Titel: | Betriebsresultate der elektrischen Beleuchtungsanlage in der Leipzigerstrasse und auf dem Potsdamer Platze zu Berlin. |
Fundstelle: | Band 252, Jahrgang 1884, S. 175 |
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Betriebsresultate der elektrischen
Beleuchtungsanlage in der Leipzigerstraſse und auf dem Potsdamer Platze zu
Berlin.
Betriebsresultate der elektrischen Beleuchtungsanlage zu
Berlin.
In der Januar-Sitzung des Elektrotechnischen Vereins (vgl. Elektrotechnische Zeitschrift, 1884 S. 60) hat F.
v. Hefner-Alteneck Mittheilungen gemacht über die Selbstkosten, welche der Firma Siemens und
Halske aus dem Betriebe der in der Ueberschrift genannten AnlageDie sämmtlichen im Abkommen mit der Stadt Berlin vorgesehenen Zahlungen
waren: entweder 44500 M. für Aufbau und Wiederentfernung der ganzen Anlage
nach 1 jährigem Betriebe und 26040 M. für letzteren, oder 84000 M. als
Kaufpreis der ganzen Anlage und 26040 M. für den 1jährigen
Betrieb. erwachsen, und zwar in so weit, als sich dieselben in dem
ersten Betriebsjahre unter Anwendung von Gasmotoren vom 20. September 1882 bis 20.
September 1883 ergeben haben:
1)
Betriebskraft.
Gasverbrauch eingerechnet Beleuchtung des
Maschinenhauses
10156,17 M.
Wasserverbrauch
1654,00
Schmiermaterial u. dgl.:
Schmieröl
1872,32
Petroleum
23,32
Talg und Seife
12,56
Putztücher und Putzwolle
184,58
Schmirgelpapier u.s.w.
3,46
–––––––
2096,24
––––––––
13906,41 M.
2)
Kohlenspitzen (Ausgangspreise):
3118m D02-Kohlen zu 1,15 M
3585,70
1641m homogene
N-Kohlen zu 1,15 M.
1887,15
–––––––––
5472,85
3)
Ausbesserungen (Selbstkosten):
Ein Anker
263,95
Ein Lager-Ersatz
29,92
Ersatz der Commutator-Schleifbleche
57,60
Ein Bürstenträger
7,20
Gasleitungen
25,02
Riemen und Verbinder
7,50
Laternenscheiben-Ersatz
21,90
Differentiallampen
9,90
Ausbesserung gewaltsamer Kabelverletzungen
101,08
Verschiedenes
16,34
–––––––––
540,41
4)
Bedienung (gezahlte Arbeitslöhne) für 1Maschinisten und
2 Arbeiter
–
3836,34
5)
Unkosten:
Miethe für den Platz des Maschinenhauses
300
Feuerversicherung
91
Entschädigungen für Ueberstunden u.s.w.
300
Fütterung eines Hofhundes
90
–––––––––
781,00
––––––––––
Summe
24537,01 M.
Die Gesammtbeleuchtung hatte sich zu erstrecken auf 1900,5 Brennstunden oder, da die
Anlage aus 36 elektrischen Lampen bestand, auf 68418 Lampen-Brennstunden.
Während für alle übrigen Posten in obiger Zusammenstellung die von Siemens und Halske wirklich gemachten Auslagen
eingesetzt sind, so wurden für die Kohlenspitzen nur die Ausgangspreise aufgeführt,
für welche dieselben im Handel zu beziehen sind und die den Fabrikationsgewinn mit
enthalten, weil die Selbstkosten der bei Gebrüder Siemens
und Comp. in Charlottenburg gefertigten Dochtkohlen nicht bekannt sind.
Die Ergebnisse in Bezug auf Betriebssicherheit der Beleuchtung unter Anwendung von
Gasmotoren müssen wohl von Jedermann als durchaus zufriedenstellende anerkannt
werden, besonders, wenn man gebührend mit in Betracht zieht, daſs die ganze Anlage
den Charakter eines Versuches hatte und so zu sagen auf Wiederabbruch aufgestellt
war. Es hat nur eine einzige namhafte, aber auch nur theilweise Betriebstörung
stattgefunden, welche sich am 23. und 24. November 1882 auf 12 Lampen und 9 Stunden
erstreckte. Der Grund für dieselbe konnte nachträglich nicht mit voller Sicherheit
aufgeklärt werden.
Die Gasmotoren haben im Ganzen sehr zufriedenstellend gearbeitet, wenn auch in Folge
der ihnen innewohnenden Eigenthümlichkeiten Schwierigkeiten beim Anzünden der
Lichter und mitunter auch Schwankungen und Zurückbleiben einzelner Lampen in der
Lichtstärke nicht beseitigt werden konnten. Die Gasmotoren sind, maschinell
betrachtet, sehr gut construirt und vorzüglich gearbeitet und jedenfalls ist die
Möglichkeit, elektrische Lichtmaschinen auch in etwas gröſserem Maſsstabe durch
dieselben zu betreiben, durch das erste Probejahr der Leipzigerstraſsen-Beleuchtung
auſser Zweifel gestellt. Die Einschaltung des Ersatzmotors ist nur 3 mal vorgekommen
und da mehr aus Besorglichkeit, als wegen direkten Versagens. Allerdings wurden die
Motoren auch sehr sorgfältig behandelt, indem mehrere Theile täglich und auch die
Kolben in bestimmter Reihenfolge an jedem vierten Tage herausgenommen und gereinigt
wurden. Die daraus entstandenen Kosten sind in dem Arbeitslohne des Maschinisten mit
enthalten, welchem diese Arbeiten bei Tage oblagen.
Die Betriebskosten der Gasmotoren stellten sich dagegen weniger günstig. Da für jedes
elektrische Licht ziemlich genau le erforderlich war, so ergeben sich rund 20 Pf.
als Ausgabe für die Erzeugung einer Pferdestärke, ungerechnet die Bedienung- der
Motoren, aber mit eingerechnet allerdings den Verbrauch an Schmiere für die beiden
Lager der dynamo-elektrischen Maschinen. Es ist dies als ein sehr hoher Preis zu
bezeichnen, welcher bei Anwendung guter stationärer Dampfmaschinen und vielleicht
auch gröſserer Sparsamkeit beim Betriebe sehr beträchtlich, ja wohl bis auf 5 Pf.
(statt 20 Pf.) vermindert werden könnte.
Die Differentiallampen zeigten sich nach Ablauf des Probejahres sehr gut erhalten und
insbesondere im Inneren des Schutzmantels die Metalltheile noch so blank, wie sie am
ersten Tage waren, und ohne merkbare Abnutzung. Das Gleiche gilt von den
dynamo-elektrischen Maschinen und auch bezüglich des bedenklichsten Theiles
derselben, der Commutatoren, welche keiner Nacharbeitung oder Abdrehung bedurften.
Leider konnten die gleichen Maschinen nicht für das zweite Probejahr wieder genommen
werden, da die Aufstellung einer Dampfmaschine an Stelle der Gasmotoren, welche die
Gasmotorenfabrik in Deutz nicht länger leihweise überlassen wollte, und die
ununterbrochene, wenn auch nur auf zwei Stromkreise beschränkte Fortsetzung des
Betriebes während der Ueberführung die gleichzeitige Aufstellung anderer
dynamo-elektrischer Maschinen nöthig machten.
Ganz vorzüglich hat sich ferner die durchaus neue Construction der Kabel bewährt, und zwar um so mehr, als die damals neue
und sogar etwas übereilte Anfertigung derselben, sowie ihre auſserordentlich starke
Beanspruchung zu Besorgnissen Veranlassung geben konnte. Die Kabel bestehen aus
einem mit getränktem Hanf umsponnenen und dann mit Blei umpreſsten Kupferdrahte.
Auch die häufigen Unterbrechungen eines solchen Kabels, wie sie an jeder Laterne,
also in einem Kabel 12mal, nothwendig waren und welche jedesmal zwei gegen
Feuchtigkeit gut zu schützende Stellen mit sich bringen, erschienen nicht
unbedenklich. Die elektrische Spannung am Anfange des Kabels beträgt etwa 650 Volt,
wogegen man bei Telegraphenkabeln, wenn auch vielleicht bei guten Kabeln ohne Grund,
eine Spannung von über 50 bis 100 Volt schon für bedenklich zu halten pflegt.
Trotzdem sind die Kabel heute noch so gut wie am ersten Tage, wie die öfters
vorgenommenen Messungen ergeben. Die Kabel wurden nicht weniger als 5mal bei
Aufgrabungen verletzt und bei sofortiger Meldung auch gleich wieder in Stand
gesetzt. Die Voraussetzung, daſs ein Straſsentrottoir verhältniſsmäſsig selten
aufgegraben und daher die Bettung des Kabels in nur 0m,5 Tiefe und nur mit einer Backsteinlage zum Schütze gegen gewaltsame
Verletzungen genügen würde, hat sich also, für die Leipzigerstraſse wenigstens, als
unzutreffend erwiesen. Dem Uebelstande könnte jedoch leicht durch Tieferlegen des
Kabels und durch besseren Schutz abgeholfen werden.
Siemens und Halske bekommen auch für das zweite
Versuchsjahr die Summe von 26040 M., wie für den Betrieb im ersten Probejahre, und
keine weitere Entschädigung für den Umbau und die Amortisation des Werthes der neuen
Maschinen, Verzinsung u.s.w. Für diese sehr beträchtlichen Ausgaben hofft man durch
die Ersparung bei dem Betriebe durch Dampf an Stelle der Gaskraft entschädigt zu
werden. Die jetzige Anlage mit einer etwa 36pferdigen Locomobile hat den Nachtheil,
daſs alle 4 dynamo-elektrischen Maschinen direkt von der Dampfmaschinenwelle aus
getrieben werden. Das Warmlaufen eines Lagers oder ein sonstiger Unfall könnte also
den Stillstand der ganzen Anlage zur Folge haben. Ein solches Warmlaufen ist in den
allerersten Tagen nach der Aufstellung der neuen Maschinen einmal vorgekommen, was jeder Maschinenbauer
wohl ziemlich selbstverständlich finden wird. Es verursachte ein 2½stündiges
Dunkelbleiben von 12 Lampen. Lediglich in Folge der speciellen
Entstehungsbedingungen der neuen Anlage muſste von der Anwendung einzelner
Dampfmaschinen für jeden Stromkreis abgesehen werden; doch hofft man, daſs der
vorerwähnte Fall, welcher übrigens dann mit der Sicherheit des elektrischen Lichtes
als solches nicht in Bezug gebracht werden dürfte, nicht eintreten wird. Eine andere
theilweise, ebenfalls im 2. Jahre stattgehabte Störung hatte das Dunkelbleiben von
12 Lampen an einem Abende zur Folge und die fast komisch zu nennende Ursache, daſs
an einem frühen Morgen und gänzlich unvermerkt der Pfahl einer Pferdebahn-Haltetafel
mitten durch das Kabel getrieben war.
Man kann sich übrigens billigerweise fragen, ob der Vergleich der Selbstkosten der
Gas- und der elektrischen Beleuchtung überhaupt einen besonderen Werth hat. F. v. Hefner-Alteneck glaubt dies nicht; denn zunächst
fällt der Vergleich unberechtigterweise zu Gunsten des Gases aus, welches in
kolossal umfangreichem Groſsbetriebe angefertigt wird und bei dem die Amortisation
nach langjährigem Absatze mit gutem Gewinne und dadurch ermöglichten Abschreibungen
gewiſs niedrig gebucht werden kann. Was bedeuten ferner überhaupt Selbstkosten? Für
diese kann Niemand etwas kaufen und es handelt sich wohl vielmehr darum, wie viel
man bei den beiden Beleuchtungsarten den Herstellungskosten zuschlagen muſs, „um
ein ordentliches Geschäft zu führen“. Da liegt es nun wohl auf der Hand,
daſs bei einer thatsächlichen Fabrikationsindustrie, wie die des Gases es ist, mit
der Erforderniſs an Intelligenz, Beamtenstand und in Anbetracht ferner der
schwankenden Conjuncturen bei den Einkäufen des Materials u.s.w. ein viel höherer
Aufschlag oder Verdienst berechtigt und nothwendig ist als dann, wenn die
Herstellung des Lichtes, wie es bei der elektrischen Beleuchtung der Fall ist, gar
keine Fabrikation bedingt, sondern nichts weiter, als das Heizen eines Kessels und
das Drehen einiger Achsen. Der Verdienst bei elektrischen Lichtanlagen kann
hauptsächlich nur gemacht werden bei den Einrichtungen und Zulieferungen der
Maschinen und des Materials, deren Herstellung eine wirkliche Industrie bedingt,
also beispielsweise bei dem elektrischen Glühlichte durch die Herstellung und den
fortlaufenden Ersatz der Lämpchen, bei dem Bogenlichte der verbrennenden
Kohlenstäbe, deren Preise einschlieſslich des Fabrikationsgewinnes ja auch in obiger
Zusammenstellung eingesetzt sind.
Der Herstellungspreis des elektrischen Lichtes in der Leipzigerstraſse darf nicht
ohne weiteres gleich gesetzt werden dem des elektrischen Lichtes überhaupt, weil die
ganze Einrichtung eine vorübergehende und die Bedienung ziemlich unökonomisch
ist.
Die städtischen Behörden von Berlin selbst haben erklärt, daſs bei wachsender
Verbreitung des elektrischen Bogenlichtes sich der Gasverbrauch nichts desto weniger
beträchtlich vermehrt habe. Es ist dieser anscheinende Widerspruch auch ganz
erklärlich, wenn man bedenkt, daſs die Begriffe von hell oder dunkel, aus denen doch
nur ganz allein das Verlangen nach mehr oder weniger Licht irgend welcher Art und
also auch allein die Höhe des Verbrauches entspringt, rein nur Gewohnheitssache
sind. Alle unsere künstlichen Beleuchtungen sind noch fast unglaublich dunkel im
Vergleiche mit dem Tageslichte und es hängt also eine Steigerung unserer Vorstellung
von einer hellen Beleuchtung nur davon ab, daſs uns solche vor Augen geführt werde.
Das elektrische Bogenlicht hat diese Eigenschaft seiner Natur nach an sich, und es
ist ganz zweifellos, daſs die bestehenden Bogenlichtanlagen zu einer ganz
allgemeinen Steigerung aller Beleuchtungen, gleichviel welchen Systemes, führen
müssen. Das elektrische Bogenlicht ist im Allgemeinen um sehr Vieles, ja sehr
Vielfaches billiger herzustellen als das Gaslicht, wenn es sich um Erzielung
gleicher Helligkeit handelt; aber auch bei Straſsenbeleuchtungen, wo eine geringere
Helligkeit genügen würde, kann bei stationärer Einrichtung und sparsamem Betriebe
das elektrische Licht zu annähernd gleichem Preise hergestellt werden, wie
beispielsweise die sogen, verstärkten Gasbeleuchtungen, welche in ihrer Helligkeit
der elektrischen noch bei Weitem nachstehen. Daſs aber in einer Verstärkung des
Lichtes über den auſserdem noch sehr relativen Begriff des direkten Bedürfnisses
hinaus gar kein Vortheil
liege, wird doch vernünftigerweise Niemand und besonders Gasfachleute nicht im
eigenen Interesse aussprechen wollen.
Das gut betriebene elektrische Glühlicht geht ganz abgesehen von der gröſseren
Gleichmäſsigkeit, dem Gaslichte in so fern schärfer zu Leibe, als es im Aussehen und
in seiner Vertheilungsfähigkeit fast genau dasselbe bietet wie das Gaslicht, ohne
auf der anderen Seite einen Ausgleich durch Steigerung des Lichtbedürfnisses im
Allgemeinen zu schaffen. Das elektrische Glühlicht.; in kleinen Räumen, an
Arbeitstischen u.s.w. angewendet, ist ein sehr elegantes und vornehmes Licht und,
wer jemals die dadurch erzielte geringe Wärmeausstrahlung und die Reinhaltung der
Zimmerluft empfunden hat, der wird freiwillig nie wieder zu dem Gaslichte
zurückkehren. Das elektrische Glühlicht ist aber theuer und augenblicklich
entschieden noch viel theurer als Gaslicht Auch ist eine allgemeine Herstellung an
verschiedene Umstände, ja vielleicht an eine nothwendige Umgestaltung veralteter
Gesetze bezüglich der Aufstellung von Dampfkesseln u. dgl. geknüpft, deren
Ueberwindung doch noch manche Zeit erfordern und jedenfalls nur eine sehr
allmähliche allgemeinere Einführung des Glühlichtes zulassen wird. Sollte es auch in
der That einmal der heute noch unumschränkten und auch nach allen Richtungen
ausgebeuteten Herrschaft des Gases Abbruch thun, so wird dieser Prozeſs jedenfalls
so allmählich vor sich gehen, daſs Jedermann, der dabei interessirt ist, vor
Verlusten sich wird schützen können.