Titel: | Zur Kenntniss des Kryolithglases; von Carl Weinreb, Assistent an der k. k. technischen Hochschule in Wien. |
Autor: | Carl Weinreb |
Fundstelle: | Band 256, Jahrgang 1885, S. 362 |
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Zur Kenntniſs des Kryolithglases; von Carl
Weinreb, Assistent an der k. k. technischen Hochschule in Wien.
Weinreb, zur Kenntniſs des Kryolithglases.
Das Milchglas, auch Opal- oder Beinglas genannt, hat sich namentlich wegen seiner
vorzüglichen Eignung zur Herstellung von Schirmen zu Erdöl-, Gas- und elektrischen
Lampen ein hervorragendes und ausgebreitetes Gebiet in der neueren Glasindustrie
erworben. Ursprünglich wurde das Milchglas mit Zinnoxyd hergestellt, war also nichts
anderes als ein weniger leichtflüssiges Zinnemail. Später ging man auf das schon im
vorigen Jahrhunderte gekannte Beinglas über, welches mit Hilfe von Knochenasche
hergestellt wurde; letztere wurde dann durch die Asche des an Calciumphosphat
reicheren Guano ersetzt. Der Preis dieser Materialien stieg von Jahr zu Jahr,
nachdem die Benutzung derselben zu Dungzwecken und zur Erzeugung von Spodium einen
gewaltigen Aufschwung nahm. Die Erfindung des Kryolithglases in Nordamerika in der
Mitte der 60er Jahre kam daher der Glasindustrie sehr erwünscht und es währte nicht
lange, daſs das Beinglas durch das Kryolithglas fast gänzlich verdrängt wurde.
Abgesehen davon, daſs der verhältniſsmäſsige Kostenpreis des Kryolithes kleiner ist
als der der Phosphate, hat die Verwendung des ersteren noch andere Vorzüge gegenüber
der von Knochen und Guano. Kryolith ist ein Mineral von ausgezeichneter Reinheit,
ist frei von Eisen- und anderen färbenden Metalloxyden, enthält 32,5 Proc. Natrium,
entsprechend 74,9 Proc. Na2CO3, und liefert somit einen Theil der Fluſsmittel.
Das Beinglas dagegen hat die unangenehme Eigenschaft, daſs es sich schwerer
ausarbeiten läſst, in kürzerer Zeit seine Formbarkeit verliert und daher ein
häufigeres Anwärmen erfordert. Endlich müssen Knochen und Guano vor der Mischung zum
Glassatze calcinirt werden; mineralische Phosphate, wie Phosphorit und Apatit,
hingegen sind wegen ihres zu hohen Eisengehaltes ausgeschlossen. Allerdings hat das
schmelzende Kryolithglas die üble Eigenschaft, daſs es Häfen und Oefen angreift;
doch verminderte sich dieser Uebelstand, nachdem man nur jene geringe Menge an
Kryolith dem Glassatze hinzufügte, welche noch im Stande war, das Glas beim Erkalten
genügend opak zu machen.
Es ist nun einleuchtend, daſs die Verwendung des Kryolithes zur Erzeugung von
Milchglas sich einer groſsen Beliebtheit in der Glasindustrie erfreut, und war bis
nun keine Veranlassung vorhanden, den Kryolith durch ein anderes Material zu
ersetzen. Heute ist die Sachlage eine andere geworden. Kryolith kommt in
ausgedehnten Lagern nur auf Grönland vor und hat die dänische Regierung die
Ausbeutung derselben der Oeres und Company pachtweise
übertragen. Diese Gesellschaft hat das Kryolithmonopol in Händen und bestimmt den
Preis, welcher gegenwärtig mehr als aufs doppelte stieg. Es ist somit zeitgemäſs,
nach einem Ersatzmittel für Kryolith Umschau zu halten. Soll dies geschehen, so muſs
zunächst darüber Klarheit herrschen, welche Körper im Kryolithglase die milchige
Trübung hervorrufen. Darüber finden sich in der Literatur zwei widersprechende
Angaben vor.
Benrath (1869 192 240)
untersuchte ein Kryolithglas der American Hot-cast Porcelain
Company und führte einen Schmelzversuch in einem Platintiegel aus, aus welchem er
den Schluſs zieht, daſs der Ausscheidung der Thonerde
in der Glasmasse die Trübung (Benrath nennt es
Entglasung) zuzuschreiben sei und daſs das gesammte Fluor des Kryolithes in Form von
Fluorsilicium entweicht.
Williams (1869 192 412) untersuchte gleichfalls ein
amerikanisches Kryolithglas (Hot-cast Porcelain) und
erklärt den Vorgang bei der Bildung des Kryolithglases in der Entstehung von Kieselfluornatrium aus einem Theile des
Fluor- und Natriumgehaltes des Kryolithes, während sich der Rest des Fluors mit
Silicium zu Fluorsilicium verbindet und in dieser Form aus dem Hafen entweicht. Die
übrige Kieselsäure verbindet sich mit dem Zinkoxyde, dem Natron und der Thonerde zu
einem Gemische von Silicaten, welches in seiner Zusammensetzung von gewissen
Glassorten nicht wesentlich abweicht (ausgenommen darin, daſs der Kalk oder eine der
anderen zur Glasfabrikation gewöhnlich angewendeten Basen durch Zinkoxyd ersetzt
ist). Durch die ganze Masse dieses Glases vertheilt sich nun das geschmolzene
Kieselfluornatrium, welches in derselben Weise wie der zur Erzeugung von
gewöhnlichem Milchglase seit langer Zeit angewendete phosphorsaure Kalk wirken
soll.
Nach Wiliams wäre somit das Fluor jener Bestandtheil des
Kryolithes, welcher die milchige Trübung im Glase hervorruft, während Benrath im Kryolithglase kein Fluor fand und nur den
hohen Thonerdegehalt des Kryolithglases als den die Trübung veranlassenden Faktor
betrachtet. Um zu entscheiden, welche von den beiden verschiedenen Ansichten die
richtige sei, muſste zunächst festgestellt werden, ob Kryolithglas Fluor enthält,
oder nicht. Zu diesem Zwecke unterzog ich in Oesterreich erzeugtes Kryolithglas
einer Analyse und ergab diese:
Kieselsäure
78,00
Thonerde
3,12
Eisenoxyd
Spur
Manganoxydul
Spur
Kalk
3,87
Natrium
9,46
Kali
4,35
Fluor
3,77
–––––
102,57
Sauerstoff entsprechend dem Fluor
– 1,59
–––––
100,98.
Der bei der Analyse befolgte Gang war folgender: Das fein gepulverte Glas wurde mit
kohlensaurem Natron im Platintiegel aufgeschlossen, die erhaltene Schmelze mit
Wasser ausgelaugt und filtrirt. Das Filtrat, welches aus Fluornatrium, kohlensaurem,
kieselsaurem und Thonerde-Natron besteht, wurde wiederholt mit kohlensaurem Ammon in
einer geräumigen Platinschale abgedampft, das ausgefällte Kieselsäure- und
Thonerdehydrat abfiltrirt und mit kohlensaurem Ammon gewaschen. Um die letzten Reste
der Kieselsäure aus der alkalischen Lösung zu entfernen, wurde mit einer Auflösung
von Zinkoxyd in Ammoniak bis zur Verflüchtigung des letzteren erhitzt, der Niederschlag
von Zinksilicat und Zinkoxydhydrat abfiltrirt und mit Salpetersäure die Kieselsäure
daraus abgeschieden. Das alkalische Filtrat wurde heiſs mit Chlorcalciumlösung
gefällt, der Niederschlag von Calciumfluorid und Calciumcarbonat abfiltrirt,
getrocknet, im Platintiegel geglüht, hierauf mit Essigsäure abgedampft, filtrirt,
getrocknet und das Calciumfluorid gewogen. Der Auslaugrückstand der Schmelze sowie
die durch kohlensaures Ammon erhaltenen Niederschläge wurden mit Salzsäure
behandelt, um die Kieselsäure abzuscheiden.
Ein anderer Theil der Probe wurde mit reiner Fluſssäure, Salzsäure und Schwefelsäure
aufgeschlossen, zur Trockne gebracht, mit Salzsäure heiſs behandelt, um gebildeten
schwefelsauren Kalk in Lösung zu bringen. Aus der klaren Lösung wurde die
Schwefelsäure mit Chlorbarium gefällt, das kochend heiſse Filtrat mit Kohlensäure
freiem Ammon unter den bekannten Vorsichtsmaſsregeln gefällt, das Thonerdehydrat
abfiltrirt, in Salzsäure gelöst und abermals mit Ammon gefällt. In dem mit Salzsäure
schwach angesäuerten Filtrate der Thonerde wurde das überschüssige Chlorbarium mit
Schwefelsäure unter Vermeidung eines groſsen Ueberschusses gefällt. In der vom
Barium befreiten Lösung wurde Calcium als Oxalat ausgefällt. Aus dem Filtrate des
Kalkes wurden die Chloride der Alkalien in üblicher Weise rein abgeschieden und
gewogen. Hierauf wurde das Kalium mit Platinchlorid gefällt, das filtrirte
Kaliumplatinchlorid im Leuchtgasstrome zu Platin reducirt und gewogen. Da es üblich
ist, das Mischungsverhältniſs der Materialien eines Glassatzes auf 100 Th.
Kieselsäure zu beziehen, so soll das Ergebniſs der Analyse demgemäſs dargestellt
sein:
Kieselsäure
100,00
Th.
Thonerde
4,00
Kalk
4,95
Kali
5,57
Natron
12,12
Fluor
4,83
Soll aus der Zusammensetzung des Glases die Zurichtung desselben
berechnet werden, so muſs von der Thonerde ausgegangen werden, da diese ohne Verlust
in der Glasschmelze wieder zu finden ist. Der reine Kryolith (Al2F6, 6NaF)
enthält:
13,0 Al = 24,34 Proc. Al2O3
32,5 Na = 43,80 Proc. Na2O
54,4 F
––––––
99,9
Den 4,00 Th. Al2O3 des Glases würden 16,43 Th.
Kryolith entsprechen; in dieser
Kryolithmenge sind enthalten
8,94
Th.
Fluor
Die Analyse ergab im Glase
4,83
„
„
Es sind somit während des Schmelzens als
SiF4 entwichen
4,11
Th.
Fluor
Aus der Gleichung: SiO2 + 4NaF =
SiF4 + 2Na2O
ergibt sich, daſs 3,24 Th. SiO2 in Form von SiF4 sich verflüchteten. Die angeführten 100 Th. SiO2 der letzten Zusammenstellung der Analyse würden
somit 103,24 Th. SiO2 der ungeschmolzenen
Glasmischung entsprechen.
In der aus Al2O3 berechneten Kryolithmenge des
Glassatzes wären ent-
halten
7,20
Th.
Na2O
Die Analyse ergab
12,12
„
„
In Form von Soda sind daher dem Glassatze
zugefügt
4,92
Th.
Na2O,
welche letztere 8,41 Th. Na2CO3 gleichwertig sind.
5,57 Th. K2O
der
Analyse
entsprechen
8,18 Th. K2CO3
4,95 Th. CaO
„
„
„
8,84 Th. CaCO3.
Der berechnete Glassatz würde also lauten:
SiO2
103,24
Th.
oder
100,00
Th.
(Al2F6,6NaF)
16,43
„
15,91
Na2CO3
8,41
„
8,13
K2CO3
8,18
„
7,91
CaCO3
8,84
„
8,55
Diese Berechnung des Satzes aus der Analyse ist nur annähernd
richtig, da ein Theil der Alkalien entsprechend der Temperatur des Glasofens sich
verflüchtigt.
Um die Frage zu entscheiden, welcher Bestandtheil des Kryolithes das Opakwerden des
Glases hervorruft, muſsten synthetische Versuche angestellt werden und waren
hierfür, da obige Analyse einen merklichen Fluorgehalt im Kryolithglase ergab,
folgende drei möglichen Fälle ins Auge zu fassen: Die Bildung des Kryolithglases
wird hervorgerufen: 1) durch das Aluminium, 2) durch das Fluor, oder 3) durch das
Fluor und Aluminium des Kryolithes.
1) Versuche zur Darstellung eines Milchglases mittels
Thonerde.
3g eines Gemenges von 70 Th.
SiO2, 11 Th. Al2O3 [angewendet wurde eine äquivalente
Menge Al2(OH)6] und
20 Th. Na2O [angewendet wurde eine äquivalente Menge
Na2CO3] wurden
in einem Platintiegel durch 5 Stunden der Weiſsglut eines Hempel'schen Ofens, welcher durch ein Gasgebläse geheizt wurde,
ausgesetzt. Es ergab sich ein krätziges, schwach durchsichtiges Glas, welches weder
milchig-opak, noch opalisirend war und das Aussehen eines ungaren Glases hatte. Das
obige Gemenge entspricht der von Benrath gefundenen
Zusammensetzung eines aus 1 Th. Kryolith und 2 Th. Quarzsand geschmolzenen
Milchglases.
Der Schmelzversuch mit diesem Gemenge wurde bei verlängerter Dauer
wiederholt und, trotzdem der Tiegel blauglühend war, gelang es mir nicht, ein
homogenes Glas zu erhalten.
Es wurden nun 3g eines etwas
weicheren Gemenges, bestehend aus 60 Th. SiO2, 12
Th. Al2O3 [in Form
von Al2(OH)6 wie
oben] und 28 Th. Na2O (in Form von Na2CO3) wie im vorigen
Versuche geschmolzen. Das erhaltene Glas war vollkommen wasserhell; es blieb auch
wasserhell, als es abermals geschmolzen und langsam erkalten gelassen wurde.
Aus diesen Versuchen geht hervor, daſs Thonerde kein Milchglas bildet. Die
Mittheilung (vgl. 1870 196 482), wonach Natriumaluminat
als Ersatz für Kryolith zur Erzeugung von Milchglas angewendet werde, dürfte auf
eine falsche Nachricht zurückzuführen sein.
2) Versuch zur Darstellung eines Milchglases mittels
Fluornatrium.
5g eines Gemenges von 100 Th.
SiO2, 20 Th. NaF, 10 Th. K2CO3, 10 Th. Na2CO3, 8 Th. CaCO3 wurden wie beim ersten Versuche in einem
Platintiegel im Hempel'schen Ofen geschmolzen. Es ergab
sich ein vollständig wasserhelles Krystallglas. Eine Wiederholung dieses Versuches
ergab denselben Erfolg.
Es ist somit erwiesen, daſs Fluor nicht im Stande ist, Glas opak zu machen. Da das
erhaltene Glas an Reinheit und Helligkeit dem schönsten böhmischen Krystall glich, so vermuthete ich,
daſs es frei von Fluor sei, daſs nämlich das gesammte Fluor in Form von
Fluorsilicium während des Schmelzens entwichen war. Um mir darüber Aufschluſs zu
verschaffen, wurde die quantitative Fluorbestimmung in etwa 1g des fein gepulverten Glases wie oben ausgeführt.
Die Analyse ergab einen Gehalt von 1,25 Proc. Fluor im Glase. Bei Wiederholung der
Analyse wurden 1,20 Proc. Fluor gefunden.
3) Versuch zur Darstellung eines Milchglases mittels Thönerde
und Fluornatrium.
5g eines Gemenges von 100 Th.
SiO9, 20 Th. NaF, 8 Th. K2CO3, 7 Th. Na2CO3, 8 Th. CaCO3, 6 Th. Al2(OH)6 wurden wie früher geschmolzen. Es wurde ein
tadelloses Milchglas erhalten.
Hiernach ist zweifellos dargethan, daſs Fluor und
Aluminium zur Bildung von Kryolithglas nothwendig sind. Es dürfte sich
wahrscheinlich Aluminiumfluorid bilden, welches sich im geschmolzenem Glase löst und
beim Erkalten des Glases gleich dem phosphorsaurem Kalke sich im Zustande feinster
Vertheilung ausscheidet und das Glas milchig trübt.
Wenn sich die Milchglasfabrikation vom Kryolith befreien wollte, so müſste dieser
ersetzt werden durch ein Thonerde haltiges und durch ein Fluor haltiges Mineral.
Materialien erster Art finden sich in der Natur vielfach vor und wären Eisen freie
Feldspathe oder Kaoline der Billigkeit halber den künstlich erzeugten
Thonerdepräparaten vorzuziehen. Dagegen sind Materialien, welche reich an Fluor
sind, weniger in der Natur verbreitet. Auſser dem Kryolith ist der Fluſsspath das
einzige Mineral, welches an vielen Orten in gröſseren Mengen zu finden ist. Der
Fluſsspath kommt aber nur selten rein vor (in Derbyshire); zumeist ist derselbe mit
Schwerspath, Eisen haltigem Mergel und Thon verunreinigt und wird daher ein mittels
Fluſsspath geschmolzenes Milchglas mehr oder weniger einen Grünstich zeigen. Durch
die zum Opakmachen nöthige Fluſsspathmenge gelangt zu viel Kalk ins Glas, wodurch es
kurz wird und sich schwer verarbeiten läſst. Endlich schmilzt der Fluſsspath rascher
als die übrigen Bestandtheile des Gemenges, sickert theilweise durch das Gemenge bis
auf den Boden des Hafens, so daſs dieser angegriffen, oft sogar leck wird. Wenn sich
auch diese Uebelstände theilweise beseitigen lieſsen, so dürfte es doch
zweckmäſsiger sein, den Fluſsspath auf Fluornatrium zu verarbeiten und dieses im
Vereine mit einem Thonerde haltigen Materiale anstatt des Kryolithes zur Erzeugung
des Milchglases anzuwenden. Der einfachste Weg zur Ueberführung des Fluſsspathes in
Fluornatrium wird der des Schmelzens des ersteren mit Soda sein.
Um zu erproben, wie weit die Aufschlieſsung des Fluſsspathes mit Soda gelingt, wurde
1g gepulverter Fluſsspath des Handels mit etwa
5g Natriumcarbonat und 0g,5 Siliciumdioxyd in einem Platintiegel auf der
Bunsen'schen Gasflamme geschmolzen. Die
vollständige Aufschlieſsung gelingt nämlich nur bei Gegenwart von Kieselsäure.Vgl. Fresenius: Anleitung zur quantitativen
chemischen Analyse, 6. Auflage Bd. 1 S. 431. In der
ausgelaugten Schmelze wurde die Kieselsäure wie oben abgeschieden und das Fluor als
Fluorcalcium bestimmt. Es wurden so im Fluſsspathe 76,5 Proc. CaF2 gefunden. Bei Wiederholung der Analyse unter
Anwendung von 1g anstatt 0g,5 SiO2 wurden
76,8 Proc. CaF2 gefunden. Als jedoch 1g desselben Fluſsspathes mit 2g,7 Na2CO3 ohne Zusatz von SiO2 geschmolzen wurde, waren nur 35,5 Proc. CaF2 aufgeschlossen, während 1g Fluſsspath,
mit 5g Na2CO3 gleichfalls ohne Kieselsäurezusatz geschmolzen,
55,0 Proc. aufgeschlossenen, d.h. in NaF umgesetztes CaF2 ergab. Somit ist ein Zusatz von Kieselsäure nothwendig, um eine gute
Aufschlieſsung zu erzielen.
Soll Fluſsspath fabrikmäſsig in Alkalifluorid umgesetzt
werden, so wird man denselben unter Zusatz von Sand mit Soda oder Potasche, oder
auch mit Sulfat und Kohle am besten in Drehöfen schmelzen, die Schmelze, welche aus
Alkalifluorid. Alkalisilicat und überschüssigem Alkalicarbonate besteht, auslaugen
und zur Trockene eindampfen. Nach der Gleichung: CaF2 + Na2CO3
= 2NaF + CaCO3 wären auf 78 Th. Calciumfluorid 106
Th. Natriumcarbonat erforderlich; in der Praxis wird jedoch ein Ueberschuſs an
Natrium- oder Kaliumcarbonat nöthig sein, zumal der Kieselsäurezusatz zu seiner
Umsetzung in Alkalisilicat einen Theil des Alkalicarbonates aufbraucht. Man kann,
wie aus der obigen Analyse des Kryolithglases ersichtlich ist, auf 78 Th.
Calciumfluorid beiläufig 136 Th. Natriumcarbonat nehmen, ohne befürchten zu müssen,
ein zu weiches Glas zu erhalten. Wenn durch Versuche erwiesen wäre, daſs eine
verhältniſsmäſsig kleinere Fluormenge als die der obigen Analyse und des daraus
berechneten Glassatzes hinreichen würde, um das Glas genügend opak zu machen, könnte
mit dem Natriumcarbonate weiter gegangen werden. Ist dagegen diese Fluormenge
nöthig, so muſs darauf verzichtet werden, den Fluſsspath möglichst vollständig
aufzuschlieſsen. Das dem auf diese Weise erzeugten Alkalifluorid anhaftende
kohlensaure und kieselsaure Alkali kommt selbstredend dem Glassatze zu Nutzen.
Wegen Uebertrittes in die Praxis war es mir leider nicht möglich, die Versuche
fortzusetzen. Es wäre wünschenswerth, wenn chemische Fabriken, welche in ihrer Nähe
Fluſsspathlager haben, Versuche im Groſsen zur Erzeugung von Alkalifluorid aus
Fluſsspath anstellen würden. Der chemischen Industrie wäre damit ein neues Feld der
Thätigkeit erschlossen und die Glasindustrie wäre vom Alpe des Kryolithmonopoles
befreit.
Wien, Laboratorium des Prof. Dr. J.
Oser, Februar 1885.