Titel: | Ueber das Kanarin. |
Fundstelle: | Band 253, Jahrgang 1884, S. 130 |
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Ueber das Kanarin.
Ueber das Kanarin.
Das Einwirkungsproduct von Chlor oder Brom auf Schwefelcyanwasserstoffsäure wird
heute von Durand und Huguenin in Basel als gelber Farbstoff unter
dem Namen Kanarin in den Handel gebracht.
Prochoroff und O. Miller
geben nach dem Sitzungsbericht des Comité de Chimie de Mulhouse, April 1884, folgende
Vorschrift zu seiner Darstellung: Man mischt 370cc
Schwefelsäure, 660cc Salzsäure und 1380cc Wasser und trägt in diese Flüssigkeit nach und
nach ein inniges Gemenge von 1k Rhodankalium und
500g chlorsaurem Kalium ein, indem man Sorge
trägt, die Temperatur nicht über 60° steigen zu lassen. Oder aber man löst 1k Rhodankalium in 1l Wasser, fügt 20cc Salzsäure oder
Bromwasserstoffsäure zu und trägt in diese Lösung in kleinen Antheilen und unter
Abkühlen 1k Brom ein. – Unter Gasentwickelung
scheidet sich ein orangefarbiger Niederschlag ab, dessen Gewicht ungefähr 40 Procent
des angewendeten Schwefelcyankaliums beträgt. Mit Wasser gewaschen, bildet er das
rohe Kanarin. Durch Lösen in kaustischem Kali und
Vermischen mit Alkohol erhält man daraus eine Kalium Verbindung, welche, mit
Salzsäure zersetzt, das reine Kanarin liefert. Bei 100°
getrocknet, ist letzteres ein rothbraunes stark glänzendes Pulver, unlöslich in
Wasser, Alkohol und Aether, löslich in concentrirter Schwefelsäure und
Kalilauge.
Nach der Ansicht H. Schmid's (vgl. 1884 251 41) sowie des Comité de
Chimie in Mülhausen wäre das Kanarin nichts anderes als Persulfocyan; wenigstens beschreiben die Lehrbücher als
Haupteinwirkungsproduct von Chlor, Salpetersäure und anderen oxydirenden Mitteln auf
HCNS nur diesen gelben Körper von der Formel C3HN3S3. O. Miller hält die Nichtidentität des Kanarins mit dem
Persulfocyan aufrecht, ohne indeſs analytische Belege zu liefern. Nach ihm löst sich
ersteres in concentrirter Schwefelsäure unter Entwicklung von Schwefligsäure, was
Persulfocyan nicht thun soll.
Ueber die Anwendung des Persulfocyans in der Druckerei
durch Entstehenlassen desselben auf der Faser selbst hat H.
Schmid eingehende Angaben gemacht (vgl. 1884 251
42). Um das fertige Persulfocyan des Handels, d.h. das Kanarin, in der Färberei zu
verwenden, verfahren Prochoroff und O. Miller in folgender Weise: Man löst 1 Th. Kanarin
in 1 Th. Aetzkali
und 20 Tb. Wasser unter Erwärmen, gibt zur erhaltenen braunen Lösung noch 7 bis 10
Proc. Seife und läſst zum Gebrauche erkalten. Kalk oder Magnesia haltiges Wasser ist
zu vermeiden, da diese Basen den Farbstoff fällen. Ebenso kann Natron an Stelle von
Kali zum Lösen nicht verwendet werden, da die Natriumverbindungen des Kanarins in
der Kälte unlöslich sind. Zu langes Erhitzen mit Kali würde eine Zersetzung des
Farbstoffes zur Folge haben.
Beim Färben werden nun die Stücke in einer Rollenkufe durch die kalte Kanarinlösung
gezogen (80l Wasser gemischt mit 60l obiger Kanarinlösung), ausgepreſst und im
aufgerollten Zustande einige Stunden liegen gelassen. Dann wäscht und seift man. Die
Art und Weise dieser Fixation erinnert also z.B. an diejenige des Rocou.
Hor. Köchlin hat das Verfahren von Prochoroff und Miller zur
Auflösung des Kanarins verbessert. Er bringt in 1l
Wasser 100g Kanarin und 100g Borax und kocht. In der Wärme können nämlich
auch Lösungen des Kanarins in Natron angewendet werden.
Das Färben geschieht alsdann ähnlich der Alizarinfärberei, indem man die Temperatur
allmählich erhöht. – Verdickt man die Lösung des Kanarins in Borax, druckt auf und
dämpft, so kann man ein reines Gelb erhalten.
Die mit Kanarin gefärbten Gewebe sind ausgezeichnet durch ihre groſse
Widerstandsfähigkeit gegen Licht und Seife und es möchte daher diesem neuen
Farbstoffe in Hinsicht auf die Wohlfeilheit und Einfachheit seiner Anwendung eine
gewisse Zukunft bevorstehen. Dabei möchte die Eigenschaft des Kanarins, den
basischen Anilinfarbstoffen gegenüber als Beize zu wirken, welche demselben von H. Schmid zuerkannt wurde, ebenfalls ins Gewicht
fallen. H. Köchlin hat durch Auffärben von
Methylenblau, Malachitgrün, Pariserviolett auf Kanarin ebenfalls Farben erhalten,
welche warmer Seifenlösung widerstanden.