Titel: | Beobachtung von Bakterien und mikroskopischen Algen auf der Oberfläche von Geldmünzen; von P. F. Reinsch. |
Autor: | P. F. Reinsch |
Fundstelle: | Band 251, Jahrgang 1884, S. 546 |
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Beobachtung von Bakterien und mikroskopischen
Algen auf der Oberfläche von Geldmünzen; von P. F. Reinsch.
Reinsch, Beobachtung von Bakterien u. dgl. auf
Geldmünzen.
Durch einen zufälligen Umstand veranlaſst, die Substanz der Oberfläche einer
kleineren Silbermünze (50 Pf.) mikroskopisch zu untersuchen, machte ich die
auffallende Beobachtung des Vorhandenseins zahlloser Bakterien, sowie auch
einzelliger Algen in mehreren charakteristischen Formen in den auf der Oberfläche
durch den Gebrauch sich bildenden dünnen Inkrustationen und Sedimenten. Ich
untersuchte im Verkehre befindliche Geldmünzen von verschiedenen Nationen und von
verschiedenem Werthe und fand die anfängliche Beobachtung bei einer Münze für alle
Metallmünzen, welche mindestens mehrere Jahre im Umlaufe sind, völlig bestätigt und
als allgemein gültig. Nicht bloſs Silber-, Kupfer- und Bronzemünzen, sondern auch
Goldmünzen zeigen diese eigenthümliche, bis jetzt der Beobachtung entgangene
Mikrovegetation von einfachsten Organismen.
Man bringt zur Beobachtung dieses verborgenen Lebens auf der Oberfläche des Geldes
etwas der insbesondere in den Vertiefungen der Prägung sich ansammelnden Masse,
welche man mit der Spitze eines Messers abschabt, in einen Tropfen destillirten
Wassers auf einen Objektträger, breitet die Substanz mit der Spitze eines ganz
reinen Messerchens durch gelindes Zerdrücken in dem Wasser aus und bedeckt hierauf
mit einem Deckgläschen. Man bemerkt zunächst mit gewöhnlicher (250 bis 300 facher)
Vergröſserung die Aggregate, gebildet aus gröſseren und kleineren Körnchen,
Stückchen von Fasern, insbesondere zahlreiche Stärkekörnchen, welche meistentheils
Weizenstärkekörnchen sind. Zwischen diesen Haufen, gebildet aus Stärkekörnchen,
Fettkügelchen, einzelligen Algen und Fragmenten aller Art nimmt man bald zahllose
bewegliche einzige Körperchen wahr, deren Beweglichkeit anfänglich nur die bekannte
Molekularbewegung zu sein scheint, aber nach einiger Zeit in die lebhafteste
bakteroide Bewegung übergeht.
Bei Anwendung einer etwas stärkeren Vergröſserung lassen sich die Bakterien deutlich
unterscheiden und es ergibt sich alsdann, daſs sich in diesem Gemenge verschiedene
Bakterien formen vorfinden, was sich nicht bloſs aus den constanten Gröſsen- und
Formverhältnissen, sondern auch aus der Art der Bewegung der Bakterienformen
schlieſsen läſst. Es finden sich stabförmige Bakterien (oscillaroide Formen) mit oscillirender (Vibrio) und spiraliger Bewegung (Spirillum)
und kugelförmige Bakterien (micrococcoide Formen) mit
der eigenthümlich tanzend oscillirenden Bewegung. Bisweilen kommen alle diese
Bakterienformen auf einer Münze zusammen vor. In den meisten Fällen findet man auf
einer Münze vorwiegend kugelförmige, auf einer anderen mehr stabförmige Bakterien;
die ersteren machen jedoch auf allen Münzen die Hauptmasse des Antheiles an
Bakterien in der Zusammensetzung der Geldinkrustation aus. Spirillum findet sich seltener, jedoch bei eifrigerem Suchen gewiſs auch
auf sehr vielen Münzen.
Von Bacillus finden sich 4 bis 12 gliedrige Stäbchen von
0,0055 bis 0mm,0077 Länge wohl auf allen Silber-,
Kupfer- und Bronzemünzen. Die äuſsersten Gliederchen des Stäbchens zeigen sich
gewöhnlich kopfförmig verdickt. Die selbstbewegliche Eigenschaft der bakteroiden
Körper in dem Gemenge erlischt sofort, wenn man an den Rand des Deckgläschens einen
Tropfen Jodlösung oder concentrirtes Glycerin bringt.
Von einzelligen Algen habe ich bis jetzt auf allen von
mir untersuchten älteren Silber- und Bronzemünzen (deutsche, österreichische,
ungarische, italienische, nordamerikanische) zwei ganz bestimmte Formen ausfindig
gemacht, welche nach ihren so bestimmten Merkmalen sofort mit bekannten Algentypen
übereinstimmend befunden werden können. Es ist dies ein entschiedener, winzig
kleiner Chroococcus und eine einzellige Alge, welche
eher mit den Palmelleen als mit den Phycochrom-Algen,
wozu Chroococcus gehört, verwandt ist. Die Zellen
dieses Chroococcus haben nur einen Durchmesser von 0mm,00095. Es finden sich je 4, 8, 12 in kleine
kugelförmige Familien vereinigt, welche – traubig an einander gehäuft – kleinere
Massen bis zu 0mm,02 Durchmesser zusammensetzen.
Die Palmelleen artige Alge in den Geldinkrustationen besitzt vielmal gröſsere
dickwandige Zellen, mit meist lebhaft gefärbtem Inhalte. Die Zellen finden sich in
allen Graden der Theilung, von zwei bis mehrzelligem Zustande. Von den Palmelleen
ist Pleurococcus der dieser Alge am nächsten kommende
Typus; die ungetheilten kugeligen Zellen haben einen Durchmesser von 0,009 bis 0mm,01. Die Dicke der Zellwandung beträgt etwa 0,1
des Querdurchmessers der Zelle. Bei den Zellen mit mehrfach getheiltem Zustande
bemerkt man nicht die Regelmäſsigkeit in der Anordnung der Tochterzellchen, sowie
dies bei dem typischen Pleurococcus (Pl. vulgaris, der verbreitetsten Pflanzenform der Erde)
der Fall ist.
Auſser diesen erwähnten Organismen finden sich in den Geldinkrustationen gewöhnlich
auſser unentwickelten Pilzhyphen noch Sporen von verschiedener Gröſse und Form,
welche wohl nur Schimmel- und Staubpilzen angehören. Die Constanz der Merkmale und
des Vorkommens dieser beiden letzteren mikroskopischen Organismen lassen darauf schlieſsen, daſs ihr
Vorkommen ein spontanes ist, sowie dies für eine groſse Reihe dieser einfachsten
Organismen der Fall ist, mit anderen Worten: daſs diese Organismen nicht von auſsen
hingelangende, zufällige, adhärirende Substanzen sind, vielmehr in der Inkrustation
der Münzen ihren beständigen Sitz haben. Auf Münzen jüngeren Gepräges finden sich
diese beiden Algenformen nicht oder nur unvollkommen ausgebildet und deren
Inkrustation zeigt lediglich nur Bakterienformen.
Es genügt, mit dieser Mittheilung die Thatsache des Vorhandenseins und der ganz
allgemeinen Verbreitung von Körpern, welche sowohl für die Biologie, wie auch
praktisch von groſser Wichtigkeit sind, in einem so eigenthümlichen Falle des
Vorkommens festgestellt zu haben. Speciell vorn Standpunkte der Hygiene ist mit der
Aufdeckung dieses eigenthümlichen Vorhandenseins von organischen Körpern, welche
nach den neueren Erfahrungen allgemein als die Träger und Verbreiter epidemischer
Vorkommnisse erkannt worden sind, des Vorhandenseins solcher Körper auf einem
Gegenstande, welcher selbst der verbreitetste ist, ein weiterer Faktor erkannt,
welcher in den Kreis der Untersuchung zu ziehen ist. Andererseits ist es auch sehr
wahrscheinlich, daſs den beiden Organismen ein Antheil an dem Erosionsprozesse der
Oberfläche umlaufender Münzen zuzuschreiben ist. Die Mittel, welche anzuwenden
wären, um den Einflüssen der in den Geldinkrustationen vorkommenden Organismen nach
diesen beiden Richtungen hin entgegen zu treten, wären sehr einfach folgende: Die
Münzen nach einer Reihe von Jahren des Umlaufes mittels kochender schwacher
Aetzkalilauge völlig von der Inkrustation zu reinigen. Auf diese Weise würde es auch
gelingen, einen Theil des durch die Erosion der Oberfläche abfallenden Silbers zu
gewinnen. Hierüber müssen noch weitere Untersuchungen Aufschluſs geben.
Erlangen, 20.
Februar 1884.