Titel: | Hurtu's Doppelsteppstich-Nähmaschine mit grosser Unterfadenspule. |
Autor: | Gl. |
Fundstelle: | Band 257, Jahrgang 1885, S. 352 |
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Hurtu's Doppelsteppstich-Nähmaschine mit groſser
Unterfadenspule.
Mit Abbildungen auf Tafel
24.
Hurtu's Doppelsteppstich-Nähmaschine.
In neuerer Zeit macht sich das Bestreben, eine groſse Unterfadenspule für
Doppelsteppstich-Nähmaschinen in Verwendung zu bringen, immer bemerkbarer. Die
bedeutende Erweiterung der Nadelfadenschleife, um eine groſse Spule durchschlüpfen
zu lassen, bedingt jedoch eine Aenderung in der Bauart, indem die Form des
gebräuchlichen Schiffchens nicht genügt, die Erweiterung dieser Schleife allein zu
bewerkstelligen. Man verwendet daher zu diesem Zwecke mit Vortheil einen besonderen
Greifer und benutzt gleichzeitig ein Schiffchen, bewegt also die Unterfadenspule
durch die Schleife (vgl. Guillaume und Lambert bezieh.
Stresemann 1883 250 *
511), oder bringt eine in einem unbeweglichen Gehäuse festgehaltene Spule an, um
welche die Schleife geschoben wird (vgl. Castro und
Lind 1883 250 * 509. Brückner 1883 248 * 231). Letztgenannte
Ausführungsweise zeigt auch die in Frankreich patentirte
Doppelsteppstich-Nähmaschine von Hurtu in Paris, deren
Einrichtung nach Armengaud's Publication industrielle,
1884 S. 385 auf Taf. 24 dargestellt ist.
Zur besseren Uebersicht sind die Mechanismen dieser Nähmaschine in 2 Gruppen
getheilt, je nachdem sie unmittelbar auf die Stichbildung sich beziehen, oder aber
zur Führung des Arbeitstückes und Fadens dienen.
Die Nadel sitzt mit einem verstärkten cylindrischen
Obertheile in der Nadelstange a (Fig. 1 und 4), welche am betreffenden
Ende geschlitzt und mit einem Kegelgewinde versehen ist, um mittels einer Mutter auf
demselben die Nadel festklemmen zu können. Die Nadelstange wird auf bekannte Weise
in dem Nähmaschinenarme A1 geführt und steht durch ein Gelenkstück a1 mit dem zweiarmigen Hebel B in Verbindung. Derselbe trägt am unteren Ende eine Rolle b, welche in die Curvennuth C1 (Fig. 1 und 2) des Cylinders C reicht; letzterer sitzt fest auf der Antriebwelle d, welche in gewöhnlichergewöhlicher Weise durch eine Schnurscheibe in Umdrehung versetzt wird.
Greifer mit Spule. Die Greiferwelle liegt in der
Achsenverlängerung der Antriebwelle und erhält eine in der Geschwindigkeit
wechselnde Drehbewegung, um der Nadel eine nicht zu unregelmäſsige Bewegung geben zu
müssen und dadurch wiederum einer zu groſsen praktisch unbrauchbaren Steigung der
Curvennuth C1
vorzubeugen. Um diese unregelmäſsige Bewegung der Greiferwelle zu erhalten, hat Hurtu zwei Einrichtungen construirt. Die eine
derselben, welche zuerst und bei einer groſsen Anzahl Maschinen in Anwendung kam,
ist zwar weniger zweckmäſsig, ihrer eigenthümlichen Ausführung wegen aber geeignet,
näher betrachtet zu werden.
Die Antriebwelle d besitzt eine abgeplattete Verstärkung
d1 (Fig. 9 und 11) und endet in einer
Hülse d2, welche in dem Lager D ruht und gleichzeitig das Lager für die Greiferwelle
e bildet; letztere trägt das Kegelrad e1; in dieses greift
der Zahnbogen f2,
welcher sich um den im Wellenstücke d1 festgeschraubten Bolzen f dreht. Der Zahnbogen f2 fragt zur Seite einen kurzen Arm mit der Rolle f1 (Fig. 9), die sich in einer
Curvennuth führt, welche aus zwei an der Nähmaschinengrundplatte A befestigten Hohlcylindern F und F1
gebildet wird.
Hurtu verwendet zur genauen Bearbeitung der Stücke
seiner verschiedenen Nähmaschinensysteme, zum gröſsten Theile eigens construirte
Fräsmaschinen. Zur Erzielung der genauen Form für die Führung des Zahnbogens f2 durch die Rolle f1 wird ebenfalls eine
Fräsmaschine benutzt, welche einen Hohlcylinder durch einen Fräser derart in zwei
Theile trennt, daſs die Achse des Fräsers beim Fortrücken stets nach einer Linie
gerichtet ist, welche der Achse des Bolzens f
entspricht, so daſs die Rolle f1 vollständig an den Seitenwänden der von den beiden
Hohlcylinderstücken gebildeten Nuth anliegt. Da diese Fräsmaschine ausschlieſslich
nur zur Anfertigung des Nähmaschinentheiles F F1 bestimmt und dieser durch eine andere Einrichtung
ersetzt wurde, so sei in Bezug auf diese Fräsmaschine auf die mit ausführlichen
Zeichnungen versehene Beschreibung a. a. O. 1884 S. 399 verwiesen.
Durch die Form der Curvennuth F F1 findet bei der Uebertragung der Drehung von der An
trieb welle d auf die Greiferwelle e mittels des Zahnbogens f2 und des Kegelrades e1 eine Beschleunigung
der Greiferwelle statt, wenn die Fadenschleife der Nadel erfaſst worden ist, und
eine Verzögerung, sobald sich die Nadel auſserhalb des Stoffes befindet, um Zeit für
das Fortrücken des Stoffes und den Abzug der groſsen Fadenschleife zu gewinnen. Der
Greifer E bildet eine Art Schale, deren Rand zu einer
Greiferspitze ausgebildet ist und etwas über die Mitte des Spulengehäuses
reicht.
Bei der anderen Einrichtung, um die Greiferwelle mit wechselnder Geschwindigkeit zu
bewegen, benutzt Hurtu zwei Schleppkurbeln und erreicht
damit eine regulirbare Beschleunigung bezieh. Verzögerung der Greiferwelle, sowie
einen ruhigeren Gang der Maschine, so daſs sich die Stichzahl von 2000 auf 2500 in
der Minute vermehren läſst. Zwischen der Antriebwelle d
und der in derselben Richtung liegenden Greiferwelle e
ist excentrisch eine kurze Zwischenwelle z angeordnet;
dieselbe trägt an den beiden Enden die Kurbeln C und
D (wie dies in Fig. 19 schematisch
dargestellt), welche durch die Gelenkstangen B und E mit der Kurbel A auf der
Antriebwelle d bezieh. mit der Kurbel F auf der Greiferwelle e
verbunden sind. Wenn die Kurbeln der Zwischenwelle z
einen Winkel von ungefähr 180° mit einander einschlieſsen, erhält man das gröſste
Maſs der zu erreichenden Beschleunigung oder Verzögerung der Greiferwelle. Wird
hingegen dieser Winkel kleiner, so vermindert sich der Wechsel in der Drehbewegung
und derselbe kann demnach innerhalb gewisser Grenzen geregelt werden.
Zur Verdeutlichung der Wirkungsweise dieser Schleppkurbelanordnung ist mit den
verschiedenen Kurbelstellungen nach jedem Viertel einer Umdrehung der Antriebwelle
die entsprechende Stellung des Greifers durch die Fig. 20 bis 23 angegeben
worden. Noch ist zu bemerken, daſs der Greifer bei der neueren Einrichtung eine
andere Construction als die in Fig. 13 ersichtliche
erhalten hat. Um nämlich jedes Zittern zu vermeiden, ist der Greifer mit einem
Gegengewichte versehen und kann durch eine in letzterem angebrachte Schraube leicht
verstellt und befestigt werden.
Angenommen sei, daſs die Kurbel A der Antriebwelle
wagerecht nach rechts stehe (vgl. Fig. 20), so wird durch
Vermittelung der Zwischenwelle die Kurbel F ebenfalls
nach rechts stehen und der Greifer gerade im Begriffe sein, die Nadelfadenschleife
zu erfassen. Macht nun die Antriebwelle eine Vierteldrehung (Fig. 21), so kommt ihre
Kurbel senkrecht nach oben, während die Kurbel F so
weit mit beschleunigter Bewegung gedreht wurde, daſs die Greiferspitze eine halbe
Umdrehung ausführte. Beim nächsten Viertel steht die Kurbel A der Antriebwelle nach links (vgl. Fig. 22), die Kurbel F hat den Greifer ebenfalls eine Vierteldrehung machen
lassen und dieser steht mit seiner Spitze wagerecht nach rechts. Die Nadel hat den
zu nähenden Stoff verlassen, die Nadelfadenschleife ist vom Greifer abgefallen und
angezogen worden und der Stoff kann verschoben werden, um die Nadel einen neuen
Stich machen zu lassen. Beim dritten Viertel der Umdrehung, wobei die Kurbel A nach unten steht (vgl. Fig. 23), bewegt sich der
Greifer mit verzögerter Bewegung; denn derselbe macht hierbei nur eine Achteldrehung
und die Nadel sticht von Neuem ein. Endlich nach der letzten Vierteldrehung kommt
der Greifer und die Nadel wieder in die in Fig. 20 angegebene
Stellung.
Die Unterfadenspule n wird durch einen Bolzen drehbar in
ihrem Gehäuse N (Fig. 11) gehalten und
bildet zugleich den Deckel für letzteres. Der Faden geht von der Spule zunächst
durch eine Oeffnung oberhalb des Gehäuses und hierauf durch zwei kleine Löcher (vgl.
Fig. 6)
des Gehäusevorsprunges n1. Eine kleine Feder n9, deren Spannung
durch eine Schraube zu regeln ist, drückt zwischen diesen beiden Löchern auf den
Faden. Das Gehäuse N nebst der Spule n werden durch zwei ringförmige Backen s und s[ (Fig. 10 bis 12) gehalten,
jedoch so, daſs der Faden frei um das Gehäuse gleiten kann. Der rechts liegende
Backen s ist an einem Schieber S befestigt, welcher in eine schwalbenschwanzförmige Nuth der Platte A eingefügt ist. Ein zweiter im ersteren beweglicher
Schieber S1 trägt den
linken Backen s1.
Innerhalb des oberen Schiebers S ist eine gewundene
Feder s4 angeordnet, deren linkes Ende gegen einen
Hebel s3 drückt, welcher sich dadurch in die
Vertiefung der Nähmaschinenplatte A legt und die
Schieber in ihrer Lage so lange sichert, bis ein Auswechseln der Spule erforderlich
ist. Das andere Ende der Feder s4 drückt gegen einen im unteren Schieber S1 eingeschraubten Stift und dieser legt sich gegen die
Stellschraube s5, so daſs das Spulengehäuse N den erforderlichen Spielraum zwischen den backen s und s1 behält. Um die Feder s4 in ihrer Spannung zu erhalten, reicht dieselbe über die Stellschraube
s5, während der erwähnte Stift tischen die
Spiralen eingefügt ist.
Stoffrücker. Eine kurze Welle mit zwei festen Ansätzen
I (Fig. 1, 2 und 13 bis 16) schwingt um
die Körnerspitzen j, welche in den Nasen J der Tischplatte A
stecken. Zwischen den beiden Ansätzen befindet sich der Theil G, welcher ebenfalls um Körnerspitzen i drehbar gelagert ist. Auf dem Theile G ist zunächst der Stoffrücker g (Fig.
13 und 16) anschraubt und kann derselbe in seiner Höhenlage durch die Schraube
g1 verstellt
werden; zu bemerken ist noch, daſs sich der gezahnte Theil des Rückers zu beiden
Seiten der Nadel ausdehnt, mithin letztere durch einen Schlitz (vgl. Fig. 13) desselben sticht
und eine einseitige und krummlinige Verschiebung des Arbeitstückes ausschliefst.
Auſserdem trägt der Theil G unterhalb ein federndes
Plättchen m2 (Fig. 15),
welches auf dem Excenter m1 aufliegt und einen ruhigen Gang beim Erheben und Senken des Stoffrückers
bedingt. Die Verschiebung des Rückers besorgt das Kegelexcenter m, an welchem die Nuſs k
mit ihrer flachen Seite anliegt. Dieselbe sitzt an dem Hebel K, welcher um einen Bolzen auf dem Theile G
drehbar ist. Eine Feder g2 drückt die Nuſs k und das Plättchen m2 an ihre
Excenter.
Stichregulirung. Mit der einen Seite steht der Hebel K des Stoffrückermechanismus durch eine Zugstange K1 (Fig. 13, 17 und 18) in Verrbindung mit
dem Bogenstücke L. Durch Vermittelung einer Schraube
L1 wird der Bogen
in seiner Lage erhalten, oder kann dann damit verstellt werden. Der Hebel K ändert dadurch entsprechend seine Stellung und die Nuſs k kommt auf dem stärkeren oder schwächeren Theile des
Excenters zur Anlage, veranlaſst also die gröſsere oder geringere Stoffverschiebung.
Um den Stich einstellen zu können, reicht der Zahnbogen L etwas aus der Nähmaschinenplatte A hervor
(vgl. Fig.
17), wird aber bis auf einen schmalen Theil seines Umfanges durch ein Blech
verdeckt, welches eine Eintheilung besitzt; ein kleiner Einschnitt oder eine Marke
des Bogens L läſst die Stichgröſse erkennen.
Fadenabzieher. Die Nadelfadenschleife, welche über das
groſse Schiffchen hinweggeführt werden muſs, macht einen bedeutenden Abzug dieses
Fadens erforderlich. Hurtu bringt hierzu einen
zweiarmigen Hebel H (Fig. 1 und 5) an und bewegt diesen
durch eine besondere Curvennuth C2 in dem Cylinder C der
Antrieb welle. Diese Einrichtung ist nicht neu (vgl. Stresemann 1883 250 * 510. Singer 1883 248 * 228);
dagegen zeigt die am Ende des Hebels H angebrachte
Fadenführung eine neue Anordnung, welche ein leichtes Einfädeln gestattet und ein
etwaiges Ausspringen des Fadens verhindert. Der Fadenhebel H trägt, etwas eingelassen, eine leicht drehbare Rolle r und in seiner Verlängerung die fest angeschraubte
Feder h (Fig. 1, 7 und 8), welche an ihrer Spitze
rechtwinkelig umgebogen ist und in eine Oeffnung des Fadenhebels faſst. Um einem
Einklemmen des Fadens vorzubeugen, ist die Rolle r auch
entsprechend in die Feder h eingelassen. In ganz
gleicher und zweckmäſsiger Weise sind auch die Führungsröllchen r1 und r2 oberhalb der
Nadelstange angebracht.
Die Fadenbremse besteht aus der Scheibe Q (Fig. 3), welche auf beiden
Seiten mit Tuchstücken bekleidet und auf übliche Weise durch eine Schraubenmutter
nebst Feder beliebig gebremst werden kann. Oberhalb dieser Fadenbremse ist der mit
einem Kopfe versehene Stift O angebracht, welcher zur
Aufnahme des Fadens einen schrägen bis zur Mitte gehenden Schlitz besitzt. Eine
kleine Hülse o wird durch eine Feder leicht gegen den
Kopf bezieh. den Faden gedrückt, um einestheils eine gleichbleibende Reibung des
Fadens auf der Rolle Q zu bewirken, anderentheils ein
Ausspringen des Fadens zu verhindern. Der Oberfaden geht nun von der Spule Z (Fig. 1) nach der
Fadenbremse, über das Führerröllchen r1, durch die gewundene Oese x nach dem Kopfe des Fadenhebels H und dessen
Rolle r, hierauf abermals durch die Oese x und das Führerröllchen r2 nach der Nadel.
Die in der Beschreibung nicht erwähnten Theile, wie z.B. der Stoffdrücker, sind in bekannter Weise ausgeführt.
Gl.