Titel: | Nochmals zur Türkischrothölfrage; von A. Müller-Jacobs. |
Autor: | A. Müller-Jacobs |
Fundstelle: | Band 254, Jahrgang 1884, S. 302 |
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Nochmals zur Türkischrothölfrage; von A.
Müller-Jacobs.
Müller-Jacobs, zur Türkischrothölfrage.
In den Mittheilungen des Technologischen Gewerbemuseums in
Wien, Fachzeitschrift für die chemische Seite der Textilindustrie, 1884 S.
59 bringen L. Liechti und W.
Suida eine Erwiderung auf meine in diesem Journal 1884 251 499 erschienene Abhandlung, betreffend die
Zusammensetzung und Wirkungsweise der sogen. Türkischrothöle.
Dem aufmerksamen Leser werden die Unterschiede zwischen den früheren und den
nunmehrigen Untersuchungsergebnissen, sowie deren wesentlich abweichende Erklärung
nicht entgehen. Trotzdem möge mir an dieser Stelle ein kurzer Rückblick gestattet
sein.
Bekanntlich machten Liechti und Suida die Bildung der wasserlöslichen Verbindung und damit die Darstellung
von Türkischrothöl überhaupt abhängig von der Entwickelung höchst bedeutender Mengen
von Schwefeldioxyd. Ihre erste Reactionsgleichung (vgl. 1883 250 546): 2C3H5(C18H33O2)3 +
7H2SO4 = C42H78O12S + 4C18H34O3 + 4H2O + 6SO2 läſst aus 686 Th. Schwefelsäure 384 Th.
Schwefligsäureanhydrid entstehen. Nun verläſst die neu aufgestellte Gleichung diesen
Standpunkt gänzlich (in dieser Beziehung den praktischen Erfahrungen entsprechend):
2C3H5(C18H33O2)3 + 7H2SO4 + 8H2O = C42H82O12S + 4C18H36O3 + 6H2SO4. Der von ersterem augenscheinlich so sehr
verschiedene Vorgang verlangt nun aber die Verwendung einer Schwefelsäure von
beiläufig 61° B. (= 1,746 sp. G.), mit welcher ganz sicherlich noch niemals
Türkischrothöl hat erstellt werden können. Der allfällige Einwand., daſs die obigen
8 Mol. Wasser erst beim späteren Verdünnen der mit Schwefelsäure angerührten Oele
eintreten, würde die Annahme weiterer Zwischenproducte nöthig machen.
Wenn nun Liechti und Suida
trotz der abgeänderten Gleichung doch noch an der Bildung „bemerkbarer“
Mengen von Schwefligsäure festhalten, so habe ich dagegen nichts einzuwenden. Mir
liefert dies höchstens den Beweis, daſs ihr Verseifungsprozeſs nicht richtig
geleitet wird; denn nur in diesem Falle tritt Desoxydation der Schwefelsäure ein,
was ich ja früher schon ausgesprochen habe. Ich will nicht unterlassen, hier eine
diesen Punkt berührende Mittheilung von H. Binder,
Leiter der Alizarin- und Türkischrothölfabrik von L.
Rabenek in Moskau, zu deren Veröffentlichung ich ermächtigt bin,
anzuführen. Hr. Binder schreibt: „Ich versorge in
Ruſsland mehrere der gröſsten Türkischrothfärbereien mit Alizarinöl und habe bei
der Herstellung von bereits über 28000 Faſs (etwa 5500t) noch nicht einmal die Entwicklung eines Kilogramms von SO3 beobachtet!“
Das Gleiche gilt selbstredend auch für die Behandlung von Oleïnsäure mit
Schwefelsäure. Dieser Prozeſs wird in der erwähnten neuesten Abhandlung von Liechti und Suida nun
ebenfalls anders und mehr im Sinne meiner Anschauungen aufgefaſst. Indem es ihnen
nun möglich geworden ist, eine wasserlösliche Verbindung aus Oelsäure durch eine
geeignetere Methode zu erzeugen, stellen sie für den Vorgang folgende abgeänderte
Reactionsgleichung auf: C18H34O2 + H2SO4 = C18H35(O.SO3H)O2. Der so
entstehenden neuen Verbindung, deren Schwefelgehalt nur unwesentlich von demjenigen
meiner Sulfosäuren abweicht, sind keine analytischen Angaben mit auf den Weg
gegeben, obgleich mir in der besagten Abhandlung nur einige Zeilen vorher ein
ähnlicher Vorwurf gemacht wird. Wer die Aehnlichkeit des Verlaufes in der
Aufschlieſsung von Triglyceriden und von Oelsäure mit Schwefelsäure und die
Gleichartigkeit der Zersetzungsproducte in näheren Betracht zieht, wird schwerlich
dazu zu bestimmen sein, eine solche Verschiedenheit in den beiden Vorgängen, wie sie
sich in den wiedergegebenen zwei Gleichungen abspiegelt, anzuerkennen.
Obgleich nun Liechti und Suida, wie aus S. 65 ihrer Abhandlung erhellt, eingesehen haben, daſs, um
die höchste Ausbeute an wasserlöslichem Körper zu erhalten, eine lang andauernde
Einwirkung der Schwefelsäure unnöthig, ja schädlich ist, können sie sich doch nicht
dazu entschlieſsen,
die von mir mitgetheilte Methode zur Darstellung von Reactionsmassen aus Oelsäure
und Oelsäuretriglyceriden anzunehmen. Sie lassen die Schwefelsäure nach wie vor 12
Stunden mit dem Oele in Berührung. Da ist es doch nicht verwunderlich, wenn ihre
theoretischen Schlüsse sowohl, wie die Erfolge ihrer Reactionsproducte praktisch von
den meinigen verschieden sind. Nach ihrer Theorie von der alleinigen Wirksamkeit der
Ester müſsten sie doch selbst dahin trachten, von der wasserlöslichen Verbindung
möglichst groſse Mengen zu erhalten und vor einer Wiederzersetzung zu schützen, was
einer lang andauernden Einwirkung widerspricht. Und wenn sie demnach mittels ihres
Verfahrens nur wenig von der wasserlöslichen Verbindung erhalten, wo bleibt dann das
nothwendigerweise frei werdende Glycerin? Ich gebe gern und ausdrücklich zu,
wiederholt nicht unbeträchtliche Mengen von Glycerin in den von den
Zersetzungsproducten des wasserlöslichen Körpers abgeschiedenen wässerigen
Unterlaugen gefunden zu haben; das Gleiche war aber stets auch der Fall, wenn ich
rohe Oleïnsulfosäure aus Oleïnsäure mit Glycerin versetzte, die Mischung in Wasser
löste, mit Säuren wieder ausschied, mit Aether auszog und das so gereinigte Product
zersetzte, ohne daſs ich dabei annehmen durfte, es hätte sich ein synthetischer
Glycerin-Ester gebildet. Mir scheint das Glycerin einfach vom wasserlöslichen Körper
aufgenommen oder zurück behalten worden zu sein, was bei dem groſsen
Aufnahmevermögen des letzteren für die verschiedensten Stoffe nicht so
unwahrscheinlich klingt.
Der Gehalt der Reactionsmasse an chemisch gebundenem Schwefel darf laut der Liechti und Suida'schen
Gleichung zusammen nur 1,59 Proc. betragen, während von verschiedenen Chemikern,
selbst bei ganz schlecht erstellten, beinahe unlöslichen Einwirkungsproducten von
ganz niedrigem specifischem Gewichte mindestens 2,6 Proc. Schwefel gefunden worden
sind. Dies bezieht sich auf Versuche mit Olivenöl. Ich kam aber, wie aus der
vorgeführten Tabelle ersichtlich, bei günstigen Einwirkungsverhältnissen weit höher,
wobei gleichzeitig die Löslichkeit des Productes wesentlich gesteigert und seine
Eigenschaften überhaupt vortheilhaft verändert wurden, was doch sicherlich nicht
mechanisch beigemengter Schwefelsäure, d.h. nicht völlig abgeschiedener Unterlauge
zugeschrieben werden darf. Auf Lager halten sich nur solche Türkischrothöle (aus
Oelsäuretriglyceriden) klar und unzersetzt, deren Reactionsmassen ein specifisches
Gewicht von 1,025 und einen Schwefelgehalt von 8 bis 9 Proc. zeigen. Wenn hier der
Schwefel als Natriumsulfat vorhanden wäre, müſsten solche Alizarinöle im Gegentheile
leichter veränderlich und zersetzlich sein. Ich bin deshalb auch nicht im Klaren
über die Gründe, welche Liechti und Suida bewegen, mir Unreinheit meiner Reactionsmassen
(nämlich einen Gehalt von 40 bis 60 Proc. an unverbundener Schwefelsäure)
vorzuwerfen. Wenn diese Massen nach den weiter unten folgenden Methoden dargestellt
und von der Unterlauge nach 6stündigem Stehen getrennt werden, so stellen dieselben durchwegs klare,
durchsichtige, in Wasser ohne Trübung lösliche und wenigdickflüssige Gemische dar,
welche bei fernerem Stehen nur noch unerhebliche Mengen von wässeriger Lösung
ausscheiden und nun nicht mehr veränderlich sind, weder in ihren Eigenschaften, noch
in ihrem specifischen Gewichte. Bei einer Behandlung mit Salzlösungen geben
dieselben allerdings noch kleine Mengen von Wasser und freier Säure ab, indem
allmählich Zersetzung eintritt, keinesfalls aber mehr, als etwa 8 bis 10 Procent der
vorhandenen Sulfosäure entspricht. Anders verhält es sich bei den dicklichen, unter
Entbindung von Schwefligsäure dargestellten, trüben und schwer löslichen
Reactionsmassen. Diese geben die Unterlauge äuſserst schwer ab und verlieren dann
bei fortgesetzten Waschungen fast sämmtlichen Schwefel, weil dieser nicht an
organische Substanz gebunden ist.
Nach Liechti und Suida
besteht das Einwirkungsproduct aus angenähert 40 Th. wasserlöslicher Masse und 60
Th. nicht in Wasser löslichen Zersetzungsproducten (Oxystearinsäure), welchen durch
erstere die Fähigkeit ertheilt wird, selbst löslich oder emulsirbar zu werden. Diese
groſse lösende Kraft der Schwefelverbindung erstreckt sich auch Huf andere
unlösliche Stoffe und verhindert andererseits seine vollkommene Reinigung in hohem
Maſse. Daſs unter solchen Umständen bei einer Untersuchung nur äuſserst schwierig
scharf stimmende Zahlen zu erzielen sein werden, ist wohl selbstverständlich.
Eine ganz eigenthümliche Kritik erfährt das von mir behauptete Vorkommen von
unverändertem Oele in den Reactionsmassen. Liechti und
Suida konnten solches in keinem Falle nachweisen.
Ob hier die Untersuchung in ähnlicher Weise genau durchgeführt wurde, wie diejenige
betreffs der Oxyoleïnsäure-, der Schwefligsäure- und Glycerinbestimmung in der
Unterlauge? Wenn nun aber, wie ich glaube, aus dem Vorhergehenden zur Genüge
erhellt, daſs bei meiner Methode der Darstellung von Reactionsmassen mit der Bindung möglichst viel von Schwefel an die
organische Substanz unter Vermeidung jeglichen schädigenden Einflusses die gröſstmögliche Menge von wasserlöslichem Körper und
damit das vorzüglichste Product gebildet wird und nun Liechti und Suida auf S.
61 ausdrücklich zugeben, daſs sich diesfalls völlig
unverändertes Trioleïn vorfinden müsse, so ist jeder Leser im Stande, die
sich hieraus ergebende Schluſsfolgerung selbst zu ziehen, vornehmlich in Bezug auf
die Berechtigung meiner Färbetheorie. – Der Nachweis des unveränderten Oeles gelingt
übrigens sehr leicht durch Auflösen der Reactionsmassen (aus Trioleïn) in ihrem 10
bis 12fachen Volumen an Alkohol. Während geringere Mengen Alkohol das Product ganz
klar lösen und so zu Täuschungen Veranlassung geben, tritt unter diesem Verhältnisse
Trübung ein, unter allmählicher Ausscheidung des Triglycerides innerhalb 3 bis 4 Tagen. Auch hier zeigt
sich wieder deutlich der eigenthümliche lösende Einfluſs der Sulfosäure.
Es darf nicht unerwähnt bleiben, daſs der Gehalt an unverändertem Triglycerid mit dem
Alter des Türkischrothöles ohne sichtbare äuſsere Aenderung stetig abnimmt, wodurch
sich die Löslichkeit desselben in Alkohol vergröſsert. Die nämliche Spaltung findet
aber auch häufig unter Mitwirkung eines Fermentes, welches unter dem Mikroskope
groſse Aehnlichkeit mit den Saccharomyces cerevisiae
aus obergährigem Biere zeigt, und dann in viel kürzerer Zeit statt. Es treten
heftige Gährungserscheinungen unter Kohlensäure-Entwickelung ein, welche, namentlich
im Hochsommer, oft bis zur Sprengung der Versandtfässer führen. Die Hefezellen
vermehrens ich rasch und färben das Oel dunkel. Es scheint, daſs die schleimigen
Stickstoff haltigen Bestandtheile in schlecht gereinigten Oelen hauptsächlich
geeignet sind, die Gährung zu begünstigen, da die Gährungserscheinungen in Oelen von
bester Raffinirung ausbleiben. Türkischrothöle aus Castoröl, sowie solche Producte,
bei denen die Neutralisation mit Natron- oder Kalilauge erfolgte, sind ebenfalls
weit widerstandsfähiger. Hohe Concentration des Oeles verzögert die Gährung, ebenso
ein Zusatz von Carbolsäure oder Salicylsäure und Quecksilberchlorid hebt sie völlig
auf. Wenn die Kohlensäure-Entwickelung beendigt ist, fängt das Oel an, sich zu
klären, die Hefe begibt sich als dunkle, braun violett gefärbte, gelatinöse Masse an
dessen Oberfläche und kann leicht abgehoben werden. Nunmehr ist sämmtliches
unveränderte Trioleïn zersetzt; das Product löst sich in Alkohol in jedem
Verhältnisse klar auf und hat sein früheres Farbenspiel (Dichroismus) verloren, gibt
aber weniger gute Beizerfolge.
Obgleich meine Veröffentlichungen dem aufmerksamen Leser genügend Anhaltspunkte über
meine zur Darstellung von Reactionsmassen befolgten Methoden bieten und mich also
der Aufgabe einer Wiederholung entheben könnten, will ich doch, da mir der Vorwurf
der Unklarheit gemacht worden ist, nicht unterlassen, in Folgendem einige nähere
Vorschriften zu geben. Man wird sich leicht überzeugen, daſs bei Befolgung dieser
Verhältnisse keine Schwefligsäure-Entwickelung stattfindet und daſs die
Einwirkungsproducte (bei Oelen) Triglycerid haltig sind.
1) Reactionsmasse aus Triglyceriden der Oelsäurereihe:
200g gut gereinigtes Mandelöl oder Rüböl
werden in einer geräumigen Porzellanschale auf Eis gestellt, bis die Temperatur auf
ungefähr + 6° gesunken ist. Gleichzeitig werden 50cc Schwefelsäure von 1,8205 bis 1,8210 sp. G. in einem verschlossenen
Glaskölbchen ebenfalls in Eis abgekühlt und hierauf unter raschem Umrühren dem Oele
schnell zugegeben. Die Temperatur steigt bei fortgesetztem Rühren langsam an. Sobald
46° erreicht sind, was im Verlaufe von 3 bis 4 Minuten der Fall sein wird, gibt man
unverzüglich 400cc eiskaltes Wasser, welches
vorher abgemessen wurde, bei und setzt das Rühren noch so lange fort, bis das
Gemisch sich zur dicken,
schön weiſsen Emulsion vereinigt hat. Die Schale wird nun wieder auf Eis gestellt,
worauf die Ausscheidung allmählich beginnt und in ungefähr 6 Stunden beendigt ist.
Man bringt nun auf den Scheidetrichter und läſst die klare Unterlauge abflieſsen.
Nach weiteren 2 Stunden hat sich noch etwas klare wässerige Flüssigkeit
abgeschieden, welche ebenfalls entfernt wird. Die ölige Substanz ist klar, nicht sehr dickflüssig, leicht löslich in Wasser
und gibt, mit Alkalien neutralisirt, schön helle und haltbare Türkischrothöle.
2) Reactionsmasse aus Oleïnsäure: 200g Oleïnsäure (frei von Stearinsäure) werden auf 1°
abgekühlt und 60cc Schwefelsäure von 1,8250 sp. G.
ebenfalls stark gekühlt, direkt auf einmal zugegeben, rasch umgerührt und hierauf,
sobald die Temperatur 46° erreicht hat, ohne Zeitverlust 400cc eiskaltes Wasser eingerührt. Die Temperatur
steigt noch schneller als bei den Oelen. Durch pünktliche Befolgung der Vorschrift
wird indessen jegliche Schwefeldioxyd-Entwickelung vermieden. Das mit Wasser
verdünnte Product bleibt flüssig, das Sulfosäuregemisch scheidet sich schon nach
einer Stunde klar ab und kann auf dem Scheidetrichter von der wässerigen Unterlauge
getrennt werden. Es ist homogen, dünnflüssig und in Wasser leicht löslich.
3) Reactionsmasse aus Ricinusöl: 200g Ricinusöl werden auf + 8° abgekühlt und 30cc Schwefelsäure von 1,8210 sp. G. auf 10°
abgekühlt, langsam und tropfenweise zuflieſsen lassen.
Hierauf wird noch so lange umgerührt, bis die Temperatur des Gemisches 38 bis 40°
erreicht hat, und die Masse nun während 12 Stunden der Ruhe überlassen. Nach dieser
Zeit wird eine kalte Lösung von 50g
krystallisirter Soda in 400cc Wasser langsam unter
Umrühren zugesetzt, dann auf den Scheidetrichter gebracht und die Unterlauge nach 24
Stunden abgezogen.
Ich habe bis jetzt mehr nur die technische Seite der Einwürfe berührt- es sei mir nun
auch gestattet, auf den reinen chemischen Theil einzutreten.
Auf S. 62 der Abhandlung von Liechti und Suida wird mir in Bezug auf die Bestimmung der
Kupfersalze der Sulfoleïnsäure der Vorwurf der Unklarheit gemacht. Ich gestehe die
Berechtigung hierzu ein, bin aber an der Sache unschuldig, da leider eine
unbeabsichtigte Verschiebung des Drucksatzes stattgefunden hat. Der Satztheil (in
Bd. 251 S. 502): „Auf einer Glasplatte.... bis.... in alkoholische Lösung
geht“ war in der Textschrift Randbemerkung und
sollte unmittelbar nach den analytischen Zahlen eingeschaltet werden. Das Kupfersalz
der frisch bereiteten Sulfoleïnsäure ist in der That wasserlöslich und scheidet sich
auf Zusatz eines Ueberschusses von Kupfersulfat zur neutralen Lösung der Säure in
Alkalien als grünes Oel ab. Durch längeres Stehen, sowie durch Zusatz von Alkalien
wird es unlöslich und in seiner Zusammensetzung geändert. In Bezug auf den
„beliebig supponirten Wassergehalt“ meiner Sulfoleate verweise ich auf
die oft erwähnte Abhandlung von Frémy über die Zersetzung des Olivenöles
durch Schwefelsäure, in welcher ebenfalls dergleichen Wasser haltige Salze,
darunter auch ein Silbersalz, vorkommen. Es dürfte doch wohl dem Untersuchenden
überlassen bleiben, sich auf Grundlage gefundener und veröffentlichter Zahlenwerthe Formeln nach eigenem Belieben zu
construiren, um so eher, wenn dadurch einer späteren besseren Einsicht keinerlei
Eintrag geschieht. Daſs das Wasser nicht selten ein gutes Auskunftsmittel für
mangelnde Wasserstoff- und Sauerstoffatome abgibt, zeigt uns ja auch die
Bildungsgleichung von Liechti und Suida für den Ester aus Triglyceriden.
Die brieflichen Aeuſserungen der Société industrielle de
Mulhouse stimmen nicht ganz mit dem Urtheile, welches Liechti und Suida über den
Werth meiner Schrift gefällt haben: da ich aber glaube, mich nicht in persönliche
Erörterungen einlassen zu sollen, bemerke ich hier nur, daſs, wer meine darin
mitgetheilten Untersuchungsmethoden mit den in der späteren Abhandlung beschriebenen
vergleicht, keinerlei wesentliche Abweichungen finden wird. So ist die Trennung der
Sulfosäure von den ätherlöslichen Substanzen durch Ausschütteln der in Wasser
gelösten Reactionsmassen mit Aether bereits angegeben und nach Bestimmung der Natur
der Zersetzungsproducte wurde auch auf ein Vorkommen derselben im alkohollöslichen
Theile des Aetherauszuges hingewiesen. Meine Arbeit erschien aber, wie bekannt, längere Zeit vor der ersten Liechti und Suida'schen Abhandlung.
Ihrer eigenen Angabe zu Folge haben die beiden Verfasser niemals Triglycerid haltige
Reactionsmassen unter den Händen gehabt, weil sie eben deren Herstellungsbedingungen
nicht kannten und später nicht einhielten. Unter solchen Umständen muſste
selbstverständlich auch die Dialyse ein negatives Ergebniſs liefern und so ist es
leicht erklärlich, weshalb schlechte Erfolge erzielt wurden, als sie die Waare, mit
von Triglycerid freien Oelpräparaten gebeizt, vor dem Alauniren gewaschen hatten.
Wie kann man aber auch verlangen, daſs man, von verschieden erstellten Materialien
ausgehend, zu völlig gleichen Zielen gelangen könne?
Die von Liechti und Suida
der wasserlöslichen Verbindung aus Oelsäure gegebene
Zusammensetzung weicht in Bezug auf Schwefel nur sehr wenig von derjenigen ab,
welche meiner Sulfosäure entspricht; erstere (C18H36SO6)
verlangt 8,4 Proc. letztere (C18H34SO5) 8,8 Proc.
Schwefel.
Ich glaube nicht, daſs, in Anbetracht des Verhaltens der Sulfoessigsäure beim
Abdampfen an der Luft, in Anbetracht ferner der Unkenntniſs höherer Sulfofettsäuren
oder Sulfoölsäuren und der im Allgemeinen doch ganz anderen Natur der entsprechend
constituirten aromatischen Verbindungen die Zersetzlichkeit dieser Substanz bei
längerem Kochen mit Wasser ein genügender Grund sein kann, derselben den Charakter
einer Sulfosäure ohne weiteres abzusprechen, ja, daſs man so weit gehen dürfe, ihren Bildungsprozeſs mit
demjenigen von Aethylschwefelsäure aus Aethylen, wo ein Kohlenwasserstoff
Ausgangsproduct ist, in schematischen Vergleich zu bringen. Gegen seine Zusammensetzung als Oxystearinsäurederivat spricht aber sein
Additionsvermögen für Jod und Brom, was selbstredend auch für den aus
Triglyceriden hergestellten wasserlöslichen Körper gilt. Man möge sich
daran erinnern, daſs gerade Liechti und Suida in ihrer ersten Abhandlung von dieser Reaction
aus auf die Natur der Schwefel haltigen Substanz als einer Oleïnsäureverbindung schlössen. Mir war es übrigens trotz umfassender
Versuche nicht möglich, in der Zersetzlichkeit der aus Oelsäure oder Trioleïn, aus
Ricinölsäure oder ihrem Triglycerid erhaltenen Sulfoverbindungen bedeutsame
Unterschiede zu finden. (Nach Liechti und Suida ist Ricinölsäure-Ester ebenfalls äuſserst
unbeständig.) Dies gilt sowohl beim Kochen mit Wasser, wie bei längerem Stehen in
concentrirtem oder wässerigem Zustande. Wohl zeigte sich stets ein bestimmter
Unterschied im Schmelzpunkte ihrer Zersetzungsproducte (dieser lag jeweils um 4 bis
5° höher bei der Substanz aus freier Oelsäure), was mir indessen nur auf eine
gröſsere Reinheit desselben hinzuweisen schien.
Liechti und Suida bringen
in ihrer ersten Abhandlung eine Methode zur synthetischen Darstellung des
Glycerin-Esters aus Oelsäure. So streng ich mich aber auch an die Vorschrift hielt,
oder andererseits, so vielseitig ich die Verhältnisse änderte, nie wollte es mir
recht gelingen, bedeutendere Mengen des wasserlöslichen Körpers zu erhalten. Das
Präparat aber zeigte dann kein anderes Verhalten als die ganz ohne Glycerin erzeugte
Sulfosäure, sowohl in chemischer, wie in technischer Beziehung: als Beize. Wenn ich
also s. Z. die Uebereinstimmung des wasserlöslichen Körpers aus Oelsäure mit dem aus
Triglyceriden – gleiche Reinheit vorausgesetzt – behauptete, ohne mich für den
ersteren auf Elementaranalysen gestützt zu haben, so ging ich dabei von der
Ueberzeugung aus, daſs man nicht weit fehl gehen könne, zwei Stoffe als gleich
anzusehen, welche bei ähnlicher Bildungsweise und äuſserst ähnlichem chemischem
Verhalten unter gleichen Umständen dieselben Zersetzungsproducte liefern. Diese
letzteren sind bekanntlich von Liechti und Suida in ihrer ersten Abhandlung bestimmt als ein
chemisches Individuum, als Oxyölsäure, mit dem Schmelzpunkte 56° beschrieben worden.
Meine Entgegnung hatte nun nicht allein zur Folge, daſs die Verbindung mit dem
Schmelzpunkte 71° wirklich gefunden, sondern daſs die Ansichten völlig umgeändert
wurden. Mit der neuen Auffassung von Liechti und Suida stimmt aber die Bromaddition wieder nicht recht
überein. Die beiden Verfasser geben nicht zu, daſs ein unter Auftreten von
Schwefligsäure dargestelltes Oelpräparat (aus Oelsäuretriglyceriden) ein
schlechteres Roth ergebe. Diese Meinung kann für den Leser nicht überzeugend sein,
weil sie sich nicht auf Gegenproben mit anderem Oele stützt, und dann wäre vor Allem
auch auf die Widerstandsfähigkeit beim Avivirprozesse zu prüfen. Dagegen stimme ich
vollkommen mit den Genannten überein, daſs mit dem Ammoniumsalze der Oxystearinsäure
kein günstiger Erfolg erzielt werde. Nun stellen die Verfasser aber weiter die
Behauptung auf, nur der Ester sei das wirksame Prinzip,
indem derselbe sich auf der Faser allmählich spalte, in
Oxystearinsäure übergehe; ihre Präparate enthalten sogar 60 Procent dieses
Körpers vorgebildet. Da die wasserlösliche Substanz aus Oelsäure gleiche
Zersetzungsproducte liefert, muſste ihr wohl eine ähnliche beizende Wirkung
zukommen, was bekanntermaſsen wiederum nicht der Fall ist. Auf diese Widersprüche
gibt Liechti und Suida's
Färbetheorie gar keine Antwort.
Es ist nun Thatsache, daſs Reactionsmassen, durch Behandlung reiner Ricinölsäure mit
Schwefelsäure erstellt und mit Ammoniak neutralisirt, ja sogar einfaches
ricinölsaures Ammoniak den unmittelbar aus Triglyceriden erstellten Mordant zu
ersetzen im Stande sind. Diese Präparate enthalten jedenfalls keinen Glycerin-Ester
und es wird hierdurch überhaupt die specifische
Bedeutung des wasserlöslichen Körpers für die Türkischrothfärberei wesentlich
eingeschränkt. Dieselben sind indessen auch frei von Triglyceriden und dies
hat Veranlassung gegeben, meiner physikalischen Theorie des Türkischrothprozesses
entgegenzutreten.Vgl. Sitzungsbericht des Comité de Chimie de
Mulhouse vom 10. Juli 1884: bezieh.
Chemikerzeitung, 1884 S.
1257.
In Nachfolgendem hoffe ich zeigen zu können, wie sich meine Ansichten auch diesen
Verhältnissen zwanglos anpassen.
Vorerst bemerke ich, daſs den sulfoleïnsauren Alkalien schon in meiner Schrift
hauptsächlich nur die Rolle als Lösungs- und Emulsionsmittel zugeschrieben wurde und
daſs ich sie in dieser Beziehung mit den beim alten Tournantölprozesse gebrauchten
Alkalicarbonaten und mit Seifen, denen ein solches Vermögen ebenfalls zukommt, in
bestimmten Vergleich brachte. Ferner mache ich darauf aufmerksam, daſs, wie aus dem
ganzen Inhalte meiner Arbeit, sehr deutlich aber aus S. 62 derselben hervorgeht,
meine physikalische Theorie des Türkischrothprozesses nicht unbedingt die Gegenwart eines Triglycerides,
sondern nur irgend eines fettartigen Körpers in unverseiftem Zustande verlangt; ich
halte aber dafür, daſs ein solches am vorzüglichsten wirksam sei, weil es dem
hiervon durchdrungenen Farblacke die gröſstmögliche Widerstandsfähigkeit gegen
Seifen- und Alkalicarbonatlösungen zu ertheilen im Stande sein wird. Oelsäure,
Oxyölsäure und Oxystearinsäure für sich, oder als Ammoniaksalz verwendet, aus welch
letzterem dieselben beim Trocknen der Waare wieder frei werden, sind hierzu nur in
geringem Maſse befähigt. Wenn in einem Vortrage von
H. Schmid, gehalten vor der Société industrielle de Mulhouse am 10. Juli behauptet wird, daſs eine
durch Monate langes Schütteln von Oelsäure mit Wasser erhaltene Emulsion das
Türkischrothöl ersetzen
könne, so spricht das Ergebniſs doch gerade gegen eine chemische Wirkung der
Oelsäure. Man kann sich leicht durch den Versuch überzeugen,
daſs freie Oelsäure, selbst in feinster Vertheilung, nicht im Stande ist,
Thonerdelösungen zu zersetzen, d.h. ein Aluminiumoleat zu bilden.
Natriumoleat aber, welches mit Alaunbrühe eine Thonerdeseife liefert, gibt kein
Türkischroth. Was das mit einer Oelsäureemulsion erhaltene Roth betrifft, so ist mit
Recht zu bezweifeln, daſs dasselbe einem nach alter Art erzeugten Türkischroth in
Bezug auf Schönheit und Echtheit ebenbürtig sei. Eine derartige Probe kann aber
nicht in einer Kattundruckerei angestellt werden.
In ähnlicher Weile verhält sich Ricinölsäure. Nur das leicht zersetzliche
Ammoniumricinoleat, welches beim Trocknen freie Säure in feinster Vertheilung auf
die Faser abgibt, kann als Beize dienen, nicht aber das widerstandsfähige
Natriumsalz, welches doch entschieden besser geeignet wäre, mit Thonerdebeizen eine
Aluminium Verbindung zu bilden, wenn eben der Zweck des Beizens hierin bestände.
Eine Beobachtung von H. Binder in Moskau über das
Verhalten von Ricinölsulfosäure oder ihrem Ammoniaksalze bei andauerndem Erhitzen
auf 90 bis 95° scheint geeignet, uns einen weiteren Einblick in die Beiz Vorgänge zu
gestatten und die Richtigkeit der physikalischen Färbetheorie noch mehr zu
bestätigen: Wenn man nämlich gewöhnlichen (Ammoniak-) Mordant oder auch
Reactionsmasse aus Ricinusöl auf kochendem Wasserbade längere Zeit in wässeriger
Lösung erhitzt, so tritt wie bekannt Zersetzung ein. Die ausgeschiedene ölige
Schicht ist erst in Alkohol leicht und vollkommen löslich; bei weiterem Erhitzen
aber geht ihre Löslichkeit zurück. Nach 10 Stunden ist die
Substanz in Alkohol sowie in Eisessig unlöslich geworden und scheidet sich
beim Waschen mit derselben als klare ölige Flüssigkeit von 0,936 sp. G. ab. Die
Verbindung reagirt kaum sauer hat einen milden, nicht kratzenden Geschmack, ist in
Aether und Benzol leicht löslich und verbindet sich mit Alkalien zu Seifen, aus
deren wässerigen Lösungen die Erd- und Metallsalze Niederschläge und Lacke fällen,
welche gröſste Aehnlichkeit zeigen mit solchen aus reinem Natriumricinoleat. Aus den
so hergestellten Salzen ausgeschieden, wird eine alkohollösliche Säure
zurückgebildet, welche sich kaum von gewöhnlicher Ricinölsäure unterscheidet.
Alkalicarbonate geben mit dem neuen unlöslichen Körper Emulsionen, ohne denselben zu
verseifen, wonach er sich also in sehr vielen Beziehungen den Triglyceriden ähnlich
verhält.
Obgleich dieser Körper noch nicht Gegenstand einer direkten analytischen Untersuchung
gewesen ist, wage ich es doch, die Vermuthung auszusprechen, es möchte in demselben
ein Anhydrid der Ricinölsäure vorliegen und seine Bildung vielleicht im Sinne der
nachstehenden Gleichung erfolgen:
2C18H32O2.SO3H.OH + H2O = C18H33O2.O.C18H33O2 + 2H2SO4.
Dieselbe Verbindung bildet sich bei gleicher Behandlung nicht
allein aus der wasserlöslichen Substanz aus Ricinusöl
(dem Liechti und Suida'schen Glycerin-Ester), sondern auch aus Ricinölsäure-Reactionsmasse oder der Ammoniakverbindung, ein neuer
Beweis., daſs hier keine verschiedenen Verbindungen vorliegen. Oleïnsulfosäure
liefert unter denselben Umständen keine entsprechenden Verbindungen. Frémy führt zwar in seiner Abhandlung eine mit Metaoleïnsäure bezeichnete, in Alkohol unlösliche
Substanz auf, deren Darstellung mir indeſs bis jetzt noch nicht gelungen ist.
Es dürfte nicht unwahrscheinlich sein, daſs der erwähnte dem Triglycerid ähnliche, in
Alkohol unlösliche Körper sich auch beim Trocknen oder beim Dämpfen der mit
ammoniakalischem Ricinusmordant gebeizten Waare bildet und so die physikalische
Wirkung des Castoröles im Türkischrothbeizprozesse erhöht. Weitere Untersuchungen in
der gedachten Richtung werden darüber Klarheit verschaffen.
Welche der beiden abweichenden Theorien nun sich auf verläſslichere Beweise stützt
und welche sich mehr den thatsächlichen Verhältnissen anschmiegt, ohne unseren Blick
zu trüben: dies zu beurtheilen, muſs wohl der gesammten
Fachwelt und der Weiterforschung überlassen bleiben. Auseinandersetzungen über
Meinungsverschiedenheiten aber haben bis jetzt der Wissenschaft niemals Schaden
gebracht.Eine kritische Besprechung der vorliegenden Frage über das Türkischrothöl von
H. Schmid folgt im nächsten Hefte dieses
Journals, ebenso eine Entgegnung von Liechti
und Suida.Red.
Mount Vernon bei New-York, Oktober 1884.