Titel: | Einfluss von Erhitzung und Abkühlung auf die Ausdehnung von Schmiedeisen, Stahl, Gusseisen und Kupfer. |
Fundstelle: | Band 258, Jahrgang 1885, S. 355 |
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Einfluſs von Erhitzung und Abkühlung auf die
Ausdehnung von Schmiedeisen, Stahl, Guſseisen und Kupfer.
Einfluſs der Abkühlung auf Eisen und Kupfer.
Die Thatsache, daſs Schmiedeisen- oder Stahlstäbe, wenn sie erst erhitzt und dann
abgekühlt werden, einen Bruchtheil ihrer Länge verlieren, wird in der Praxis unter
Umständen nützlich verwerthet. So werden lose Radreifen durch Erhitzen und rascheres
oder langsameres Abkühlen wieder befestigt, wie man sagt: „fest geschrumpft“; Prägringe, Augen von
Steuerungstheilen werden durch das gleiche Verfahren enger gemacht u.s.w. Guſseisen
und Kupfer zeigen dagegen das entgegengesetzte Verhalten: sie verlängern sich beim
Abkühlen nach erfolgter Erhitzung.
In den letzten Jahren sind nun, besonders zum Zwecke des Studiums über das Verhalten
des Reifenmaterials beim sogen. „Schrumpfen“,
sowie über die Verwendung von Kupfer in eisernen Feuerbüchsen in Werkstätten der
Oesterreichischen Nordwestbahn von Rud. Ritter v. Meyer
und Edm. Wehrenpfennig Versuche angestellt worden, über
welche letzterer im Organ für die Fortschritte des
Eisenbahnwesens, 1884 * S. 216 näher berichtet.
Die Versuche mit Eisen wurden mit Rundeisen von 60mm Stärke bis herab zu 1mm,1 starken Drähten angestellt und lieferten
folgende Ergebnisse: 1) Höheres Erhitzen bewirkt gröſsere Längenabnahme der
Eisenstäbe als mäſsigeres Erhitzen. 2) Rasches Abkühlen und groſse Unterschiede der
Temperatur zwischen Erhitzung und Abkühlung vergröſsern die Längenabnahme. 3) Die
Dauer der Erhitzung ist von ganz hervorragendem Einflüsse auf die Längenverkürzung
eiserner Stäbe (lange Glutdauer begünstigt das Verkürzen). 4) Der Einfluſs des
Grades der Verarbeitung (des Auswalzens, Ausziehens u.s.w. nach dem letzten
Ausglühen) ist stark zu erkennen. Während sich z.B. die Verkürzung bei Rundeisen
verschiedener Stärke ziemlich gleich blieb, ging sie bei Drähten ins Negative über;
letztere verlängerten sich also in Folge des Schrumpfens. Versuche mit einem 13mm und einem 5mm
starken Eisenbleche zeigten, daſs beim Schrumpfen des ersteren eine Verkürzung der
Länge und Breite, dagegen eine Zunahme der Dicke auftrat; bei letzterem wuchsen
gleichzeitig alle Abmessungen. Ein Siederohr wurde excentrisch überdreht, so daſs
eine Seite auf etwa 1mm Wandstärke vermindert
wurde, während die gegenüber liegende Stelle ihre volle Stärke behielt. Rothwarm
gemacht und abgekühlt, warf sich das Rohr derart, daſs die starke Seite concav, die
schwache convex wurde, die dünnere Seite war länger geworden.
Für Stahl wurden im Wesentlichen die unter 1 und 2
angeführten Sätze bestätigt gefunden. Es ergab sich aber auch ferner, daſs
verschiedene Stahlsorten abweichende Längenänderungen zeigten und Gesetzmäſsigkeiten
in Folge der verschiedenen Durcharbeitung der einzelnen Sorten sich nicht aufstellen
lieſsen. Aus den Versuchen mit Radreifen ging hervor, daſs durch eine (wenn auch
geringe) Erhitzung und Abkühlung die Radreifen enger gebracht werden können, daſs
aber beim Erhitzen auf höhere Temperatur und plötzliches Abkühlen und bei öfterer
Wiederholung dieser Behandlung Umfangsverminderungen auftreten, welche den Zusammenhang des
Reifens gefährden; die Abnahme des inneren Reifenumfanges erwies sich als bedeutend
stärker wie die Abnahme des äuſseren, der Reifen ist dicker geworden, hat sein
Volumen vermehrt, trotz der groſsen Längenabnahme.
Die Volumenvergröſserung des Stahles beim Härten ist
ebenfalls nachgewiesen worden. Nach C. Fromme wird die
Volumenzunahme durch Härtung um so kleiner, je dicker der Versuchsstab ist, und nach
Metcalf und Langley
ist die Volumenvermehrung um so bedeutender, je mehr Kohlenstoff der Stahl besitzt
und je höher die Temperatur ist, auf welche der Stab vor dem Härten erhitzt
wurde.Vgl. F. Reiser: Das Härten des Stahles, (Leipzig
1881) S. 38.
Messing verhält sich ähnlich wie Schmiedeisen, nur
scheint es noch empfindlicher wie dieses zu sein.
Für Guſseisen und Kupfer
wurde nachgewiesen, daſs sie beim Abschrecken eine Zunahme der Länge erleiden.
Bei mit Rundeisen, Rundkupfer, sogen. Muntzmetall, Rundmetall und Hartmetall
angestellten Versuchen ergab sich, daſs die senkrecht zur Längsachse oben
abgedrehten Cylinder bei Rundeisen und Muntzmetall nach dem Abkühlen schwach
convexe, bei Rundkupfer schwach concave und bei Rund- und Hartmetall gerade
Endflächen zeigten.
R. v. Meyer sucht dieses verschiedenartige Verhalten der
Metalle aus der Verschiedenheit ihres Bruchmoduls für Druck bezieh. für Zug zu
erklären. Bei Schmiedeisen und Stahl ist das Verhältniſs:
\frac{\mbox{Bruchmodul für Druck}}{\mbox{Bruchmodul für
Zug}}<1,
bei Guſseisen und Kupfer gröſser als 1. Der Genannte denkt
sich die Stäbe in cylindrische, sehr dünne Schichten zerlegt, welche sich
gegenseitig beim Erhitzen bezieh. beim Erkalten in ihrer Längenrichtung
beanspruchen.
Es spielt die äuſsere kalte Rinde des cylindrischen Stabes bezüglich der noch
erhitzten inneren Schichten eine ähnliche Rolle wie die rasch abgekühlte Hälfte
eines schmiedeisernen Reifens bezüglich der anderen noch glühenden Reifenhälfte,
wenn derselbe parallel zur Kreisebene in Wasser eingetaucht wird. Es wird dabei
erfahrungsgemäſs die glühende Reifenfläche durch die abgeschreckte entschieden
gestaucht. Dies ist nur möglich, wenn die Druckfestigkeit des glühenden Theiles
kleiner ist als die Zugfestigkeit des abgekühlten.