Titel: | Bestimmung der freien Säuren in Gerbebrühen; von B. Kohnstein, techn. Chemiker und F. Simand, k. k. Adjunct. |
Autor: | B. Kohnstein , Ferdinand Simand |
Fundstelle: | Band 256, Jahrgang 1885, S. 38 |
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Bestimmung der freien Säuren in Gerbebrühen; von
B. Kohnstein, techn.
Chemiker und F. Simand, k. k.
Adjunct.
Bestimmung der freien Säuren in Gerbebrühen.
Es ist unstreitig von groſser Wichtigkeit für den Gerber den Gehalt an „gerbenden
Substanzen“ seiner Gerbematerialien zu kennen; mindestens ebenso wichtig ist
aber auch, da beim Prozesse des Gerbens, besonders bei jener Hauptgruppe Leder,
welche mit dem Namen „Sohlleder“ bezeichnet wird, auſser den „gerbenden
Substanzen“ noch andere Körper unumgänglich nöthig sind, um aus der Haut
jenes Product zu bilden, welche im Allgemeinen „Sohlleder“ benannt wird, eine
genaue Kenntniſs dieser Einfluſs nehmenden Stoffe. Eine dieser für den Gerbeprozeſs
höchst bedeutsamen Gruppen von Verbindungen sind die organischen und gewisse Mineralsäuren.
Es liegt uns heute fern, über den Einfluſs der Säuren bei Gegenwart von Gerbstoff auf
die Haut uns zu verbreitern, sondern wir wollen vor Allem nur anführen, daſs in den
meisten älteren und in allen neueren Werken über Gerberei die Wichtigkeit derselben
– und mit groſsem Rechte – hervorgehoben wird. In so manchem dieser Bücher macht der
betreffende Verfasser Angaben, daſs bei so und so viel Zehntel Procent irgend einer
Säure in den Gerbebrühen die Schwellung der Haut am besten bewerkstelligt wirdVgl. Heinzerling; Lederbereitung, 4. Gruppe des
6. Bandes von Bolley-Birnbaum's Handbuch der
chemischen Technologie, S. 78.; in keinem wird jedoch
angegeben, wie die Säuremenge zu bestimmen ist, oder wie sie bestimmt wurde. Andere
Schriftsteller, wie Lietzmann in seinem Buche: Herstellung der Leder, S. 201, führen Analysen von
Gerbebrühen an, wo auf Hundertel Procent der Gehalt an Säuren, „zur
Ameisensäuregruppe gehörige“, „Milchsäure“, „Milchsäure und
Buttersäure“, angegeben wird; wer die „Herstellung der Leder“ von Lietzmann kennt und weiſs, mit welcher Aengstlichkeit
er sonst auf die Quellen hindeutet, wie ausführlich er u.a. die Bestimmung des
Gerbstoffes abhandelt, dem muſs ein gänzliches Fehlen auf die Säurebestimmung Bezug
habender analytischer Angaben auffallen und sind wir auch der festen Ueberzeugung,
daſs alle bisher gegebenen derartigen Zahlen wenig oder gar keinen Werth haben.
Unseres Wissens wurde nur
ein Verfahren der Säurebestimmung veröffentlicht und zwar von H. R. Procter.Sitzungsberichte der chemischen Gesellschaft zu
Neiccastle-on-Tyne, 27. März 1879. Er läſst aus einer
Bürette zu der die verschiedenen Säuren enthaltenden, klar filtrirten Brühe so lange
Kalkwasser, dessen Titer bekannt ist, zuflieſsen, bis eine bleibende Trübung durch
Calciumtannate entsteht. Diese Methode, von Procter
selbst als „einfach und genügend genau“ bezeichnet, wurde seit dem
Bekanntwerden derselben in der k. k. Versuchstation für
Lederindustrie angewendet, bis der eine von uns, F.
Simand, seine Arbeiten über die Aufnahmsfähigkeit der Haut gegenüber
verschiedenen Säuren bei Gegenwart von Gerbstoff in Angriff nahm. Hier zeigte es
sich denn, daſs die Methode für diesen Zweck viel zu ungenau sei, um damit arbeiten
zu können; man erhielt Unterschiede von 0,1 bis 0,4 Proc.
Es wurde daher das Augenmerk dahin gerichtet, ein Verfahren ausfindig zu machen,
welches ermöglicht, mit gröſserer Genauigkeit die Menge der Gesammtsäuren zu
bestimmen, und den Chemiker in den Stand setzt, die Menge der aus den einzelnen
Gruppen organischer Säuren vorhandenen, ebenso die Mineralsäuren zu bestimmen. Es
ist uns gelungen, diese Aufgabe zu lösen. Das Verfahren ist zwar nicht so einfach,
daſs es jeder Praktiker (Gerber) auszuführen im Stande wäre; doch sind wir der
Ansicht, daſs dies kein Haupterforderniſs einer analytischen Methode sein muſs, wenn
auch gerade in der Lederindustrie immer betont wird, daſs diese oder jene Bestimmung
auch vom Praktiker leicht ausgeführt werden kann. Die Gerberei zählt zu den
chemischen Gewerben; wer darauf Bezug habende chemische Arbeiten auszuführen hat,
soll gründliche chemische Kenntnisse und nicht nur allein oberflächliche besitzen:
denn ein solcher Praktiker schadet mehr, als er gut machen kann. Wer diese
Kenntnisse nicht hat, soll die Hand davon lassen; schablonenhaftes Arbeiten führt
gar zu leicht zu groſsen Irrthümern.
Das Prinzip der neuen Methode wäre im Allgemeinen folgendes: Versetzt man eine
Gerbebrühe, welche eine gewisse Menge verschiedener Säuren enthält, mit Magnesiumoxyd im Ueberschusse und schüttelt tüchtig, so
wird der Gerbstoff u. dgl. vollständig als Magnesiumtannat u.s.w. niedergeschlagen
und in Lösung bleiben, da die meisten Magnesiasalze in Wasser leicht löslich sind,
die entsprechenden Salze der Säuren. Filtrirt man sodann und bestimmt in einem
Theile des Filtrates (10 bis 80cc) je nach dem
Gehalte an Säure mit phosphorsaurem Natron die Magnesia als pyrophosphorsaure Magnesia, Mg.2P2O7, so kann man die
der Acidität der Gerbebrühe entsprechende Menge Säure daraus berechnen.
Alle Gerbebrühen enthalten aber Kalk- und Magnesiasalze gelöst und hängt die Menge
derselben von verschiedenen Umständen ab: von dem in der Gerberei benutzten Wasser, vom Gerbemateriale,
von der Länge der Zeit, während welcher die Brühen in Verwendung standen, ob Holz-
oder Cementgruben verwendet werden u.s.f. Es ist daher nothwendig, vor jedem Ausfällen der Magnesia mit phosphorsaurem Natron
den Kalk zu entfernen, da sonst die Magnesiamenge und als Folge der Gehalt an Säure
zu hoch gefunden würde. Man versetzt das Filtrat, welches die Kalk- und
Magnesiasalze gelöst enthält, mit Ammoniak, löst den entstandenen Niederschlag
(Magnesiumhydrat) durch Zugabe von etwas Salzsäure oder Chlorammon auf und fällt in
der Hitze den Kalk mit zuerst sehr verdünntem, dann mit concentrirterem oxalsaurem
Ammon.Befürchtet man ein Mitreiſsen von Magnesia, so fällt man den Kalk 2 mal (vgl.
Fresenius: Quantitative Analyse, Bd. 1 §
154 6 a). Spuren von Eisen u.s.w., welche in den Brühen immer
vorhanden sind, fallen auch mit. In dem Filtrate vom Oxalsäuren Kalke wird hierauf
auf bekannte Weise Magnesia bestimmt.
Um den durch in der Brühe gelöste Magnesiasalze entstehenden Fehler zu beseitigen,
wird ein Theil (50 bis 100cc) der Gerbebrühe
eingedampft, eingeäschert, die Asche in Salzsäure gelöst, Kalk entfernt, die Menge
der Magnesia bestimmt und als Berichtigung bei der Gesammtsäurebestimmung ganz in Rechnung gezogen.
Wir haben in Brühen aus Gegenden mit sehr Kalk und Magnesia reichem Wasser einerseits
und sehr weichem Wasser andererseits, kaum 2 Härtegraden nach Clark, in sehr alten und jüngeren Brühen die Magnesia
bestimmt und Zahlen innerhalb der Grenzen 0g,148
bis 0g,016 Magnesia als Mg2P2O7 in 100cc
gefunden.
Um zu zeigen, daſs der Fehler durch die in den Gerbebrühen vorkommenden Magnesiasalze
nicht groſs sein kann, haben wir denselben in Folgendem berechnet: Angenommen wurde,
daſs 100cc Gerbebrühe 0g,100 Mg2P2O7 geben, eine
Annahme, welche in den allermeisten Fällen nicht überschritten werden dürfte, in
sehr vielen Fällen jedoch bei weitern nicht erreicht wird. Der Fehler beträgt danach
bei Ameisensäure + 0g,042, bei Essigsäure + 0g,054, bei Propionsäure + 0g,067, bei Buttersäure + 0g,079, bei Milchsäure + 0g,081 und bei Schwefelsäure + 0g,044 in 100cc
Brühe. Beträgt daher die Menge der in 100cc Brühe
enthaltenen Magnesia nur 0g,05 oder weniger Mg2P2O7, so kann man den Fehler unbedingt vernachlässigen,
da die Endziffer dadurch nur um wenige Hundertel Procent erhöht wird. Für den
Chemiker handelt es sich jedoch nicht allein darum, nur die Gesammtmenge der Säuren
zu bestimmen, sondern ihm ist auch wichtig zu wissen, welche Gruppen von Säuren
vorhanden sind; denn in den Brühen können vorkommen: 1) mit
Wasserdämpfen flüchtige organische Säuren, „fette Säuren“
(Essigsäure, Buttersäure u. dgl.), 2) mit Wasserdämpfen
nicht flüchtige organische Säuren (Milchsäure) und 3) Mineralsäuren (davon hauptsächlich Schwefelsäure).
Um diese drei Gruppen nun von einander zu trennen, verfahren wir auf folgende
Weise.
1) Bestimmung der flüchtigen organischen Säuren: 100cc der zu untersuchenden Gerbebrühe werden bis auf
etwa 30cc abdestillirt, etwas abkühlen gelassen,
mit destillirtem Wasser wieder aufgefüllt und abermals destillirt und dies öfter
wiederholt, bis beinahe 300cc übergegangen sind.
Man ergänzt dann auf 300cc, schüttelt gut und
bestimmt durch Titration mit Aetznatronlösung von bestimmtem Gehalte die Säuremenge.
Da nun im Destillate eine ganze Reihe flüchtiger Säuren, von der Ameisensäure an,
enthalten sein kann, eine Trennung derselben bis auf eine oder die andere aber
unausführbar ist, so schlagen wir vor, die durch
Destillation aus Gerbebrühen erhaltenen Säuren auf Essigsäure zu
rechnen.
2) Bestimmung der nicht flüchtigen organischen Säuren:
Beiläufig 80cc der Gerbebrühe werden in einem
Kolben mit etwa 3 bis 4g frisch geglühtem Magnesiumoxyd versetzt und einige Stunden unter
häufigem starkem Schütteln stehen gelassen, bis die über dem Magnesianiederschlage
stehende Flüssigkeit, welche anfangs schmutziggrün bis braun gefärbt erscheint, ganz
oder beinahe farblos ist, keine saure Reaction und keine Reaction auf Gerbsäure mehr
zeigt; dann wird filtrirt, 10 bis 30cc, je nach
der Säuremenge, eingedampft und schwach geglüht. Die Magnesiasalze der organischen
Säuren verwandeln sich in Magnesiumcarbonat, etwa
vorhandenes Magnesiumsulfat bleibt, wenn die Hitze
nicht zu sehr gesteigert wird, unzersetzt. Der Glührückstand wird mit destillirtem,
Kohlensäure haltigem Wasser stark durchfeuchtet, um entstandene Oxyde in Carbonate
umzuwandeln und um weiters das Magnesiumsulfat beim nachherigen Filtriren leichter
auswaschen zu können, da die Masse pulveriger wird, zur vollständigen Trockne
gebracht, mit heiſsem Wasser aufgenommen, filtrirt und gut ausgewaschen. Auf dem
Filter bleibt Magnesiumcarbonat zurück, welches der Gesammtmenge der organischen
Säuren entspricht. Dasselbe wird in Salzsäure gelöstDasselbe kann unmittelbar nicht gewogen werden, da möglicherweise von in der
ursprünglichen Brühe schon enthaltenen Kalksalzen organischer Säuren
herrührendes Calciumcarbonat beigemengt sein kann. und nach dem
Entfernen des Kalkes als Pyrophosphat bestimmt. Rechnet man die gefundene Menge auf
Essigsäure, zieht davon die durch Destillation erhaltene Menge ab, so findet man
jene Essigsäure, welche den nichtflüchtigen organischen Säuren entspricht. Da in den
Brühen von dieser Gruppe beinahe ausschlieſslich nur Milchsäure vorkommt, so rechnen wir diese restliche Essigsäure immer auf
Milchsäure.
3) Bestimmung der Schwefelsäure: Im Filtrate vom
Magnesiumcarbonate (vgl. oben 2), welches Magnesiumsulfat enthält, wird nach
vorherigem Ausfällen des Kalkes die Magnesia bestimmt und auf Schwefelsäure (H2SO4) gerechnet.
Man kann die Schwefelsäure darin auch mit Bariumchlorid bestimmen, muſs aber dann auf
die in den Gerbebrühen enthaltenen Sulfate Rücksicht nehmen.
Enthält eine Brühe neben organischen Säuren auch Schwefelsäure, so wird die als
Berichtigung gefundene Menge Magnesiapyrophosphat zur Hälfte bei der den gesammten
organischen Säuren entsprechenden Mg2P2O7-Menge und zur
anderen Hälfte bei der Schwefelsäure in Rechnung gezogen.
(Schluſs folgt.)