Titel: | Ueber Zusammensetzung und Wirkungsweise des Türkischrothöles; von A. Müller-Jacobs. |
Autor: | A. Müller-Jacobs |
Fundstelle: | Band 251, Jahrgang 1884, S. 499 |
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Ueber Zusammensetzung und Wirkungsweise des
Türkischrothöles; von A.
Müller-Jacobs.
Müller-Jacobs, über die Zusammensetzung des
Türkischrothöles.
Die Ansichten bezüglich der chemischen Zusammensetzung und des Verhaltens der
vegetabilischen Gespinnstfaser sowohl, als den zu fixirenden Farbstoffen gegenüber
gehen bei diesem seit einem Jahrzehnte in der Färberei vielfach gebrauchten Producte
zur Stunde noch sehr weit aus einander. Da indessen keine derselben mit denjenigen
Untersuchungsresultaten, welche der Verfasser die lange Zeit hindurch erlangt hat,
während welcher er sich der Lösung dieser wichtigen Frage widmete, noch mit den
Thatsachen bei der Verwendung des Productes praktisch übereinstimmt, möge es ihm
gestattet sein, in Nachstehendem den erwähnten Gegenstand näher zu berühren. Dabei
stützt er sich im Wesentlichen auf eine von ihm bereits im Februar vergangenen
Jahres der Société industrielle de Mulhouse vorgelegte
Arbeit, betitelt: „Zur Theorie der Türkischrothfärberei“, welche in ihrem zweiten
Theile diese Frage ziemlich ausführlich behandelt.
I.
Wenn man auf irgend ein Oel von der Constitution der triaciden Aether des Glycerins,
z.B. auf Mandelöl, Olivenöl, Rüböl oder Ricinusöl, concentrirte Schwefelsäure so
einwirken läſst, daſs sich die Masse nicht über 50° erwärmt und keine Entwickelung
von Schwefeldioxyd eintritt, dann die Reaction durch rasche Zugabe etwa des
doppelten Volumens kalten Wassers unterbricht, so entstehen – je nach der
Concentration, Menge und Einwirkungsdauer der angewendeten Schwefelsäure, sowie der
Endtemperatur der Masse – stark wechselnde Producte sowohl bezüglich ihrer
Eigenschaften, als ihrer chemischen Zusammensetzung. Eine acidimetrische
Untersuchung der von der öligen Schicht genau getrennten, sauren, wässerigen
Flüssigkeit führt uns dabei sofort zu der Thatsache, daſs die jeweilige Menge der
bei dem Versuche in Reaction getretenen Schwefelsäure in bestimmter Beziehung zu dem
entsprechenden öligen Producte steht. Beifolgende Tabelle, welche die
diesbezüglichen Resultate einer gröſseren Anzahl von Versuchen enthält, möge das
Gesagte veranschaulichen:
Nr.
Rohöl
Schwefelsäure
Einwirkung
Reactionsmasse
bei 15°
Sp. G.
cc
H2SO4
Zeit
Temp.
Sp. G.
g
H2SO4
Eigenschaften
1 2 3 4 5 6 7 8 9101112
TrioleïnOelsäureRicinusölMandelölTrioleïnRübölOelsäureMandelölRübölRübölTrioleïnMandelöl
1,827„„„„„„1,8341,816„1,8271,816
5030„„50„„„30„50„
83,149,8„„83,1„„85,348,4„83,880,8
5 Min. 510 6 Std. 2 6 615
Min.15 6 Std. 1 Min. 5
58 SO2343246 SO2„ SO2„ SO2„ SO255 SO232„ SO2„34
0,9610,9640,9680,9720,973„0,9740,9750,9760,9770,9790,980
221230210––246240270265270272247
12,113,4 8,110,314,013,6–12,214,512,817,617,3
Geben mit H2O
mil-chige Emulsionen,welche Oeltropfenausscheiden.
DurchAmmoniakzusatz zurEmulsion werden ge-klärt Nr. 2 u. 7.
wer-den dast gekl. Nr. 4, 5,7, 8, 10, werden nichtgeklärt Nr.
1, 3, 9, 11und 12. Die ausgesch.ölige Schicht ist un-löslich
in Alkohol beiNr. 9, 11, 12, theilw.löslich bei Nr. 1, 4,
5,6, 8, 10, leicht löslichbei Nr. 2, 3, 7.
13141516171819202122
RicinusölMandelölMandelölRübölMandelölRübölOelsäureMandelölOelsäureRicinusöl
1,8341,8161,827„„„„1,834„1,827
3050„30„50„„„30
51,280,883,149,8„83,185,185,3„49,8
1510 5 315 2 5 2 112
Std.
46„„„„„„„4732
0,9901,0031,0051,0151,0171,0211,0251,0271,0281,031
216–290312300320308305330273
13,3––24,027,132,335,4–39,328,7
Geben m. Wassererstklare Lösungen,
dannopalisirende Färbung,später Emulsionen,welche durch
Ammo-niak geklärt werden,was namentlich beiNr. 13, 19, 21, u.
22 derFall ist. Sie scheidengar nicht oder erstnach sehr
langer Zeit ölige Schicht ab.
Es erhellt aus diesen Versuchen, daſs das specifische Gewicht und der Wassergehalt
der Reactionsmasse mit der Menge der beim Versuche vom Oele aufgenommenen
Schwefelsäure steigt und daſs im Zusammenhange damit ihre Löslichkeit in Wasser und
wässerigem Ammoniak gleichzeitig gröſser wird. Läſst man die Einwirkungstemperatur
eine bestimmte Grenze überschreiten, so gehen Schwefelsäure und Wassergehalt,
specifisches Gewicht und Löslichkeit zurück, während andererseits die Löslichkeit in
Alkohol beträchtlich gesteigert wird.
Die diesen eigenthümlichen Erscheinungen zu Grunde liegenden Ursachen konnten
selbstredend nur durch möglichst genaue Untersuchung der erhaltenen Reactionsmassen
ermittelt werden. Daſs dieselben keinesfalls chemische Individuen darstellten,
bewies ihre wechselnde Löslichkeit in Wasser. Die specifisch leichteren ergaben
dabei Emulsionen, aus welchen sich nach kürzester Zeit Oeltröpfchen ausschieden. Die
schwereren Reactionsproducte lösten sich zuerst klar und trübten sich dann nach
einiger Zeit milchig.
Im weiteren Verlaufe der Untersuchung zeigte sich ferner, daſs jede Reactionsmasse,
auf welche Weise sie auch erstellt sein möge, sich in zwei Theile trennen läſst und
zwar: in einen wasserlöslichen bezieh. in einen in Aether oder in Benzin löslichen
Theil. Wird der letztere mit Alkohol behandelt, so gibt er an denselben eine
beträchtliche Menge in Alkohol löslicher Stoffe ab. Im Aether oder Benzin bleiben
dann nur noch die in Alkohol unlöslichen Stoffe gelöst.
Die Methode der Trennung dieser drei verschiedenen Gruppen von Stoffen ist demnach
einfach, kann aber nicht auf absolute Genauigkeit Anspruch machen, in Folge der
äuſserst leichten Zersetzbarkeit der wasserlöslichen Verbindung in freiem Zustande
und ihres Lösungsvermögens für die Verbindungen der anderen beiden Gruppen.
Die Reactionsmasse wird in ihrem gleichen Volumen Aether gelöst, ungefähr die 10
fache Menge destillirten Wassers zugegeben, durchgeschüttelt und auf den
Scheidetrichter gebracht, worauf sich nach einiger Zeit glatte Schichten bilden,
welche sich leicht trennen lassen. Der Prozeſs wird mehrmals wiederholt, die
gewonnenen ätherischen Lösungen vereinigt, der Aether abdestillirt und der ölige
Rückstand mit warmem Alkohol behandelt. Die wässerigen Lösungen werden mit reiner
Salzsäure oder Kochsalz versetzt, worauf sich die Verbindung mit einem Gehalte an
ungefähr 60 Proc. Wasser, welches ihm durch Zusatz von Chlornatrium zum groſsen
Theile entzogen werden kann, als leicht zu trennende Schicht an die Oberfläche
begibt.
A) Die wasserlösliche Verbindung reagirt stark sauer,
ist leicht löslich in reinem, Säure haltigem Wasser, sowie in Alkohol. Mit Aether
ist sie mischbar, zeigt in concentrirtem Zustande 1,025 sp. G. bei 17,5°. Die
Lösungen schäumen beim Schütteln und schmecken bitter, zusammenziehend. Durch Zusatz
groſser Mengen von Mineralsäuren scheidet sie sich wieder unverändert aus denselben
aus; geringere Mengen bringen leicht verschwindende Trübungen hervor. Beim Erhitzen
zersetzt sie sich, ebenso bei längerem Stehen für sich, oder in wässeriger Lösung
(in beiden Fällen unter Bildung zweier Fettsäure artiger Substanzen, welche bei
gewöhnlicher Temperatur zu einer gelblichen krystallinischen Masse von ziemlich
fester Consistenz und 59 bis 63° Schmelzpunkt erstarren); gleichzeitig tritt
Schwefelsäure aus. Dieselbe Zersetzung wird auch durch Säuren und Alkalien bewirkt.
Mit Metalloxyden bildet die Verbindung wohlcharakterisirte Salze, von denen die der
Erden und schweren Metalle Niederschläge oder dickliche Oele bilden, welche in einem
Ueberschusse der Säure wieder löslich sind. Die Alkalisalze sind syrupöse, in Wasser
und Alkohol klar lösliche Flüssigkeiten, welche sich unzersetzt auf 100 bis 110°
erhitzen lassen, wogegen das Ammoniaksalz schon bei weit niedrigerer Temperatur
unter Abgabe freien Ammoniaks zersetzt wird.
Die Alkalisalze dienen am besten zur Darstellung der Metallsalze,
indem sie mit den Acetaten derselben versetzt werden. Das Bariumsalz ist ein pulveriger, weiſser, getrocknet schwach gelblicher
Niederschlag (Sulfobrassicasäure); aus Sulfoleïnsäure:
käsig, zusammenbackend; getrocknet zum weiſsen Pulver zerreiblich, welches bei 100°
Wasser abgibt und sich allmählich zersetzt. In Wasser unlöslich, dagegen leicht
löslich in Aether. Die Analyse ergab Zahlen, welche mit Rücksichtsnahme auf die
übrigen Eigenschaften des Körpers die Formel C18H32O5SBa + 2H2O wahrscheinlich machen. Die Formel C17H32.CO.O.SO2.O.Ba + 2H2O:
Verlangt:
Gefunden wurden:
I
II
S
6,006 Proc.
5,899 Proc.
5,34 Proc.
Ba
25,675
25,704
24,73
Das aus dem Acetate erhaltene Kupfersalz bildet ein dunkelgrünes, in Wasser lösliches Oel, welches bald
erstarrt und mit Alkohol einen voluminösen Niederschlag gibt; zuweilen werden kleine
glimmerartig glänzende Blättchen erhalten, a-Sulfobrassicasäure). Ueber
Schwefelsäure getrocknet und analysirt, liefert es folgende Werthe für Kupfer und
Schwefel. Auf einer Glasplatte ausgebreitet, trocknet das ölige Product zu einem
durchsichtigen, grünen Firnisse ein, dessen Kupfergehalt sehr angenähert dem des
wasserfreien Salzes entspricht. Die Formel C17H32.CO.O.SO2.O.Cu
verlangt 14,8 Proc. Cu; gefunden wurden 14,69 Proc.
Wird das dunkelgrüne Oel mit Alkohol behandelt, so fällt ein
hellgrüner Niederschlag aus, der weit Kupfer haltiger ist, während ein Theil in
alkoholische Lösung geht. Die Formel C17H32.CO.O.SO2.O.Cu +
4H2O:
Verlangt:
Gefunden wurden:
I
II
S
6,461 Proc.
6,450 Proc.
5,07 Proc.
Cu
12,780
12,910
11,55
Das Silbersalz, aus dem Nitrate
dargestellt, ist ein voluminöser, weiſser, beim Trocknen hornartig werdender
Niederschlag, welcher sich am Lichte leicht schwärzt. Die Formel C17H32.CO.O.Ag.SO2.O.Ag + H2O:
Verlangt:
Gefunden wurden:
S
5,392 Proc.
5,09 Proc.
Ag
36,299
36,11
Ueber Schwefelsäure bis zum constanten Gewichte
getrocknet, wobei Zersetzung eintrat, ergab die freie
Säure Werthe, welche immerhin dafür sprechen, daſs derselben die Formel
einer Sulfosäure zukommt: C18H34SO5.
Gefunden wurden:
Verlangt:
I
II
III
IV
C
59,6 Proc.
62,3
Proc.
62,8
Proc.
–
–
H
9,3
10,1
10,3
–
–
S
8,8
–
–
8,1
Proc.
7,9
Proc.
Die Zersetzung der freien Säure bei langem Stehen, oder bei anhaltendem Kochen mit
Wasser gibt uns ebenfalls verwerthbare Anhaltspunkte für ihre Zusammensetzung und
ihren Charakter.
Mehrmals mit Petroleumbenzin und Aether gereinigte Sulfosäure wurde während zweier
Stunden in einem schief gestellten geräumigen Glaskolben mit ihrem 20 fachen Volumen
Wasser gekochtEs treten während der Zersetzung sehr leicht Siedeverzüge der Flüssigkeit ein
und würden dahin zielende Versuche sicherlich zu interessanten Schlüssen
führen. , die ausgeschiedene, nach dem Erkalten erstarrende,
gelblich braune Masse (Schmelzpunkt 62,5°) abgehoben, nach längerem Auswaschen mit
Wasser bei 110° getrocknet und gewogen. In der mit dem Waschwasser vereinigten und
filtrirten sauren Unterlauge, welche kein Glycerin
enthält, wurde die freie Schwefelsäure durch Titration bestimmt.
Die weiter unten folgenden Analysen rechtfertigen die Annahme, daſs die bei dieser
Zersetzung sich abscheidenden Stoffe als Oxystearinsäure und Oxyölsäure aufzufassen
sind, und wird eine diesbezügliche Reaction deshalb unzweifelhaft im Sinne folgender
Gleichung vor sich gehen: 2C18H34SO5 + H2O = C18H34O3 + C18H34O3 + 2SH2O4. Die Richtigkeit dieser Annahme vorausgesetzt,
würden bei der Zersetzung der Sulfosäure auf je 299 Th. gebildeter Fettsäure 98 Th. oder
30,5 Proc. H2SO4
frei werden müssen. Dahin zielende Versuche geben folgende Zahlen:
Ausgeschiedene Oxysäuren
12,4
4,6
29,4
13,5
46,1g
Gefundene Schwefelsäure
3,9
1,5
8,6
4,2
4,2g
In Procent H2SO4
31,4
32,0
29,3
31,1
30,7g.
Die ausgeschiedene ölige Schicht ist leicht und vollständig löslich in Alkohol und
Aether (nicht so, wenn ungereinigte Sulfosäure mit Wasser gekocht wurde; auch liegt
dann der Schmelzpunkt bedeutend niedriger, bei 39 bis 42°) und sie reagirt sauer.
Aus der concentrirten alkoholischen Lösung schieſsen weiſse Krystalle oder
drusenförmige Warzen an, welche, auf gleiche Weise mehrmals gereinigt, eine der
Stearinsäure ähnliche, bei 70,4° schmelzbare Fettsäure abgeben. Mit Basen bildet sie
wohlcharakterisirte Salze, welche bei der in Gemeinschaft mit Hrn. J. Kupfer im Laboratorium der Landwirtschaftlichen
Akademie zu Petrowsky Rasumowsky bei Moskau ausgeführten Analysen folgende Zahlen
lieferten.
Kupfersalz, durch Fällen einer
alkoholischen Lösung der Säure mit Kupferacetat erhalten: Voluminöser blaugrüner
Niederschlag. Nach dem Auswaschen mit Alkohol und Trocknen ergab derselbe bei der
Analyse folgende Werthe, welche für oxystearinsaures Kupfer stimmen. Die Formel
(C18H35O3)2Cu:
Verlangt:
Gefunden wurden:
I
II
III
C
65,3 Proc.
64,51
Proc.
64,64
Proc.
–
H
10,5
10,93
10,6
–
Cu
9,5
–
–
9,73
Proc.
Bariumsalz, wie das Kupfersalz
dargestellt: Weiſser, voluminöser Niederschlag, getrocknet ein schweres, amorphes,
weiſses Pulver bildend. Die Formel (C18H35O3)2Ba:
Verlangt:
Gefunden:
Ba
18,1 Proc.
18,49 Proc.
Für die freie Säure werden nach 5 maliger
Umkrystallisation aus Alkohol und Trocknen bei 110° folgende Werthe für zwei aus
verschiedenen Reactionsmassen dargestellte Producte gefunden. Die Formel C18H36O3:
Gefunden wurden:
Verlangt:
aus OelsäureSchmelzp. (70,5°)
aus RübölSchmelzp. (73,5°)
C
72,0 Proc.
71,3 Proc.
73,13 Proc.
H
12,0
12,3
12,45
Frémy fand für seine
sogen. Hydromargaritinsäure aus Olivenöl (Schmelzpunkt
68°) für C = 71,00 Proc., für H = 12,26 Proc.
Die alkoholische Mutterlauge enthielt nach der vollständigen
Abscheidung der erwähnten festen Säure eine bei – 10° noch nicht erstarrende,
viscöse, flüssige Säure von ranzigem Gerüche und Geschmacke, welche den Oleaten
ähnliche, in Alkohol und Aether jedoch leichter lösliche Salze bildete.
Das dickflüssige zähe Bleisalz ergab
bei der Analyse Zahlen, welche es auſser Frage stellen, daſs die Säure mit der von
Burg und OverbeckJournal für praktische Chemie, Bd. 93 S. 227.
Bd. 97 S. 159. durch Einwirkung von feuchtem Silberoxyde auf
Dibromstearinsäure erhaltenen Oxyölsäure identisch ist. Die Formel (C18H33O3)2Pb:
Verlangt:
Gefunden wurden:
I
II
III
IV
C
53,9 Proc.
52,1
Proc.
52,3
Proc.
–
–
H
8,2
8,6
8,7
–
–
Pb
25,8
–
–
24,8
Proc.
25,1
Proc.
Für seine in gleicher Weise erstellte Hydroleinsäure
fand FrémyAnnales de Chimie et de Physique, Bd. 65 S.
113. :
Verlangt:
Gefunden:
C
72,4 Proc.
73,14 Proc.
H
11,4
11,86
Alkoholische Jod- und Bromlösung wird durch freie Sulfoleïnsäure oder ihre
Alkalisalze entfärbt; es scheint Addition der Haloïde einzutreten und zwar, wie
einige dahin zielende Versuche zeigten, auf 1 Molekül H2SO4 je 2 Atom Jod oder Brom. Als fernere
Eigenschaften der Sulfoleïnsäure und ihrer wasserlöslichen Salze sind aufzuführen:
ihr ganz bedeutendes Lösungsvermögen für Schwefel, Jodoform, Campher, die festen
Kohlenwasserstoffe, z.B. Naphtalin und Anthracen, für Farbstoffe und Farblacke. Sie
mischen sich auch leicht mit dem gleichen oder doppelten Volumen Aether, Chloroform,
Schwefelkohlenstoff, Terpentinöl, Benzin, Petroleum, mit ätherischen Oelen u.s.w. zu
klaren, wasserlöslichen, oder mit Wasser innigst mischbaren Flüssigkeiten.
Auf ganz analoge Weise werden durch die concentrirte Säure und ihre Salze ziemlich
groſse Mengen von Triglyceriden (Oelen), von Oelsäure, Ricinölsäure und festen
Fettsäuren gelöst. Beim Kochen der Lösungen ölhaltiger Sulfosäuren erleiden die
darin enthaltenen Oele unter Austritt von Glycerin Zersetzung; mit Metallsalzen
zusammengebracht, geht der fremde Bestandtheil mit in die Niederschläge, wodurch
solche zäher, lackartiger Natur werden.
B) Aetherische Lösung der Reactionsmasse. Das nach
Digestion mit Alkohol verbleibende Oel ist neutral, gelblich braun, zeigt 0,927 sp.
G. bei 17,5° (aus Mandelöl) und hat einen milden Geschmack. Mit Alkalien und
Bleioxyd verseift es sich unter Austritt von Glycerin und erweist sich in jeder
Beziehung als unverändertes Triolew, (C18H33O)3C3H5O3. Seine Menge
betrug bei verschiedenen Darstellungen zwischen 28 bis 35 Procent vom angewendeten
Rohöle.
C) Alkoholische Lösung der Reactionsmasse. Nach dem
Verjagen des Alkoholes verblieb eine halbfeste, butterartige Masse, welche sich in
zwei Theile, einen flüssigen und einen festen krystallisirbaren, welcher bei 70,5°
schmolz, trennen lieſs. Die sämmtlichen Eigenschaften dieser Substanzen stimmten mit
den bereits oben beschriebenen Zersetzungsproducten der Sulfoleïnsäure beim Kochen
mit Wasser – mit Oxyoleïn- und Oxystearinsäure – überein, und es scheint demnach,
daſs sich dieselben während der Darstellung der Reactionsmasse in Folge Zersetzung
eines Theiles der Sulfosäure gebildet haben; sie betrugen etwa 27 Procent des
benutzten Rohöles.
Es galt nun noch die von der Reactionsmasse abgeschiedene saure Unterlage einer
Prüfung auf Glycerin zu unterziehen. Dieselbe wurde zu
diesem Zwecke mit Bariumacetat bis zur genauen Ausfallung der Schwefelsäure versetzt
und auf dem Wasserbade eingedampft. Es verblieben zuletzt geringe Mengen eines
dicklichen, braunen, süſs schmeckenden Syrupes, der bei qualitativer Untersuchung
alle für Glycerin eigenthümlichen Reactionen ergab. Im Mittel wurden von je 100g angewendetem Rohöle etwa 2g,7 Glycerin erhalten. Nach diesen Untersuchungen
war es voraus zu sehen, daſs concentrirte Schwefelsäure auch auf reine Oelsäure in
ganz analoger Weise unter Bildung von Sulfoleïnsäure einwirken werde, was sich denn
auch vollkommen bestätigte. Die erhaltenen Reactionsmassen, welche klar
wasserlöslich und ziemlich dünnflüssig waren, zeigten 0,978 bis 1,023 sp. G. bei
17,5°.
Mit Aether oder Benzin behandelt, lieſsen sich regelmäſsig gegen 50 Proc.
alkohollöslicher Körper, aus unveränderter Oelsäure, Oxyölsäure und Oxystearinsäure
bestehend, entfernen, wonach die verbleibende Substanz alle
Eigenschaften der aus Triglyceriden in ähnlicher Weise erstellten Sulfoleïnsäure
zeigte. In allen Fällen wurde die Bildung von Schwefeldioxyd umgangen und
dadurch auch gleichzeitig einer Zersetzung der Sulfoleïnsäure vorgebeugt. Die
Reaction geht demnach offenbar im Sinne folgender Gleichung vor sich: C18H34O2 + H2SO4 = C18H34SO5 + H2O. Durch vollständiges Neutralisiren dieser
Reactionsmasse mittels Alkalien entsteht in Folge Verseifung der gelösten Oelsäure
und der Oxysäuren ein seifenartiger Gallert, was bei den aus Triglyceriden
dargestellten Massen in weit geringerem Grade der Fall ist.
Die Ricinölsäure, welche als eine Oxyölsäure zu betrachten ist, liefert analoge
Körper, die indessen von mir nicht näher untersucht worden sind. Die Einwirkung der
Schwefelsäure auf dieselbe, wie auf ihr Triglycerid ist eine weit weniger schnelle.
Das Gemisch darf ruhig 12 Stunden sich selbst überlassen bleiben, ohne daſs
Zersetzung oder Bildung von Schwefligsäureanhydrid eintritt, wenn man die
Endtemperatur von 32° nicht überschreiten läſst. Trotzdem die Sulforicinölsäure sich
in geringerer Menge in der Reactionsmasse (zu 17 bis 20 Proc.) vorfindet, ist
letztere mit Alkalien neutralisirt, doch vollkommen klar in Wasser löslich, was mir
zu beweisen scheint, daſs solche ein noch höheres Lösungsvermögen für verschiedene
Stoffe, z.B. Oele, besitzt als die Sulfoleïnsäure.
Als Endresultat vorliegender Untersuchungen ergibt sich demnach folgendes: Durch
Einwirkung von Schwefelsäure auf Triglyceride, unter Bedingungen, wie sie im Groſsen bei der Fabrikation von
TürkischrothölDas Türkischrothöl der Kattundruckereien, wie es
Liechti und Suida erstellen (Einwirkung der Schwefelsäure bei höherer
Temperatur und Austrittvon SO2, vgl.
1883 250 543), dürfte höchst wahrscheinlich im
Sinne folgender 2 Gleichungen Entstehung nehmen.1) Aus Oelsäure: 2C18H34O2 + H2SO4
=C18H36O3+C18H34O3
+ SO2Oxystearins.Oxyolsäure2) Aus Triglyceriden:(3C18H33O.C3H5O3)2 + 3H2SO4
+ 3H2O =3C18H36O3+ 3C18H34O3+ 3SO2+2C3H8O3.Oxystearins.OxyolsäureBei so energischer Reaction wird selbstredend alles Oel zersetzt. Eine etwas
mildere Wirkung gestattet auch noch das Vorhandensein von
Sulfoleïnsäure.
eingehalten
werden (Abkühlung und Vermeidung der Entwickelung von
SO2), tritt Zersetzung eines Theiles der
angewendeten Oele ein, unter Austritt von Glycerin und Bildung einer Sulfosäure:
(C18H33O)3C3H5O3 + 3H2SO4 = 3C18H34SO5 + C3H8O3, wie solches
bereits in meinem Deutschen Reichspatent Nr. 1488 vom 30. September 1877 (vgl. 1878
229 544) angegeben wurde. Der unangegriffene Theil
des Oeles nebst den durch Zersetzung entstandenen Oxysäuren werden durch die
Sulfoleïnsäure in Lösung erhalten. Die Menge der letzteren wechselt mit der
Reactionstemperatur und der Zeit, während welcher das nicht neutralisirte Gemisch
sich selbst überlassen bleibt, und kann selbst auf Null heruntersinken. Die
Einwirkung geht aber auch niemals weiter, als bis zur Bildung vollkommen gesättigter
Lösungen, wahrscheinlich in Folge verdünnenden Einflusses des frei gewordenen
Glycerins (oder von Wasser, wie bei der Oelsäure).
(Schluſs folgt.)