Titel: | Ueber die Ausstellungen in London, Antwerpen und Görlitz 1885. |
Autor: | Red. |
Fundstelle: | Band 258, Jahrgang 1885, S. 232 |
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Ueber die Ausstellungen in London, Antwerpen und
Görlitz 1885.
Ueber die Ausstellungen in London, Antwerpen und
Görlitz.
Im Württembergischen Bezirksverein deutscher Ingenieure sprach kürzlich G. Hohn über die im Titel genannten diesjährigen
Ausstellungen, indem er einleitungsweise die groſsen Ausstellungen unserer Zeit
dahin charakterisirte, dais dieselben nicht mehr allein dem Zwecke dienen, die
Fortschritte in Gewerbe und Industrie vorzuführen, sondern gewissermaſsen
Schaustellungen sind, Mittel, einen groſsen Fremdenschwarm anzuziehen. Die für den
alleinig ernsten Zweck der Ausstellungen aufgebrachten Summen können auch durch die
nur des Fachinteresses wegen kommenden Besucher nie gedeckt und muſs darum die
groſse Menge zahlender Neugieriger durch entsprechende Mittel herangezogen werden.
Aus diesem Grunde kann es sich auch nur empfehlen, Ausstellungen in groſsen Städten
abzuhalten, wo die der hohen Einwohnerziffer entsprechend zu erwartende Besucherzahl
fast allein die Kosten aufzubringen vermag, und dann die Ausstellungen ungleich mehr
zu Vergnügungs- statt zu Belehrungsplätzen zu machen.
Welche Erfolge sich bei der Verwirklichung dieser Anschauungen erzielen lassen,
beweisen die jetzt alljährlich in London stattfindenden
groſsen Ausstellungen. Als man bei der Abhaltung der Fischereiausstellung im Jahre
1883, zu welcher wohl
eine vorher in Berlin abgehaltene gleiche Ausstellung die Anregung gegeben hatte,
auf eine groſse Besucherzahl verweisen konnte, wurde der Entschluſs gefaſst,
weiterhin jährlich eine Ausstellung abzuhalten, zu welcher sich ja eine Veranlassung
und ein Titel nicht schwer finden lasse. So wurde voriges Jahr nach dem Vorbilde der
Berliner Ausstellung 1883 eine Gesundheitsausstellung, welche eine Besucherzahl von
über 4000000 (eine Zahl, welche frühere auch internationale AusstellungenDarunter sind die groſsen internationalen Weltausstellungen nicht verstanden;
denn man zählte im J. 1851 in London 6039195, im J. 1855 in Paris 5162330,
im J. 1862 in London 6211103, im J. 1867 in Paris 8805991, im J. 1873 in
Wien 7254687, im J. 1876 in Philadelphia 9857625, im J. 1878 in Paris
12624100 Besucher. nicht aufweisen können) hatte, und dieses Jahr
nach dem Vorbilde der Frankfurter Ausstellung 1881 eine Erfindungsausstellung
veranstaltet. Nächstes Jahr folgt eine Colonialausstellung u.s.f. Diese Londoner
Ausstellungen tragen alle die Bezeichnung international, doch können dieselben
darauf eigentlich keinen Anspruch machen; sie werden an dem Orte der Weltausstellung
1862 in South Kensington abgehalten und man hat also alljährlich einen bestimmten
Platz, vorhandene Gebäude u. dgl. m, so daſs sich diese
Ausstellungen auch leicht und schnell herrichten lassen; die eine wird im November
geschlossen und die nächste im darauf folgenden Mai schon wieder eröffnet. Mit der
wachsenden Besucherzahl (die diesjährige Ausstellung hatte im September 3 Millionen
überschritten) hat man auch für den Verkehr bedeutende Erleichterungen getroffen. So
wurde im vorjährigen Winter von der Station South Kensington der unterirdischen
Eisenbahn bis in die Ausstellung ein Tunnel gebaut, so daſs man, ohne die Straſse zu
betreten, aus dem Eisenbahnwagen in die Ausstellungshalle gelangen kann. Dieser
Tunnel, durch Gras und elektrisches Licht erhellt, ist 6m breit, 3m,3 hoch, 430m lang und mit glasirten Ziegeln ausgemauert; die
Herstellung desselben hat kaum 4 Monate in Anspruch genommen. Wie die Besucherzahl,
so hat sich auch die Zahl der Aussteller vermehrt: Während voriges Jahr 2000
Aussteller waren, zählt man deren heuer 3870, wobei noch viele Anmelder wegen
mangelnden Platzes abgewiesen werden muſsten. Man hat auch von Jahr zu Jahr an den
Gebäuden der Ausstellung Erweiterungen treffen müssen, so daſs sich dieselben
keineswegs einheitlich und übersichtlich darstellen; sie sind von einfachem,
leichtem Holzwerk erbaut und bieten darum keine zu groſse Sicherheit in Bezug auf
Witterungsverhältnisse und Feuersgefahr.
Während diese Sachen, wie überhaupt die Anordnung der Ausstellungsgruppen und
Gegenstände, als auch die dekorative Anordnung derselben (welche französischerseits
immer so betont wird) nachlässig behandelt sind, weisen dagegen die übrigen
Einrichtungen recht praktischen Sinn auf. Die Drucksachen der Ausstellung sind sehr
billig (der dickbändige Catalog kostet 1 Schilling, ein guter Führer 3 Pence),
werden darum viel gekauft und deshalb zu Reclamen benutzt. So zahlt der Inhaber der
hinteren Umschlagseite 21000 M. für die Anzeige. Ebenso ist für Speise und Trank
ausgezeichnet gesorgt. Die gesammten Wirthschaftsräume sind an einen einzigen
Unternehmer vergeben und befinden sich zweckmäſsig überall vertheilt. Man kann
trotzdem zu allen Preisen essen und sogar sehr billig. Es gibt „Diners“ von 6
Pence an – nebenbei sei bemerkt, daſs solche auf der vorjährigen Ausstellung 398286
aufgetragen Wurden, wozu 1400 Neuseeland-Schafe und 49t Fisch gebraucht wurden – bis 7½ Schilling. Für die allgemeine Schaulust
ist, wie auch in den vorhergehenden Jahren, das Nöthige gethan worden. So blieb die
„Old London Street“ stehen: eine Straſse mit alterthümlichen Gebäuden zu
beiden Seiten, welche das, alte London vor dem groſsen Brande 1666 darstellen soll;
in den einzelnen Häusern sind lauter merkwürdige alte Bauten mit historischer
Bedeutung nachgeahmt. Auch die innere Einrichtung entspricht mit Kaufläden und
Werkstätten ganz der damaligen Zeit. Weiter ist durch die groſsartige Beleuchtung
der Garten-Anlagen und durch die Vereinigung einer Musikinstrumente und Geschichte
derselben mit Aufführungen und Concerten umfassenden Ausstellung Neues und allgemein
Interessantes geboten.
Im weiteren Verlaufe besprach der Vortragende einige bemerkenswerthe
Ausstellungsgegenstände, u.a. das Maxim'sche
selbstthätige Geschütz, welches sich durch die Rückwirkung beim Abschieſsen von
selbst ladet und wieder abschieſst und bis 600 Schüsse in der Minute abzugeben
vermag (vgl. * S. 157 d. Bd.); die groſse dreicylindrische Compoundlocomotive
„Marchiones of Stafford“ mit Ventilsteuerung von Webb, welche für Blitzzüge bestimmt ist; Braby's Kleinmotor mit einer Leistung von nominell 3e welcher nur 16k,5 wiegt und zum Betriebe von Fuhrwerken, Luftschiffen u. dgl. dienen
soll und in seiner Einrichtung ähnlich der * S. 196 d. Bd. beschriebenen Mather'schen Locomobile zu sein scheint; Bessemer's Originalproben über die Versuche mit dem
nach ihm benannten Eisengewinnungsverfahren; Willan's
Compounddampfmaschine u. dgl. m.
Etwas ausführlicher folgte die Beschreibung der elektrischen Beleuchtung für die Ausstellung. Sämmtliche Gebäude und
Anlagen sind beleuchtet, so daſs in der Besichtigung keine Unterbrechung bei
Eintritt der Dunkelheit stattfindet. Die Beleuchtung beginnt für alle Räume
gleichzeitig; man wird also nicht wie in Antwerpen um 6 Uhr aus den Hallen
vertrieben, um erst um S Uhr und dann bloſs in die
Maschinenhalle eingelassen zu werden. Die Beleuchtung der diesjährigen Londoner
Ausstellung ist noch groſsartiger als voriges Jahr. Während da 336 Bogen- und 5159
Glühlampen brannten und 50 Dynamomaschinen im Gange waren, leuchten dieses Jahr 464
Bogen- und 18000 Glühlampen, welche zusammen eine Gesammthelligkeit von 533000
Normalkerzen darstellen. Betheiligt sind dabei 47 Aussteller mit 76 Dynamomaschinen
(30 verschiedene Systeme) und 31 Accumulatoren. Ebenso zahlreich sind die
verschiedenen Lampensysteme. Als bemerkenswerth sind hervorzuheben: die Varley'sche Bogenlampe, welche nur 0,1 bis 0,067 einer
elektromotorischen Pferdekraft zum Betriebe erfordert und mit einer selbstthätigen
Kohlennachfüllung versehen ist, so daſs eine Lampe bis 200 Stunden brennen kann,
ohne neu versorgt werden zu müssen; die Swan'sche
Darstellung der Kohlenfäden für Glühlampen durch Pressen einer teigartigen Masse
durch eine ganz kleine Formöffnung (vgl. Maxim 1883 248 * 240); die Beleuchtung einer groſsen
Ausstellungshalle mit 1080 Glühlampen, welche alle in gleicher Entfernung von
einander an der Decke angebracht sind und die gleichmäſsige Beleuchtung groſser
Bodenflächen durch Glühlicht verwirklichen; die Beleuchtung des Gartens durch ein
30m hoch befindliches Mastlicht, welches von 6
ohne Glasglocken brennenden Bogenlampen von je 3000 Normalkerzen Leuchtkraft
gebildet wird. Auſserordentlich eindrucksvoll erscheint die Beleuchtung der Gärten
durch kleine Glühlampen von nur 2½ Normalkerzen Leuchtkraft mit den
verschiedenfarbigsten Glaskugeln; diese Lämpchen sind auf Bäumen, im Laub versteckt
und an den Ecken und Simsen der Gebäude angebracht, dabei aber in verschiedene
Stromkreise geschaltet, so daſs beim Versagen einer Dynamomaschine nicht ganze
Reihen auf einmal verlöschen. Die Beleuchtung der Springbrunnen (vgl. 1885 257 78) nach Art der
von wandernden Zaubertheatern vorgeführten sogen dreifachen Wunderfontäne fesselt
jeden Beschauer. Hier ist in einem Wasserbehälter eine Insel angeordnet, aus welcher
5 Strahlen bis zu 40m Höhe aufsteigen, und in den
Ecken des Behälters weitere 4 Strahlen, welche ihr Wasser nach der Insel speien.
Jeder Strahl wird unabhängig vom anderen in Bezug auf Stärke und Spiel des
Wasserstrahles geregelt und mit einem verschiedenfarbigen Lichte erhellt; auſserdem
werden alle Strahlen noch von einem Thurme aus durch wechselfarbiges Schlaglicht
beleuchtet. Durch diese Einrichtung sind Wirkungen erzielt worden, wie sie in
gleicher Pracht und Groſsartigkeit noch nicht vorgeführt wurden. Um die einzelnen
Strahlen zu reguliren, ist in der Insel eine unterirdische Kammer mit einem
Glasdache für 8 Personen eingerichtet, welche – freilich in wenig bequemer Lage – an
den Wasserventilen zu drehen und die 8000-kerzigen Bogenlampen unter jedem Strahle
zu stellen haben und zwar nach Weisungen von einem Wächter auf dem genannten Thurme,
welcher mittels elektrischer Signalleitungen mit der Kammer in der Insel verbunden
ist. Die Wasserstrahlen benöthigen in der Minute 5cbm Wasser, welches von den Londoner Wasserwerken geliefert wird.
Ueber die Ausstellung in Antwerpen beschränkte sich der
Vortragende au einige interessante Vergleiche und kritische Bemerkungen. So sind in
Antwerpen die
Drucksachen sehr theuer (der Catalog kostet 10, der Führer 2 Franken), die Gebäude
sind nicht, übersichtlich und zu weitläufige Hallen vorhanden, in Folge dessen der
Besucher vieles übersieht, was bei schmalen Hallen, welche beim Durchgänge auf
einmal überblickt werden können, nicht so leicht vorkommt Auch ist störend, daſs die
Ausstellung von Straſsen durchzogen, hiermit der Besucher genöthigt ist, mittels
Ueberbrückungen in die verschiedenen Abtheilungen zu gelangen. In Bezug auf die
elektrische Beleuchtung ist anzuführen, daſs 76 Dynamomaschinen, welche durch 7
Dampfmaschinen mit zusammen 975e betrieben werden,
im Gange sind und 350 Bogen- sowie ungefähr 2000 Glühlampen brennen- daran sind
jedoch gegenüber London nur 12 Aussteller betheiligt. Es brennen z.B. 34
Pieperlampen, 28 Gülcherlampen, welche beide mit Glühlicht zusammengeschaltet werden
können, 45 Brushlampen u.s.w. Besondere „Effekte“ fehlen; nur beleuchtet man
den groſsen Haupteingang und eine „Fontäne“ mit farblosem Schlaglicht von 3
Bogenlampen auf niedrigem Thurme. Die Maschinenhalle, welche eine Grundfläche von
24000qm besitzt, hat zur Hälfte Belgien
eingenommen, wie die Ausstellung überhaupt eine mehr belgische als internationale
ist. Deutschland bedeckt in der Maschinenhalle 3500qm, zeigt jedoch fast lauter neue Arbeitsmaschinen für die verschiedensten Industrien, während Belgien und
Frankreich mehr mit groſsen Dampfmaschinen glänzen. Die Ausstellung der Société Cockerill in Seraing bedeckt allein 800qm und sind da 2 groſse Schiffsmaschinen
ausgestellt, welche, um sie ohne Dampf im Gange vorzuführen, während der Ausstellung
mit Preſsluft betrieben werden. Lobend ist zu erwähnen, daſs die gesammte
Transmissions- und Rohrleitung in der Maschinenhalle unterirdisch angelegt ist. Zum
Betriebe aller Maschinen sind Kessel verschiedener Systeme (hauptsächlich
Wasserröhrenkessel) mit zusammen 1726qm Heizfläche
vorhanden.
Zum Schlusse streifte der Vortragende die Görlitzer
Ausstellung nur ganz kurz. Dieselbe, eine Provinzialausstellung, habe die an
Industrie reichen Bezirke der preuſsischen, sächsischen und böhmischen Lausitz
umfaſst und von dem Gewerbfleiſse derselben rühmlichst Zeugniſs abgelegt. Für die
Textilindustriellen, welche auch in den genannten Bezirken hervorragend vertreten
sind, hat die Ausstellung viel des Neuen an Maschinen geboten und war bei der
Anordnung der Gruppe Textilindustrie anzuerkennen, daſs Fabrikate und Maschinen für
sich in besonderer Halle neben einander gestellt waren und so langes Suchen erspart
blieb. Die ganze Ausstellung konnte überhaupt auch in Bezug auf frühere deutsche
Ausstellungen dieser Art als gelungen bezeichnet werden.
Nähere Berichte über Ausstellungsgegenstände in Görlitz von H. Maihak bezieh. in Antwerpen von Prof. Herm.
Fischer sind in der Zeitschrift des Vereins
deutscher Ingenieure, 1885 * S. 650 bezieh. * S. 809 ff. veröffentlicht;
besonders ausführlich berichtet Engineering, 1885 * Bd.
39 und 40 über die Londoner Ausstellung. Einzelne bemerkenswerthe Gegenstände der
drei Ausstellungen sind auch in D. p. J. beschrieben
oder sollen noch mitgetheilt werden. Ganz Neues bot keine der drei Ausstellungen,
insofern durch die Patentschriften und die Fachliteratur die wichtigen Neuerungen
bereits zu allgemeiner Kenntniſs gebracht sind jedoch gewähren darum die
Ausstellungen die nicht minder lehrreiche Gelegenheit, die praktischen Ausführungen
kennen zu lernen.
Red.