Titel: | Ueber Fortschritte in der Sodaindustrie. |
Fundstelle: | Band 257, Jahrgang 1885, S. 110 |
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Ueber Fortschritte in der
Sodaindustrie.
Ueber Fortschritte in der Sodaindustrie.
Bekanntlich enthält das bei der Ammoniaksodafabrikation gewonnene Natriumbicarbonat Ammoniumsalze, welche schwer zu
entfernen sind. L Mond und G.
Jarmay in Northwich (D. R. P. Kl. 75 Nr. 31 682 vom 4. November 1884) haben
nun gefunden, daſs sich aus der Lösung des rohen Bicarbonates in warmem Wasser beim
Erkalten reines Bicarbonat ausscheidet, während alle Ammonsalze in Lösung bleiben.
Wenn ein sehr reines Product gewünscht wird, kann vor dem Kühlen der Lösung die
geringe Menge unlöslicher Substanzen durch Setzenlassen oder Filtriren der Lösung
entfernt werden. Gewöhnlich löst man das rohe Bicarbonat in Wasser bei einer
Temperatur von 65° und filtrirt, um die im Wasser unlöslichen Verunreinigungen
zurückzuhalten. Die klare Lösung wird entweder noch warm in Pfannen gefüllt und dann
langsam abgekühlt, oder man kann sie zuvor durch Kühlröhren oder ähnliche Apparate
so weit vorkühlen, als möglich ist, ohne daſs sich Bicarbonat ausscheidet, und dann
dessen Ausscheidung durch weitere Abkühlung in Pfannen bewirken. Auch kann man die
Lösung lange Pfannen oder Rinnen so durchlaufen lassen, daſs sich ununterbrochen
Bicarbonat ausscheidet. Das so erhaltene Bicarbonat ist von krystallinisch körniger
Beschaffenheit und kann mit Leichtigkeit von der Mutterlauge in Schleudern oder auf
andere Weise befreit und dann ohne Schwierigkeit getrocknet und gemahlen werden.
Geschieht das Auflösen des rohen Bicarbonates unter Druck in einer
Kohlensäure-Atmosphäre, so kann man höhere Temperaturen anwenden und somit auch
concentrirtere Lösungen erzielen. Es ist jedoch erforderlich, die so hergestellte
Lösung erst bis 65° abzukühlen, bevor der Druck wieder abgemindert wird. Die bei dem
beschriebenen Vorgange verbleibende Mutterlauge kann so oft zur Auflösung von
Bicarbonat benutzt werden, bis die Ammonium- und anderen Salze sich zu stark in ihr
angehäuft haben. Dann kann das Ammoniak ausgekocht und die bleibende Flüssigkeit
behufs Gewinnung der darin enthaltenen nichtflüchtigen Salze zur Trockne eingedampft
werden. Besser verwendet man jedoch die Mutterlauge als Ersatz für einen Theil des
Wassers, welches man heute zum Waschen des rohen Bicarbonates, wie es im
Ammoniaksodaprozesse erhalten wird, benutzt, um dieses von Kochsalz und
Ammoniumchlorid zu befreien.
Zur Reinigung von Schwefelsäure will Thomson in Quebec (Englisches Patent 1884 Nr. 6215) die
Kammersäure mit Schwefelammonium versetzen, um Arsen und Antimon zu fällen, sowie
den letzten Rest von Stickstoffsäuren zu beseitigen, dann über fein zertheiltes Blei filtriren und in
bekannter Weise concentriren.
G. Lunge bespricht in den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft, 1885 S. 1376 das für die
Theorie des Bleikammerprozesses wichtige Bestehen des Salpetrigsäureanhydrides im Gaszustande. Neuerdings bezweifeln Ramsay und Cundall im Journal of the Chemical Society, 1885 S. 187 das
Vorhandensein des Stickstofftrioxydes, N2O3, im Gaszustande, nehmen aber solches in der
bekannten blauen oder grünen, bei niedriger Temperatur beständigen Flüssigkeit an.
In der auf den Vortrag folgenden Besprechung {Abstracts of
the Proceedings of the Chemical Society, 1885 Nr. 3 S. 28) will Armstrong sogar das Bestehen von N2O3 im flüssigen
Zustande nicht zugeben; wenigstens sagt er, man könne die Ergebnisse jener Forscher
ganz ebenso gut unter der Annahme erklären, daſs sie eine Auflösung von Stickoxyd,
NO, in Stickstoffperoxyd, N2O4, in den Händen gehabt hätten. Dagegen hat Lunge (vgl. 1879 233 68) gezeigt, daſs man nur mit
Salpetersäure von weniger als 1,35 sp. G. vorwiegend N2O3 erhält. Wenn ferner N2O3 wirklich nicht
im Gaszustande bestehen könnte, sondern in NO und N2O4 zerfiele, so müſste bei überschüssigem
Sauerstoffe nur N2O4
vorhanden sein, was aber nicht der Fall ist.
Lunge findet ferner (a. a. O. S. 1384), daſs im
trockenen Zustande aus Stickoxyd und überschüssigem Sauerstoffe vorwiegend oder
ausschlieſslich N2O4
gebildet wird. Bei überschüssigem Stickoxyde entsteht neben N2O4 auch viel N2O3, beide im
Gaszustande.
Bei Gegenwart von Wasser geht Stickoxyd mit überschüssigem Sauerstoffe ganz in
Salpetersäure über. Wenn Stickoxyd und Sauerstoff bei Gegenwart von concentrirter
Schwefelsäure zusammenkommen, so entsteht selbst bei gröſstem Sauerstoffüberschusse
weder N2O4 noch
HNO3, sondern die Reaction ist: 2SO4H2 + 2NO + O =
2SO2(OH)(ONO) + H2O.
Lunge und Naef (1884 252 169) haben in der Atmosphäre der hinteren Kammer bei
normalem Betriebe stets nur N2O3 nachgewiesen. Da in der Kammer immer ein groſser
Ueberschuſs von Sauerstoff vorhanden ist, so müſste das nach früherer allgemeiner
Annahme dort frei werdende NO hauptsächlich in N2O4 übergehen, denn die in der Kammer als
Nebel schwebenden Schwefelsäuretheilchen vermögen auf die in einiger Entfernung von
ihnen mit einander in Berührung kommenden Gasmoleküle nicht einzuwirken. Nun ist
aber gezeigt, daſs fast oder gar keine N2O4 entsteht, so lange auch noch ganz wenig
Schwefelsäurebildung eintritt, d.h. so lange noch merkliche Mengen von
Schwefligsäure in der Kammer vorhanden sind. Mithin muſs überhaupt gar kein freies
NO entstehen, sondern der Prozeſs aus folgenden, für sich sehr bekannten Reactionen
bestehen, deren erste von 67. Winkler zuerst genau
studirt worden ist: 2SO2 + N2O3 + O2 + H2O = 2SO2(OH)(ONO) und 2 SO2(OH)(ONO) + H2O = 2 SO2(OH)2 + N2O3. Das
Schwefeldioxyd tritt
also unmittelbar mit Stickstofftrioxyd, Sauerstoff und wenig Wasser zu
Nitrosylschwefelsäure zusammen, welche nebelförmig in der Kammer schwebt; beim
Zusammentreffen mit mehr Wasser, welches ebenfalls als Nebel in der Kammer vertheilt
ist, zerlegt sich die Nitrosylschwefelsäure in Schwefelsäure, die zu Boden sinkt,
und Stickstofftrioxyd, welches von Neuem wirken kann. Es ist also nicht, wie die
bisher allgemein herrschende Ansicht lautet, das Stickoxyd, sondern vielmehr das
Salpetrigsäureanhydrid, welches als Sauerstoffüberträger in der Bleikammer wirkt.
Dieser Vorgang wird im vordersten Theile des Kammersystemes durch das Vorwalten von
Schwefligsäure, im hintersten unter Umständen durch das gänzliche Zurücktreten von
Schwefligsäure, sowie stellenweise durch Wasserüberschuſs beeinfluſst.
Die Angabe von A. Allen (1885 256 331), daſs bei
Verwendung des Nitrometers starke Schwefelsäure ein
erhebliches Lösungsvermögen für Stickoxyd besitze, daſs man daher die Säure
nachträglich verdünnen solle, ist nach Lunge (daselbst
S. 1391) unrichtig.
A. R. Pechiney und Comp. in Salindres und W. Weldon in Rede Hall, England (D. R. P. Kl. 12 Nr.
31671 vom 8. August 1884) haben, wie bereits in D. p.
J. 1885 256 368 kurz berichtet wurde, gefunden,
daſs man zur Herstellung von Chlor aus
Magnesiumoxychlorid, welches sechs oder mehr Moleküle Wasser enthält,
zuerst bei niederer Temperatur erhitzen muſs, um einen Theil des Wassers zu
verflüchtigen, und erst dann bei Zutritt von Luft oder Sauerstoff auf hinreichend
hohe Temperatur. Auf diese Weise sollen beinahe 60 Procent des gesammten Chlores in
freiem Zustande, der Rest als Salzsäure entwickelt werden. Wenn man letztere mit
Magnesia neutralisirt, das entstehende Chlormagnesium durch Zusatz von Magnesia in
Oxychlorid verwandelt und wie oben behandelt, so könnte schlieſslich fast alles
Chlor im freien Zustande erhalten werden. Wird dieses Verfahren zur Darstellung von
Chlor aus Salzsäure benutzt, so verwendet man die rückständige Magnesia theils zur
Sättigung der nächst zu behandelnden Menge Salzsäure, theils zur Verwandlung des
entstehenden Magnesiumchlorides in Oxychlorid. Wird die Magnesia auf den
Ammoniaksodaprozeſs angewendet, so benutzt man die Magnesia theilweise zur
Zersetzung der Salmiaklaugen, theils wieder zur Verwandlung des so entstehenden
Chlormagnesiums in Oxychlorid.
Es ist vorzuziehen, aber nicht absolut nöthig, die ursprüngliche
Chlormagnesiumlösung, ehe man sie durch Zusatz von Magnesia in Oxychlorid
verwandelt, so weit zu concentriren, daſs die Lösung bei weiterer Concentration
anfangen würde, Salzsäure abzugeben; ferner ist es günstig, wenn der Zusatz der
Magnesia bei Siedehitze erfolgt. Auch sollte die Chlormagnesiumlösung nicht viel
fremde Salze enthalten; jedoch werden diese gewöhnlich schon vor dem oben erwähnten
Concentrationsgrade auskrystallisiren gelassen und sollten dann vor Zusatz der
Magnesia auf mechanischem Wege entfernt werden.
Die Menge der zu dem Chlormagnesium zuzufügenden Magnesia kann in weiten Grenzen
wechseln; dieselbe sollte jedoch so groſs sein, daſs das entstehende Oxychlorid beim
Erhitzen nicht merklich erweicht. Zuweilen genügt dafür ½ Aeq.; aber am günstigsten
scheinen gleiche Moleküle Magnesia und Chlormagnesium zu sein. Ein Ueberschuſs von
Magnesia hat weiter keine schädlichen Folgen, als daſs man dann eine gröſsere Menge
Substanz erhitzen muſs. Damit das Magnesiumoxychlorid in geeigneter Form erhalten
wird, muſs während des Eindampfens und Erhitzens der Masse auf 150 bis 200°
beständig gerührt werden. Das Glühen der theilweise entwässerten Masse soll in dem
bereits (1885 256 * 275) beschriebenen Ofen vorgenommen
werden.