Titel: | Das californische sogen. Hurdy-Gurdy-Wasserrad. |
Autor: | Whg. |
Fundstelle: | Band 254, Jahrgang 1884, S. 273 |
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Das californische sogen.
Hurdy-Gurdy-Wasserrad.
Mit Abbildungen.
Das californische sogen. Hurdy-Gurdy-Wasserrad.
In einer Sitzung der American Society of Civil Engineers
hielt H. Smith einen sehr anziehenden Vortrag über die
Ausnutzung der Wasserkraft in Californien, welcher im Engineering and Mining Journal, 1884 Bd. 37 S. 406 veröffentlicht wurde
und woraus folgender Auszug entnommen ist.
Um die Minen in Californien mit Wasser zu versorgen, wurden auf dem westlichen
Abhänge der Sierra Nevada zahlreiche Gräben gezogen, welche das Wasser hoch im
Gebirge faſsten und bis zum Kamme der letzten Hügelketten führten, die das von den
Flüssen Sacramento und San Joaquin gebildete groſse Thal von Californien begrenzen.
In vielen Fällen wurden die Minen, für welche diese Wasserleitungen angelegt waren,
verlassen und ihr Wasser wird nun für Quarzmühlen und andere Zwecke vielfach
ausgenutzt. Die aus diesen Gräben zu gewinnende gesammte Arbeitsleistung wird von
Smith auf mehrere hunderttausend Pferdestärken
geschätzt.
Bei allen diesen Anlagen steht nur eine geringe Wassermenge – nur wenige Gräben
liefern mehr als 2cbm in der Secunde –, dafür aber
ein groſses Gefälle von 60 bis 180m zur Verfügung.
Man verwendete zuerst das Barker'sche (Segner'sche?) Reactionsrad, dann kleine Vollturbinen,
später mit besserem Erfolge Partialturbinen (Tangentialräder), in einzelnen Fällen
auch groſse oberschlächtige Wasserräder (eines derselben hat einen Durchmesser von
20m). Alle diese Motoren wurden jedoch durch
ein vor etwa 20 Jahren unter dem Namen Hurdy-Gurdy
eingeführtes einfaches Stoſsrad verdrängt. In seiner
ursprünglichen rohen Form war dasselbe ein gewöhnliches hölzernes Rad von 100 bis
150mm Kranzbreite und bis zu 6m Durchmesser, auf dessen Umfang kleine viereckige
guſseiserne Platten in radialer Stellung befestigt waren. Senkrecht gegen diese
Schaufeln, also tangential zum Rade wurde der aus einer Düse austretende
Wasserstrahl geleitet. Die unter den betreffenden Verhältnissen sehr wesentlichen
Vorzüge dieses Rades sind einfache und billige Herstellung, geringes Gewicht,
entsprechend leichte Grundmauerung und geringe Abnutzung in den Lagern, wagerechte
Welle, Vermeidung übermäſsig hoher Umlaufzahlen, die auſserdem durch passende Wahl
des Durchmessers innerhalb ziemlich weiter Grenzen beliebig festgesetzt werden
können u.s.w. Diese Räder geben allerdings nur einen geringen Nutzeffect (höchstens
40 Proc), da beim Stoſse des Wasserstrahles gegen die ebenen Schaufeln ein groſser
Theil der Energie des Wassers verloren geht. Durch Anbringung gekrümmter Schaufeln wurde der Wirkungsgrad desselben
aber bald erhöht und die ausgedehntere Verwendung des Guſseisens an Stelle des
Holzes machte die Räder dauerhafter. Gröſsere Verbreitung haben u.a. die Räder von
Knight und von Collins
gefunden. Das Knight'sche Rad hat sehr eng an einander
liegende taschenförmige Zellen und die zugehörige Ausströmdüse mündet in einen
flachen Spalt aus, um dieselbe dem Rade möglichst nahe bringen zu können. Das Collins'sche Rad kann als eine auſsenschlächtige
Partialturbine mit wagerechter Welle und seitlichem
Austritte des Wassers bezeichnet werden. Dasselbe soll etwa 70 Proc. Nutzeffect
geben.
Fig. 1., Bd. 254, S. 274
Die neueste Form des sogen. Hurdy-Gurdy-Rades ist das nachstehend in Fig. 1 abgebildete Pelton'sche Rad, dessen Schaufeln den in Fig. 2
dargestellten Querschnitt haben. Der Wasserstrahl stöſst gegen die mittlere Kante
der Schaufeln, theilt sich und wird beiderseits um volle 180° abgelenkt, so daſs die
Abströmrichtung der Zuströmrichtung gerade entgegengesetzt ist. Hierbei ist es
möglich, durch eine passende Umfangsgeschwindigkeit des Rades (etwa gleich der
halben Geschwindigkeit des zuströmenden Wassers) die absolute Abfluſsgeschwindigkeit
fast zu Null zu machen.
Fig. 2., Bd. 254, S. 274
Da auſserdem die Ablenkung des Wassers beim Stoſse gegen die
Schaufeln nur gering ist, so läſst das Pelton-Rad einen hohen Wirkungsgrad erwarten
und durch Versuche ist ein solcher in der That festgestellt worden. Browne erhielt mit einem Rädchen von 0m,4 Durchmesser und einer Strahldicke von 9mm bei einer Gefällhöhe von 15m,3 einen gröſsten Nutzeffect von 82½ Proc. wobei
die Umfangsgeschwindigkeit nahezu gleich der halben Strahlgeschwindigkeit war. Bei
derselben Strahldicke und einem Gefälle von nur 2m,44 sank der Nutzeffect auf 73 Proc. während bei einer Strahldicke von 6mm das beste Ergebniſs sich auf 75,6 Proc. belief.
Eine gröſsere Reihe
sorgfältiger Versuche wurde mit verschiedenen Hurdy-Gurdy-Rädern in Grass Valley
durchgeführt. 13 dieser Versuche betrafen ein Pelton'sches Rad von 1m,83 Durchmesser, dem
das Wasser durch eine 2100m lange Rohrleitung von
560mm Durchmesser zufloſs. Die Strahldicke
betrug 48mm. Der Oberwasserspiegel lag 117m,80 über der Düsenmündung. Hiervon wurde als
Leitungswiderstandshöhe 0m,55 in Abzug gebracht,
so daſs die nutzbare Gefällhöhe 117m,25 ausmachte.
Die Wassermenge wurde mittels eines Ueberfallwehres zu 79l,8 in der Secunde ermittelt. Dies ergibt einen
absoluten Effect von 117,25 × 79,8 : 75 = 125e.
Die in den Ergebnissen recht gut übereinstimmenden 13 Bremsversuche mit einem Prony'schen Zaune lieferten im Mittel einen Nutzeffect
von 109e, so daſs man den auffallend hohen
Wirkungsgrad von 109 : 125 = 0,87 erhielt. Das Rad machte 255 Umdrehungen in der
Minute, wobei die Umfangsgeschwindigkeit 51 Proc. der theoretischen
Ausfluſsgeschwindigkeit (=\sqrt{2\,g\,h}) betrug. Die übrigen
Räder ergaben einen erheblich geringeren Wirkungsgrad.
Die Anwendung der Hurdy-Gurdy- Räder ist eine auſserordentlich mannigfaltige;
beispielsweise wurden sie benutzt bei der Anlage des etwa 2km,5 langen, durch Schiefer getriebenen
Nord-Bloomfield-Tunnels in Californien, für welchen 8 Schachte von etwa 60m Tiefe angelegt waren. An jeder Schachtmündung
wurde ein einfaches Triebwerk aufgestellt, bestehend aus einem hölzernen Bocke, auf
welchen 3 parallele Wellen gelagert waren. Die erste Welle trug einerseits das
Wasserrad, andererseits ein Getriebe, welches in ein gröſseres auf der zweiten Welle
befindliches Zahnrad eingriff. Ein am letzteren angebrachter Zapfen trug das
Pumpengestänge. Auf der dritten, mittels eines Seiltriebes von der zweiten
mitgenommenen Welle saſs, durch eine Ausrückkuppelung mit derselben verbunden, eine
Fördertrommel. Zum Aufziehen des beladenen Fördergefäſses wurde die Kuppelung
eingerückt; das Hinunterlassen des leeren Gefäſses geschah mittels einer Bremse. Das
Betriebswasser wurde durch eine längs der ganzen Tunnellänge direkt auf den Boden
gelegte schmiedeiserne Rohrleitung zugeführt, deren Durchmesser, mit 380mm beginnend, allmählich bis auf 180mm abnahm. Der Sammelbehälter, von welchem das
Rohr ausging, lag 86m,9 über der Mündung des
obersten und 167m,3 über der Mündung des untersten
Schachtes. Dieser Zunahme der Druckhöhe entsprechend nahm auch der Durchmesser der
Hurdy-Gurdy-Räder von 5m bis auf 6m,4 zu, so daſs im Uebrigen die Triebwerke ganz
gleich genommen werden konnten. Die Strahldicke bezieh. die Wassermenge wurde durch
einen vor die Mündung des Strahlrohres geschraubten, leicht auswechselbaren Ring aus
dünnem Stahlblech bestimmt, konnte also leicht für jedes Rad passend geregelt
werden. Auſser den Pumpen und Fördertrommeln wurden noch zwei Diamantbohrer aus der
Wasserleitung betrieben (die anderen Bohrer waren für Handbetrieb eingerichtet), zu
welchem Zwecke hinten
auf den Bohrwagen ein Wasserrad angebracht wurde. Bei dem Baue eines anderen Tunnels
brachte man unmittelbar auf jeder Bohrspindel ein kleines Hurdy-Gurdy-Rad an und
bewirkte auch den Vorschub des Bohrers direkt durch den Wasserdruck, so daſs alle
Zahngetriebe u.s.w. fortfielen.
Auf der Idaho-Goldquarzgrube bei Grass Valley wurde im vorigen Jahre der Dampfbetrieb
durch Wasserbetrieb mittels Hurdy-Gurdy-Räder ersetzt, obgleich die ringsum
liegenden Wälder sehr billiges Brennholz liefern. Das Wasser wird zugeführt durch
ein 2670rn langes, 560mm weites Schmiedeisenrohr, welches unterhalb der Frosttiefe in die Erde
gelegt ist. Die wirksame Gefällhöhe beträgt etwa 160m. Die Räder betreiben einen groſsen Luftverdichter mit 2 doppelt
wirkenden Cylindern, welcher Luft von mehr als 5at
Spannung liefert und etwa 140e erfordert, ferner
einen Satz Pumpen, welche das Wasser aus einer Tiefe von 442m heben und etwa 55 bis 70e benöthigen, eine 35e oder mehr verbrauchende Doppel-Fördertrommel, ein Pochwerk mit 35
Pochschuhen, 70e erfordernd, einige kleine
Werkzeugmaschinen, Schmiedefeuer u.s.w. Zur Kraftübertragung werden nur
Manilla-Hanſseile von 50mm Durchmesser verwendet,
welche sich vortrefflich bewährt haben sollen. Das den Luftverdichter treibende
Wasserrad hat 1m,83 Durchmesser, empfängt einen
Strahl von 49mm Durchmesser und läuft mit 300
Umdrehungen in der Minute. Für die Pumpen sind, um verschiedene Geschwindigkeiten zu
ermöglichen, zwei Stoſsräder von 1m,52 bezieh.
2m,13 Durchmesser auf derselben Welle
angebracht. Für jedes dieser Räder sind auſserdem zwei Strahldüsen vorhanden, so
daſs der Effect jederzeit verdoppelt werden kann. Das kleinere Rad mit einer Düse
von 33mm Durchmesser macht 360 Umläufe, das
gröſsere mit einer Düse von 30mm macht 270 Umläufe
in der Minute. Auf der die Fördertrommel treibenden Welle sind zwei Wasserräder von
2m,5 Durchmesser neben einander angebracht,
deren Schaufeln und Strahldüsen entgegengesetzt gerichtet sind, so daſs die
Bewegungsumkehr einfach durch Schlieſsen der einen und Oeffnen der anderen Düse zu
erreichen ist, wozu auch der Wasserdruck benutzt wird. Auſser den Bremsen auf der
Trommelwelle ist auch eine Bremse auf der Radwelle angebracht, so daſs ein sehr
schnelles Anhalten möglich ist. Genaue Messungen über den Nutzeffect der Anlage
haben noch nicht stattgefunden. Nach den an den früheren Dampfmaschinen
aufgenommenen Indicatordiagrammen wird geschätzt, daſs etwa 80 Procent des absoluten
Effectes der Wasserkraft auf den Triebwellen der Maschinen gewonnen werden.
Nach Allem scheint die Anwendung der besprochenen Stoſsräder da, wo sehr bedeutende
Gefälle zur Verfügung stehen, recht empfehlenswerth zu sein.
Whg.