Titel: | Zur Theorie der Rosanilinbildung. |
Fundstelle: | Band 257, Jahrgang 1885, S. 479 |
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Zur Theorie der Rosanilinbildung.
M. Lange, zur Theorie der Rosanilinbildung.
M. Lange (Berichte der deutschen
chemischen Gesellschaft, 1885 S. 1918) hat gefunden, daſs beim
Nitrobenzolfuchsinprozesse die Nitroverbindungen bloſs oxydirend wirken oder, falls
dieselben Methylgruppen enthalten, sich nur in so weit an der Rosanilinbildung
betheiligen, als sie das zur Entstehung des Carbinols nöthige Kohlenstoffatom
liefern.
Erwärmt man 40g eines Gemenges
gleicher Moleküle Anilin und Toluidin, von denen die Hälfte in das salzsaure Salz
übergeführt war, unter Zusatz einer geringen Menge von Eisenchlorür oder
vanadinsaurem Ammon mit 20 bis 25g Nitrobenzol im
Oelbade auf 180 bis 190°, so tritt bald lebhafte Farbstoffbildung ein und man erhält
nach einiger Zeit eine metallglänzende Fuchsinschmelze. Während des Prozesses
destillirt mit dem Reactionswasser ein Gemenge von Anilin und Toluidin, sowie
Nitrobenzol und Benzol über; letzteres war während der Schmelze, durch Reduction und
Stick Stoffabgabe, aus dem Nitrobenzol entstanden. Die Schmelze enthielt nach dem
Austreiben des unveränderten Anilins, Toluidins und Nitrobenzols mit Wasserdampf,
auſser Fuchsin, noch Phosphin und jene zu den Indulinen gehörigen Stoffe, welche
durch Zusammentritt mehrerer Moleküle Anilin bezieh. Toluidin, bei Oxydation der
Amidogruppe, bei Anwesenheit von Anilinsalz unter Ammoniakbildung entstehen. Ferner
wird, besonders beim Erwärmen über 200°, auch Diphenylamin gebildet. Amidoazobenzol,
Azobenzol oder Azoxybenzol konnte aus der Schmelze nicht erhalten werden. Das
Fuchsin wurde der Schmelze durch mehrmaliges Auskochen mit Wasser entzogen, durch
Aufkochen mit wenig Kreide gereinigt und schlieſslich aus Wasser unter Zusatz von
wenig Salzsäure und Kochsalz krystallisirt.
Wendet man statt des Nitrobenzols 30g Orthonitrochlorbenzol an und erwärmt, wiederum unter Zusatz von
Eisenchlorür, so tritt bei 175 bis 180° Farbstoffbildung ein und man erhält nach
einiger Zeit eine Fuchsinschmelze Jon derselben Zusammensetzung wie bei Anwendung
von Nitrobenzol. Nach der Reinigung krystallisirt das Fuchsin in gleicher Weise wie
das mit Nitrobenzol erhaltene und zeigt auch beim Ausfärben den gleichen Ton. Die
anderen in der Schmelze enthaltenen Farbstoffe waren durch Anwendung von
Chlornitrobenzol an Stelle von Nitrobenzol eben so wenig verändert worden als das
Fuchsin. Es waren also chlorirte Farbstoffe nicht entstanden. Zu ganz gleichen
Ergebnissen bezüglich der Farbstoffbildung und der Natur derselben gelangt man bei Anwendung von
Nitranilin, Binitrobenzol, Nitronaphtalin u.s.w. Die Nitroverbindung gibt ihren
Sauerstoff ab, entwickelt Stickstoff und geht in den Kohlenwasserstoff bezieh. in
ein Substitutionsproduct desselben über. Um den Beweis zu liefern, daſs das
Nitrobenzol nicht an der Bildung des Rosanilinmoleküls theilnimmt, sondern nur
oxydirend wirkt, wurde der Versuch in gleicher Weise, wie mit dem Gemenge von Anilin
und Toluidin, mit reinem Paratoluidin, welches bekanntlich bei der Oxydation kein
Rosanilin gibt, ausgeführt. Es wurde dasselbe zur Hälfte in das salzsaure Salz
übergeführt und unter Zusatz von Eisenchlorür mit Nitrobenzol auf 180 bis 2000
erhitzt. Die erhaltene Schmelze gab an kochendes Wasser auſser Phosphin und braunen
Farbstoffen nur Spuren von Fuchsin ab, welches wahrscheinlich durch das noch im
Paratoluidin enthaltene Orthotoluidin entstanden war. Es war somit kein Nitrobenzol
zu Anilin reducirt.
Bei Nitrotoluol, Nitroxylol, Nitromesitylen u. dgl. findet
Oxydation der Amine unter Stickstoffentwickelung aus der Nitroverbindung und
Reduction derselben zu dem entsprechenden Kohlenwasserstoffe statt; daneben wird
eine oder mehrere der substituirenden Methylgruppen abgespalten, oxydirt und zur
Rosanilinbildung verwendet. 20g Anilin, welches
mit Oxydationsmitteln kein Fuchsin lieferte, zur Hälfte in das salzsaure Salz
übergeführt und entwässert, wurden unter Zusatz von einer geringen Menge
Eisenchlorür mit 15g Paranitrotoluol im Oelbade
erhitzt. Bei 195 bis 200° trat Farbstoffbildung ein und es ergab sich nach einiger
Zeit eine Schmelze, welche Fuchsin in reichlicher Menge neben Phospin und
blauvioletten Indulinfarbstoffen enthielt. Im Destillate war auſser Anilin und
Paranitrotoluol auch Benzol. Während der Dauer der Schmelze entwich Stickstoff.
20g Anilin, in der gleichen
Weise versalzt und getrocknet, wurden mit wenig Eisenchlorür und 20g Paranitrotoluolsulfosäure erhitzt. Bei 195 bis
2000 trat Farbstoffbildung ein und wurde auch hier, neben Indulin und Phosphin,
Fuchsin in reichlicher Menge gebildet. Sulfosäuren von Farbstoffen waren nicht
entstanden. Paranitrotoluol und dessen Sulfosäure können demnach mit reinem Anilin
Fuchsin bilden, ohne daſs in letzterem Falle Sulfosäuren der Farbstoffe entstehen.
Es wurden ferner 20g Anilin mit Salzsäure zur
Hälfte versalzt, getrocknet und mit Eisenchlorür und 15g Orthonitrotoluol erhitzt. Hier trat die Farbstoffbildung schon bei 175
bis 1800 ein und es wurden die gleichen Producte wie bei der Anwendung von
Paranitrotoluol erhalten. Gleiches Ergebniſs erhielt man bei Anwendung von
Binitroxylol und Trinitromesitylen zur Einwirkung auf Anilin, wobei Methylchlorid
und andere chlorirte Methanabkömmlinge entwichen.
Diese Abspaltung von Methylgruppen bei der Einwirkung methylirter
Nitroverbindungen auf Anilin und die Bildung von Rosanilin entspricht der Bildung
von Rosanilin durch Oxydation von Orthotoluidin; auch dort wird jedenfalls eine
Methylgruppe vom Benzolkern abgetrennt, oxydirt und zur Rosanilinbildung verwendet.
In gleicher Weise ist auch jedenfalls die Bildung von Rosanilin bei der Einwirkung
von Nitrobenzylchlorid und Nitrobenzylidenbromid auf Anilin zu erklären.