Titel: | Ueber Verhalten der deutschen unterirdischen Telegraphenleitungen. |
Fundstelle: | Band 253, Jahrgang 1884, S. 436 |
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Ueber Verhalten der deutschen unterirdischen
Telegraphenleitungen.
Verhalten der deutschen unterirdischen
Telegraphenleitungen.
Vor Kurzem hat das im Auftrage des Reichspostamtes herausgegebene Archiv für Post und Telegraphie, 1884 S. 144
eingehendere Mittheilungen über das Verhalten der unterirdischen Leitungen im
Reichs-Post- und Telegraphengebiete gebracht, denen folgender Auszug entnommen
ist.
Das unterirdische Netz enthielt am Ende des J. 1882 rund 37400km Leitungen und von diesen sind gegenwärtig
29742km in stetiger Benutzung (11806km mit Hughes-Apparaten, 15220km mit Morse-Apparaten, 1464km abwechselnd mit Hughes und Morse, 1252km mit Fernsprechern). Nur einzelne, meist den
Nebenlinien angehörige Adern sind noch nicht in beständigem Betriebe; dieselben
dienen theils als Ersatzleitungen, theils sind sie für erst noch auszuführende
Anschlüsse bestimmt.
Dem ursprünglichen Plane gemäſs vermitteln die unterirdischen Linien den
unmittelbaren Verkehr der groſsen Verkehrspunkte Deutschlands unter einander.
Zwischenämter wurden nur in seltenen Ausnahmsfällen in dieselben eingeschaltet, oder
wo besondere Zwecke, z.B. die Einrichtung von Uebertragungen, es erheischten.
Die durch die Herstellung der unterirdischen Leitungen verfügbar gewordenen
oberirdischen Linien wurden dem Verkehre von Aemtern geringerer Bedeutung zugewiesen
und ersparten so den sonst nöthigen Neubau von Leitungen.
Als im J. 1876 die Reichs-Postverwaltung mit der Anlage dieser unterirdischen
Leitungen vorging, wurden Bedenken laut: ob man – wegen der Ladung – auf denselben
mit einer für die Bedürfnisse des Verkehres und für die Einträglichkeit der Anlage
ausreichenden Geschwindigkeit würde telegraphiren können; ob die Legung der Kabel in
nur Im Tiefe die Guttapercha auf längere Dauer gegen Selbstzersetzung schützen und
ihr Isolirvermögen erhalten werde; ob nicht die Auffindung und Beseitigung von
Fehlern zu groſse Schwierigkeiten haben würde; ob die besonders durch Rücksichten
auf den Kostenpunkt gewählte Vereinigung von mehreren (meist 7) Leitern in einem
Kabel nicht eine den Betrieb störende Induction im Gefolge haben werde.
Schon die Leistungen der ersten Linie zwischen Berlin und Halle (vgl. 1877 226 363) widerlegten diese Bedenken. Die Induction der
einzelnen Adern desselben Kabels auf einander war eine zu geringfügige, um die
üblichen Telegraphenapparate zu stören. Die Ladungserscheinungen traten erheblich
schwächer auf, als erwartet worden war, und wie man damals schon für die Zeit
genügender Einübung der Beamten hoffte, wird gegenwärtig bei mäſsigen Entfernungen
auf den unterirdischen Leitungen mit Morse- und Hughes-Apparaten ohne besondere
Entladungs- oder sonstige Hilfsapparate gearbeitet und zwar nahezu mit derselben
Geschwindigkeit wie auf den oberirdischen Leitungen. Nur werden die Morse-Apparate
nicht unmittelbar in die Leitung eingeschaltet, sondern dieselben arbeiten mittels
polarisirter Relais (sog. Hughes-Relais) in einem Lokalstromkreise; dadurch wird
verhütet, daſs der Morse-Apparat des gebenden Beamten durch den Entladungsstrom zum
Mitsprechen gebracht wird. Unerläſslich ist es freilich, namentlich bei den Hughes,
daſs die Apparate im besten Zustande sich befinden und gut eingestellt sind, daſs
ferner die Beamten auf die Kabelcorrespondenz gut eingeübt sind und sehr genau
arbeiten.
Bei längeren Linien (über 300km) treten allerdings
die Ladungserscheinungen störender auf. Deshalb sind zum Telegraphiren auf gröſsere
Entfernungen an passenden Zwischenpunkten Uebertragungen eingerichtet worden; so auf
der Linie
Berlin-Frankfurt a. M. in Nordhausen, auf der Linie Berlin-Köln a. Rh. in Braun
schweig und in Münster (Westfalen). Die seit Anfang 1880 verlegten Kabel haben eine
etwas dickere Kupferseele erhalten und bei denselben würden die Uebertragungsstellen
noch weiter aus einander gerückt werden können als bei den älteren.
Verschiedene der zur Beschleunigung der Entladung vorgeschlagenen und z. Th. auch auf
Unterseekabeln gebräuchlichen Einrichtungen sind s. Z. auch bei den deutschen
unterirdischen Linien versucht, aber wegen ihrer Umständlichkeit wieder beseitigt
worden.
Regelmäſsige Messungen werden – theils alle Wochen einmal, theils eine Woche um die
andere – ausgeführt zur Prüfung des elektrischen Zustandes der Kabel. Diese
Messungen erstrecken sich auf den Kupferwiderstand, auf das Isolationsvermögen und
auf die Ladungsfähigkeit. Durch die Vergleichung des jeweiligen Kupferwiderstandes
mit dem bei der Fabrikation bei der Normaltemperatur (15°) gemessenen Widerstände
des Leiters wird nach einer Tabelle die derzeitige mittlere Temperatur des Erdbodens, worin das Kabel liegt, ermittelt, weil
jedes andere Mittel zur Bestimmung dieser Temperatur fehlt, diese Temperatur aber zu
der Reduction des gleichzeitig gemessenen Isolationswiderstandes der Kabel auf die
Normaltemperatur nach einer zweiten Tabelle gebraucht wird.
Mit der Ausführung dieser Messungen sind 15 in gröſseren Städten eingerichtete
„Meſsämter“ beauftragt, nämlich Berlin, Halle a. S., Köln, Coblenz,
Frankfurt a. M., Metz, Straſsburg, Breslau, Thorn, Danzig, Königsberg i. P.,
Stettin, Hamburg, Bremen, Emden. Die Ergebnisse der Messungen werden nach erfolgter
Berechnung monatlich an das Reichs-Postamt eingereicht und ermöglichen eine
fortlaufende Ueberwachung des Zustandes. Diese Messungen erhalten zugleich die
Beamten, welche bei auftretenden Fehlern und Störungen die zur Ermittelung des
Fehlerortes nöthigen Messungen auszuführen haben, in beständiger Uebung.
Auſserdem sind die Kabel noch in Abständen von 20 bis 60km in passend ausgewählte Post- und Telegraphenämter eingeführt und in
diesen an einen sorgfältig gegen Staub und Feuchtigkeit geschützten Umschalter
gelegt. Man hat dadurch eine Reihe von Punkten beschafft, von denen aus ohne
Aufgrabung und ohne Zerschneiden des Kabels etwa nöthig werdende Untersuchungen
vorgenommen werden können. Auch die Verbindungsstellen (Löthstellen) der einzelnen von der Fabrik gelieferten Kabellängen (1000
bis 1500m) sind bei der Verlegung der Kabel genau
markirt worden.
Beim Auftreten eines den Betrieb störenden Fehlers haben nun zunächst die Meſsämter
durch geeignete Messungen die Lage der Fehlerstellen zwischen zwei mit
Kabelumschaltern ausgerüstete Zwischenämter einzugrenzen. Darauf begibt sich ein
Beamter mit einem fahrbaren Meſsapparate (Meßkarren)
nach den zu beiden Seiten der Fehlerstelle gelegenen Umschalter-Aemtern und bestimmt
durch in dieser kurzen Strecke vorgenommene Messungen, zwischen welchen beiden
Löthstellen der Fehler enthalten ist. Diese beiden Löthstellen werden aufgegraben
und geöffnet und zwischen denselben wird dann mit den unter einem Meſszelte
aufgestellten Meſsapparaten die Fehlerortsbestimmung fortgesetzt. Jetzt erst darf an
der durch die Messungen bestimmten Stelle das Kabel auf eine längere Strecke frei
gelegt werden, um genau besichtigt und erforderlichen Falles durchschnitten zu
werden. Meist wird, wenn nicht eine äuſserlich erkennbare Beschädigung des Kabels
vorhanden ist, ein einige Meter langes Kabelstück herausgeschnitten und durch ein
neues ersetzt werden müssen.
Bis vor Kurzem wurden die sämmtlichen Ausbesserungsarbeiten von Berlin aus bewirkt.
Jetzt ist auf Grund der gewonnenen Erfahrungen eine Anweisung für die Ausführung
solcher Arbeiten aufgestellt worden und das Netz in 6 Bezirke eingetheilt, in denen
von den Meſsämtern Berlin, Hamburg, Danzig, Frankfurt a. M., Köln und Metz aus die
Arbeiten vorgenommen werden.
Bisher haben die Kabel sich auch in Bezug auf ihre Haltbarkeit gut bewährt. Nirgends
sind Erscheinungen aufgetreten, welche auf eine Abnahme des Isolationsvermögens
hindeuten. Seit Bestehen des unterirdischen Netzes sind überhaupt etwa 40 Fehler zur
Anzeige gekommen, deren Ursache nicht bekannt war und deren Ort durch Messungen ermittelt werden muſste.
In 8 bis 10 anderen Fällen war Ort und Ursache des Fehlers von Haus aus bekannt; es
waren dies ausschlieſslich durch mechanische Gewalt veranlaſste Beschädigungen. Auch
von jenen 40 Fehlern erwiesen sich 20 als Folgen mechanischer Beschädigungen: in 15
Fällen bei vorgenommenen Erdarbeiten und in 3 Fällen bei Arbeiten an Gas- und
Wasserleitungen durch darunter angezündetes Feuer. Von den übrigen 20 Fehlern kommen
8 auf die Einwirkung von Cement auf die Guttapercha, theils auf den Scheiteln
massiver Brücken, theils bei den Einführungen in Gebäude. Nach den angestellten
Untersuchungen verändern die aus einigen Cementen sich abscheidenden alkalischen
Lösungen die Guttapercha, was namentlich unter gewissen Nebenumständen gefährlich
wird. Man verwendet daher jetzt Asphalt anstatt des Cementes. 3 der beseitigten
Fehler waren schon bei der Fabrikation der Kabel eingetreten, durch Fehler in der
Guttaperchahülle bezieh. einer Löthstelle.