Titel: | Ueber die Vorgänge in den Schwefelsäurekammern. |
Fundstelle: | Band 252, Jahrgang 1884, S. 169 |
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Ueber die Vorgänge in den
Schwefelsäurekammern.
Lunge und Naef, über Vorgänge in den
Schwefelsäurekammern.
G. Lunge und P. Naef
berichten in der Chemischen Industrie, 1884 S. 5 über
umfassende Versuche, welche namentlich in der Schwefelsäurefabrik von Schnorf in Uetikon ausgeführt wurden. Das dortige
Kammersystem hat im Ganzen 3650cbm Inhalt und
besteht aus 3 Kammern, Nr. 1: 42m lang, 7m,1 breit, 7m
hoch, Nr. 2: 20 × 7,1 × 7m, Nr. 3: 11 × 7,1 × 7m. Dazu gehört ein Feinkiesofen nach Malétra mit 10 Abtheilungen, ein Gloverthurm von 3m,3 Durchmesser und 9m Höhe und ein ungewöhnlich groſser Gay-Lussac-Thurm von 2m,4 Durchmesser und 17m Höhe, also von 76cbm,8 Inhalt, d. i.
2,1 Procent vom Rauminhalte des Kammersystemes. Dieses System arbeitet unter
gewöhnlichen Umständen ganz normal. Der Salpeter wird auſser in Form von Nitrose
durch die bei der Fabrikation von Eisenbeize (Rouille) entwickelten Gase eingeführt
und kann auch in
dieser Form aufs Genaueste controlirt werden. Man braucht im Jahresdurchschnitte 1,4
Proc. Salpetersäure 36° B. auf den Pyrit, oder 2,2 Proc. NaNO3 auf den Schwefel, was gewiſs sehr günstig ist.
Zur Ausführung der Versuche wurden an verschiedenen Stellen des
Systemes Bleirohrstutzen angelöthet, in welche Kautschukstopfen mit zwei Löchern
eingesetzt waren. Durch eine der Bohrungen ging ein 1m,5 tief in die Kammer eintretendes Glasrohr zur Absaugung der Gasproben,
durch die zweite ein Thermometer. Die Gase wurden durch ein langes, mit Baumwolle
gefülltes Rohr von Schwefelsäure befreit und durch Natronlauge gesäugt, welche N2O3, N2O4 und SO2 absorbirt, dann durch Chamäleon zur Absorption von
NO; der im Aspirator bleibende Gasrückstand konnte nur Sauerstoff und Stickstoff
enthalten, wovon der erstere direkt, der zweite durch Differenz bestimmt wurde. Die
Chamäleonlösung wurde mit überschüssiger Eisenvitriollösung von bekanntem Titer
versetzt, mit neuem Chamäleon zurücktitrirt und dadurch das NO bestimmt. Zu
gröſserer Sicherheit wurde das Chamäleon meist noch nach der Titration mit
Eisenlösung im Ventilkolben gekocht und von Neuem zurücktitrirt, namentlich wenn die
Analyse viel SO2 ergeben hatte.
In der Natronlauge wurde bestimmt: a) der Schwefelgehalt durch
Oxydation mit Bromwasser und Fällung mit Chlorbarium; b) der Sauerstoffverbrauch
durch Einlaufenlassen aus der Bürette in eine gemessene Menge von reiner
Chamäleonlösung, c) der Stickstoffgehalt durch Analyse im Nitrometer oder nach der
Eisenmethode. Indem man den Sauerstoffverbrauch für SO2 aus a berechnete und von b abzog, konnte man nach der gewöhnlichen
Methode aus a, b und c Stickstofftrioxyd und Tetroxyd neben einander berechnen.
Leider erwies sich dieses Verfahren in vorliegendem Falle als ungenau, offenbar weil
Natronlauge eine theilweise Zersetzung der Salpetrigsäure bewirkt. Dagegen ergab die
Peligot'sche Eisenmethode (vgl. Lunge 1877 225 290) genaue
Resultate; es wurde aber ein Theil des entstandenen schwefligsauren Salzes durch den
Sauerstoff der durchgesaugten Gase zu Sulfat oxydirt. Man kann daher nur dann
Natronlauge als Absorptionsmittel anwenden, wenn man auf die quantitative Trennung
von N2O3 und N2O4 verzichtet; wo
es auf diese ankommt, ist sie unbrauchbar. Uebrigens wäre in der ersten Kammer, wo
eine verhältniſsmäſsig groſse Menge von SO2
gegenüber den Stickstoffsäuren vorhanden ist, die beschriebene Methode schon darum
nicht anwendbar für Trennung von N2O3 und N2O4, weil die unvermeidlichen kleinen Versuchsfehler
bei der groſsen Menge der SO2 auf die Bestimmung der
geringen Mengen Stickstoffsäuren einen ganz bedeutenden störenden Einfluſs haben. Da
auch Versuche mit Chamäleon als Absorptionsmittel in diesem Falle durchaus
miſsglückten, so muſste man darauf verzichten, in der ersten Kammer quantitativ
zwischen N2O3 und
N2O4 zu
unterscheiden.
Bei der zweiten und dritten Kammer und dem Gay-Lussac-Thurme, wo
die Schwefligsäure so sehr zurücktritt, wurde das Gasabsaugerohr mit einem T-Rohre
verbunden, an dessen beide Schenkel sich U-Röhren anschlössen. Der eine Schenkel
führte zu vier U-Röhren, von denen drei mit concentrirter Schwefelsäure, das letzte
mit ⅕-Normal-Chamäleon beschickt waren. Der zweite Schenkel setzte sich in ein Rohr
fort, welches eine 0m,5 lange Schicht Baumwolle
zur Zurückhaltung von mechanisch aus der Kammer fortgerissener Schwefelsäure
enthielt, und stand mit zwei U-Röhren in Verbindung, welche Natronlauge zur
Bestimmung von SO2 enthielten. Am Ende jedes der
beiden Röhrensysteme befand sich ein Aspirator. Man bestimmte nun in dem so
angesammelten und gemessenen Gasrückstande den Sauerstoff und in dem Inhalte der
Natronröhren die Schwefligsäure durch Oxydation mit Bromwasser, Ansäuern mit
Salzsäure und Fällung mit Chlorbarium. Das Chamäleon wurde mit überschüssiger
titrirter Eisenvitriollösung versetzt und wieder mit 0,1-Normal-Chamäleon bis zur
Rosafärbung zurücktitrirt. Da an dieser Stelle ein Gehalt an Stickoxyd, namentlich
bei stark gelben Kammern, sehr unwahrscheinlich war, so wurde die übrigens stets
sehr unbedeutende Menge des zersetzten Chamäleons auf N2O3 verrechnet, nämlich 1cc 0,1-Normal-Chamäleon = 0cc,558 N2O3. In der Schwefelsäure wurde N2O3 und N2O4 neben einander
durch Ermittelung des Gesammtstickstoffgehaltes als Stickoxyd im Nitrometer und des
Sauerstoffverbrauches beim Einlaufenlassen in 0,1-Normal-Chamäleon bestimmt.
Natürlich wurde von letzterem der durch die Schwefligsäure in Anspruch genommene
Sauerstoff abgezogen (vgl. Lunge 1879 233 155).
Die Versuche über die Anwesenheit von Untersalpetersäure in einem normal arbeitenden
Kammersysteme waren bei möglichst normalem und gleichmäſsigem Kammergange ausgeführt
und zwar so, daſs die erste Kammer hell, die zweite ziemlich gelb und die dritte
stark gelb gehalten wurde. Auf dem Gay-Lussac-Thurme war beständig ein schwach
gelber Dampf sichtbar. Die Analysen ergaben, daſs in einer normal arbeitenden Kammer
sich keine Untersalpetersäure findet, daſs hier vielmehr Salpetrigsäure vorwaltet,
welche örtlich durch Schwefligsäure zu Stickoxyd reducirt, aber stets augenblicklich
durch zuströmenden Sauerstoff wieder regenerirt wird. Ist jedoch in den Bleikammern
ein groſser Ueberschuſs von Salpetergasen vorhanden, so entsteht Untersalpetersäure,
somit nur unter abnormen Umständen und nur im hinteren Theile des Systemes; sie
nimmt also keinen wesentlichen Antheil an dem Bildungsprozesse der Schwefelsäure in
den Bleikammern. Die Bildung. von Untersalpetersäure in der letzten Kammer erfolgt
nur bei sehr groſsem Ueberschusse von Salpetergasen, und zwar einmal, weil dann
daselbst nur äuſserst wenig Schwefelsäure in der Kammeratmosphäre vorhanden ist und
weil die reducirende Wirkung der Schwefligsäure wegen deren fast völligem
Zurücktreten nicht eintritt. Der Sauerstoffgehalt der Gase hat keinen Einfluſs auf
die Bildung von N2O4
in den Bleikammern- bei starkem Ueberschusse von Salpetergasen erscheint N2O4, selbst wenn
abnorm wenig Sauerstoff vorhanden ist, bei normaler
Salpeterzufuhr aber nicht, selbst wenn abnorm viel
Sauerstoff vorhanden ist.
Zu Uetikon befindet sich ein Apparat von Lasne und Benker (vgl. 1882 243 56).
Die damit erzielten Resultate sind in so fern günstig, als sofort mit dem Einlassen
von Schwefligsäure die gelben Dämpfe am Gay-Lussac-Thurme verschwinden, ohne daſs
ein merklicher Ueberschuſs von Schwefligsäure vorhanden wäre; aber es läſst sich
nicht mit Bestimmtheit sagen, daſs ein wesentlicher Vortheil dadurch erzielt werde,
da die im Groſsen beobachteten quantitativen Differenzen doch unbedeutende sind.
Genaue Versuche waren nicht ausführbar, weil der Apparat ausbesserungsbedürftig war.
Die Gasproben auf dem Gay-Lussac-Thurme ergaben mit den gleichzeitig aus den Kammern
entnommenen u.a. folgende Resultate in Procent:
3. Kammer
Gay-Lussac
I)
Sauerstoff
6,20
–
Stickstoff
93,59
–
SO2
0,0006
–
N2O3
0,210
0,029
N2O4
0
0
3. Kammer
2. Kammer
Gay-Lussac
Nitrose (60° B.)
II)
Sauerstoff
5,32
5,61
–
–
Stickstoff
94,43
94,14
–
–
SO2
0,0004
0,064
–
–
N2O3
0,195
0,189
0,022
1,52
N2O4
0,051
0
0,002
0
3. Kammer
Gay-Lussac
Nitrose (59° B.)
III)
Sauerstoff
5,50
–
–
Stickstoff
94,25
–
–
N2O3
0,246
0,018
1,52
N2O4
0,005
0,001
0
In dem Kammersysteme wurden täglich 2700k Schwefel
(aus 6t Pyrit) verbrannt, also in 24 Stunden 7 ×
2700 = 18900cbm Gase entlassen. Hieraus berechnet
sich der tägliche Verlust an N2O3 und N2O4 durch Nichtabsorption im Gay-Lussac-Thurme:
NaNO3
Salpetersäure 38° B.
Versuch
N2O3
k
Proc. desSchwefels
Proc. desPyrites
k
Proc. desSchwefels
Proc. desPyrites
I
5481
41,65
1,54
0,69
61,93
2,29
1,03
II
4347
33,13
1,22
0,55
49,12
1,81
0,81
III
3591
27,29
1,01
0,45
40,07
1,50
0,67
Das System arbeitet mit einem Verluste
von:
2,2
1,0
–
3,1
1,4
Trotz der auſsergewöhnlichen Gröſse des Gay-Lussac-Thurmes
entsteht mithin noch ein groſser Verlust durch unvollständige Absorption der Gase.
In Fabriken, welche mit kleineren Thürmen arbeiten, wird dieser Verlust noch gröſser
sein. Da auſserdem durch die Kammersäure Stickstoffverbindungen mit fortgeführt
werden, so ergibt sich, daſs bei richtiger Construction und normalem Gange des
Kammersystemes der Verlust an Salpeter durch zu starke Reduction, wenn überhaupt
vorhanden, nur gering sein kann. Die Versuche zeigen ferner, daſs nicht, wie man oft
glaubt, die gelben Dämpfe in den Austrittsgasen des Gay-Lussac-Thurmes aus N2O4 bestehen. Bei
schwach gelber Farbe bestehen dieselben nur aus N2O3; bei stark gelber Färbung der Kammern
tritt N2O4 im
Eintritts- und dann auch im Austrittsgase des Thurmes auf. Die Nitrosen enthielten
nur N2O3, auch wenn
in den Kammergasen N2O4 enthalten war (vgl. 1877 225 291).
Versuche bei absichtlich heller gehaltenen Kammern, also bei merklichem Ueberschusse
an Schwefligsäure ergaben folgende Resultate:
I
II
III
IV
3. Kam-mer
Gay-Lussac
3. Kam-mer
Gay-Lussac
3. Kam-mer
Gay-Lussac
3. Kam-mer
Gay-Lussac
O
5,81
5,79
5,91
6,00
N
94,00
94,05
93,94
93,78
N2O3
0,155
Spur
0,132
0,0004
0,111
0,0011
0,169
0,009
N2O4
0
„
0
0
0
0
0,001
0
NO
0,003
0,0046
0,012
0,0104
0,020
0,017
0,014
0,0066
SO2
0,037
0,044
0,013
0,026
0,020
0,037
0,036
0,0346
Wenn also die aus dem Gay-Lussac-Thurme abziehenden Gase noch etwas Schwefligsäure
enthalten, so entweichen nur höchst geringe Mengen von N2O3 und N2O4, – dagegen Stickoxyd und zwar hiervon
jedenfalls etwas gröſsere Mengen, als die Analysen zeigen, da die Absorption dieses
Gases in so groſser Verdünnung bei der Analyse schwerlich vollständig sein wird.
Immerhin stellt sich der Verlust an allen Salpetergasen entschieden bedeutend
geringer als bei stark gelben Kammern, nämlich auf 0,13 bis 0,65 Proc. Salpeter auf
den Schwefel, gegenüber 1 bis 1,5 Proc. Es wird mithin in Bezug auf
Salpeterverbrauch von Vortheil sein, mit einem (natürlich ganz geringen)
Ueberschusse an SO2 zu arbeiten. Gerade hierin mag
ein Vortheil des Verfahrens von Lame und Benker liegen, da man bei diesem mit stark gelber
Kammer (also auch mit stärkerem Einsatze an Pyrit) arbeiten und doch im Thurme noch
eine Correctur durch Einlassen von Schwefligsäure vornehmen kann. Freilich muſs dies
mit gröſster Vorsicht geschehen, damit keine Reduction zu Stickoxyd eintritt, und
andererseits begreift man, daſs von geschickten Praktikern auch ohne jenes Verfahren
die richtige Zusammensetzung der Gase erreicht werden kann.
Nach entsprechenden Versuchen in Widnes sind hier die Salpeterverluste gröſser sowohl
im Gay-Lussac-Thurme, als im ganzen Systeme und der auf den ersteren fallende Theil
des Verlustes geringer. Die Versuche bestätigen, daſs bei starkem
Salpeterüberschusse, wo sogar die aus dem Gay-Lussac-Thurme austretenden Gase noch
gelb waren, allerdings N2O4 auftritt, aber bei schwächerer Salpeterzufuhr.
Ueber die Vertheilung der Gase und das Fortschreiten des Prozesses in den Bleikammern
ist die weitaus wichtigste neuere Arbeit von HurterVgl. Hurter's dynamische Theorie der
Schwefelsäurefabrikation in D. p. J. 1882 246 341, im Jahresbericht
der chemischen Technologie, 1882 * S. 240. geliefert.
Nach den Versuchen von Lunge und Naef nimmt bei normalem Kammergange der Gehalt an
Schwefligsäure vom Eingange bis zur Mitte der 1. Kammer sehr schnell ab, nämlich von
etwa 7 auf 1,7 bis 1,9 Proc; demnach ist hier schon etwa 70 Procent der
Schwefligsäure in Schwefelsäure übergegangen, wie es auch die früheren Beobachter
fanden und auch mit der Theorie von Hurter sehr gut
stimmt. Von der Mitte bis zum Ende der 1. Kammer nimmt die SO2 sehr wenig ab, entsprechend einer Verwandlung von
etwa 4 Procent der Anfangsmenge in Schwefelsäure. Mit dem Eintritte in die 2. Kammer
erfährt die Reaction eine plötzliche Steigerung- in der Mitte derselben ist nur noch
0,2 bis 0,4 Proc. Schwefligsäure vorhanden, so daſs auf diesem Wege 20 Proc.
derselben in Schwefelsäure verwandelt sind. Von da ab bis an das Ende des Systemes
geht die Oxydation bei der groſsen Verdünnung der Gase sehr langsam vor sich und,
damit sie die praktisch mögliche Grenze erreicht (absolut vollständig wird sie nie
sein), muſs man eben noch ziemlich bedeutenden Kammerraum aufwenden. Bei zu geringer
Zufuhr an Salpetergasen
nimmt die Schwefligsäure weniger schnell ab und der Prozeſs schiebt sich mehr in die
2. und 3. Kammer vor.
Somit ergibt sich, daſs die Schwefelsäurebildung in der ersten Kammer zunächst mit
groſser Energie, im hinteren Theile der Kammer aber schon sehr träge stattfindet und
daſs die Reaction beim Eintritte in die zweite Kammer wieder lebhafter, also
ruckweise verstärkt wird. Hierfür ist keine andere Erklärung zu finden, als daſs im
letzten Theile der 1. Kammer, bei der groſsen Verdünnung der Gase mit 90 Proc.
Stickstoff, die Schwefligsäure-Moleküle nicht hinreichend N2O3 und Sauerstoff
vorfinden, die wieder an anderen Stellen angehäuft sind, daſs dann aber beim
Durchziehen durch das Verbindungsrohr eine innige Mischung der Gase, befördert durch
eine schwache Pressung, stattfindet, so daſs die vorher bei der groſsen Verdünnung
von einander getrennten Moleküle der drei activen Gase einander wieder nahe genug
kommen, um gegenseitig zu reagiren.
Hiernach wäre also das beste System eine gröſsere Anzahl von kleineren Kammern.
Freilich ist man, wesentlich aus Rücksicht der Ersparniſs an Blei und Raum, in
neuerer Zeit hiervon zurückgekommen und manchmal sogar dazu übergegangen, das ganze
System in eine einzige Kammer zu verlegen. Aber letzteres muſs sich nicht bewährt
haben, denn es ist höchst selten und man ist davon wieder zu dem Systeme mehrerer
Kammern zurückgekommen. Es scheint, als ob das öftere Hindurchleiten durch
Verbindungsröhren und die dadurch bewirkte Mischung vortheilhaft ist (vgl. Richters 1882 243 * 56). Die
aufgestellten Diagramme zeigen, daſs die normalen Versuche der Verfasser gut mit der
Hurter'schen Theorie übereinstimmen.
Um über die vollständige Mischung der Gase Auskunft zu bekommen, wurden gleichzeitig
in drei verschiedenen Höhen in der Mitte der Kammer und an einer Seite, zusammen
also 6 Proben entnommen:
Oben
Mitte
Unten
Innen
Auſsen
Innen
Auſsen
Innen
Auſsen
I)
Sauerstoff
7,34
7,12
7,76
7,36
6,93
7,39
Stickstoff
90,43
91,07
89,98
90,78
90,71
90,85
SO2
2,03
1,66
2,08
1,67
2,18
1,58
NO
0,08
0,08
0,08
0,10
0,10
0,10
N2O3
0,12
0,08
0,11
0,09
0,07
0,08
II)
SO2
2,20
1,96
2,03
1,82
2,04
1,93
Die Zusammensetzung der Gase in der ersten Kammer ist somit über den ganzen
senkrechten Querschnitt eine zu gleichförmige, als daſs man annehmen könnte, die
Röstgase stiegen erst in die Höhe, um dann langsam herunter zu sinken. Vielmehr
mischt sich augenscheinlich das aus dem Gloverthurme eintretende Röstgas schnell
schon im vordersten Theile der ersten Kammer mit den in dieser befindlichen Gasen.
Es wird deshalb auf die Stelle der Ein- und Ausmündung der Verbindungsrohre der
Kammern nicht sehr viel ankommen.
Die Analysen gleichzeitig an verschiedenen Stellen desselben Vertikalquerschnittes
der ersten Kammer entnommener Gasproben zeigen immerhin eine gewisse
Verschiedenheit, und zwar in der Mitte und innen einen etwas gröſseren Gehalt an
Schwefligsäure und an Sauerstoff als oben, unten und auſsen. Hiernach würde es
scheinen, als ginge die Reaction zwischen Schwefligsäure und Sauerstoff in der Nähe
der Wände der Kammer etwas schneller vor sich als im Centrum derselben (vgl. Abraham 1882 245 416).
Eingehende Versuche über die Temperaturverhältnisse in den Bleikammern ergaben, daſs
die Temperatur der in das Kammersystem eintretenden Gase anfangs noch ein wenig
steigt in Folge der starken Reaction; sie fängt aber bald an zu sinken, anfangs
langsam, im hinteren Theile des Systemes aber stärker, weil dort eine sehr geringe
chemische Reaction stattfindet. Bei stärkerer Beschickung der Oefen und
entsprechender höherer Beanspruchung der Kammern erhöht sich deren Temperatur: im
vorliegenden Falle bei Reduction des Kammerraumes von 1,8 auf 1cbm,3 für 1k
Schwefel um 9 bis 10° in der ersten und zweiten Kammer, um 5 bis 6° in der dritten
Kammer. Die Temperatur nimmt bei äuſserer Luftwärme von 19° innerhalb der Kammer bis
25cm von der Kammerwand um 3°, bis zum Centrum
im Ganzen um 8° zu. An der Kammerdecke ist sie sowohl seitlich, als auch im Centrum
höher als weiter unten (in der Mitte der 1. Kammer etwa 4 bis 5°). Diese
Temperaturunterschiede in demselben Vertikalquerschnitte entsprechen keineswegs
irgend genau einer schwächeren oder stärkeren chemischen Reaction, da die anderen
Beobachtungen das Gegentheil beweisen, und müssen auf rein physikalische Ursachen,
wie Ausstrahlung durch die Kammerwände, zurückgeführt werden. Sie sind aber
vereinbar mit der Theorie, daſs die Gase sich in Schraubenlinien den Wänden der
Kammer entlang bewegen, während das Centrum eine langsamere Bewegung hat. Die
Anwendung von zerstäubtem Wasser statt Dampf hat auf die Kammertemperatur keinen
erheblichen Einfluſs.