Titel: Ueber Beschädigungen der Pflanzen durch entweichende Fabrikgase.
Fundstelle: Band 254, Jahrgang 1884, S. 340
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Ueber Beschädigungen der Pflanzen durch entweichende Fabrikgase. Hamburger, über Beschädigungen der Pflanzen durch Fabrikgase. S. Hamburger veröffentlicht im Journal of the Society of Chemical Industry, 1884 S. 202 Analysen von Pflanzen aus verschiedenen Theilen Englands, welche theils durch Fabrikgase, theils durch andere Einflüsse hervorgebrachte Beschädigungen zeigten. Die Blätter oder Gräser wurden mit verdünnter Sodalösung zur Trockne verdampft und der Rückstand im Platintiegel erhitzt. Die Asche wurde in Wasser gelöst und im einen Theile der filtrirten Lösung die Schwefelsäure, im anderen das Chlor bestimmt. Bei anderen Analysen wurde mit Sodalösung ausgelaugt, filtrirt, eingedampft und der Rückstand analysirt. Die so behandelten Blätter wurden getrocknet, im Tiegel mit Soda eingeäschert und die Asche ebenfalls untersucht. Die Probe mit Lackmuspapier allein ist nicht zuverlässig. Oft zeigt sich trotz hohem Chlor- und Schwefelsäuregehalte doch neutrale Reaction. Es läſst sich dies theilweise dadurch erklären, daſs das Chlor groſsentheils als Chlornatrium abgesetzt wird; bei der Schwefelsäure ist dies jedoch kaum möglich. Der Gehalt an Chlor und Schwefelsäure wechselt selbst an gleichen Orten sehr. Im Allgemeinen ist mehr Schwefelsäure als Chlor vorhanden. Nach der Ansicht des Verfassers ist die aus den Sodafabriken entweichende Schwefligsäure viel zu gering, als daſs dieselbe im Stande wäre, den hohen Schwefelsäuregehalt der Blätter zu bedingen; letzterer muſs daher gröſstentheils durch andere Ursachen, z.B. durch Glas- und Kupferfabriken, hervorgebracht werden. Der gröſste Theil der Schwefelsäure rührt aber jedenfalls von der in Häusern und Fabriken als Brennmaterial verbrauchten Kohle her, welche im Durchschnitt 2 Proc. flüchtigen Schwefel enthält. Wenn man Kohle von der Zusammensetzung: Kohlenstoff 67,4 Proc. Wasserstoff   4,1 Sauerstoff   6,6 Stickstoff   1,2 Wasser   2,0 Schwefel, flüchtig   2,0 Asche u. dgl. 16,7 Nr. Oertlichkeit Pflanzenart Reaction derBlätter In 100g trockenerSubstanz Bemerkungen SO3 Cl Asche 12 St. Helens Nach nasserWitterungNach schönemWetter GegenüberzweigroſsenSodafabr. HaferGras Schwach sauerNeutral 2,892,24 0,800,69 14,3410,37 Schlechte Ernte.Entfärbt. 34 1600m von Parr   Sodafabrik KleeGras Stark sauer 2,562,09 1,131,24 9,3811,29 Gute Ernte, Blätter gut.An der ganzen Oberfläche corrodirt. 567   2400m von derSodafabr. Laffak KartoffelnApfelbaum NeutralSchwach sauerNeutral 2,591,491,86 1,160,650,61 9,069,4010,22 Gute Ernte, Blätter ohne Corrosionen.Gelbrothe Corrosionen. Der Baum war    beinahe zerstört.Gut. Wenige Narben an den Blättern. 8910111213   3000m von derSodafabrik Gars- wood zwischen    Wigan und    St. Helens KartoffelnRübeSchwarzdornBuche Stark sauerNeutral 3,262,892,561,092,191,36 0,821,121,014,021,332,04 9,099,3510,3014,5910,9411,36 Gute Ernte, die Blätter zeigten braune     Corrosionen.?Gute Ernte, keine Narben an den Blättern.Corrodirte Blätter.Gelbbraune Corrosionen. Absterbend.Gelbrothe Corrosionen.Der Baum war höher als die umgebenden.    Der Gipfel war durch den Einfluſs von    Wind und Wetter zerstört. Keine    Narben an den Blättern. 14 St. Ann's Rhododendron 1,60 1,59 7,04 Die Blätter waren entfärbt und stark    corrodirt; nichts desto weniger blühte    die Pflanze sehr schön. 15 Windlehurst Stechpalme 2,04 0,30 8,61 Gut. 16 Crank Ulme 2,40 1,06 11,21 Gelbbraune Corrosionen. Der Baum war    am Absterben; derselbe stand ganz    allein ohne irgend welchen Schutz. 171819 Prescot Moss-BankKnowsley Park SchwarzdornEicheUlme 2,860,841,16 1,470,190,31 11,428,3811,14 Gut. 2021 Derby Aus einem den  Fabriksgasen ausgesetzten   Stadttheile PappelApfelbaum 1,691,63 0,290,39 12,718,22 Die Blätter waren stark corrodirt. Der    Baum war am Absterben und der    Gipfel bereits zerstört.Der Baum war am Absterben. 222324     „    Keine FabrikenUmgebung Londons. Keine FabrikenLiverpool. Sefton-Park PappelGesträuchStechpalme 0,760,981,12 0,090,240,20 14,0813,647,38 Gut. mit der richtigen Menge Luft verbrennt, so enthält das Rauchgas nach der Berechnung des Verfassers 0,19 Proc. Schwefligsäure (vgl. F Fischer 1876 220 87. 1879 233 139). Allerdings sind die bei gewöhnlicher Verbrennung erhaltenen Gase viel verdünnter, aber nach Freytag ist schon ein Gas, welches 0,003 Proc. Schwefligsäure enthält, schädlich. Der Verfasser schieſst daher, daſs die Schwefligsäure aus den Kohlen den Pflanzen den gröſsten Schaden zufüge. Aus diesem Grunde ist auch eine Verminderung dieses Schadens, ohne die Industrie zu hemmen, sehr schwierig. Hohe Kamine sind nur bei isolirt stehenden Fabriken von Nutzen und das zweckmäſsigste Mittel, die Auswaschung der Schwefligsäure aus dem Rauchgase, ist noch ganz in ihrer Kindheit. Die Pflanzen zeigen sehr verschiedene Empfindlichkeit gegen saure Gase; am meisten werden Fruchtbäume, am wenigsten aber Waldbäume beschädigt (vgl. Reuſs 1881 241 124). Der Verfasser untersuchte den Einfluſs von Schwefelsäure und Salzsäure vom Gehalte n, 0,1 n, 0,01 n, 0,001 n bezieh. 0,0005 n Aequivalent auf frische Blätter; die normalen Säuren brachten zuerst Flecken und binnen einer halben Stunde vollständige Entfärbung hervor. Die Säure mit 0,1 n Aeq. brauchte etwa 3 Stunden, bevor die ersten Zeichen der Beschädigung eintraten; die Säure 0,01 n einen Tag und zwar wirkte hier die Schwefelsäure entschieden stärker. Die Schwefelsäure 0,001 n brachte in einer Woche Entfärbung hervor. Die Salzsäure von gleicher Stärke in 10 Tagen, die Säuren mit 0,0005 n Aeq. schienen keine Wirkung zu haben. Nach A. Smith soll man in manchen Fällen aus der Analyse der Blätter beschädigter Pflanzen Schlüsse auf die Ursache der Beschädigung ziehen können. Sehr oft findet sich aber selbst bei gesunden Pflanzen ein höherer Schwefelsäure- und Chlorgehalt als bei kranken, so daſs nach Hamburger's Ansicht eine genaue Entscheidung durch Analyse kaum möglich ist. Das bloſse Aussehen einer Pflanze ist durchaus kein Beweis für die Beschädigung durch Gase. Sehr oft verursachen Insekten. u. dgl. ein ganz ähnliches Aussehen wie Beschädigungen durch saure Gase. In solchen Fällen ist die mikroskopische Untersuchung von groſsem Nutzen.