Titel: | Lamb'sche Strickmaschine für glatte und Ränderwaare; von Aug. Carbonnier in Paris. |
Autor: | G. W. |
Fundstelle: | Band 256, Jahrgang 1885, S. 338 |
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Lamb'sche Strickmaschine für glatte und
Ränderwaare; von Aug. Carbonnier in Paris.
Mit Abbildungen.
Carbonnier's verbesserte Lamb'sche Strickmaschine.
In Armengaud's Publication
industrielle, 1885 Bd. 30 S. 97 ist eine Construction der Lamb'schen Strickmaschine veröffentlicht, welche von
Aug. Carbonnier in Paris herrührt und von den in
Deutschland gebräuchlichen Ausführungsformen mannigfach abweicht, wie schon die auf
S. 340 und 341
wiedergegebenen Zeichnungen erkennen lassen. Die Maschine ist geeignet sowohl zur
Herstellung glatter Waare für rund geschlossene und reguläre Gegenstände, als Socken
und Strümpfe, ohne Naht – sehr ähnlich den mit der Hand gestrickten Gegenständen,
bei 10 bis 15mal gröſserer Arbeitsgeschwindigkeit –, als auch zum Wirken flacher
doppelflächiger Waaren, wie z.B. regulärer Ränder, Patentränder und Fangwaare in den
verschiedensten Mustern zu Jacken, Jagdwesten, Kinderkleidchen, Frauenröcken,
Pulswärmern, Beinkleidern, Gamaschen, Kniewärmern, Decken, Teppichen, Tüchern,
Umhängtüchern u.s.w., mit einer Arbeitsgeschwindigkeit bis zu 60 Reihen in der
Minute. Die Maschine kann leicht mit der Hand von Mädchen oder auch durch
Elementarkraft betrieben werden und hat sich bereits für Arbeiten in der Familie und
in Fabriken sehr vortheilhaft gezeigt,
Die Fadenverbindung der glatten Waare zeigt Fig. 25, woraus zu
ersehen, daſs dieselbe ganz gleich derjenigen ist, welche durch die Handstrickerei
geliefert wird; alle bogenförmigen Nadel- und Platinenmaschen liegen auf der
Rückseite der Waare oben auf. Hiervon unterscheiden sich die doppelflächigen oder
Rechts- und Rechtswaaren dadurch, daſs in diesen die Maschen einer Reihe abwechselnd
in der Lage der Vorder- und Rückseite sich befinden, weil dieselben von zwei
entgegengesetzt zu einander liegenden Nadelreihen gebildet werden. Die Nadeln,
welche zur Verwendung kommen, sind Zungennadeln, deren
Haupttheile die Fig. 26 und 27 in etwa 1½facher
wirklicher Gröſse zeigen; dieselben tragen unterhalb des kurzen steifen Hakens a einen drehbaren, am äuſseren Ende löffelförmig
ausgearbeiteten Arm, die sogen. Zunge a1, welche, nach oben auf den Haken gelegt, den
Hakenraum schlieſst. In der Maschine liegen die Nadeln, unter 40° geneigt (vgl. Fig. 5 und
18),
beweglich in Führungen zweier einander gegenüber stehender Platten, die Haken nach
oben gerichtet; sie werden einzeln gehoben und gesenkt und ziehen dabei den Faden
der Reihe nach durch die bereits auf ihnen hängenden Maschen hinab, so daſs die
Nadeln aus dem Faden neue solche Maschen bilden. Die Zunge a1 wird dabei von den Maschen selbst nach
oben oder unten umgelegt.
In der Vorrichtung des Nadelbettes zur geeigneten Führung der Nadeln ist die
vorliegende Construction wesentlich von den in Deutschland bekannten Anordnungen verschieden: Während in den letzteren die massiven
Stahlplatten mit unmittelbar eingefrästen Nuthen für die Nadeln vorherrschen, hat
Carbonnier Guſsstahlbetten F (Fig.
16) verwendet, in welche für jede Nadel zwei Stahlschienen eingesetzt
sind: die eine f von gleicher Breite mit der
Nadelstärke, als Grundplatte und eine zweite C an der
Seite der ersteren als seitliche Führungswand, derart, daſs jede Nadel auf der
Schiene f und zwischen zwei solchen Wänden C liegt. Die Stelle der in unseren Strickmaschinen
üblichen Nadelfedern in der unteren Kante eines jeden Nadelbettes vertreten die
Riegel C1
,
Fig. 1–27., Bd. 256, S. 340
Fig. 1–27.
in deren Winkel die Führungsbleche A der Nadeln a während des Arbeitsganges
eintreten, welche man aber zurückwenden kann, wenn einmal eine Nadel herausgezogen
werden soll.
Die zwei Nadelbetten F, F1 schlieſsen einen Winkel von 100° ein; das vordere Bett F ist durch Winkeleisen fest mit der Tischplatte B und diese mit dem Fuſsgestelle B2 verbunden, während
das hintere F1 auf der
schiefen Platte B1
verschiebbar befestigt ist; B1 besteht mit B aus einem und demselben
Guſsstücke. An einer Seite der Platte F1 (Fig. 3 und 4) ist der Arm
f1 angeschraubt, in
welchen der Handhebel F2 greift. Durch Verschieben des letzteren und Einlegen in die Schnitte f2, f3 der Tischkante kann
man die hintere Nadelplatte je um eine Nadeltheilung fortrücken; hierdurch erhält
die ganze hintere Nadelreihe gegen die vordere verschiedene Stellungen, wodurch in
doppelflächiger Waare die versetzten Muster entstehen. An jedem Nadelbette F und F1 ist ein besonderer Abschlagkamm J und J1 (Fig. 5) angebracht, an
F1 fest und an F senkrecht verschiebbar. Zur Hervorbringung dieser
Verschiebung längs der Schlitze j2 (Fig. 7) ist die am
Abschlagkamme J befestigte Schiene I durch die Zapfen i1 mit dem Schieber I1 verbunden derart, daſs dieser Schieber, wenn
derselbe an I2 mit der
Hand verschoben wird, durch die Zapfen i1 in den schrägen Schlitzen i den ganzen Rahmen IJ herabzieht. Hierdurch
wird oben die eine Nadelreihe frei und der Raum zwischen beiden Reihen erweitert, so
daſs man bequemer darin arbeiten, aufstoſsen, mustern kann o. dgl. Der Schlitten ist
kurz und wird nun von den beiden Schloſsplatten G, G1 (Fig. 9 und 10) gebildet,
welche durch den Bügel P (Fig. 4 und 5) mit
einander verbunden sind, in den Nuthen der beiden Führungsschienen D, D1 sich verschieben
und von einer kurzen Zugstange t (Fig. 2) des
Betriebsmechanismus erfaſst und bewegt werden. In den Schloſsplatten G, G1 befinden sich die
bekannten Führungsschlitze für die Mitteldreiecke L und
die Seitendreiecke L1
bis L4. Der
Schloſsschieber M (Fig. 5 und 8) für das
Mitteldreieck L liegt auf jeder Seite frei oben auf;
man kann also leicht übersehen, in welcher Lage dieser Schieber sich befindet und
kann denselben auch leicht verstellen. Die Seitendreiecke L1 bis L4 werden unmittelbar von den Stellschrauben
1 bis 4 getragen,
längs der Theilungen g1
bis g4 verschoben und
auf den Schloſsplatten festgeklemmt.
Der Arbeitsvorgang bei Herstellung der Maschen ist der bekannte: das geöffnete
Schloſs (Fig.
10) hebt und senkt die Nadeln, während das geschlossene (Fig. 9) über den
Arbeitshaken a2 (Fig. 15) der
Nadeln leer hinweg läuft. Das Oeffnen und Schlieſsen der Schlösser erfolgt am Ende
des Schlittenschubes durch Anstoſsen der Schloſsschieber M,
M1 an die Riegel K1 bis K4 (Fig. 4 und 6), welche von
Federn in ihrer jeweiligen Stellung festgehalten werden.
Auf der hinteren Schloſsplatte ist zugleich das Spulengestell E (Fig.
1 und 2) befestigt; die Spule wird also, abweichend von bekannten
Einrichtungen, während
der Arbeit mit hin- und hergeführt. Der Fadenregulator besteht aus einem
Spannungshebel E1, E2 welcher durch Feder
e2 und
Stellschraube gebremst werden kann. Ebenso trägt die hintere Schloſsplatte G1 den gewöhnlichen
Fadenführer h und an beiden Platten ist je ein
Zungenöffner p befestigt. Der Fadenführer h ist nicht fest mit G1 verbunden, sondern in einem Schlitze der
Schloſsplatte verschiebbar; derselbe gleitet auſserdem mit der Hülse h1 auf einer
Schieberstange H1 (Fig. 4, 13 und 14), wird
durch einen Kolben und eine Feder (Fig. 13) an H1 gedrückt und haftet
an der Schieberstange mit einer gewissen Reibung, bis am Ende des Führungsschlitzes
die Schloſsplatte den Fadenführer mit fortnimmt.
Bei dem Betriebe der Maschine durch die Hand wird der Schlitten nicht unmittelbar,
sondern durch Vermittelung eines Vorgeleges bewegt. Die Trieb welle q (Fig. 1 und 2) trägt das
Schwungrad V und Zahnrad R
und treibt durch R1 die
Kurbel S mit dem Gegengewichte S1; diese Kurbel zieht zunächst mit s den Hebel T hin und her,
welcher endlich durch t den Schlitten mit fortnimmt.
Bei Elementarbetrieb erhält die Welle q die Leerscheibe
Q, welche mit Q,1 einen Reibungsmuff bildet. Der Reibungskegel Q1 ist auf der Welle
q mit Nuth und Feder verschiebbar; eine Spiralfeder
v treibt denselben immer zur festen Verbindung mit
Q, also zum Einrücken des ganzen Betriebes. Die
Nabe des Reibungskegels Q1 hat eine ringförmige Nuth und wird in derselben von der Gabel X1 (Fig. 1 und 11)
angefaſst, welche mit dem Gewichtshebel X einen
Winkelhebel bildet, der auch das Bestreben hat, Q1 in Q einzuschieben,
also den Betrieb einzurücken. Soll letzterer schnell eingestellt werden, so drückt
der Arbeiter auf das Trittbrett U, wodurch er mittels
u den Hebel bei X hebt
und bei X1 mit Q1 nach auſsen drängt,
so daſs die Verbindung Q Q1 gelöst und der Betrieb ausgerückt ist, während die Scheibe Q stetig fortgedreht wird. Soll die Maschine auf
längere Zeit in Ruhe bleiben, so schwingt der Arbeiter den Hebel Y so, daſs das Excenter y
den Hebel X1 in der
ausgerückten Lage erhält.
Alle Handarbeiten zur Herstellung verschiedener glatter oder Rechtsund Rechts-Waaren
sind in bekannter Weise auszuführen; ebenso ist der Anfang eines Waarenstückes (Fig. 19 bis
24) in
gewöhnlicher Art durch Randreihe mit eingelegtem Abzugskamm vorzunehmen.
G. W.