Titel: | Ueber die Verwendung von Kältemaschinen. |
Autor: | F. P. |
Fundstelle: | Band 259, Jahrgang 1886, S. 35 |
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Ueber die Verwendung von
Kältemaschinen.
Mit Abbildung.
Ueber die Verwendung von Kältemaschinen.
Die Versuche, Kälte auf mechanischem Wege zu erzeugen, reichen bis in den Anfang der
30er Jahre zurück; groſse praktische Erfolge auf diesem Gebiete sind jedoch erst
seit wenigen Jahren zu verzeichnen. Der Grund dafür, daſs es so lange dauern konnte,
bis die Eismaschinen zu der heute erreichten Bedeutung gelangten, ist einmal darin
zu suchen, daſs die richtige Erkenntniſs der Prinzipien fehlte, nach denen diese
Maschinen arbeiten müssen, dann aber in der bis vor Kurzem noch geringen Nachfrage
nach Kälte. In gleichem Maſse, als die Zahl und die Bedeutung jener Industriezweige
wuchs, für welche der regelmäſsige Bezug von Kälte eine Lebensbedingung ist,
gewannen auch die vervollkommneten Eismaschinen an Boden, so daſs heute die
Concurrenzfähigkeit der künstlichen Kälteerzeugung mit der natürlichen, soweit sie
für die Industrie in Betracht kommt, auſser Frage steht.
Was hierbei den Kältemaschinen ganz besonders zu statten kommt, ist der Umstand, daſs
die Kälte in der Technik fast gar nie in Form von Eis gebraucht wird, sondern
meistens als kaltes Wasser oder halle Luft, deren Herstellung sich nun mit Maschinen stets vortheilhafter
unmittelbar bewirken läſst, statt auf dem Umwege durch Eis. Während sich dabei
einerseits der ökonomische Wirkungsgrad der Maschinen steigert und diese selbst durch
Wegfall der zur Eiserzeugung nöthigen Apparate einfacher werden, gewinnt man
andererseits den Vortheil, daſs wegen der völligen Umgehung des Eises die für dessen
Lagerung nöthigen Räume und die zur Bewegung desselben innerhalb der Fabriken
nöthigen Arbeitskräfte entbehrlich bezieh. anderweitig verwerthbar werden.
Der gröſste Fortschritt in der Entwickelung von Kältemaschinen stammt aus dem J.
1875, in welchem Prof. Karl Linde seine erste
Ammoniak-Compressionsmaschine in der Brauerei von Gabriel
Sedlmayr (Zum Spaten) in München aufstellte (vgl. 1877 224 * 172). Nachdem Linde
bereits früher auf theoretischem Wege die Ueberlegenheit von Ammoniakcompressoren
gegenüber den Ammoniakabsorptions- und sonstigen bisher gebauten Maschinen
nachgewiesen (vgl. auch 1877 224 175), war damit auch die
praktische Seite der Frage gelöst. Die ersten Versuche, Ammoniak ohne
Absorptionsapparate zur Eisfabrikation zu benutzen, waren im J. 1869 von Mort und Nicolle (vgl.
1870 197 * 311. 1875 218 145)
gemacht worden, jedoch ohne nennenswerthen Erfolg. Das gröſste Hinderniſs, welches
sich der Verwendung von Ammoniak in Compressoren entgegenstellte, der Mangel einer
gut abdichtenden Stopfbüchse, wurde erst durch die Linde'sche Construction beseitigt (vgl. 1885 256 * 69). Daſs die Compressoren nach diesem Systeme den an sie geknüpften
Erwartungen entsprechen, geht wohl am besten aus der groſsen Zahl von Maschinen
hervor, welche in alle Zweige der Industrie Eingang gefunden haben. Von den 340
Maschinen dieses Systemes, welche bis jetzt zur Aufstellung gekommen sind, arbeiten
in:
Brauereien
245
Farbenfabriken
7
Eisfabriken
37
Chemischen Fabriken
6
Zuckerfabriken
12
Stearinfabriken
3
Fleischhallen
10
Pulverfabriken
1
Butterfabriken
9
Anlagen für versch. Zwecke
10
Die obigen 340 Compressoren zusammen sind im Stande, jährlich
über 2500000t Eis zu ersetzen.
Ueber Linde's Eismaschine und verschiedene Einzelheiten
derselben ist in diesem Journal (1877 224 * 172. 1885 256 * 69) bereits mehrfach berichtet worden. Von
mindestens der gleichen Wichtigkeit wie die Verbesserungen in den einzelnen Theilen
der Maschine sind wohl die Fortschritte in der Entwickelung jener Apparate, welche
dazu beitragen, die Anwendbarkeit der Kältemaschinen zu einer möglichst ausgedehnten
zu machen. In erster Linie gehören hierher die von Linde in den Brauereien eingeführten Apparate zur
mechanischen Luft- und Gährbottichkühlung.
Man hat früher die Abkühlung groſser Räume auf mechanischem Wege dadurch zu erreichen
gesucht, daſs man kalte Luft in dieselben einblies, und glaubte eine Zeit lang, daſs
die Kaltluftmaschinen sich hierfür am geeignetsten erweisen müſsten (vgl. Windhausen 1877 224 * 175),
da man die Betriebsluft derselben unmittelbar benutzen könnte; man ist aber von dieser Meinung
zurückgekommen, seit sich die von der Gesellschaft für
Linde's Eismaschinen in Wiesbaden ihren Maschinen beigegebenen
Luftkühlapparate überall gut bewähren. Diese Apparate beruhen darauf, daſs ähnlich
wie bei Warmwasserheizungen eine auf – 6° bis – 12° abgekühlte Salzlösung durch
Rohrleitungen kreist, welche an der Decke der abzukühlenden Räume aufgehängt sind.
Indem die an den Röhren sich abkühlende Luft nach unten sinkt und der aufsteigenden
wärmeren Luft Platz macht, findet ein rascher Ausgleich der Temperatur statt und, da
der Querschnitt des hierbei in Bewegung gesetzten Luftstromes sehr groſs, die
Geschwindigkeit aber, mit der sich die Luft bewegt, klein ist, so ergibt sich, daſs
die zur Luftströmung aufzuwendende Arbeit geringer ausfallen, der Wirkungsgrad also
ein besserer sein muſs als dort, wo die gesammte abzukühlende Luftmenge mit groſser
Geschwindigkeit durch verhältniſsmäſsig enge Röhren getrieben wird. Ein Vorzug
dieser Art von Luftkühlung gegenüber der Kühlung mittels Eis, welche dieselbe
besonders für Brauereien werthvoll macht, ist darin zu suchen, daſs dieselbe auf die
Wände eine austrocknende Wirkung übt, indem die in denselben enthaltene Feuchtigkeit
verdampft und sich in Form von Schnee an den kalten Röhren ansetzt. Die entwässernde
Wirkung der Rohrsysteme hört natürlich nicht auf, wenn die Schneekruste an den
Röhren eine gewisse Dicke erreicht hat. Niederschlag muſs an den Röhren, als dem
kältesten Theile, stets stattfinden. Ist die Kruste so dick geworden, daſs die von
innen nach auſsen dringende Kälte nicht mehr genügt, das sich abscheidende Wasser
zum Gefrieren zu bringen, so bildet sich einfach Tropfwasser, welches durch
entsprechende Vorrichtungen leicht aus dem Keller entfernt werden kann, während bei
den mittels Eis gekühlten Kellern die mit dem schmelzenden Eise in Berührung
kommende Luft stets Feuchtigkeit aufnimmt, welche sich an den Wänden, die zum
groſsen Theile kälter sind als die Luft, in Form von Wasser niederschlägt und diese
feucht hält, was leicht zu Schimmelbildung Anlaſs gibt. Uebrigens hat man es stets
in der Hand, durch kurze Unterbrechung des Wasserumlaufes die Kruste völlig
abzuthauen. Als weiterer Vorzug des mechanischen Kühlsystemes ist die Regelung der
Temperatur der zu kühlenden Räume in einfachster und zugleich genauester Weise durch
vermehrten oder verminderten Zufluſs von Kälteflüssigkeit zu betrachten.
Aehnlich wie die Abkühlung der Luft wird auch die Kühlung des Bieres vor und während
der Gährung besorgt, indem an Stelle der bisherigen Eisschwimmer in die Gährbottiche
flache Blechgefäſse (sogen. Taschenschwimmer)
eingehängt werden, durch welche Wasser strömt, das mechanisch auf 0 bis 1° gekühlt
wurde.
Die beigegebene Textfigur veranschaulicht eine Linde'sche Kühlanlage in Verbindung mit der
mechanischen Luft- und Gährbotlichkühlung in einer untergährigen Brauerei. Die Kühlanlage besteht
aus der Dampfmaschine und
daran gekuppeltem Compressor, dem Condensator C und den
Salzwasser- und Süſswasserkühlern A bezieh. B. Das in den Rohrschlangen des Süſswasserkühlers A und Salzwasserkühlers B
verdampfende Ammoniak wird vom Compressor in der Rohrleitung K angesaugt und durch das Rohr D nach dem
Condensator C gedrückt, wo es sich unter Einwirkung des
Kühlwassers verflüssigt. Das flüssige Ammoniak strömt durch die Regulirventile R1 und R2 wieder nach den
beiden Kühlern A und B
zurück. Die durch Verdampfen des Ammoniaks in den Apparaten A und B erzeugte Kälte wird nun in der Weise
nutzbar gemacht, daſs die im Apparate B auf etwa – 6°
abgekühlte Soole durch die Leitung E nach den Kellern
strömt, sich dort in die verschiedenen, an den Decken der einzelnen Abtheilungen
aufgehängten Kühlrohrschlangen L1 und L2 vertheilt und, nachdem sie einen Theil ihrer Kälte
an die Luft abgegeben, durch die Leitung F, unterstützt
von einer Flügelpumpe, wieder nach dem Salzwasserkühler B zurückkehrt, um neuerdings Kälte aufzunehmen. In ganz ähnlicher Weise
strömt das im Apparate A gekühlte Süſswasser durch die
Schwimmer S der Gährbottiche G, indem das in der Leitung H über den
Bottichen hinweggeführte Wasser durch Gummischläuche den einzelnen in die Bottiche
eingehängten Schwimmern S zugeführt und, nachdem es
durch diese gegangen, in der Rückleitung J gesammelt
wird, um wieder nach dem Süſswasserkühler A
zurückzukehren.
Textabbildung Bd. 259, S. 38 Die sowohl in die Zuleitung des Salzwassers nach den einzelnen Kellerabtheilungen wie
des Süſswassers nach den einzelnen Bottichen eingeschalteten Stellhähne ermöglichen
eine genaue Regelung der Temperatur der Keller sowie des Ganges der Gährung.
Die Schnelligkeit, mit welcher sich solche Anlagen in Brauereien eingeführt haben,
spricht für den sparsamen und zuverlässigen Betrieb derselben. Brauereien mit
solcher mechanischer Luft- und Gährbottichkühlung gibt es in Deutschland bereits
über 200, darunter viele und gerade die bedeutendsten, welche das ganze Jahr
hindurch brauen, ohne jeden Eisvorrath und unbekümmert darum, ob es Natureis in
Fülle gibt oder nicht.
F. P.