Titel: | Das keilförmige Unterseeboot (Fischboot) bezieh. der keilförmige Luftballon; von G. Wellner. |
Autor: | G. Wellner |
Fundstelle: | Band 252, Jahrgang 1884, S. 394 |
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Das keilförmige Unterseeboot (Fischboot) bezieh.
der keilförmige Luftballon; von G. Wellner.
Ingenieur und Professor an der technischen
Hochschule in Brünn.
Mit Abbildungen.
Wellner's keilförmiges Unterseeboot bezieh. Luftballon.
Das keilförmige Unterseeboot besitzt vermöge seiner
eigenthümlichen Gestalt die Eigenschaft, beim Niedersinken im Wasser sich schräg
nach vorwärts herunter
und beim Emporsteigen im Wasser sich schräg nach vorwärts hinauf zu bewegen.
Fig. 1., Bd. 252, S. 395
Fig. 2., Bd. 252, S. 395
Fig. 3., Bd. 252, S. 395
Fig. 4., Bd. 252, S. 395
Die Auſsenform des Schiffskörpers kann man sich entstanden denken aus einem
beiderseits offenen Cylinder, dessen Ränder quer zu einander zusammengedrückt sind,
so daſs die Querschnitte elliptische Umfangslinien von allmählich wechselnder
Gestalt erhalten; die eigenartige Bauart des Fischbootes ist beistehend aus den
verschiedenen Ansichten von der Seite, von vorn, von oben und von rückwärts zu
entnehmen. Hierin bedeutet B den Bootskörper, O die obere, U die untere
Vorderspitze, OU die senkrecht stehende Vorderkante
(Kielschneide), EE das rückwärtige wagerecht stehende
flache Ende mit dem drehbaren Steuerruder S; der
mittlere kreisrunde Querschnitt ist in den Fig. 2 und
4 punktirt. In Fig.
2 sieht man auf die senkrechte Schneide OU
des Fischbootes, mit welcher dasselbe bei der Fahrt das Wasser durchschneidet. Der
Rücken des Bootes (OE in Fig.
1 bezieh. OEE in Fig. 3) ist in seinem Längenprofile sanft ausgewölbt, besitzt eine von
vorn nach rückwärts abfallende, im Grundrisse dreieckig aussehende Fläche und ist in
den Querprofilen vorn scharf gekrümmt, in der Mitte halbkreisrund, schlieſslich am
breiten Ende nahezu flach auslaufend. Der Bauch des Bootes (UE in Fig. 1) bildet eine von vorn nach
rückwärts ansteigende Fläche mit denselben Uebergängen der Profilirung, Eine gleiche
Dreiecksform zeigen auch die Seitenflächen OUE (Fig. 1).
Das Gesammtgewicht des keilförmigen Unterseebootes ist so bemessen, daſs es mitten im
Wasser sich gerade schwimmend erhalten kann, wenn der Auftrieb des verdrängten
Wasserkörpers gleich ist dem Eigengewichte. Dabei sind auſserdem die Massen der
Schiffswand, des Ballastes und der Ausrüstung im Inneren derart vertheilt, daſs der
Schwerpunkt des ganzen Fahrzeuges sich in der Mitte unten (im Punkte P
Fig. 1) befindet, wodurch die Schwimmlage stabil
wird.
Wenn das Fischboot, schwerer gemacht, im Wasser sinkt, so fällt es nicht senkrecht
herunter, sondern schief mit der Spitze U nach vorn
abwärts, weil der beim Fallen geweckte, von unten gegen die schräge Bauchfläche UE (Fig. 1) des Bootes
wirksame Wasserdruck eine vorwärts treibende Kraftcomponente erzeugt. Wenn das
Schiff hierauf, leichter gemacht, in die Höhe steigt, so geht es ebenfalls nicht
senkrecht hinauf, sondern schief mit der Spitze O nach
vorn aufwärts, weil der an der Rückenfläche OE (Fig. 1) wachgerufene Wasserwiderstand das Fahrzeug nach vorn schiebt,
und so entsteht bei abwechselnder Hebung und Senkung des Keilbootes eine Zickzack-
bezieh. wellenförmige Vorwärtsfahrt, wobei die Schneide OU des Bootes immer voran bleibt. Die schräge
Rücken- und die Bauchflache des Fischbootes wirken dabei im Sinne eines Keiles
und ersetzen den sonst üblichen Treibapparat.
Um das Unterseeboot schwerer zu machen, damit es im Wasser herabsinke, läſst man
Wasser von auſsen in das Innere einströmen; um das Boot leichter zu machen, damit es
aus der Wassertiefe emporsteige, kann man das eingedrungene Wasser wieder
herauspressen; dies erfordert jedoch einen groſsen Aufwand an Arbeitsleistung; es
empfiehlt sich daher eine andere, meines Wissens noch nicht
gebräuchliche, neue und einfache Methode zur Einleitung der Hebung unter Wasser,
darin bestehend, daſs mitgenommener Ballast (Sand,
Stein o. dgl.), welcher specifisch schwerer als Wasser sein muſs, aus einer oder mehreren entsprechend eingerichteten Zwischenkammern am Boden des Schiffes herausfallen gelassen
wird. Unter Umständen (beispielsweise für Fischtorpedos) kann die
Einrichtung so getroffen werden, daſs sowohl das Auslassen von Ballast, als auch das
Einlassen von Wasser zeitweilig an bestimmte Tiefenlagen unter Wasser gebunden und
selbstthätig regulirbar gemacht wird.
Wassereinlaſs macht also das Fischboot sinken, Ballastentleerung veranlaſst es, zu
steigen; weiter nachfolgender Wassereinlaſs bringt es-wieder zum Sinken, nachherige
weitere Ballastentleerung wieder zum Steigen, und weil dieses wiederholte Heben und
Fallen auch eine Vorwärtsbewegung erzeugt, so entsteht eine wellenförmige Fahrt
unter Wasser, bei welcher allmählich aller Ballast aufgebraucht und statt dessen
Wasser von auſsen in das Bootsinnere aufgenommen wird. In jedem Wellenthale der
Fahrbahn wird gegen einen schweren Ballastantheil leichteres Wasser eingetauscht und
so die nachfolgende Hebung, in jedem Wellenberge der Fahrbahn wird eine weitere
Wassermenge eingelassen und so die nachfolgende Senkung eingeleitet. Auf diese Weise ist es durch die Form des Unterseebootes
möglich gemacht, ganz ohne Maschine oder besonderen Motor, einzig nur mit Hilfe
der Schwerkraft im Wasser vorwärts zu kommen. Die arbeitende motorische Kraft
ist die Schwere des im Wasser herabfallenden Ballastes.
Je gröſsere Ballastmengen auf einmal aus den Schiffsbodenkammern zur Entleerung
kommen, um so gröſser wird naturgemäſs die Fahrgeschwindigkeit, um so geringer wird
jedoch bei gegebener Ballastmenge die Anzahl der Entleerungen bezieh. der
Wellengänge. Die durchfahrene Bahnstrecke ist wesentlich beeinfluſst von der
vorhandenen durchschnittlichen Wassertiefe, aber unabhängig von der
Fahrgeschwindigkeit. Je tiefer die See, um so weiter können die einzelnen
Bahnwellen, folglich auch die ganze Fahrt ausgedehnt werden. Je kleiner die
Ballastmengen gewählt werden, um so mehr Wellengänge sind möglich, über um so langsamer wird auch
die Fahrt. Die sich im Benarrungszustande einstellende Neigung der Fahrbahn gegen
die Horizontale ist einzig nur durch die mehr oder minder schlanke Bauart des
Fischbootes bedingt und ist es nicht schwierig, Winkel von 18 bis 36° zu
erzielen.
Zur Erläuterung sei ein bestimmtes Beispiel auf Grundlage sorgfältiger theoretischer
und praktischer UntersuchungenDie Theorie des keilförmigen Unterseebootes ist vorläufig nur in wenigen
privatim ausgetheilten Autographien und in mehreren Vorträgen bekannt
gemacht worden. Praktische Versuche mit kleinen, schwer gebauten Modell
schiffen Ergaben in vorzüglich anschaulicher Weise die Richtigkeit und
Zweckmäſsigkeit des Systemes. nachfolgend vorgeführt: Ein
Fischboot, 12m lang mit 3m mittlerem Durchmesser, besitzt einen mittleren
Kreisquerschnitt von 7qm, eine Oberfläche von
120qm und einen Rauminhalt von 60cbm. Bei einem specifischen Gewichte des
Seewassers von 1,03 beträgt das gesammte Schiffsgewicht für die schwimmende Ruhelage
61800k. Hiervon entfällt auf den Schiffskörper
bei durchschnittlich 25mm Wandstärke 22500k, auf 3 Mann Besatzung sammt Ausrüstung 900k, so daſs 36400k für Ballast verfügbar bleiben. Bei 100 Ballastentleerungen zu 364k und einer durchschnittlichen Wassertiefe von
40m können 13km,2 Fahrstrecke mit einer Horizontalgeschwindigkeit von rund 0m,5 durchfahren werden und zwar beträgt die
Elevation und Inclination der wellenförmigen Bahnlinie 31°.
Neben der Verwendung des keilförmigen Unterseebootes als Torpedo zum Angriffe
feindlicher Schiffe im Seekriege, sowie als Fahrzeug für verschiedene submarine
Untersuchungen und Arbeiten ist noch die besondere Eignung zum Heben gesunkener
Gegenstände und Schiffe erwähnenswerth.
Das Prinzip des keilförmigen Unterseebootes, angewendet auf die Luftschifffahrt,
führt auf den keilförmigen Luftballon, welcher, durch
zeitweilige Erwärmung im Luftocean auf- und niedersteigend, vermöge der vorhin
besprochenen eigenartigen Keilform (nämlich mittels des an der schrägen Rücken- und
Bauchfläche geweckten Luftwiderstandes) ohne sonstigen Motor in Wellenlinien
vorwärts zu fliegen vermag und so eine beschränkte Lenkbarkeit bietet.Vgl. Zeitschrift des deutschen Vereins zur Förderung
der Luftschifffahrt, Berlin 1883 S. 161, ferner Deutsches
Reichspatent Kl. 65 Nr.* 25328 vom 28. März 1883.Ein Keilballon von 9m,17 mittlerem
Durchmesser und 16m,5 Länge mit 950cbm Gasfüllung, innen mit 7 Kammern und
zahlreichen Absteifungen versehen, stieg mit 1 Insassen am 4. September 1883
von Schöneberg nordwärts über Berlin weg und zeigte dabei vorzügliche
Stabilität der Keilform und beschränkte Lenkbarkeit. Als
motorische Kraft für das Auf- und Absteigen wirkt auch in diesem Falle (mittelbar
durch die Wärme) die Schwerkraft und als Treibapparat oder Mittel zur Ueber-windung
des Widerstandes in der Fahrrichtung dienen auch hier die Keilflächen des Rückens
und Bauches am Fahrzeuge selbst, wobei der beim Steigen und Fallen wachgerufene Druck das
Vorwärtsbringen verursacht.
Während die gebräuchlichen Fahrten am Lande und zu Wasser nur längs Linien auf der
Erd- oder Wasseroberfläche vor sich gehen, bewegen sich der Keilballon und das
Keilschiff auch in der dritten Dimension – auf und ab –
im Räume und es erscheint jedenfalls
hervorhebenswerth, daſs die einfachste Naturkraft, die
Schwerkraft, ohne Beihilfe anderer motorischer Kräfte vermöge der Form des
Fahrzeuges direkt zum Vorwärtskommen benutzt werden kann.