Titel: | Zur Untersuchung von russischem Erdöle und Erdöllampen; von Dr. J. Biel in St. Petersburg. |
Autor: | J. Biel |
Fundstelle: | Band 252, Jahrgang 1884, S. 120 |
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Zur Untersuchung von russischem Erdöle und
Erdöllampen; von Dr. J. Biel in St. Petersburg.
Biel, zur Untersuchung von russischem Erdöl.
Nachdem im verflossenen Herbste mit glücklichem Erfolge der Versuch gemacht worden
ist, russisches Erdöl nach Deutschland einzuführen, und Stimmen aus fachmännischen
Kreisen, z.B. in Danzig, sich sehr anerkennend über das gelieferte Product
ausgesprochen haben, soll der Versuch in diesem Jahre in vergröſsertem Maſse
wiederholt werden. Es dürfte daher auch für deutsche Verhältnisse von Interesse
sein, zu erfahren, welche Sorte der in den Handel gebrachten Producte zur Einführung
nach Deutschland sich am geeignetsten erweisen dürfte. Ich selbst habe bei den
Arbeiten, über welche zu berichten der Zweck dieser Mittheilung ist, hauptsächlich
im Auge gehabt, festzustellen, welche Zusammensetzung ein Erdöl haben müsse, um
sowohl den berechtigten Forderungen der Abnehmer in Bezug auf Billigkeit,
Gefahrlosigkeit und
Brennfähigkeit, als auch den Interessen der Petroleumindustrie in Hinsicht auf
möglichst groſse Ausnutzung des Rohmaterials am meisten Rechnung zu tragen. Die
bekannte Thatsache, daſs ein ziemlich groſser Procentsatz dieses Rohmaterials in
Rufsland bisher nicht entsprechend zu verwerthen war, weil das specifische Gewicht
des Erdöles durch Einverleibung desselben scheinbar zu hoch wurde, andererseits
wiederum das Eigengewicht dieser Nebenproducte zu niedrig war, um sie den
Maschinenschmierölen zuzusetzen, hat zu wiederholten Versuchen Veranlassung gegeben,
dieselben für sich als Leuchtmaterial, als sogenanntes Pyronapht, zu verwerthen,
indem man das Hauptgewicht auf die Gefahrlosigkeit legte. Diese so sehr betonte
Gefahrlosigkeit ist jedoch auch nur eine relative, denn, einmal in Brand gesetzt,
verbrennen alle diese Kohlenwasserstoffe mit gleicher, schwer zu bewältigender
Intensität. Die Gefahr der leichten Entzündbarkeit ist aber bei guten Erdölsorten,
denen die leicht entzündlichen Essenzen durch Destillation bis auf einen geringen
Procentsatz entzogen worden sind, ebenfalls gleich Null. Es ist ein von mir sehr
häufig wiederholtes Experiment, Lampen, welche mit russischem Petroleum Sorte A oder
C mehrere Stunden gebrannt haben, in vollem Brennen umzukehren. Das Erdöl flieſst
dann aus der oberen Oeffnung des Brenners, ohne sich zu entzünden, und die Lampen
verlöschen sofort. Ferner ist durch vielseitige Untersuchungen festgestellt, daſs
die Temperatur des Erdöles in den Lampenbehälter gut construirter Lampen auch bei
stundenlangem Brennen die Temperatur der umgebenden Luft nur um 5°, bei ganz
schlecht construirten Lampen nie mehr als 10° übersteigt. Bei Erdölsorten, wie Sorte
A, B oder C kann sich also in den Lampenbehältern kein explosibles Gemenge von
Erdöldampf mit Luft bilden und eine Gefahr ist bei Benutzung desselben nicht
vorhanden.
Es sollte mich freuen, wenn die nachfolgend mitgetheilten Beobachtungen Veranlassung
geben würden, zu erwägen, ob nicht durch Massenproduction der Probe C, welche bis 30
Proc. schwere Oele enthält und andererseits sehr schwer entzündlich ist, beiden
Theilen geholfen werden könnte: der russischen Erdölindustrie, indem sie ihre
Nebenproducte genügend verwerthen kann und den Abnehmern, indem ihnen ein weit höher
entzündliches Material geboten würde, als das jetzt meistens im Handel befindliche,
welches aber dennoch in allen leicht zu beschaffenden oder bereits vorhandenen
Lampen mit zufriedenstellender Helligkeit und genügendem Drahtaufzuge brennt.
Zur Untersuchung von Petroleum übergehend, erwähne ich, daſs ich mich seit dem J.
1878 der Destillationsmethode bediene (vgl. 1879 232
354), welche Prof. Engler auch angenommen hat; Prof.
Beilstein läſst ebenfalls die Untersuchungen in
dieser Weise ausführen und hat sie noch neuerdings warm empfohlen (vgl. 1883 250 * 169). Ich führe hier wörtlich die Instruction an,
welche die Erdöl-Ausfuhrfirma Gebrüder Nobel
ihren Chemikern gegeben
hat und der sowohl auf den Fabriken, als bei der späteren Controle gefolgt wird.
Die Untersuchung des Erdöles durch fractionirte Destillation
geschieht aus einem gewöhnlichen gläsernen Rundkolben von 500cc Rauminhalt, in welchen 250g Petroleum gewogen werden. Der Kolben wird dicht
mit dünner Messinggaze oder Glaswolle eingehüllt, um ihn vor übermäſsiger Abkühlung
zu bewahren und mit einem Glinsky'schen
DephlegmatorVgl. Beilstein: Handbuch der organischen Chemie,
1883 S. 44. mittlerer Gröſse (d.h. 13mm im Durchmesser und 37cm Höhe) sowie
mit einem Liebig'schen Kühler verbunden. Das
Thermometer wird derartig im Dephlegmator befestigt, daſs die Quecksilberkugel
gerade vor der Ausgangsöffnung zu stehen kommt.
Um plötzliche Temperaturerniedrigungen zu vermeiden, wird die
ganze Röhre des Dephlegmators mit einer leinenen Binde leicht umwickelt, hierauf mit
einer Gas- oder Spirituslampe gelinde erhitzt, wobei darauf zu sehen ist, daſs
dieselbe gleichmäſsig brenne und keinem Zugwinde ausgesetzt sei.
Zuerst gehen die leichten Kohlenwasserstoffe über bis zur
Temperatur von 150°. Die Destillation derselben erscheint beendigt, wenn im Laufe
einer Minute nicht mehr als 10 Tropfen übergehen. Uebrigens kann man bei einiger
Uebung leicht sehen, wann man die Destillation unterbrechen muſs, weil das
Thermometer, wenn es 150° erreicht hat, schnell anfängt zurückzugehen.
Selbstverständlich darf die Flamme von Anfang an nicht gröſser sein, als nothwendig
ist, um die leichten Oele abzutreiben.Beilstein schreibt vor, die Flamme nicht gröſser
zu machen, als hinreicht, um in einer Minute 2g überzutreiben. Ich selbst halte bei meinen Untersuchungen
darauf, daſs das Thermometer in einer Minute nicht mehr als 2° steige. Der
Erfolg ist derselbe. Das auf diese Weise erhaltene Destillat wird
in einem tarirten Kolben aufgefangen und gewogen.
Das Normalpetroleum, d.h. die Kohlenwasserstoffe mit einer
Siedetemperatur von 150 bis 270° werden mit demselben Dephlegmator überdestillirt,
indem man die Flamme allmählich verstärkt. Man sieht leicht, wann die Destillation
beendigt ist, weil das Thermometer bei gleichmäſsiger Destillation über 270° nicht
steigt, im Gegentheile wieder zurückgeht. Auch dieses Destillat wird in einem
tarirten Kolben aufgefangen und gewogen.
Das Gewicht der schweren Oele wird gefunden, indem man den
Destillationskolben und Dephlegmator mit Inhalt wägt und dann das Gewicht des
gereinigten Kolbens und Dephlegmators abzieht.
Die auf diese Weise ermittelte Zusammensetzung der 5 von mir zu photometrischen
Beobachtungen benutzten Erdölsorten war folgende:
Erdölsorten
Pyronapht
A
B
C
D
E
Specifisches Gewicht
0,820
0,820
0,835
0,857
0,867
Temperatur, bei welcher entzündliche Dämpfe
entwickelt werden
52,5°
35°
44,5°
67,5°
94°
Destillat
bis 150°
Proc.
0,8
10
6
0
0
„
von 150 bis 270°
Proc.
92
76,5
63,5
44,5
30,5
Rest
Proc.
7,2
13,5
30,5
55,5
69,5
Man sieht, daſs der Gehalt an Leuchtölen gleichmäſsig abnimmt, der Gehalt an schweren
Oelen dagegen steigt. Alle aber entwickeln entzündliche Dämpfe erst bei einer
Temperatur, welche bedeutend höher ist als die, welche durch das Erdölgesetz in
Deutschland als genügend angenommen wird.
Um unter den vielen neueren Rundbrennern den geeignetsten heraus zu suchen, wurden
mit dem Durchschnittspetroleum B einige vorläufige Versuche gemacht und zwar mit dem
Kordig'schen Brenner für Heliosöl, dem Solarölbrenner des Halle'schen Vereins (mit
centraler Brennscheibe, vgl. 1881 240 * 290) und dem Koboseff'schen Kreuzbrenner für russisches Erdöl. Die
Versuche ergaben:
Bei 6 stündiger Brennzeit
Kordig
Halle
Koboseff
Stündlicher Verbrauch im Mittel
53g
49g
61g
Leuchtkraft in Normalkerzen
15
10
15
Stündlicher Verbrauch für 100 Lichtstärken
307g
490g
407g
Für die ferneren photometrischen Versuche wurde der gleichmäſsigen Dimension wegen
ein Kordig'scher Rundbrenner kleineren Kalibers gewählt
und demselben der preisgekrönte Kumberg'sche
Pyronaphtbrenner (vgl. 1879 233 305. 1883 250 409) sowie ein amerikanischer Flachbrenner neuester
Construction gegenübergestellt. Die Resultate sind in folgender Tabelle
verzeichnet:
Textabbildung Bd. 252, S. 122
Erdölsorte; Rundbrenner;
Flachbrenner; Pyronaphtbrenner; Stündl. Verbrauch im Mittel g; Lichtstärke im
Mittel; 100 Lichtstärken erf. stündl. g; Verhältniſs der verbrauchten Mengen;
Lichtstärken, bei sinkendem Oelstande im Oelbehälter, in Abständen von je 1cm gemessen
Aus diesen Daten habe ich folgende Schluſsfolgerungen gezogen:
1) Je weniger Lichtstärken eine Lampe hervorzubringen im Stande ist, je gröſser ist
der Verbrauch, bezogen auf 100 erzeugte Lichtstärken (vgl. F. Fischer 1883 248 377). 2) Jede Lampe
verbrennt verhältniſsmäſsig am wenigsten Oel, wenn sie ihre höchste Leuchtkraft
entwickelt. 3) Der Dochtaufzug, die Capillarattraction eines Petroleums, ist
abhängig von der Siedetemperatur bezieh. von dem Procentgehalte an über 270°
siedenden Oelen. 4) Der Dochtaufzug wird beeinfluſst durch den gröſseren oder
geringeren Querschnitt des Dochtes. 5) Ein Pyronapht, welches über 50 Proc. schwere
Oele enthält, ist auch mit dem Kumberg'schen
Pyronaphtbrenner nur bei ganz niedrigem Oelbehälter zu benutzen. 6) Die deutschen
Rundbrenner bedürfen, um mit russischem Erdöle die höchste Leuchtkraft zu
entwickeln, einer kleinen Verbesserung, welche am leichtesten durch Verkürzung des
unteren Theiles des Lampencylinders erzielt wird. Der Kordig'sche Brenner macht diese Aenderung überflüssig. 7) Die bis jetzt
construirten Rundbrenner mit Brennscheiben geben ein sehr ungünstiges Verhältniſs
zwischen Verbrauch und Lichtentwickelung; eine Aenderung läſst sich an ihnen nicht
ohne weiteres anbringen. 8) Flachbrenner verbrauchen, um denselben Lichteffect zu
erzielen wie Rundbrenner, 34 bis 38 Proc. mehr Oel. 9) Unter den Flachbrennern ist
verhältniſsmäſsig der Kumberg'sche Pyronaphtbrenner der
rationellste. 10) Der russischen Erdölindustrie kann es nicht von Interesse sein,
wenn darauf hingewirkt wird, daſs die guten gefahrlosen Kerosine durch schwere Oele
verdrängt werden. 11) Eben so wenig kann den Verbrauchern daran gelegen sein, ein
gefahrloses Erdöl durch schwere Oele ersetzt zu sehen, da sie dann an einen
bestimmten Brenner gebunden sind, der im günstigsten Falle 19 Proc. mehr
Leuchtmaterial bedarf, als andere Constructionen mit gefahrlosem Petroleum
verbrauchen. 12) Es ist darauf hinzuwirken, daſs die russische Erdölindustrie ein
Petroleum für den Massenverbrauch erzeugt, welches nicht unter 35° entzündliche
Dämpfe entwickelt und zugleich bis 30 Proc. schwere Oele enthält. 13) Es ist darauf
hinzuwirken, daſs die Güte des Erdöles allgemein nach dem Destillationsverfahren
bestimmt werde, nachdem für letzteres bestimmte Normen festgesetzt sind.