Titel: | Zur Kenntniss des Parachinanisols. |
Fundstelle: | Band 258, Jahrgang 1885, S. 138 |
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Zur Kenntniſs des Parachinanisols.
Skraup, zur Kenntniſs des Parachinanisols.
Zur Herstellung des zum Chinin in naher Beziehung stehenden Parachinanisols werden
nach Z. H. Skraup(Monatshefte für Chemie, 1885 S. 760)
788 Anisidin, 50g Nitranisol, 320g Glycerin und 125g Schwefelsäure vor dem Rückfluſskühler erhitzt. Die eintretende Reaction
ist kräftig, doch nie so stürmisch, daſs Kühlung des Kolbens nothwendig wäre. Nach 2
stündigem Erhitzen fügt man vorsichtig noch 50g
Schwefelsäure zu und erhitzt weitere 2 Stunden. Die mit Wasser verdünnte
Reactionsflüssigkeit scheidet mit Wasser verdünnt 20 bis 25g unverändertes Nitranisol ab; der Rest geht beim
Einblasen von Dampf mit diesem über.
Der saure Destillationsrückstand scheidet auf Zusatz von Natronlauge oder Ammoniak
freies Chinanisol und unverändertes Anisidin ab, welche durch Wasserdampf
abgetrieben oder mit Aether ausgeschüttelt werden. Zur Trennung der Basen werden sie
in saure Sulfate übergeführt, von denen das des Chinanisols in Alkohol schwer, das
des Anisidins weit leichter löslich ist. Es genügt hierzu, die durch wiederholtes
Ausschütteln mit Aether erhaltenen Basen nach Abdestilliren des Aethers in etwa 1,5
Th. Alkohol zu lösen, die annähernd berechnete Menge concentrirter Schwefelsäure
zuzufügen, um eine nahezu ungefärbte Krystallisation zu erhalten, welche mit Alkohol
gewaschen weder mit Chromsäure, noch mit Eisenchlorid die Anisidinreaction zeigt.
60g Rohbase gaben derart behandelt 90g Sulfat, somit etwa 95 Procent der theoretischen
Ausbeute.
Das reine Chinanisol, C10H9NO, ist ein schwach gelbliches Oel, welches aber bald grünlich bis violett wird. Es siedet bei
305° unter geringer Zersetzung, unter 50mm Druck
bei 193°.
Die Salze des Parachinanisols krystallisiren meist sehr gut und sind dadurch
besonders gekennzeichnet, daſs die ungefärbten in wässeriger Lösung sehr deutlich
blau fluoresciren, am schönsten das saure Sulfat, C10H9NO.H2SO4, bei welchem die Erscheinung ebenso
stark ist wie beim Chinin. Die Salze geben mit Chlorwasser und Ammoniak die dem
Chinin charakteristische Grünfärbung, bei gröſserer Concentration auſserdem einen
grünen Niederschlag, ganz so wie die Chininsalze selbst. Die Chinanisolsalze geben
zum Unterschiede vom Anisidin mit Eisenchlorid keine Färbung, mit Platinchlorid und
Kaliumbichromat krystallisirte Niederschläge, welche in viel kochendem Wasser ganz
unzersetzt löslich sind. Chinanisol hat schwache antipyretische Eigenschaften.
Bei der Behandlung mit Zinn und Salzsäure gibt das Chinanisol ein
Tetrahydrochinanisol, wegen der Grünfärbung durch Oxydationsmittel Thallin genannt. Zerlegt man die erhaltenen
Zinnchlorürverbindungen mit Schwefelwasserstoff, dampft stark ein und vermischt mit
Alkohol, so krystallisirt das Thallinchlorhydrat aus, welches durch vorsichtiges
Waschen mit Alkohol, dann mit Aetheralkohol rein weiſs und nahezu frei von
Chinanisolsalz erhalten wird, das in der Mutterlauge bleibt. Umkrystallisiren aus
Alkoholäther liefert das Thallinsalz dann vollständig rein.
Das Thallin, C9H6.NO.CH3.H4, ist in kaltem Wasser sehr schwer, wenig leichter
in heiſsem löslich, sehr leicht in Alkohol, Aether und Benzol, schwierig in
Petroleumäther. Es krystallisirt in dicken Prismen von schneeweiſser Farbe, schmilzt
sehr sorgfältig gereinigt bei 42 bis 43°; doch wird auch bei anscheinend tadelloser
Substanz der Schmelzpunkt häufig 1 bis 2° zu niedrig gefunden. Es siedet unter
735mm Druck bei 2830. Die Lösungen des
Thallins und seiner Salze, auch die in überschüssiger Schwefelsäure fluoresciren
nicht; Eisenchlorid und viele andere oxydirend wirkende Stoffe färben dieselben
prachtvoll und stark smaragdgrün. Bei Zusatz von wenig Eisenchlorid tritt
vorübergehend Gelbfärbung, nach wenigen Augenblicken aber Dunkelsmaragdgrün ein.
Diese Farbe geht beim Kochen in ein Braungrün über, dünne Schichten sind dann aber
rosenroth. Ein weiterer Zusatz von Eisenchlorid bewirkt jetzt wieder Grünfärbung,
welche beim Kochen in Braungrün übergeht, und läſst sich dieser Farbenwechsel durch
wiederholten Eisenchloridzusatz noch oft einleiten, bis endlich der
Braungrünrosadichroismus bleibend wird. Das salzsaure Thallin, C10H13NO.HC1, das
Sulfat, (C10H13NO)2H2SO4.2H2O,
und das Tartrat bewirken schon in Mengen unter 1g
beträchtliche Temperaturerniedrigungen.
Die schwache Wirkung des Chinanisols und die kräftige des Thallins sind ein neuer
Beweis für die schon öfter beobachtete Thatsache, daſs Chinolin und dessen
Abkömmlinge durch Aufnahme von Wasserstoff in physiologisch wirksamere Stoffe übergehen, wie dies vom
Kaïrin und Kaïrolin schon bekannt ist (vgl. 1885 256
192).