Titel: | Presscylinder für das Schleusenhebewerk in Fontinettes. |
Fundstelle: | Band 256, Jahrgang 1885, S. 57 |
Download: | XML |
Preſscylinder für das Schleusenhebewerk in
Fontinettes.
Preſscylinder für das Schleusenhebewerk in Fontinettes.
Eine der bemerkenswerthesten Anwendungen, welche der Wasserdruck zum Heben von Lasten
gefunden hat, ist die der Hebung von Schiffen mittels auf- und abbeweglicher
Schleusenkammern. Die erste derartige Anlage wurde von E. Clark
1872 in Cheshire bei Anderton ausgeführt, durch welche
Schiffe von 23m Länge, 4m,7 Breite und 1m,22 Tiefgang aus dem Weaver-Fluſs zu einem 15m höher gelegenen Kanalbette mit nur sehr geringem Wasserverbrauch gehoben
werden. Jede der beiden neben einander befindlichen Schleusenkammern wird trotz
eines Gesammtgewichtes von ungefähr 240t durch
einen einzigen guſseisernen Kolben von 0m,914
Durchmesser getragen, wobei eine Wasserpressung von etwa 37at erforderlich ist. Die beiden Treibcylinder sind
durch ein absperrbares Rohr verbunden, so daſs es nur eines geringen Unterschiedes
in dem Gewichte der Schleusenkammern bedarf, um die leichtere durch die gleichzeitig
niedersinkende schwerere zu heben. Das Uebergewicht der letzteren wird durch
theilweises Aussaugen des Wassers aus der unteren Kammer mittels Heber
herbeigeführt, Zur Ausgleichung des veränderlichen Auftriebes der Kolben und der
durch schlieſsliches Eintauchen in den Fluſs bewirkten Entlastung der unteren Kammer
war es erforderlich, einen Accumulator mit Dampfpumpenbetrieb aufzustellen.
Eine noch groſsartigere Anlage ist in jüngster Zeit von Clark und. Standfield für das Hebewerk zu
Fontinettes in der Nähe von St. Omer in Frankreich entworfen worden, über welche
Näheres in der Zeitschrift des Vereins deutscher
Ingenieure, 1883 S. 335 angegeben ist. Die beiden Schleusenkammern sind
hier je 45m lang, 6m breit und zur Aufnahme von Schiffen mit 1m,8 Tiefgang bestimmt. Die Kolben haben 2m Durchmesser, während der Hub etwas geringer ist als im vorigen Falle und
nur 13m,13 beträgt. Die Kammern tauchen unten in
eine trockene Versenkung, welche durch Schleusenthore gegen den unteren Kanal
abgeschlossen ist. Hierdurch wird der wesentliche Vortheil erreicht, daſs die
Bewegung am Ende des Hubes nicht durch das Eintauchen der Kammern gehemmt wird. Die
Fugen zwischen den Kammern und den Kanalköpfen werden vor dem Oeffnen der
Schleusenthore dadurch abgedichtet, daſs in denselben liegende Gummischläuche durch
Wasserfüllung aufgepreſst werden. Die Ausgleichung des veränderlichen Auftriebes der
Kolben wird hier in sehr gelungener Weise folgendermaſsen selbstthätig bewirkt. In
zweien der vier gemauerten Thürme, welche zur Führung der Kammern dienen, sind hohe
guſseiserne Cylinder aufgestellt und durch Gelenkrohre ist eine Verbindung zwischen
jeder Kammer und dem benachbarten Cylinder hergestellt, so daſs in beiden der
Wasserstand immer gleich hoch steht. In Folge dessen vermehrt sich das Gewicht der sinkenden
Kammer allmählich um das Gewicht des einflieſsenden Cylinderinhaltes, während
gleichzeitig das Gewicht der aufsteigenden Kammer um ebenso viel vermindert wird.
Die hierdurch verursachte Aenderung des Wasserstandes in den Kammern macht nur
152mm aus. Das Gesammtgewicht jeder
Schleusenkammer mit Treibkolben und Wasserfüllung beträgt 842t, entsprechend einem Drucke von fast 27at, und die bei jedem Hube verbrauchte Wassermenge
nur 20cbm.
Mit der Ausführung der Anlage wurde die altbekannte Fabrik Cail und Comp. in Paris betraut, welche behufs Anfertigung der ganz
auſsergewöhnlich groſsen Preſscylinder zu besonderen Versuchen genöthigt war. Nach
dem Portefeuille économique des machines, 1884 Bd. 9 *
S. 197 war man erklärlicher Weise in Verlegenheit, wie man einen so weiten Cylinder
mit hinreichender Festigkeit herstellen sollte. Die gewöhnlichen guſseisernen
Cylinder waren von vorn herein ausgeschlossen 5 auch ein Versuch mit bestem
Guſsstahl ergab unbefriedigende Erfolge. Man stellte dann einen kurzen Cylinder von
der gegebenen Weite aus Stahlblech von 30mm Dicke
mittels Nietung her und unterwarf denselben einem steigenden inneren Drucke. Bei
etwa 40at Pressung lieſsen jedoch die Nietnähte,
trotzdem sie mit gröſster Sorgfalt ausgeführt waren, so viel Wasser entweichen, daſs
man den Druck nicht auf derselben Höhe erhalten konnte. Es muſste daher auch von
dieser Construction abgesehen werden. Verschiedene andere Versuche verliefen
gleichfalls erfolglos.
Schlieſslich kam man auf den Gedanken, den ganzen 15m,8 hohen Cylinder aus einzelnen nicht geschweiſsten Ringen aufzubauen,
welche, einfach auf einander gelegt, durch eine genügende Anzahl von Ankerbolzen
zusammengehalten werden. Man verwendete zu diesem Zwecke aus Creuzot bezogene
Stahlreifen für Locomotiven, welche einen inneren Durchmesser von 2m,06, eine Breite von 140mm und eine mittlere Dicke von 55mm haben. Die Ringe greifen mit einem Falze von
5mm Tiefe in einander und der ganze Cylinder
wurde dann, um denselben vollständig dicht zu machen, mit 2mm,5 dickem Kupferbleche ausgekleidet. Für einen
Versuch wurde zunächst ein derartiger Cylinder von 1m,62 Länge angefertigt, in denselben ein Kolben von gleicher Länge gesetzt
und der 30mm weite Zwischenraum mittels auf die
Stirnfläche gelegter guſseiserner Ringe und 72 Ankerbolzen abgeschlossen, wobei die
Dichtung durch Gummiringe bewirkt wurde. In den Zwischenraum wurde darauf Wasser
gepreſst und der Druck allmählich bis auf 125k/qc gesteigert; hierbei ergab sich eine Vergröſserung
des Umfanges um 4mm, welche aber nach Aufhebung
des Druckes wieder vollständig verschwand. Nachdem man dieselbe Belastung und
nachfolgende Entlastung mit dem gleichen Ergebnisse noch zweimal wiederholt hatte,
erhöhte man die Pressung bis auf 175k/qc, bei welcher Belastung einer der Abschluſsringe
brach. Da die erreichte Pressung schon fast das 7 fache des normalen Druckes in dem Aufzuge
betrug, so setzte man den Versuch nicht weiter fort, sondern hielt hiernach die
gewählte Construction des Cylinders für hinreichend sicher.