Titel: | Ueber Bereitung des Persulfocyans und über dessen Bildung und gleichzeitige Befestigung auf Pflanzen- und Thierfasern auf elektrolytischem Wege; von Prof. F. Goppelsroeder. |
Autor: | Friedrich Goppelsroeder [GND] |
Fundstelle: | Band 254, Jahrgang 1884, S. 84 |
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Ueber Bereitung des Persulfocyans und über dessen
Bildung und gleichzeitige Befestigung auf Pflanzen- und Thierfasern auf elektrolytischem
Wege; von Prof. F.
Goppelsroeder.
Goppelsroeder, über Bereitung des Persulfocyans.
Beim Durchleiten des galvanischen Stromes durch eine wässerige Lösung von
Rhodankalium erhielt ich an der positiven Elektrode einen gelben amorphen Körper,
welcher sich vollständig wie das Persulfocyan verhält. Zu meinen Versuchen bediente
ich mich einer mit der Lösung des Rhodankaliums gefüllten und als positive Elektrode
dienenden Platinschale. In derselben stand ein mit derselben Lösung gefüllter
poröser Thoncylinder und als negative Elektrode diente ein in diesen bis auf den
Boden eintauchendes breites Platinblech. Beim Durchleiten des Stromes in der Kälte
findet fast keine Reaction statt; die Flüssigkeit an der positiven Elektrode bleibt
klar und nimmt bloſs eine leicht gelbliche Färbung an. Wird aber die Elektrolyse bei
erhöhter Temperatur, am besten in der Siedehitze vorgenommen, so bilden sich sehr
bald orangegelbe Flocken, bis zuletzt das Rhodanat vollständig verschwunden ist und
sich in Farbstoff umgewandelt hat. Dieser braucht nur filtrirt und mit kaltem
destillirtem Wasser gewaschen zu werden. Bei meinen Versuchen enthielten die
Platinschale 100, der Thoncylinder 45cc der
Rhodankaliumlösung. Diese Vorgänge dauerten nur ¾ Stunden.
Die Flüssigkeit an der positiven Elektrode wurde stark sauer, diejenige an der
negativen Elektrode stark alkalisch. Die Flüssigkeit an der positiven Elektrode
färbt sich zuerst gelblich, dann trübt sie sich immer mehr und gibt den flockigen
orangegelben Niederschlag. Die Flüssigkeit an der negativen Elektrode bleibt klar
und farblos. An der negativen Elektrode findet eine starke Gasentwickelung statt,
welche ich näher untersuchen werde. Der gelbe Farbstoff, welchen ich auch noch näher
prüfen und einer Elementaranalyse unterwerfen werde, ist unlöslich in Wasser,
Aether, Benzol, Chloroform, Eisessig, selbst in der Siedehitze; derselbe löst sich
nur sehr wenig selbst in kochendem absolutem Alkohol, welcher sich dadurch sehr
leicht gelblich färbt. Selbst kochender Amylalkohol nimmt nur eine leichte gelbliche
Färbung an. Kalter
Aldehyd sowie kochendes Cymol und kochendes Xylol zeigen nach der Behandlung nur
eine kaum wahrnehmbare Spur von gelblicher Färbung. Essigsäure-Methyläther färbt
sich leicht gelblich.
Der gelbe Farbstoff löst sich wenig in Glycerin, demselben eine gelbe Färbung
ertheilend; Wasser trübt diese Lösung nicht. Aetzkalilösung löst denselben in der
Wärme mit gelber Farbe. Concentrirte heiſse Schwefelsäure gibt eine hellgelbe
Lösung, welche beim Eingieſsen in Wasser gelbe Flocken ausscheidet. Salpetersäure
verändert ihn selbst in der Kochhitze nicht. Unter dem Mikroskope erscheint der mit
Wasser ausgewaschene Farbstoff amorph und kanarienvogelgelb.
Es scheint somit derselbe Farbstoff zu sein, von welchem z.B. Schützenberger in seinem Werke: Traité de Chimie
générale, Bd. 2 S. 620 im Kapitel über die Polymères sulfurés de la série du cyanogène spricht. Schützenberger sagt dort: „Das Persulfocyan, dessen
Zusammensetzung sehr wahrscheinlich durch die Formel C3N3HS3
(welche von Laurent und Gerhardt aufgestellt worden war) auszudrücken ist, setzt sich ab, wenn
man eine wässerige Lösung von Rhodankalium mit Chlor oder kochender verdünnter
Salpetersäure behandelt. Es bildet ein gelbes amorphes Pulver und ist in Wasser,
Alkohol und Aether unlöslich.“
Ich habe jedoch das Persulfocyan nicht nur auf elektrochemischem Wege aus
Rhodankalium dargestellt, sondern auch mit Hilfe der Elektrolyse auf den
pflanzlichen und thierischen Fasern selbst gebildet und gleichzeitig befestigt.
Ich tränke das Baumwoll-, Woll- oder Seidenzeug mit einer wässerigen Lösung von
Rhodankalium und lege es auf ein die negative Elektrode bildendes Platinblech, indem
ich eine 8 bis 16fache, mit derselben Lösung getränkte Zeuglage zwischen Blech und
Zeugmuster lege. Ich lege alsdann auf das Zeugmuster ein die positive Elektrode
bildendes Platinblech und lasse den Strom durchgehen. Nun wird das Zeug sofort da,
wo es von der positiven Elektrode berührt wird, kanariengelb bis dunkelorange
gefärbt.
Ich erinnere an den Vorschlag der Prochoroff'schen Dreibergen
Manufactur in Moskau (vgl. 1884 251 41) für die
Bereitung des gelben, Kanarin genannten Farbstoffes,
wobei vorzugsweise Brom oder ein Gemisch von chlorsaurem Kali und Säure auf die
Sulfocyansäure oder ihre Salze, die Rhodanate, einwirkt. Prochoroff wendet die alkalischen Lösungen des Kanarins zum Färben an. Der
erste, welcher das Persulfocyan oder Kanarin zum Drucke auf Baumwolle angewendet
hat, ist H. Schmid (vgl. 1884 251 41. 253 130).
Statt der oxydirenden Mittel bediene ich mich also ganz ebenso leicht, ja noch viel
einfacher des bei der Elektrolyse des Wassers am positiven Pole frei werdenden
Sauerstoffes (und seiner Producte). Diese Reaction kann ebenso gut in Gegenwart der
pflanzlichen und thierischen Fasern ausgeführt werden, so daſs der gelbe Farbstoff
sich in ihrer Gegenwart
bildet und sich im gleichen Augenblicke nicht nur auf Baumwolle, sondern auch auf
Seide und Wolle, in solider Weise fixirt.
Ich glaube, daſs die elektrolytische Bereitung des Persulfocyans oder Kanarins, sowie
die elektrolytische Bildung und gleichzeitige Befestigung dieses Farbstoffes auf den
Fasern die einfachste bis jetzt bestehende Methode ist. Es ist dies wiederum ein
Beweis dafür, daſs das Gebiet der Elektrolyse, welches nun seit einer längeren Reihe
von Jahren den Gegenstand meiner Untersuchungen bildet, mit der Zeit selbst eine
Anwendung in der Praxis finden könnte. Wann? Die Zukunft wird es lehren.
Ich bin mit Versuchen beschäftigt, um zu erfahren, ob man zum gleichen Farbproducte
gelangt, wenn man der Lösung des Rhodankaliums noch ein Chlorür, Bromür, Jodür oder
Nitrate, Chlorate u. dgl. zufügt, durch deren Elektrolyse am positiven Pole Chlor,
Brom, Jod, Salpetersäure, Chlorsäure u. dgl. frei werden, welche wohl, indem sie auf
das Rhodankalium einwirken, ähnlich wie der elektrolytische Sauerstoff die Bildung
des Persulfocyans bewirken.
Mülhausen i. E., August 1884.
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Nachtrag. Am 6. September hatte ich
meine Arbeit „über die Bildung und gleichzeitige Befestigung des Kanarins auf
elektrochemischem Wege“ zur Veröffentlichung abgesendet. Nun fand ich heute
erst zufälliger Weise in Nr. 9 dieses Jahrganges der Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft im Kapitel: „Referate
über die organische Chemie“, Seite 252, ein Referat von Jawein über Mittheilungen des Hrn. A. Lidow im Journale der
russischen physikalisch-chemischen Gesellschaft 1884 (I) S. 271 über
„Bildung des Pseudosulfocyans bei der Elektrolyse des
Rhodanammoniumsalzes“. Von Lidow's Arbeit hatte
ich bei Veröffentlichung der meinigen keine Ahnung gehabt., sonst hätte ich in
meiner Mittheilung vor Allem derselben Erwähnung gethan. Ich beeile mich deshalb
sofort nachzutragen, daſs Lidow bei der Elektrolyse
einer gesättigten Lösung von Rhodanammonium unter Anwendung von Platinelektroden an
der positiven Elektrode ebenfalls zu dem gelben Farbstoffe gelangt war. Ich verweise
hinsichtlich der einzelnen Angaben auf das oben erwähnte Referat; die
Originalabhandlung selbst kenne ich leider nicht.
Lidow hält den von ihm auf
elektrolytischem Wege aus Rhodanammonium erhaltenen gelben Farbstoff ebenfalls für
Kanarin, wie ich es für den von mir auch auf elektrolytischem Wege aus Rhodankalium
erhaltenen in Folge seines Verhaltens annehme. Während aber Lidow den von ihm erhaltenen Farbstoff einer Elementaranalyse unterworfen
hat, bleibt mir dies noch zu thun übrig.
In meiner Arbeit habe ich nicht nur über die Bildung des
Persulfocyans oder Kanarins auf elektrolytischem Wege, sondern auch über dessen
gleichzeitige Bildung und Befestigung auf den verschiedenen Fasern auch mit Hilfe
der Elektrolyse einer Lösung von Rhodankalium in Gegenwart der Fasern gesprochen,
über welchen Punkt ich in jenem Referate nichts erwähnt finde.
17. September 1884.