Titel: | Bemerkungen zu vorstehendem Aufsatze; von Julius Wiesner. |
Autor: | Julius Wiesner [GND] |
Fundstelle: | Band 252, Jahrgang 1884, S. 421 |
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Bemerkungen zu vorstehendem Aufsatze; von Julius
Wiesner.
Hansen bez. Wiesner, über die Prüfung der Preſshefe.
Vor etwa 4 Jahren veröffentlichte ich in diesem Journale einen Artikel über die
Bedeutung der technischen Rohstofflehre als Lehrgegenstand an technischen
Hochschulen, worin ich namentlich auf alle jene Methoden hinwies, welche behufs
genauer Prüfung vegetabilischer Rohstoffe in Anwendung zu bringen sind, oder zu
diesem Zwecke verwendet werden könnten.
Unter vielem Anderen versuchte ich zu zeigen, daſs in einzelnen Fällen selbst
physiologische und entwickelungsgeschichtliche Methoden in dieser Richtung Erfolg
haben dürften, und führte zu diesem Behufe als Beispiel
an, daſs die Bierhefe von der Preſshefe sich entwickelungsgeschichtlich unterscheide, worauf sich der
Nachweis eines Zusatzes von Bierhefe in der Preſshefe gründen lasse. Meine
diesbezüglichen Versuche machte ich im J. 1870, kurz nachdem Reess die sogen. Askosporen der Hefepilze entdeckt hatte. Meine Versuche
ergaben, daſs die Zellen der Preſshefe innerhalb jener Zeit, in welcher die Bierhefe
bereits reichlich Sporen (Brutzellen) erzeugt, nur eine Spur solcher Zellen erkennen
lasse. Ich habe meine Versuche nicht besonders veröffentlicht und nur gelegentlich
der Herausgabe meines Werkes über die Rohstoffe des PflanzenreichesWiesner: Die Rohstoffe des Pflanzenreiches.
Leipzig 1873. im Artikel „Hefe“ meine Ansicht über den
Unterschied von Bier- und Preſshefe mit Vorsicht ausgesprochen.A. a. O. S. 822. Sonst habe ich in der betreffenden, seit Jahren
mir fern liegenden Frage mich nicht geäuſsert.
Nun hat Dr. Hansen die erstere meiner ja nur ganz gelegentlich gemachten Bemerkungen zum Gegenstande
eines Angriffes gegen meine „neue Methode“
gemacht und die derselben zu Grunde liegenden Angaben als grobe Irrthümer
hingestellt. Da nun Hansen in der glücklichen Lage ist,
seit Jahren seine ganze Thätigkeit der Physiologie der Gährung zuwenden zu können,
ich aber nun seit langer Zeit auf ganz anderen Gebieten der physiologischen
Forschung thätig bin, so sind wir – ich gebe dies gern zu – sehr ungleiche Gegner
und es werden wohl Viele geneigt sein, seinen Angaben das gröſsere Gewicht
beizulegen.
Würde nun meine Angabe, daſs sich Bier- und Preſshefe von einander physiologisch
unterscheiden lassen, durch spätere genauere Versuche sich klar als Irrthum erwiesen
haben, so würde ich denselben gern bekennen und um so williger eingestehen, als ich
meine Beobachtungen in nichts weniger als vordringlicher Weise und in einer Form
vortrug, welche schon wegen der skizzenhaften Kürze der Mittheilung keinen Anspruch
auf groſses Gewicht erhob, endlich, weil in der so schwierigen Hefefrage selbst
groſse Meister der Wissenschaft Irrthümern ausgesetzt waren.
So liegt aber die Sache nicht: Hansens Angabe stellt
sich nicht nur zu meinen, sondern auch zu Schumacher's
und Brefeld's Untersuchungsresultaten in Widerspruch,
ist deshalb gewiſs nicht so ohne weiteres als baare Münze zu nehmen und darum will
ich, nicht um den gegen mich gerichteten Angriff abzuwehren, sondern lediglich im
Interesse der Sache auf die Frage des entwickelungsgeschichtlichen Unterschiedes
zwischen Bier- und Preſshefe zurückkommen, wobei ich indeſs die Bemerkung nicht
unterdrücken kann, daſs es mir nicht recht begreiflich ist, warum Hansen, da es ihm doch um die Sache zu thun sein
muſste, auf meine gelegentliche und nur aphoristisch gehaltene Bemerkung sich
einlieſs, hingegen die eingehenden, auf die Frage bezüglichen Untersuchungen, welche
Dr. Schumacher in meinem Laboratorium ausführte, und die einschlägigen
Arbeiten des berühmten Mykologen Prof. Brefeld nicht in
den Kreis seiner kritischen Betrachtungen gezogen hat.
Entkleidet man die strittige Frage von allen Nebendingen, so lautet sie also: Läſst sich die Bierhefe von der Preſshefe nach der Art der
Fortpflanzung unterscheiden?
Hansen verneint diese Frage auf das Bestimmteste und
sagt: „Durch zahlreiche direkte Versuche, welche ich in den letzten Jahren
anstellte, fand ich, daſs die Zellen der Preſshefe ebenso willig dazu sind, die
genannte Sporenbildung hervorzubringen, wie die Zellen der Bierhefe. “
Mit dieser Aussage bezeugt Hansen, ohne dies indeſs
ausdrücklich hervorzuheben, daſs seine Beobachtungen über
die Sporenbildung der Hefe in grellstem Widerspruche mit denen Brefeld's
stehen; denn er (Hansen) sagt ausdrücklich in
dem letzten Absatze seiner Abhandlung, letzterer (Brefeld) behaupte, allen Kulturhefen (also
der Bierhefe ebenso wie der Preſshefe) gehe die Fähigkeit
ab, Sporen zu bilden.
Hansen führt die Stelle nicht an, an welcher Brefeld diese Behauptung aufgestellt haben soll. Im 4.
Bande der Landwirtschaftlichen Jahrbücher, worin Brefeld seine Studien über die Bedeutung der Hefe als
Kulturpflanze niedergelegt hat, heiſst es S. 411: „Bei der Kulturhefe hält es sehr schwer, die Hefe zur Fructification zu
bringen. “ Es wird weiter angegeben, daſs die Kulturhefen sich von einander
unterscheiden und zwar in dem Sinne, daſs die Oberhefen mehr zur Sporenbildung
geneigt sind als die Unterhefen, und in einer Anmerkung heiſst es: „Der
Unterschied der Kulturhefen in Bezug auf die Fructification ist jüngsthin auch
von Schumacher hervorgehoben worden. “
Schumacher hat sich am eingehendsten mit unserer Frage
beschäftigt. In seiner Schrift: Beiträge zur Morphologie und
Biologie der HefeVgl. Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der
Wissenschaften. 1874 Bd. 70 Abtheilung I. zeigt er, daſs
unter gleichen Verhältnissen die Bierhefe Sporen bildet, wenn bei der Preſshefe noch
keine Spur davon zu bemerken ist. Im Schluſs-worte sagt Schumacher ausdrücklichDaselbst, Sonderabzug S. 13.: „Die Askosporenbildung tritt bei
der Branntweinhefe (darunter ist im Texte immer nur Preſshefe zu verstehen) viel später ein als unter ähnlichen Bedingungen bei
der Bierhefe.“
Daraus ergibt sich, daſs nach Hansen bezüglich der
Fructification von Bier- und Preſshefe ein Unterschied nicht besteht, hingegen
nach Brefeld und Schumacher ein solcher anzunehmen ist.
Meine eigenen Beobachtungen lehrten mich stets, daſs innerhalb eines Zeitraumes von
14 Tagen die Bierhefe sogen. Askosporen bildet, die Preſshefe aber nicht, wenn beide unter vollkommen gleichen Verhältnissen
stehen, und ich glaubte dieses Verhalten um so mehr zur Unterscheidung der
beiden genannten Hefearten vorschlagen zu dürfen, als meine thatsächlichen
Ergebnisse mit denen Schumachers fast vollkommen
übereinstimmen Derselbe
fand die sogen. Askosporen bei Bierhefe am 9., bei Preſshefe aber erst am 13. Tage
entstehen, völlig gleiche Kultur vorausgesetzt. Nach seinen Beobachtungen bildet die
Bierhefe am 9. bis 13., die Preſshefe hingegen erst am 13. bis 33. Tage
Askosporen.
Wohl muſs ich mich schuldig bekennen, in der von Hamen
angeführten Stelle mich zu kurz gefaſst zu haben; denn es hätte an der betreffenden
Stelle heiſsen müssen, daſs die Preſshefe in einer Zeit, in
welcher die Bierhefe bereits Askosporen bildet, die letzteren noch nicht
erzeugt. Auch der Hinweis auf Brefeld wäre bei
eingehender Darstellung wohl keiner Miſsdeutung fähig gewesen. Jeder billige Leser
wird aber diese durch die kurze Fassung bedingten Ungenauigkeiten entschuldigen, da
es sich in dem betreffenden Aufsatze nicht um die Physiologie der Hefe, sondern um
die Behandlung eines didaktischen Gegenstandes handelte. Ich meine deshalb, daſs der
Vorwurf „nicht zutreffender Literaturangaben“, mit welchem mich Hr. Dr. Hansen am Schlüsse seines Aufsatzes bedachte, mit
gröſserem Rechte gegen ihn selbst erhoben werden könnte; denn die von ihm Brefeld zugeschriebene Behauptung, allen Kulturhefen
gehe die Fähigkeit ab, Sporen hervorzubringen, hat, wie ich oben zeigte, der
genannte Forscher nicht ausgesprochen: vielmehr zeigte er, daſs die Kulturhefen sich
in Betreff der Fructification verschieden verhalten. Mithin habe ich die Anschauung
des genannten Forschers im Hauptpunkte wohl richtiger
als Hansen wiedergegeben.
Ich halte die Frage über die Abstammung und Fructification der Kulturhefe nicht für
abgeschlossen und meine, daſs die ungemeine Schwierigkeit derselben die betheiligten
Forscher abhalten sollte, durch unnöthige Streitigkeiten die Sache zu
verwickeln.