Titel: | Schiffchenstickmaschine von F. Martini und Comp. in Frauenfeld, Schweiz. |
Autor: | R. E. |
Fundstelle: | Band 254, Jahrgang 1884, S. 61 |
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Schiffchenstickmaschine von F. Martini und Comp. in
Frauenfeld, Schweiz.
Mit Abbildungen auf Tafel
6.
F. Martini's Schiffchenstickmaschine.
In der Maschinenhalle der Schweizerischen Landesausstellung 1883 nahmen die
Stickmaschinen der Bedeutung der einheimischen Stickindustrie entsprechend eine
hervorragende Stellung ein. Die bemerkenswertheste Erscheinung unter denselben war
unbedingt die Maschine von F. Martini und Comp. in
Frauenfeld (* D. R. P. Kl. 52 Nr.
27347 vom 5. Mai 1883), von welcher in Fig. 1 bis 7 Taf. 6 eine Darstellung
der Bewegungsmechanismen gegeben ist.
Diese Maschine hat 156 Nadeln in zwei Reihen. Die allgemeine Anordnung hat wie bei
allen derartigen Maschinen groſse Aehnlichkeit mit jener der Handstickmaschinen. So
erfolgt die Führung des Stoffrahmens in bekannter Weise durch einen Pantographen.
Neu dagegen ist eine Vorrichtung, durch welche der Pantograph festgestellt werden
kann, sobald die
Arbeit unterbrochen werden muſs. Der Fahrhebel des Pantographen geht zwischen zwei
wagerechten Eisenstangen am oberen Rande des Musterbrettes hindurch, welche durch
einen Fuſstritt gegen einander gepreſst werden können und damit den Pantographen
festklemmen.
Der Stich wird wie bei allen Schiffchenstickmaschinen nach Art der Nähmaschinen als
Steppstich gebildet. Abweichend vom Gewöhnlichen ist aber, daſs das Schiffchen eine
kreisbogenförmig statt geradlinig hin- und
hergehende Bewegung ausführt. Während gewöhnlich die Bewegungen durch unrunde
Scheiben hervorgebracht werden, sind hier fast ausschlieſslich Kurbelmechanismen in
Anwendung. Darauf beruht wesentlich die gefällige und zugleich zweckmäſsige
Construction, welche die Maschine auszeichnet, und zugleich die Möglichkeit, die
Geschwindigkeit bedeutend über das bisher erreichte Maſs zu steigern (bis auf 50
Stiche in der Minute).
Fig. 1 zeigt
den Nadelwagen a, welcher die auf den beiden Schienen
b befestigten Nadeln trägt. Durch Kurbel und
Schubstange c erhält derselbe eine wagerechte Bewegung
normal zu dem lothrecht gespannten Stoffe von der Antriebwelle A aus. Dem Stoffe dient dabei die Stichplatte d (Fig. 4 und 5) als Rückhalt.
Unmittelbar hinter derselben befinden sich die Schiffchen mit ihren
Bewegungsmechanismen. Das Schiffchen ist in Fig. 7 in natürlicher
Gröſse dargestellt. Der Schiffchenfaden ist auf einer flachen Spule aufgewickelt,
welche lose in die Aussparung im Schiffchen gelegt und durch eine zungenförmige
Klappe darin zurück gehalten wird. Die Führung des Fadens ist aus der Zeichnung
leicht zu ersehen. Zuletzt geht der Faden durch ein Loch in der Zunge, welches im
Schwingungsmittelpunkte des Schiffchens liegt. Es wird daher durch die Bewegung des
Schiffchens selber kein Faden abgewickelt, sondern der Abzug vollzieht sich nur
durch die Verschiebung des Stoffes und zwar gerade um den jeweiligen Bedarf; der
Schiffchenfaden bleibt immer gleichmäſsig gespannt. Die Bewegungsmechanismen des
Schiffchens sind aus Fig. 2 bis 5 zu ersehen. Fig. 4 und 5 zeigen den
Schiffchenkorb in leichtverständlicher Darstellung. Die Bewegung des
Schiffchenkorbes geht von der Antrieb welle A aus
mittels der beiden Kurbelschleifen e und f auf die gekröpfte Welle g und von dieser auf die Schiene h, welche
letztere durch zwei kurze Lenker von gleicher Länge derart geführt wird, daſs sie
eine kreisbogenförmige Bewegung parallel zu sich selber ausführt. Die Schiene h ist durch kleine Schubstangen von gleicher Länge wie
die Lenker mit den Kurbeln auf den Achsen der Schiffchenkörbe verbunden- die
Schiffchenkörbe sind daher gezwungen, an der schwingenden Bewegung theilzunehmen. Da
aber die Länge der Kurbeln bedeutend kleiner ist als diejenige der Lenker, so wird
der Ausschlag des Schiffchens gröſser als 180° und ist damit das Schiffchen in den
Stand gesetzt, sich ganz durch die Schlinge des Nadelfadens hindurchzuschieben.
Der vordere oder Nadelfaden geht, auf Holzspulen aufgewickelt, welche bei i (Fig. 1) auf die Maschine
aufgesteckt sind, durch die Bremsen k und die
Fadenaufnehmer l zu den Nadeln. Der Aufnehmer l, welcher den Stich zuziehen soll, erhält eine
Bewegung vom Nadelwagen und ruht zu diesem Behufe auf der Stütze m, welche ihren Drehpunkt fest am Gestelle hat und beim
Aus- und Einfahren des Wagens jedesmal durch eine der am Wagen befestigten
Anschlagschrauben n und o
angestoſsen wird. Der obere Rand der Stütze m besitzt
zwei Ausschnitte, in welche sich die Führungsrolle am Aufnehmer l einlegt und so die beiden Endstellungen desselben
festhält, bis neuerdings ein Anschlag erfolgt. Die Schiene des Aufnehmers, welche
die Löcher für die Nadelfäden enthält, kann verstellt werden, so daſs sich der
Auszug auf das Genaueste einstellen läſst. Wie der untere Aufnehmer die gleiche
Bewegung vom oberen Aufnehmer aus durch Kuppelstangen j
erhält, ist aus Fig.
1 zu ersehen.
Während des Zuziehens des Stiches wird der Stoff durch den Stoffpresser p gegen die Stichplatte angedrückt. Sobald aber der
Stich vollendet ist und der Stoff verschoben werden soll, muſs der Presser abgehoben
werden; wie dies durch einen Vorsprung q an der
Schubstange c zu Stande gebracht wird, geht aus Fig. 1
hinlänglich deutlich hervor.
Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, daſs der Antrieb für sämmtliche Organe mit
Ausnahme der Schiffchen an beiden Enden der Maschine symmetrisch vorhanden ist.
Zwischen die Transmission und die Stickmaschine ist ein Vorgelege mit Riemenkegeln
eingeschaltet; der Arbeiter kann von seinem Platze aus die Geschwindigkeit der
Maschine dem jeweiligen Bedürfnisse anpassen. Die Antriebscheibe ist mit der Welle
A durch eine Reibungskuppelung verbunden, welche
durch einen Fuſstritt augenblicklich ausgelöst werden kann.
Die Maschine ist mit einem Bohrapparate versehen. Wie Fig. 6 zeigt, ist dieser
auf dem Balken angebracht, welcher die Schiffchen trägt. Dieser Balken ist nicht
fest am Gestelle, sondern es bildet derselbe einen Theil eines Wagens, ähnlich dem
Nadelwagen. Dieser Wagen bleibt in Ruhe, so lange gestickt wird; nach Auslösung
eines Gelenkbolzens r (Fig. 2) in der Verbindung
zwischen der Schiene h und der gekröpften Welle g kann zum Zwecke des Bohrens der Wagen von Hand
rückwärts und vorwärts geschoben werden. Der Stoffpresser p dient dabei als Bohrlatte.
Die Martini'sche Stickmaschine war während der ganzen
Dauer der Ausstellung ununterbrochen im Betriebe, ohne daſs sich irgend welche
Störungen gezeigt hätten. Nicht ganz gelungen ist die Führung der Schleife f. Das kurze Gelenk an der nach der Kurbelschleife e gehenden Schubstange, welchem ein Theil der Führung
in der Horizontalebene zufällt, zeigte sich dieser Aufgabe nicht gewachsen und
gerieth ins Schlottern, ohne daſs indeſs weitere Nachtheile daraus hervorgegangen wären übrigens lieſse
sich diesem Fehler leicht abhelfen.
R.
E.