Titel: | Zur Kenntniss verschiedener Bleichflüssigkeiten. |
Fundstelle: | Band 259, Jahrgang 1886, S. 47 |
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Zur Kenntniſs verschiedener
Bleichflüssigkeiten.
Zur Kenntniſs verschiedener Bleichflüssigkeiten.
G. Lunge und L. Landolt
(Chemische Industrie, 1885 S. 337) haben eine
Anzahl Bleichflüssigkeiten untersucht.
Das Chlorozon von Dienheim-Brochocki in Boulogne (Englisches Patent 1876 Nr. 4483), welches
neuerdings von E. Mills (Dyer, 1883 S. 61) lobend besprochen wurde, wird in der Weise hergestellt,
daſs Chlorkalk mit verdünnter Schwefelsäure zersetzt und das frei gewordene Chlor
durch einen Luftstrom in Natronlauge geführt wird. Versuche zeigten, daſs dieser
Luftstrom keinerlei Wirkungen ausübt, daſs die Reaction vielmehr nach folgenden
Gleichungen vor sich geht: 2NaOH + Cl2 = NaCl +
NaOCl + H2O und NaOCl + NaCl + H2O + Cl2 = 2NaCl +
2HOCl.
Mit oder ohne Luftstrom hergestellte Flüssigkeiten enthielten folgende
Chlormengen:
Mit LuftProc.
Ohne LuftProc.
Als chlorsaures Salz
0,012
0,008
Als dem entspr. 5 Mol. Chlorid
0,059
0,038
Als das nach obiger Gleichung aus NaOCl + NaCl
entstandene Chlorid
0,500
0,491
Als freie unterchlorige Säure, HOCl
0,500
0,491
Als überschüssiges NaCl
0,005
0,008
Als freies Chlor
0,026
0,022
–––––
–––––
1,102
1,058.
Hiernach ist das Chlorozon lediglich eine Auflösung von freier Unterchlorigsäure in
einer Kochsalzlösung, mit unbedeutenden Mengen von freiem Chlor und chlorsaurem
Natrium (vgl. Storch 1885 258 48). Somit ist es begreiflich, daſs dieses Chlorozon als Bleichmittel
sich ganz verschieden von einer Javel'schen Lauge
verhalten muſs, welche man durch Fällung von Chlorkalklösung mit Soda darstellt, die
also nur NaOCl und NaCl, aber keine freie Unterchlorigsäure enthält. Dagegen ist es
mehr als unwahrscheinlich, daſs die gleichzeitige Anwendung eines Luftstromes und
die kostspielige Art der Bereitung des Chlorozons, wobei aus Chlorkalk freies Chlor
dargestellt und in Natronlauge geleitet wird, irgend einen Nutzen habe; jede andere
Lösung von freier Unterchlorigsäure wird dieselben bleichenden Eigenschaften
zeigen.
Die durch Behandeln von Magnesiumhydrat mit Chlor
haltiger Masse enthält nur unbedeutende Mengen von bleichendem Chlor (0,147 Proc.)
und von als Chlorat vorhandenem Chlor (0,099 Proc), dagegen 4,305 Proc. Chloridchlor, von welchem 5 ×
0,099 = 0,495 Proc. zusammen mit dem Chlorate entstanden sein müssen und 0,147 auf
das bleichende Chlor kommen, so daſs 3,663 Proc. übrig bleiben, welche
nothwendigerweise durch Spaltung von Magnesiumhypochlorit unmittelbar nach dessen
Bildung entstanden sein müssen (sogen. Zersetzungschlorid). Magnesiumhydrat liefert
also nicht, wie Calciumhydrat, trockene Bleichmagnesia.
Bei der Behandlung von Magnesiamilch mit Chlor wird selbst bei 0° schon mehr als die
Hälfte des letzteren zur Chlorsäurebildung verwendet, nach der Gleichung: 6MgO +
12Cl = Mg(ClO3)2 +
5MgCl2. Der Rest geht in Bleichmagnesia über, in
Lösung also Mg(OCl)2 + MgCl2. Nur eine sehr geringe Menge der letzteren
zersetzt sich in frei werdendem Sauerstoff mit MgCl2. Bei 15° entsteht nur wenig mehr Chlorat. In beiden Lösungen geht das
Hypochlorit leicht in Chlorat über, nicht nur durch Erwärmen auf 50°, sondern auch
durch bloſses längeres Hindurchleiten eines Luftstromes von Zimmertemperatur,
welcher wohl nur als Rührmittel dient. Wenn man das Chlor gleich bei 70° einleitet,
so entsteht von vorn herein fast nur Chlorat. (Vgl. Muspratt 1884 254 47).
Beim Fällen einer Chlorkalklösung mit Magnesiumsulfat
findet dagegen keinerlei Umwandlung von Hypochlorit in Chlorat statt und war auch
nur eine ganz unbedeutende Menge des ersteren unter Sauerstoffverlust zu Chlorid
zersetzt worden. Auch war in der Lösung noch etwas mehr Magnesium vorhanden, als
nöthig, um alles vorhandene Chlor zu binden; es war demnach keine Spaltung von
Mg(OCl)2 + 2H2O
in Mg(OH)2 + 2HOCl eingetreten.
Zinkoxyd gibt keine feste Bleichverbindung; das beim
Behandeln von im Wasser vertheiltem Zinkoxyd mit Chlor gebildete Hypochlorit
widersteht der Verwandlung in Chlorat etwas besser als dasjenige des Magnesiums. Bei
der Umsetzung von Chlorkalk mit Zinkvitriol scheint etwas Chlorat zu entstehen; ein
Theil des Zinkhypochlorites zersetzt sich sofort in Zn(OH)2 und HClO, ein anderer in ZnCl2 und
freien Sauerstoff.
Bei der Einwirkung von Aluminiumsulfat auf Chlorkalk
zersetzt sich ein Theil des Aluminiumhypochlorites sofort unter Freiwerden von
HClO.
Alle Bleichlösungen soll man bei der Aufbewahrung
unbedingt vor Licht schützen; Luftabschluſs ist bei Chlorkalklösung weniger
wichtig.
Versuche über das Verhalten der Chlorkalklösung beim Erhitzen für sich ergaben, daſs nach 3stündigem allmählichem Erwärmen bis
60° noch keine nennenswerthe Chloratbildung eintritt; deutlich wird diese erst nach
einer anderen Stunde bei 70°, stärker erst nach wieder 2 Stunden bei 90°; aber
selbst nach weiterem 2 stündigem Kochen (im Ganzen 7 stündigem Erhitzen) ist nicht
viel über ¼ des ursprünglich vorhandenen Chlores zur Chloratbildung verwendet
worden. Sowie die Chloratbildung eintritt, zeigt sich auch schon Sauerstoffverlust
und am Ende überwiegt diese Reaction sogar die Umwandlung in Chlorat. Demnach ist
die Umwandlung von Chlorkalk in Chlorat durch bloſses Erhitzen der Lösung eine sehr
ungünstig verlaufende Reaction, auf welche in der Technik durchaus nicht das
Hauptgewicht gelegt werden sollte.
Beim Erhitzen einer mit Chlor gesättigten Chlorkalklösung werden schon bei 15° beim
Einleiten von Chlor etwa 70 Procent des Chlorkalkes in Chlorat übergeführt.
Zweistündiges allmähliches Erwärmen bis auf 40° steigert dies nur unbedeutend;
darüber geht dann die weitere Chloratbildung etwas schneller, aber ganz gleichmäſsig
vor sich und ist nach 7½ Stunden beim Siedepunkte vollständig. Die Gegenwart von
überschüssigem Chlor verhindert somit die Reaction CaOCl2 = CaCl2 + O. Fortdauerndes Einleiten von
Chlor ist zwecklos.
Die Zersetzungen erfolgen somit nach folgenden Gleichungen:
Ca(OCl)2 + 4Cl + 2H2O = CaCl2 +
4HOCl und
2Ca(OCl)2 + 4HOCl = CaCl2 + Ca(ClO3)2 + 4Cl + 2H2O.
Hier dient also das freie Chlor nur als Ueberträger des
Sauerstoffes von 2 Mol. Calciumhypochlorit auf ein drittes, wobei die beiden
ersteren zu Chlorid reducirt werden, das dritte zu Chlorat oxydirt wird, das zuerst
eintretende Chlor aber am Ende wieder vollständig austritt.
Um die möglichst günstige Umwandlung des Chlorkalkes in Chlorat herbeizuführen,
genügt weder Temperaturerhöhung, noch Ueberschuſs an Chlor für sich allein; vielmehr
müssen beide zusammenkommen. Ein groſser Ueberschuſs an
Chlor ist keinesfalls von Nöthen, wenn nicht schädlich. Im Groſsen braucht man keine
künstliche Temperaturerhöhung, sondern es genügt dann die durch die Reaction selbst
entstehende Wärme zur Vollendung der Reaction. Sehr schädlich ist es, eine
Temperaturerhöhung ohne Anwesenheit von überschüssigem Chlor herbeizuführen, weil
dann sehr viel Sauerstoff entweicht und Chlorid gebildet wird, was durch den
Ueberschuſs von Chlor verhindert zu werden scheint. – Bleichversuche ergaben die groſse Wirksamkeit eines Zusatzes von Essigsäure (vgl. 1885 257
387).
Th. v. Brochocki in Paris (D. R. P. Kl. 12 Nr. 34016 vom
31. März 1885) behauptet, die Sättigung der alkalischen Lösungen mit Chlorgas,
welches mit Hilfe von Wärme durch Zersetzung der Salzsäure durch Mangansuperoxyd
oder des Chlornatriums durch Schwefelsäure und Mangansuperoxyd erzeugt wird, zeige
den Uebelstand, daſs das erhaltene Product zu geringe
wirksame bleichende Bestandtheile in Bezug auf die Menge der Base und des
wirklichen Chlores, welche es enthält, besitze und daſs diese Herstellungsmethode im
Groſsen viel zu viel Zeit und Vorsichtsmaſsregeln erfordere. Er glaubt daher viel
billiger und rascher zum Ziele zu kommen, wenn Chlorkalk mit verdünnter Säure
zersetzt werde. Bei dieser Reaction, welche ohne Erwärmung bewerkstelligt werden
muſs, soll unterchlorige Säure in Gasform frei werden, welche jedoch durch eine
secundäre Wirkung der zum Zersetzen dienenden Säure zum gröſsten Theile in Chlor und
in Sauerstoff zerfalle. In diesem Zustande werden die Gase in eine Waschflasche
geleitet, welche mit einer schwachen Lösung von schwefelsaurem Natrium oder Chlorcalcium gefüllt ist.
Nach dem Waschen streichen die Gase durch eine Schicht von fein zerstoſsenem
Mangansuperoxyd, welche sie von fremden Säuren und von Wasserdampf befreit. Die auf
diese Weise gereinigten Gase gehen durch einen Apparat hindurch, in welchem sie der
Wirkung der Elektricität unterworfen werden. Unter dem
Einflüsse der Elektricität ozonisirt sich der Sauerstoff angeblich sehr schnell und
verbindet sich von neuem mit dem Chlor, welches ebenfalls elektrisirt wird. Die auf
diese Weise erzeugten höheren Sauerstoffverbindungen des Chlores gelangen alsdann in
ein Gefäſs mit concentrirter alkalischer Lösung, um Salze von hoher Bleichkraft zu
bilden.
Anstatt das gasartige Product zu elektrisiren, kann man dasselbe Ziel auch dadurch
erreichen, daſs man auf die alkalische Lösung zwei getrennte Gasströme gleichzeitig
einwirken läſst, nämlich einen Strom von Chlorgas, welches nach dem vorliegenden
Verfahren oder nach irgend einem anderen hergestellt ist, und einen Strom von
ozonisirtem Sauerstoff, welcher zu diesem Zwecke ebenfalls nach irgend einem
bekannten Verfahren gewonnen ist. – Diese Angaben bedürfen wohl der Bestätigung.