Titel: | Ueber Wiesner's neue Prüfungsmethode der Presshefe; von Dr. Emil Chr. Hansen. |
Autor: | Emil Chr. Hansen |
Fundstelle: | Band 252, Jahrgang 1884, S. 419 |
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Ueber Wiesner's neue Prüfungsmethode der
Preſshefe; von Dr. Emil Chr. Hansen.
Vorstand des physiologischen Laboratoriums
Carlsberg in Kopenhagen.
Hansen bez. Wiesner, über die Prüfung der Preſshefe.
Im J. 1880 führte Jul. Wiesner die Analyse der
Sporenbildung bei den Saccharomyces-Arten als ein neues Glied in die technische
Rohstofflehre ein.Bedeutung der technischen Rohstofflehre (technische Waarenkunde) als selbstständiger Disciplin und über deren Behandlung als
Lehrgegenstand an technischen Hochschulen; von Dr. Julius Wiesner, o. ö. Professor an der Wiener Universität (vgl. 1880 237 319). Er
meinte, daſs er dadurch eine Methode entdeckt hätte, wodurch er feststellen könnte,
ob eine Probe von Preſshefe mit Bierhefe verfälscht wäre oder nicht.
„Ich habe mich davon überzeugt“, sagt Wiesner S. 407, „daſs die Preſshefe im Handel auch
mit Bierhefe verfälscht vorkommt. Der Zusatz rentirt offenbar nur bei Anwendung
gröſserer Mengen des Verfälschungsmittels. Dadurch nimmt die Preſshefe aber eine
bräunliche Farbe an und diese muſs durch Stärke wieder zum Verschwinden gebracht
werden. Man sieht, diese Verfälschung bedingt eine starke Schädigung des
Käufers. Da nun die Zellen der Preſshefe (Branntweinhefe) von denen der Bierhefe
direkt nicht zu unterscheiden sind und ferner nur sehr reine Bierhefe zu dieser
Sophistication sich eignet, welche ziemlich frei von Hopfenbestandtheilen ist –
an denen man den betrügerischen Zusatz erkennen könnte –, so steht man, trotz
Mikroskop, diesem Problem ziemlich machtlos gegenüber. Ich habe nun einen Weg
ausfindig gemacht, welcher zur Aufdeckung dieser Verfälschung führt. Es ist vor
nicht langer Zeit von M. Reess gezeigt worden, daſs
die Hefezelle unter den Vegetationsbedingungen der Schimmelbildung in ihrem
Inneren mehrere, gewöhnlich vier, tetraederartig angeordnete Zellen, sogen.
Askosporen bildet. Ich habe nun zuerst die Beobachtung gemacht, daſs dieses
Verhalten an den Zellen der Preſshefe nicht wahrzunehmen ist, und es wurde
später in meinem Laboratorium von E. Schumacher und
sodann von dem ausgezeichneten Mykölogen Brefeld
der Nachweis geliefert, daſs die Askosporenbildung bei Branntweinhefe gar nicht
vorkommt und deren Vermehrung ausschlieſslich durch Sprossung erfolgt, wohl aber
bei der Bierhefe. Dies gibt nun ein Mittel an die Hand, die Bierhefe neben der
Preſshefe nachzuweisen. Man streicht die zu untersuchende Hefe auf Schwarzbrod,
gekochte Kartoffel oder Mohrrüben auf und hält das Ganze im absolut feuchten
Räume bei mäſsiger Wärme. Nach einigen Tagen findet man bei Anwesenheit von
Bierhefe mittels des Mikroskopes die Askosporen.“
Diese Irrthümer, denn als solche muſs ich die oben erwähnten Mittheilungen
bezeichnen, wiederholt Wiesner in seinem neulich
erschienenen Werke: Elemente der wissenschaftlichen
Botanik, 1884 Bd. 2 S. 196. Sehen wir genauer zu, dann finden wir leicht
die Ursache derselben. Es ging Wiesner wie mehreren der
Forscher, welche sich, selbst in der letzten Zeit, mit der Hefenfrage beschäftigten.
Er macht keine Sonderung zwischen den Hefezellen, welche zur Gattung Saccharomyces Reess und denen, welche nicht dazu
gehören. Die Hefezellen, welche zur Gattung Saccharomyces
Reess gehören, zeichnen sich dadurch aus, daſs sie in ihrem Inneren Sporen
entwickeln können, während sie dagegen nach unseren jetzigen Kenntnissen nicht
vermögen, ein Mycel zu bilden. Dagegen können mehrere andere Pilzspecies, zu
verschiedenen Abtheilungen des Systemes gehörend, so wie es schon vor langer Zeit,
z.B. von Tulasne und De
Bary und neulich von Brefeld nachgewiesen
wurde, auch Hefezellen entwickeln; diese sind aber nicht im Stande, die endogenen
Sporen zu bilden; auf der anderen Seite sind sie dazu fähig, ein Mycel
hervorzubringen.
Hier kann auch gelegentlich daran erinnert werden, daſs man zuweilen Hefezellen
finden kann, welche weder die eine, noch die andere der letzt erwähnten Bildungen
geben. In meinen früher erschienenen Abhandlungen habe ich schon auf diese
Differenzen aufmerksam gemacht und, indem ich den Standpunkt, welchen die
Wissenschaft im Augenblicke wirklich erreicht hat, darlegte, warnte ich davor, die
erhaltenen Thatsachen mit noch ganz unsicheren Hypothesen zu vermischen.
Die Industriehefe besteht, wie ich hervorgehoben habe, theils aus Saccharomyces-Arten
und theils aus den erwähnten Hefezellen ohne endogene Sporenbildung
(Nicht-Saccharomyces); bisweilen hat die eine, bisweilen die andere Art das
Uebergewicht. Dies gilt alles ebenso wohl von der Preſshefe, wie von der Bierhefe
und es bleibt folglich in der von Wiesner vorgeschlagenen Weise für die Analyse nichts
auszurichten. Durch zahlreiche direkte Versuche, welche ich in den letzten
Jahren anstellte, fand ich ferner, daſs die Zellen der Preſshefe ebenso willig dazu
sind, die genannte Sporenbildung hervorzubringen, wie die Zellen der Bierhefe. Meine
Proben von Preſshefe, welche leicht Sporen entwickelten, stammten von der Fabrik Mautner (Wien), Maison
Alfort (Paris), der Versuchsbrennerei Biesdorf (Berlin), Helbing (Wandsbeck) und einigen Kopenhagener
Fabriken.
Vielleicht untersuchte Wiesner unglücklicherweise eben
eine Bierhefe, deren Zellen leicht Sporen bildeten, und eine Preſshefe, welche gar
nicht Saccharomyces-Arten enthielt, also die genannte Bildung auch nicht entwickeln
konnte. Es ist dann leicht zu verstehen, wie er, besonders wenn nur wenige Versuche
angestellt wurden, in solchen Irrthum verfallen konnte.
Merkwürdigerweise hat Wiesner ferner die von ihm
angeführten Mittheilungen von Brefeld und Schumacher miſsverstanden. Der erste sagt nämlich, daſs
allen Kulturhefen, auch Bierhefen, die Fähigkeit abgegangen sei, die oft erwähnten
Sporen hervorzubringen, und der letztgenannte Verfasser theilt ja gerade mit, daſs
die Preſshefe Sporen entwickeln kann. Die Mittheilungen Wiesner's müssen denn auch, was die Literaturangaben anbelangt, als nicht
zutreffend betrachtet werden.