Titel: | Einfluss der Länge und Breite der Probestreifen auf die Ergebnisse der Festigkeitsuntersuchungen von Papier; von A. Martens. |
Autor: | A. Martens , E. M. |
Fundstelle: | Band 258, Jahrgang 1885, S. 289 |
Download: | XML |
Einfluſs der Länge und Breite der Probestreifen
auf die Ergebnisse der Festigkeitsuntersuchungen von Papier; von A. Martens.
Mit Abbildungen.
A. Martens, über Festigkeitsuntersuchungen mit Papier.
In den Mittheilungen aus den Königlichen technischen
Versuchsanstalten zu Berlin, 1885 * S. 3 ff. sind von A. Martens die Ergebnisse von Versuchen veröffentlicht,
welche in der „Papier-Prüfungsanstalt“ ausgeführt worden sind, um den
Einfluſs der Länge und Breite der Probestreifen auf die Festigkeitseigenschaften
derselben klarzulegen. Der betreffenden Abhandlung ist folgender Auszug
entnommen.
Die Veranlassung zu diesen Untersuchungen entsprang zunächst praktischen Rücksichten:
die meisten für die Untersuchung an die Papier-Prüflingsanstalt eingesendeten
Papiere entsprachen dem deutschen Normalformat 33cm × 21cm. Man war daher sehr bald
gezwungen, von der ursprünglich angenommenen Normallänge von 300mm auf 180mm
zurückzugreifen, und es wurde nunmehr nöthig, durch eine eingehende Untersuchung die
zwischen den 180mm, 300mm und anderen Streifenlängen bestehenden
Beziehungen festzustellen. Die Untersuchungen sind mit einem selbstregistrirenden
Reusch'schen Zerreiſsapparat (1880 235 * 414) durchgeführt worden, an welchem verschiedene
dem Bedürfnisse entsprechende Verbesserungen angebracht waren. Von diesen sei hier
namentlich eine sich wohl auch für andere Zwecke als nützlich erweisende Einspannvorrichtung hervorgehoben, welche hier
wiedergegeben ist. Der Papierstreifen wird um die Keileinlage geschlungen und von
der Seite her eingeschoben, worauf er nach vorausgegangenem Anziehen mit der Hand
sich von selbst festklemmt. Der Probestreifen muſs bei der neuen Klemmvorrichtung
sich immer normal einspannen, wenn man das Streifenende so um den Keil legt, daſs
die über einander fallenden Papierränder sich genau decken. Da man das Einspannen
bequem auſserhalb der Maschine ausführen kann, wird der Streifen beim Einspannen
geschont. Die Klemmen sind ferner so construirt, daſs die Keileinlagen schief in den
mit Leder ausgefütterten Mäulern liegen, derart, daſs das zu zerreiſsende
Papierstück wagerecht und ohne Biegung aus dem Maule heraustritt. Es ist jedoch bei
diesen Klemmen von vornherein nöthig, die Keileinlage scharf vorzuschieben, damit
die Unrichtigkeit des Diagrammes, welche durch den Vorgang des Festziehens des
Keiles immer entsteht, möglichst verringert wird.
Textabbildung Bd. 258, S. 289Bevor mit den Versuchen selbst begonnen wurde, ist der Apparat eingehend
auf seine Fehlerquellen untersucht worden. Als solche
sind zu nennen: der
Todtgang in den Zahnrädern, welcher bei den Diagrammen mit Be- und Entlastung
störend auftreten kann, die Durchbiegung des Widerlagsbockes, die Durchbiegung des
Bettes, die zeitliche Federänderung, die Fehler in der Schreib- und
Einspannvorrichtung und die Ablesungsfehler. Da die Festigkeitsuntersuchungen auch
von der Belastungsgeschwindigkeit abhängen, ist behufs späterer Feststellung dieses
Einflusses die Dauer eines jeden Versuches mit aufgezeichnet worden. Lufttemperatur
und Feuchtigkeit werden wohl ebenfalls in den Versuchsprotokollen mit vermerkt
worden sein.
Die zu den Versuchen verwendeten Papiere waren folgende: Druckpapier von B. Sigismund in Berlin,
welches aus 25 Proc. Leinen- und 75 Proc. Baumwollfasern bestehen und einen
Aschengehalt von 2 bis 3 Proc. haben sollte; ferner 6 Sorten Urkundenpapier von Gebrüder Ebart in
Spechthausen b. Eberswalde, welche aus reinen Lumpen in drei verschiedenen Gewichten
124, 99 und 87g/qm
hergestellt sein sollten, wobei von jeder Sorte ein Theil der Probebogen rauh, ein
anderer satinirt war. Für diese Papiere sind in der Voruntersuchung folgende
Zahlenwerthe gefunden worden:
Tabelle I.
Durchschnitt aus je 5 Versuchen,wobei Streifenlänge l =
180 mm,Streifenbreite b = 15
mm
Druck-papier vonB. Sigis-mund
Urkundenpapier von Gebr. Ebart, aus reinen Lumpen
Stark
Leicht, gerippt
Leicht, velin
rauh
satinirt
rauh
satinirt
rauh
satinirt
Gewicht für 1qm
g
89
124
105
99
95
87
89
Dicke
mm
0,098
0,195
0,137
0,130
0,103
0,110
0,090
Aschengehalt
%
2,5–2,9
1,5
1,25
1,25
1,5
1,75
1,5
Reiſslänge in km1
∥⊥
3,882,19
4,753,72
4,983,72
4,573,60
5,074,13
4,743,85
5,154,08
Dehnung in Procent
∥⊥
2,242,9
3,16,3
3,15,1
3,25,5
2,35,0
2,75,3
3,05,2
Arbeitsmodul in mk auf 1g2
∥⊥
0,0580,043
0,0960,152
0,1030,126
0,0970,132
0,0780,138
0,0850,136
0,1030,142
1 || bezieh. ⊥ bedeutet:
Streifen parallel bezieh. senkrecht zum Maschinenlaufe geschnitten.
2 In der
Originalabhandlung steht bei Arbeitsmodul als Benennung immer kgm/m, soll aber
wohl heiſsen kgm/g, d. i. Kilogrammmeter auf 1g Substanz.
Zur Bestimmung des Einflusses der Länge und Breite der
Probestreifen auf die Festigkeitseigenschaften sind weitere 514 Versuche angestellt
worden. Da es sich hierbei nur um einen relativen Vergleich der Festigkeit genau
gleicher Probestücke verschiedener Länge und Breite handelte, so konnte man sich mit
der einfachen Berechnung der Bruchbelastung für die Breiteneinheit p und eine unbestimmte Dicke begnügen und von der etwas
zeitraubenderen Bestimmung der Reiſslänge und des Arbeitsmoduls Abstand nehmen: Die
Breite b selbst hat keinen
ausgesprochenen Einfluſs auf die specifische Bruchbelastung p und auf die Bruchdehnung d; es sei deshalb
hier in Tabelle II nur der Einfluſs der Länge l auf die
Dehnung mitgetheilt. Die Versuche ergaben auſserdem, daſs sich die
Tabelle II: l = Streifenlänge, p = Bruchlast in Kilogramm für 1mm Streiefenbreite und δ = Dehnung in Procent der Anfangslänge.
Textabbildung Bd. 258, S. 291Bezeichnung des Papieres; 1)
Druckpapier von B. Sigismund; Verhältnils zu;
2) Dasselbe, zweiter Bogen; Mittlere Verhältniſszahl aus 1 und 2; 3)
Urkundenpapier von Gebrüder Ebart Stark, rauh;
4) Dasselbe, satinirt; Einfluſs des Satinirens; 5) Leicht, gerippt, rauh;
Einfluſs des Satinirens; 7) Leicht, velin, rauh; 8) Dasselbe, satinirt;
Einfluſs des Satinirens; Mittlere Verhältniſszahl aus 3 bis 8 Bemerkung:
Die Dehnungsprocentziffern δn für die Normallänge l
= 180mm sind aus graphischen Darstellungen der
obigen Mittelwerthe erhalten; pm ist der Mittelwerth von p für alle Streifenlängen.
Der Einfluſs des Satinirens auf die Bruchlast und Dehnung ist
durch die am Schlusse jeder Gruppe angegebenen Verhältniſszahlen (bezogen auf den
rauhen Zustand = 1) kenntlich gemacht.
Breitenverminderung höchst wahrscheinlich auf die ganze Streifenlänge gleichmäſsig
erstreckt; eine örtliche Einschnürung an der
Bruchstelle konnte nicht nachgewiesen werden.
Die specifische Bruchbelastung p scheint für alle
benutzten Längen und Breiten unverändert zu bleiben,
während die Längendehnung δ in Procent, bezogen auf die
Anfangslänge l, mit zunehmender Länge l abnimmt und mit
zunehmender Breite zu wachsen scheint.
Daſs die Bruchlast mit der Länge des Streifens etwas abnimmt, ist im Allgemeinen
nicht auffallend, da mit der Länge des Streifens die Wahrscheinlichkeit wächst, daſs
in derselben eine besonders schwache Stelle enthalten ist. Daſs die Dehnung mit der
Länge des Streifens abnimmt, dürfte ebenfalls erklärlich sein, wenn man eine
besonders starke örtliche Dehnung an der Bruchstelle
selbst voraussetzt. Läſst man diese örtliche Dehnung und den Einfluſs eines
unveränderlichen Fehlers gelten, so würde sich die lineare Ausdehnung d aus der gleichmäſsig sich vertheilenden Dehnung αl und der constanten β
zusammensetzen und die Diagrammcurve für die Dehnung δ
in Procent der Anfangslänge würde eine Hyperbel ergeben nach der Gleichung:
\frac{\delta}{100}=\alpha+\frac{\beta}{l}.
Ob sich diese örtliche Dehnung erst am Ende des Versuches zeigt, oder ob sie schon
von Anfang an ihre Wirkung geltend macht, lieſse sich nach Ansicht des Referenten
auch dadurch nachweisen, daſs man die Diagramme auf eine Einheitslänge zurückführen
und vergleichen würde; es müſste dann der Kopf des Diagrammes die Abweichungen und
damit zugleich das Beginnen dieser örtlichen Dehnung anzeigen.
Die wahrscheinlichen Werthe von α und β könnten aus den obigen Versuchsergebnissen unter
Zuhilfenahme der Methode der kleinsten Quadrate ermittelt werden; jedoch dürfte der
praktische Werth dieser Arbeit gegenwärtig noch von geringem Belange sein, weil
nicht eine hinlänglich groſse Zahl von verschiedenen Papieren in dieser Richtung hin
untersucht worden ist.
Aus den Zahlenwerthen selbst geht ferner hervor, daſs man ohne wesentliche
Abweichungen von den mit gröſseren Längen erhaltenen Ergebnissen befürchten zu
müssen, die Streifenlängen von 180mm als normale Längen annehmen darf
(180mm läſst sich auch in der Querrichtung
noch aus dem deutschen Reichsformate 21 × 33cm
herausschneiden). Für praktische Zwecke sind die Ziffern, welche mit den
Normällängen erhalten werden, unmittelbar vergleichbar mit denjenigen, welche mit
gröſseren Längen erhalten werden.
Tabelle I läſst auch den Einfluſs der
Maschinenlaufrichlung und den des Satinirens
auf die Festigkeitseigenschaften u.s.w. erkennen.
Senkrecht zur Laufrichtung des Papieres ist für die
vorliegenden Papiere die Reiſslänge im Mittel um 21
Proc. kleiner als die der Streifen, welche parallel zur
Laufrichtung herausgeschnitten worden sind; die
Dehnung dagegen vermehrt
sich um durchschnittlich 88, der Arbeitsmodul um etwa 50 Proc.
Constructionsverhältnisse der Papiermaschine, Trocknungsverhältnisse können aber
diese Zahlen bedeutend ändern.
Aus der gröſseren Dehnbarkeit senkrecht zur
Maschinenrichtung läſst sich bei Papieren, namentlich aber bei Aktendeckeln u.s.w.,
praktischer Nutzen ziehen, indem man die Bruchlinie des
Schreibpapier es oder des Aktendeckels in die Längenrichtung verlegt. Der
Bogen wird wegen der gröſseren Dehnbarkeit in der Querrichtung nunmehr ein viel
öfteres Hin- und Herbiegen vertragen, als wenn die Bruchlinie in der Richtung
senkrecht zum Maschinenlaufe liegt.
Durch das Satiniren wurde eine Verminderung der Dicke um
durchschnittlich 23 Proc. hervorgerufen, zugleich auch eine mittlere Verminderung
des Gewichtes für das Quadratmeter um 6,7 Proc., also eine Vergröſserung der Fläche
des Bogens erzeugt. Die Verlängerung des Bogens wird jedenfalls hauptsächlich nach
der beim Satiniren inne gehaltenen Laufrichtung eintreten. Die Reiſslänge hat in Folge des Satinirens durchschnittlich
um 8 Proc. zugenommen. Die Bruchbelastung auf die
Breiteneinheit ist daher, da die Gewichtsverminderung der Flächeneinheit ungefähr 7
Proc. beträgt, nahezu dieselbe geblieben. Die Dehnungsfähigkeit hat durch das Satiniren etwas abgenommen und auch der Arbeitsmodul scheint
nur wenig verändert zu sein.
Ueber den Einfluſs des Satinirens, namentlich auch über die Beantwortung der Frage,
in welcher Richtung man das Papier beim Kalandern durch die Walzen laufen lassen
soll, sind von der Papier-Prüfungsanstalt erschöpfendere Untersuchungen in Aussicht
gestellt.
Bezüglich der Papiereintheilung (vgl. 1881 241 105. 358. 1882 246 441)
sei noch angegeben, daſs in der vorgenannten Anstalt die Papiere in folgende Gruppen
geordnet werden:
I) Papiere, welche nur Hanf- und Leinenfasern mit geringem Zusätze von Baumwollfasern
enthalten und deren Aschengehalt nicht höher als 2,5 Proc. ist.
II) Papiere, welche nur Hanf-, Leinen- und Baumwollfasern mit geringem Zusätze von
Zellstoff enthalten und deren Aschengehalt nicht höher als 3 Proc. ist.
III) Papiere von beliebiger Zusammensetzung, jedoch ohne Zusatz von Holzschliff und
mit nicht mehr als 15 Proc. Asche.
IV) Papiere von beliebiger Stoffzusammensetzung und mit beliebigem Aschengehalte.
Innerhalb dieser Stoffgruppen sind alsdann einzelne Klassen gebildet, welche nach den
Mitteln aus den Reiſslängen in der Richtung des Maschinenlaufes und senkrecht dazu
geordnet werden. Hierbei sind noch die Werthe der Dehnungen (ebenfalls als
Mittelwerthe berechnet) und die Werthe für den Widerstand gegen Zerknittern
hinzugefügt, welche erfahrungsmäſsig den übergeschriebenen Reiſslängen am besten entsprechen.
Die einzelnen Klassen sind folgendermaſsen gebildet:
1
2
3
4
5
6
Reiſslänge nicht weniger als
m
6000
5000
4000
3000
2000
1000
Dehnung nicht weniger als
%
4,5
4
3
2,5
2
1,5
Widerstand gegen Zerknittern nicht weniger als
Nr.
6
6
5
4
3
2
Hierbei sind den für den Widerstand gegen Zerknittern
eingesetzten Zahlen folgende Bedeutungen zu Grunde zu legen: 0 = auſserordentlich
gering, 3 = mittelmäſsig, 7 = auſserordentlich groſs.
E. M.