
Verfahren. Vielleicht ist hier auch die Wirkung des unzersetzten Chlorcalciums von
schädlichem Einflüsse. Die Menge der Alkalien, besonders der organischsauren,
überhaupt die Summe der organischsauren Salze, ist hingegen bedeutend geringer,
somit die Reinheit eine etwas gröſsere. Es scheint somit die Auslaugefähigkeit
gesteigert zu sein.
Es zeigt sich übrigens, daſs das Drevermann'sche bezieh.
Drevermann-Sostmann'sche Verfahren zu sehr reinen
Producten unter nicht übermäſsigen Verlusten führen kann. Der Unterschied, in der
Vornahme der Fällung, ob man gleich alle Materialien in der erforderlichen Menge
zusammenbringt, oder erst nachher den Alkohol auf die erforderliche Stärke setzt,
scheint nicht sehr wesentlich. Vielleicht ist im letzteren Falle das Entstehen von
Kalksalzen nur in geringem Maſse möglich, da mit steigendem Wassergehalte der
Flüssigkeit auch die Umsetzung von Zuckerkalk mit Alkalisalzen in geringerem Maſse
vor sich gehen wird, unterhalb 35° Tr., dagegen die Energie der Einwirkung des
Kalkes auf die Nichtzucker sich steigert. Je mehr der Alkoholgehalt steigt, desto
leichter können zwar in Alkohol unlösliche Kalksalze entstehen, desto geringer ist
aber auch die diese Umsetzung bewirkende Löslichkeit von Kalk und Kalksaccharat.
Empfehlenswerth dagegen scheint die Einführung des Kalkes im ungelöschten Zustande;
die Bindung des Zuckers wird rascher und energischer erfolgen, somit auch die
Kalksalzbildung dadurch beeinträchtigt werden. Andererseits würde allerdings zu
Folge der geringen Reactionswärme die Energie der Einwirkung des Kalkes auf die
Nichtzucker erhöht werden. Gegen die ursprüngliche schlieſsliche Ausfällung mit
stärkerem Alkohole spricht nur, daſs die dadurch erzeugte äuſserst feinkörnige
Fällung die Auslaugefähigkeit sehr herabdrückt. In Bezug auf stetes Rühren der
Mischung kann man leicht des Guten zu viel thun. Es verhält sich damit wie bei den
unter fortwährendem Rühren hergestellten Niederschlägen, welche mitunter dadurch
sehr feinkörnig werden, während andere sich zusammenballen. Wenn man anfangs nur
sehr mäſsig und in Zwischenräumen rührt, so erhält man eine viel körnigere und sogar
ohne Druck auszulaugende Fällung, während sie bei fortwährendem Rühren feinkörniger
wird und somit schwer zu reinigen ist. Immerhin muſs die Einfachheit, Schnelligkeit
und Vollständigkeit der Zuckerabscheidung auf dem von Drevermann zuerst empfohlenen Wege anerkennend erwähnt werden.
(Schluſs folgt.)