Titel: | H. Bilgram's Kegelradhobelmaschine. |
Fundstelle: | Band 257, Jahrgang 1885, S. 442 |
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H. Bilgram's Kegelradhobelmaschine.
Mit Abbildungen.
H. Bilgram's Kegelradhobelmaschine.
Unter den vielfachen Maschinen, welche zur Herstellung genauer Zahnräder benutzt
werden, bieten insbesondere diejenigen ein ganz besonderes Interesse, welche die
richtige Zahnform eines jeden Rades nur vermöge ihres kinematischen Zusammenhanges
selbst bilden, ohne daſs dieselbe vorher ermittelt zu werden braucht, also auch ohne
Zuhilfenahme von Führungsschienen u. dgl. Obgleich die der Construction solcher
Maschinen zu Grunde zu legenden kinematischen Beziehungen längst bekannt und z.B.
von Prof. G. Hermann in den Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleiſses, 1877 S. 61
ff. übersichtlich und allumfassend zusammengestellt sind (vgl. 1877 225 396), so hatte doch die Praxis bisher kaum eine auf
dieser Grundlage beruhende Zahnradschneidmaschine, es sei denn ausschlieſslich für
das Schneiden von Schneckenrädern mit Hilfe einer Schneidspindel (vgl. C. Albro bezieh. F.
Henneberg. 1883 250 * 59). Eine wirkliche Lösung
der erwähnten Aufgabe stellt die von C. Dengg (vgl.
1882 246 * 314) construirte Hobelmaschine dar, mit
welcher die Flanken der Zähne nach sphärischen Cycloidenkegeln bearbeitet werden
können; doch ist die Ausführung eine nicht gerade einfache. Neuerdings ist aber eine
recht vollkommene Maschine dieser Art, welche insbesondere Kegelräder aller Gröſsen
anfertigt, von Hugo Bilgram construirt und der Bau
dieser Maschine von Gebrüder Brehmer in Philadelphia
übernommen worden.
Der Grundgedanke dieser Maschine ist ein sehr einfacher. Denkt man sich z.B. ein
Werkzeug so angeordnet, daſs es die Zahnform irgend eines Rades aus einem Satze mit
Wechselradverzahnung beschreibt, und dann einen Radkörper mit vollen Zahnlücken so
geführt, daſs derselbe gegen das gedachte Rad dieselbe Relativbewegung vollzieht wie
beim richtigen Zusammenarbeiten mit demselben, so müſste das schneidende Werkzeug
unbedingt eine richtige Zahnlücke in dem Radkörper ausarbeiten. Es brauchte
letzterer also nach Vollendung einer Lücke immer nur um eine Theilung weiter gedreht
zu werden, um schlieſslich ein vollkommenes Rad zu ergeben. Auch würden für alle
Räder aus dem ganzen Satze mit ein und demselben schneidenden Werkzeuge bei obiger
Behandlung die richtigen Zahnflankenformen entstehen derart, daſs je zwei so
gewonnene Räder mit einander richtig zusammenarbeiten könnten. Unter den
Satzräderverzahnungen empfiehlt sich hier vor allen die Evolventenverzahnung,
einestheils weil diese, sobald nur die Drucklinie zwischen den Zähnen stets unter
gleichem Winkel zur Centrale der Räder angenommen wird, ohne weiteres eine
Wechselrad Verzahnung ist, so daſs Räder gleicher Theilung stets zusammenpassen,
dann aber auch insbesondere deshalb, weil hier ein Rad
aus dem ganzen Satze
– und zwar bei cylindrischen Rädern das von unendlich groſsem Radius, die
Zahnstange, bei Kegelrädern das Planrad – überaus einfache Zahnformen, nämlich
gerade Flankenlinien ergibt. Man wird daher auch die Zahnform dieses Rades dem
arbeitenden Werkzeuge am besten zu Grunde legen, was denn auch durch Bilgram geschehen ist. Bei dieser Annahme spielt sich
der oben beschriebene Vorgang so ab, wie dies die beistehende Abbildung Fig. 1 erkennen läſst. In dem oberen trapezischen
Zahne hat man einen Zahn der gedachten Zahnstange bezieh. des Planrades zu sehen,
welcher durch das arbeitende Werkzeug – bei Bilgram ein
Hobelstahl – beschrieben wird. Unterhalb desselben wälzt sich der Radkörper, in
welchen die Zahnlücken einzuschneiden sind, mit seinem Theilkreise auf der gedachten
Theillinie ab, wobei dann eine Zahnlücke entsteht, wie dies Fig. 1 in sieben auf einander folgenden Phasen deutlich erkennen
läſst.
Fig. 1., Bd. 257, S. 443
Nach dem Vorausgegangenen wäre nur noch zu erläutern, in welcher Weise die
besprochene Arbeit von Bilgram's Maschine geleistet
wird. Nach der beigegebenen Fig. 2 besteht dieselbe
aus zwei Gruppen von einzelnen Mechanismen, deren eine nichts anderes darstellt als
die bei jeder Hobelmaschine mit beweglichem Werkzeuge übliche Anordnung zur
Bethätigung des Werkzeugträgers. Hier kann es sich daher nur darum handeln, die
zweite Gruppe nämlich den Aufspanndorn für das zu schneidende Rad und die
Vorrichtung zur richtigen Führung desselben näher ins Auge zu fassen. Mit Rücksicht
darauf, daſs der zu schneidende Radkörper mit seinem Theilungskegel auf einer Ebene,
der Theilebene des gedachten Planrades, dessen Zahnflanke von der Hobelstahlschneide
beschrieben wird, rollen muſs, ist die den Radkörper tragende Spindel mit einem
Stücke einer Kegelzone verbunden, welche eine Verlängerung des Theilungskegels über
den Scheitel-Punkt hinaus darstellt, und rollt mit dieser auf einer ebenen Fläche
des Maschinengestelles hin und her. Um ein wirkliches Rollen ohne jedes Gleiten zu
sichern, sind zwei Stahlbänder vorhanden, welche einerseits an dem
Maschinengestelle, andererseits an der Kegelzone befestigt sind und sich auf dieser auf- und
abwickeln. Die Schaltung erfolgt selbstthätig durch die Maschine; andererseits kann
dieselbe aber jeden Augenblick umgesteuert oder von Hand bewirkt werden.
Selbstverständlich muſs bei dieser Bewegung die ganze Aufspannspindel um den
Mittelpunkt der Theilungskegelfläche des zu schneidenden Rades sich nach allen
Seiten frei drehen können. Nach Vollendung einer Zahnlücke wird der Aufspanndorn
mittels eines Wurmgetriebes mit Theilvorrichtung unabhängig von der
Führungskegelzone um eine Theilung weiter geschaltet.
Fig. 2., Bd. 257, S. 444
Es ist wesentlich, daſs das Werkzeug so eingestellt sei, daſs der tiefste Punkt der Schneide sich
genau in der Richtung nach dem Scheitelpunkte des Theilungskegels bewegt. Um diese
Einstellung genau bewirken zu können, ist. eine besondere Lehre beigegeben. Bei
Kegelrädern kann das Werkzeug natürlich nicht gleichzeitig beide Flanken einer
Zahnlücke bearbeiten, da sich dieselbe verjüngt; es muſs daher zunächst der Reihe
nach die eine Seite aller Zähne und dann bei anders eingestelltem Werkzeuge die
zweite Seite derselben bearbeitet werden. Das Rad muſs stets so auf den Dorn
aufgespannt werden, daſs sein Theilkegelmittelpunkt genau zusammenfällt mit dem
Schwingungsmittelpunkte des Dornes bezieh. dem Scheitelpunkte der Rollkegelzone,
welche letztere übrigens entsprechend den Theilkegeln der zu schneidenden Zähne
ausgewechselt werden kann. Dem entsprechend ist auch die Neigung der Achse des
Aufspanndornes veränderlich. Um das Aufspannen des Arbeitstückes mit Genauigkeit
vornehmen zu können, ist Vorkehrung getroffen, daſs die Entfernung der Zahnenden vom
Kegelmittelpunkte, welche ja aus der Zeichnung zu entnehmen ist, genau eingestellt
werden kann.
Der Schneidstahl ist eine gehärtete Stahlstange von einem Querschnitte gleich einem
gleichschenkligen Dreiecke von 30° Spitzenwinkel. Die Spitze kann entsprechend den
zu schneidenden Zahnlücken mehr oder weniger abgeschliffen werden. Dieser Stahl wird
mittels eines besonderen Stahlhalters auf dem Kreuzsupporte des Hobelschlittens
befestigt und kann dann leicht im richtigen Punkte festgestellt werden; auch ist
dafür gesorgt, daſs die Schneide beim Rückgange des Werkzeuges von der Schnittfläche
abgehoben wird.
Normal geformte Evolventenräder können auch als Winkelräder nicht wohl mit weniger
Zähnen als 24 (Reuleaux verlangt für die Hilfsräder
derselben 28 Zähne) verwendet werden, da sonst die Zähne des gröſseren Rades die des
kleineren unterschneiden. In der Praxis läſst sich dies aber dadurch umgehen, daſs
man den Kopftheil des Zahnes beim gröſseren und den Fuſstheil des Zahnes beim
kleineren Rade abkürzt, womit die zulässige Grenze der Zähnezahlen noch bedeutend
erniedrigt wird. Auch solche Räder lassen sich ohne Schwierigkeit schneiden.
Es unterliegt keinem Zweifel, daſs diese Maschine sich als durchaus praktisch
bewähren wird. Jedenfalls lassen sich mit derselben Zahnräder so genau herstellen,
als es möglich ist, eine gerade Schneide an ein Werkzeug anzuschleifen öder eine
ebene Fläche herzustellen. Dabei hat diese Maschine vor den sonst zur Herstellung
genauer Zahnräder üblichen Diagonalhobelmaschinen (vgl. 1873 209 * 241. 1880 238 * 280) den Vorzug, daſs die
Zahnform nicht erst für jedes zu schneidende Rad ermittelt und eine derselben
entsprechende Lehre angefertigt werden muſs. Auſserdem können Diagonalhobelmaschinen
nur zur Herstellung von Rädern mit ziemlich grober Theilung Verwendung finden,
während bei der
vorliegenden Maschine die Theilung beliebig klein sein kann. Solchen vielfachen
Vorzügen gegenüber spielt der Umstand, daſs man auf Evolventenverzahnungen
beschränkt ist, keine wesentliche Rolle und ist daher eine ausgedehnte Verwendung
dieser Maschine wohl zu erwarten.