Titel: | Ueber die Herstellung neuer Farbstoffe. |
Fundstelle: | Band 258, Jahrgang 1885, S. 87 |
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Ueber die Herstellung neuer
Farbstoffe.
(Patentklasse 22. Fortsetzung des Berichtes Bd.
256 S. 322. Bd. 257 S. 31. 323.)
Ueber die Herstellung neuer Farbstoffe.
J. H. Stebbins (Journal of the American Chemical
Society, 1885 S. 40) erhitzt zur Herstellung von
Benzylmethylanilin 1 Th. Methylanilin mit 2 Th. Benzylchlorid 4 Stunden
lang. Das Benzylmethylanilin siedet gegen 360° und gibt eine Nitroverbindung, welche
durch Zinkstaub zu einer p-Amidoverbindung reducirt wird.
Zur Herstellung eines dem Malachitgrün ähnlichen Farbstoffes werden 2 Th.
Benzylmethylanilin mit 1 Th. Benzaldehyd und 1 Th. Chlorzink auf dem Wasserbade
erhitzt, bis der Geruch nach Benzaldehyd verschwunden ist, worauf man Alkali zusetzt
und das etwa noch vorhandene Benzaldehyd oder Amin mit Wasserdämpfen abtreibt. Die
Bildung der durch Schütteln mit Aether gewonnenen ölartigen Leukobase wird durch
folgende Gleichung erklärt: C6H5.CHO + 2H.C6H4.N(CH3C7H7)2 = CH.C6H5[C6H4N(CH3C7H7)2]2 + H2O. Durch Erhitzen der Leukobase mit 0,5 Th.
Chloranil auf dem Wasserbade erhält man den grünen
Farbstoff.
Die Société
anonyme des matières colorantes et produits chimiques de St.
Denis in Paris (D. R. P. Nr. 32008 vom 24. Juli 1884) verwendet zur Darstellung blauer und violetter
Farbstoffe das Reactionsproduct des Dimethylanilins auf die Acetone, indem 2 Mol.
Dimethylanilin und 1 Mol. Aceton oder dessen Homologe mit Chlorzink im Druckkessel
auf 150 bis 200° erhitzt werden sollen. Der durch Benzin gereinigte Rückstand geht
durch Oxydation in Farbstoffe über. Werden z.B. 100k der Base mit 112k Salzsäure, 500k Essigsäure, 800l Wasser und 85k Bleisuperoxyd gemischt,
so entwickelt sich der Farbstoff augenblicklich. Man scheidet zuerst das Blei durch
schwefelsaures Natron aus und fällt den Farbstoff dann durch eine Mischung von
Chlorzink und Kochsalz. Sämmtliche auf diese Weise erhaltenen Farbstoffe sind in
Wasser löslich, färben Wasser jedoch sehr wenig, dagegen gebeizte Baumwolle und
Seide in glänzenden
Farben. Die von den Ketonen der Fettreihe stammenden Farbstoffe besitzen rein blaue Töne.
Nach Angabe der Farbenfabriken vormals F. Bayer und
Comp. in Elberfeld (D. R. P. Nr. 32829 vom 4. März 1885) gibt das durch Einwirkung von Chlor
auf Schwefelkohlenstoff erhaltene Perchlormethylmercaptan, CC14S, bei mäſsiger Wärme mit tertiären aromatischen
Aminen blaue oder violette Farbstoffe der
Rosanilinreihe. Aus 1 Mol. Perchlormethylmercaptan und 3 Mol.
Dimethylanilin entsteht z.B. das in schönen Krystallen zu erhaltende salzsaure
Hexamethylpararosanilin. Aus 1 Mol. Perchlormethylmercaptan und 3 Mol.
Methyldiphenylamin entsteht das salzsaure Trimethyltriphenylpararosanilin, welches,
in Alkohol mit rein blauer Farbe löslich, nach üblichen Methoden wasserlöslich
gemacht werden kann. In entsprechender Weise geben 2 Mol. Dimethylanilin und 1 Mol.
Methyldiphenylamin salzsaures Pentamethylphenylpararosanilin. Die Farbstoffbildung
tritt ebenfalls ein bei Anwendung folgender Amine: Methyläthylanilin, Diäthylanilin,
Diamylanilin, Dibenzylanilin, Methylbenzylanilin, Aethylbenzylanilin,
Dimethylorthotoluidin, Diäthylorthotoluidin, Dimethyl-α-naphtylamin, Diäthyl-α-naphtylamin.
25 Th. Dimethylanilin werden z.B. mit 8 Th. kohlensaurem Kalk, welcher zur Bindung
der in der Reaction entstehenden Salzsäure zugesetzt wird, im Wasserbade in einem
mit Rührwerk versehenen Kessel zusammengerührt und zunächst unter äuſserer Abkühlung
bei beständigem Rühren 11 Th. Perchlormethylmercaptan zugegeben. Die Temperatur wird
nun allmählich innerhalb 24 Stunden auf 80° gesteigert, nach welcher Zeit eine
kupferglänzende Schmelze entsteht, die an Wasser das krystallisirende Violett
abgibt. Der Ueberschuſs von Dimethylanilin wird nach Zusatz von Alkali mit
Wasserdampf abgetrieben und die zurückbleibende Farbbase in das Sulfat, Hydrochlorat
oder Oxalat verwandelt. Oder es werden 5,6 Th. Perchlormethylmercaptan in ein
Gemisch von 6,7 Th. Dimethylanilin, 5,5 Th. Methyldiphenylamin und 5 Th.
kohlensaurem Kalk eingetragen unter denselben äuſseren Bedingungen, wie eben
beschrieben. Aus der Schmelze isolirt man ein sehr blaues Violett.
Nach einer ferneren Angabe derselben Farbenfabriken in
Elberfeld (D. R. P. Nr. 32958 vom 20.
November 1884) werden zur Herstellung gelber
Azofarbstoffe aus Benzidin und dessen Homologen 10k schwefelsaures oder salzsaures Benzidin in
1501 Wasser fein vertheilt, 20k Salzsäure von 21° B. zugesetzt und mit 2k,5 salpetrigsaurem Natron diazotirt. Die
entstandene Tetrazodiphenyllösung wird dann in eine Lösung von 11k amidobenzolsulfosaures Natronsalz, dessen
Sulfosäure durch Versetzen mit 9k Salzsäure von
21° B. frei gemacht ist, einlaufen gelassen und 40k essigsaures Natron oder anderes essigsaures Salz zugesetzt. Nach
häufigem Umrühren und etwa 12 stündigem Stehen scheidet sich ein in Wasser
unlöslicher ziegelrother Niederschlag ab, welcher – abgepreſst und neutral gewaschen –
Baumwolle in kochendem Soda haltigem Seifenbade echt schwefelgelb färbt. An Stelle
von Tetrazodiphenyl kann Tetrazoditolyl oder Tetrazodixylyl, an Stelle von
Amidobenzolsulfosäure kann Amidotoluol- oder Amidoxylolsulfosäure verwendet
werden.
Ein ähnliches, noch grünlicheres Gelb entsteht, wenn man
Diazobenzol-, Diazotoluol- oder Diazoxylolmonosulfosäure auf die Salze des
Benzidins, des Diamidoditolyls, des Diamidodixylyls einwirken läſst. Es werden z.B.
10k Amidobenzolsulfosäure in 100l Wasser fein vertheilt, 10k Salzsäure von 21° B. zugesetzt und mit 4k salpetrigsaurem Salz diazotirt. Die entstandene
Diazoverbindung wird in eine Lösung von 7k,5
schwefelsaurem oder salzsaurem Benzidin unter Eiskühlung einlaufen gelassen und
18k essigsaures Natron zugesetzt. Es scheidet
sich alsbald ein grünlich gelber Niederschlag ab, welcher – sofort filtrirt und
neutral gewaschen – Baumwolle im Alkali haltigen, kochenden Seifenbade schön
grüngelb färbt.
Wenn man nach O. Gürke in Wiesbaden (D. R. P. Zusatz Nr.
32830 vom 27. August 1884, vgl. 1885 255 452) bei der Darstellung von Galleïn das Phtalsäureanhydrid durch
die äquivalente Menge Monochlorphtalsäure oder einer der höher gechlorten
Phtalsäuren bezieh. der Anhydride dieser Säuren ersetzt, so erhält man gechlorte
Galleïne, welche sich in bekannter Weise durch Erhitzen mit Schwefelsäure in
Cöruleïne überführen lassen.
Zur Darstellung von Chinolinabkömmlingen aus den Salzen von
aromatischen Amidoverbindungen und Aceton oder dessen
Condensationsproducten werden nach Angabe der Farbwerke vormals Meister
Lucius und Brüning in Höchst a. M.
(D. R. P. Nr. 32961 vom 3. März 1885) 3 Mol. Anilin
mit 6 Mol. Aceton und 1 Mol. Nitrobenzol in einer Retorte gemischt. Das Gemenge wird
mit Salzsäuregas gesättigt und unter andauerndem Einleiten von Salzsäure die Retorte
erhitzt. Unter fortwährendem Entweichen von Chlormethyl tritt die Reaction ein,
welche nach mehrstündigem Erhitzen beendet ist. Der Retorteninhalt wird mit dem
mehrfachen Volumen Wasser verdünnt und nun im Dampfstrome das überschüssige
Nitrobenzol, unangegriffenes Aceton und gebildetes Mesityloxyd entfernt, dann
alkalisirt und das ausfallende ölige Basengemisch rectificirt. Neben unangegriffenem
Anilin erhält man eine Base vom Siedepunkt 257 bis 258 (uncorrigirt) von
chinolinartigem Geruch. Ihre Bildung erfolgt nach der Gleichung: C6H3NH2 + 2CH3CO.CH3 + 2HC1 = C11H11N + 2H2O + 2H +
CH3C1.
Die Bildung der Base erfolgt auch, wenn unter sonst gleichen Umständen das
Nitrobenzol weggelassen oder an Stelle der Salzsäure andere Säuren und
Condensationsmittel oder anstatt Aceton dessen Condensationsproducte, Mesityloxyd u.
dgl. angewendet werden. Aus anderen aromatischen Amidoverbindungen entstehen
entsprechende Chinolinverbindungen. Dieselben sollen zur Farbstoffbildung Verwendung finden.
Nach C. Liebermann (Berichte der deutschen chemischen
Gesellschaft, 1885 S. 1969) sind die bis jetzt verbreiteten Angaben über
den Farbstoffgehalt der Cochenille unrichtig, da das
Insekt nur 9 bis 10 Proc. reinen Farbstoff enthält. Ebenso unrichtig ist die Angabe
im Handwörterbuch der Chemie, Bd. 2 S. 436, daſs man
Cochenillecarmin zur Erkennung von Verfälschungen mit Zinnober, Mennige u. dgl. in Wasser oder
Alkohol lösen solle, da er thatsächlich in letzterem Lösungsmittel meist
vollständig, in ersterem gröſstentheils unlöslich ist.
Ein im Handel als Carminnakarat vorkommender Carmin ändert beim Trocknen auf 100° zwar seine Farbe
wenig, verliert aber sehr an Feuer, welches er auch beim Erkalten nur theilweise
wiedergewinnt. Bei 100° verliert der Carmin 17 Proc. Wasser; dieses nimmt er
allmählich beim Stehen an der Luft, die ersten 8 Proc. binnen 2 Tage, die weiteren
Antheile langsamer wieder auf, bis er nach etwa 14 Tagen die Grenze von 14 bis 15
Proc. erreicht, innerhalb welcher der Wassergehalt mit der Temperatur und
Feuchtigkeit der umgebenden Luft schwankt. Der trockene Carmin enthält 3,7 Proc.
Stickstoff und 8,1 Proc. Asche folgender Zusammensetzung:
Zinnoxyd
0,67 Proc.
Thonerde
43,09
Kalk
44,85
Magnesia
1,02
Natron
3,23
Kali
3,56
Phosphorsäure
3,20
Das Zinn stammt wahrscheinlich aus den verwendeten Gefäſsen, die Alkaliphosphate aus
der Cochenille. Bei Annahme Proteïn artiger Verbindungen wäre die Zusammensetzung
dieser Cochenille:
Wasser
17 Proc.
Stickstoff haltige Stoffe
20
Asche
7
Farbstoff (als Rest)
56
Der untersuchte Carmin ist somit keine gewöhnliche Verbindung des Farbstoffes mit
Thonerde, sondern eine Thonerde-Kalk-Proteïnverbindung des Carminfarbstoffes.
Dadurch wird der Vergleich dieser sehr schönen und echten rothen Verbindung mit dem
gleichfalls durch groſsen Glanz und Echtheit ausgezeichneten Türkischroth nahe
gelegt, welches ebenfalls keine einfache Thonerdeverbindung des Krappfarbstoffes
(bezieh. des Alizarins und der Purpurine) ist, sondern in dem Tournantöle eine
dritte Substanz als wesentlichen Bestandtheil enthält. Dieser Vergleich erweitert
sich noch, wenn man sich der Untersuchungen Rosenstiehl's (1875 216 447) erinnert, nach
denen der Grund für den althergebrachten Zusatz der Kreide oder des essigsauren
Kalkes zur Krappflotte darin zu suchen ist, daſs schönes und echtes Krapproth zu
seiner Bildung auſser der Thonerde noch des Kalkes als Beize bedarf, welche sich
beide in bestimmtem Verhältnisse später auf dem gefärbten Zeuge vorfinden. Dieses
Verhältniſs fand E. Kopp (1875 216 343) auf
türkischroth gefärbten Stoffen wie Al2O3 zu 2CaO, während Rosenstiehl es auf gut krapproth geschönten wie 2A12O3 zu 3CaO
feststellte. Berechnet man die obigen im Cochenillecarmin ermittelten Gehalte beider
Oxyde, so ergibt sich die überraschende Thatsache, daſs sie hier fast genau in
demselben Verhältnisse wie im Türkischroth (A12O3 : CaO + MgO = 1 : 2) stehen.
Die ammoniakalische Lösung des Carmins verhält sich insofern recht eigenthümlich, als
Thonerde und Kalk in ihr so weit verdeckt sind, daſs sie selbst beim Zusätze von
oxalsaurem Ammon nicht ausfallen. Durch Mineralsäuren wird in der ammoniakalischen
oder alkalischen Carminlösung eine schön rothe Fällung einer unlöslichen Verbindung
hervorgebracht, welche aber auch bei überschüssiger Mineralsäure keineswegs der
Farbstoff, sondern ein Lack desselben ist. Um den Farbstoff frei zu machen, bedarf
es des Erwärmens mit mäſsig starker Mineralsäure; hiernach fällt der freie Farbstoff
dann auf Wasserzusatz nicht mehr aus, sondern bleibt mit rothbrauner Farbe in
Lösung. Erhitzt man aber diese oder die alkoholische Lösung des Farbstoffes längere
Zeit mit stärkeren Säuren, so verwandelt sich dieser in einen neuen, in Wasser
unlöslichen Farbstoff (wohl Ruficarmin), in welchen er beim Erhitzen mit Wasser oder
verdünnter Salzsäure auf 200° vollständig übergeht. Dieselbe Umwandlung kann man
auch im Carmin selbst durch trockenes Erhitzen desselben auf 170 bis 190°
hervorrufen. Bei noch höherem Erhitzen auf 250° entwickelt sich ohne tiefgehende
Zerstörung des Farbstoffes Kohlensäure, was möglicherweise darauf hindeutet, daſs
der ursprüngliche Farbstoff eine Carbonsäure ist und die starke Säurenatur desselben
gut erklären würde.
Siedendes Benzol entzieht der Cochenille 0,5 bis 2 Proc.
Wachs, welches die Oberfläche des Insektes bedeckt, bei der sogen. Silbercochenille
in Form eines weiſsen glänzenden Staubes. Bei den keinen weiſsen Staub zeigenden
Cochenillesorten ist wohl in Folge der Anwendung höherer Temperatur bei der Tödtung
das Wachs geschmolzen und dadurch die Oberfläche des Insektes mit einer äuſserst
dünnen, die natürliche Farbe der Cochenille unverändert durchlassenden und den
eigenthümlichen Wachsglanz der Zaccatille hervorbringenden Schicht geschmolzenen
Wachses überzogen. Nach dem Ausziehen der Cochenille mit Benzol werden beim
Behandeln derselben mit Aether 1,5 bis 2 Proc. Myristin und 4 bis 6 Procent eines
flüssigen Fettes entzogen.
Das Wachs, Coccerin genannt, schmilzt bei 106°; die
Analyse desselben führte zu der Formel C30H60(C31H61O3)2.