Titel: | Ueber Hopfengift (Hopeïn); von Dr. W. Th. Smith. |
Autor: | W. Th. Smith |
Fundstelle: | Band 259, Jahrgang 1886, S. 131 |
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Ueber Hopfengift (Hopeïn); von Dr. W. Th.
Smith.
W. Th. Smith, über Hopfengift.
Es ist allgemein bekannt, daſs Bier, in gröſseren Mengen genossen, nicht erregend wie
der Wein, sondern erschlaffend auf das Nervensystem wirkt, und diese Thatsache tritt
um so mehr hervor, je stärker die Biere gehopft sind; am auffallendsten ist aber die
Erscheinung bei einzelnen englischen Bieren, wenn im Brauprozesse amerikanischer
wilder Hopfen verwendet wurde. Die Condensation dieser Biere im Vacuum-Rectificator
führte nun kürzlich zu der Entdeckung, daſs in einzelnen Sorten Hopfen ein
narkotisches Alkaloid enthalten ist. Unter Umständen zeigen nämlich condensirte
englische Biere deutlich narkotische Wirkung auf den Organismus. Da nur sehr kleine
Mengen Hopfenbestandtheile beim gewöhnlichen Brau verfahren in das Bier übergehen
(vgl. E. Prior, Amerikanischer Bierbrauer, 1883 S. 261)
und unter diesen der narkotische Stoff nur in geringfügiger Menge vorhanden sein
konnte, so lieſs sich schlieſsen, daſs das Alkaloid eine sehr stark wirkende
Verbindung sein muſste, zumal es Dr. Williamson gelang,
durch Kochen der Bierwürze mit groſsen Mengen amerikanischen Hopfens, Verdampfen im
Vacuum und nachheriges Ausziehen des Extractes mit Alkohol einen im höchsten Grade
giftig wirkenden Auszug herzustellen, der eine Lösung des Hopfenalkaloides enthielt.
Aus dieser konnte allerdings das Hopeïn noch nicht rein
dargestellt werden; aber es gelang später dessen Reindarstellung durch Ausziehen des
Hopfens mit reiner angesäuerter Zuckerlösung, Verdampfung derselben im Vacuum,
Behandlung mit absolutem Alkohol und Entfernung der Verunreinigungen aus dem
alkoholischen Auszuge durch allmähliche Behandlung desselben mit Aether, Chloroform
und Benzol sowie darauf folgendes wiederholtes Umkrystallisiren des Alkaloides.
Ich habe von dem Entdecker des Hopeïns die ersten Proben zu physiologischen und
chemischen Versuchen erhalten und zunächst die toxische Wirkung auf den Organismus
festzustellen gesucht. Hopeïn ist ein dem Morphin in seiner Wirksamkeit als
Narkoticum nicht nachstehendes Alkaloid; unter der Haut angewendet, übertrifft es
dasselbe und zeigt eine wesentliche Verschiedenheit im Geschmacke (vgl. Deutsche
Medicinal-Zeitung, 1885 S. 685) sowie in seinen Reactionen und
Abkömmlingen. Im Uebrigen ist Hopeïn dem Morphin sehr ähnlich und hat einige
charakteristische Eigenschaften mit demselben gemein, so daſs Williamson anfangs den Körper für Morphin hielt, bis
die Analyse und die hervorragend antiseptische Eigenschaft des Alkaloides bewies,
daſs dasselbe eine neue, der Hopfenpflanze eigenthümliche organische Verbindung ist.
Die Zusammensetzung des Hopeïns entspricht der Formel C18H20NO4 +
H2O; es ist ein krystallinisches Pulver, schwer
löslich in Wasser, löslich in 40 Th. absolutem Alkohol, in reinem Zustande völlig
weiſs, aber leicht an der Luft etwas gelb werdend. Hopeïn nimmt durch Zersetzung
leicht einen dem Hopfen charakteristischen Geruch an, welcher aber dem reinen
Alkaloide nicht eigen ist. Die Salze des Hopeïns sind groſstentheils in Wasser
leicht löslich und krystallisirbar; sie enthalten 1 bis 5 Mol. H2O und theilen die giftigen Eigenschaften des reinen
Alkaloides. An die Zunge gebracht, bewirkt Hopeïn einen heftig brennenden Geschmack,
der im Anfange einen stark bitteren Geschmack verdeckt. Geringe Gaben innerlich
führen Schlaf, gröſsere Coma und Tod durch Paralyse herbei. 0g,1 ist entschieden als gefährliche Gabe für
Menschen zu betrachten; ja 0g,05 rufen entschieden
giftige Wirkung auf den Organismus hervor. Thiere wie Hunde, Katzen und Kaninchen,
an denen ich viele Versuche anstellte, sterben von 0,1 bis 0g,5 in weniger als 4 Stunden.
Charakteristisch ist für Hopeïn seine antiseptische
Wirkung. Daſs dem Hopfen antiseptische Eigenschaften in hohem Grade zukommen, ist
bekannt; die Gährung von Zuckerlösungen und Würze wird schon durch geringe Mengen
Hopfenextract verzögert, durch gröſsere ganz gehemmt; gegen die Entwickelung der
Essigpilze und die Essiggährung gibt es kaum ein besseres Mittel und der
Fäulniſsprozeſs wird durch Hopfen in auffallender Weise unterbrochen. Alle diese
Thatsachen, welche man in der Brauerei seit Einführung des Hopfens sich zu Nutzen
gemacht hat, wiesen darauf hin, daſs im Hopfen ein Antisepticum vorhanden sein
muſste, welches die niederen Organismen auch in höchster Verdünnung tödtete. Dieser
Stoff ist das Alkaloid Hopeïn und die bisher räthselhafte kräftig conservirende
Eigenschaft des Hopfens findet durch das Vorhandensein des Hopeïns eine sehr
einfache Erklärung. Berücksichtigt man, wie gering die Menge des Hopeïns im Hopfen
ist, so kann man schon daraus schlieſsen, wie stark giftige Wirkung auf niedere
Organismen dieser Verbindung zukommt. Auch beweisen dies die Versuche von M. Roberts (Deutsche
Medicinal-Zeitung, 1885 S. 878), sowie meine eigenen, von denen ich einige
weiter unten kurz anführe.
Wie Roberts richtig hervorhebt, wird diese Eigenschaft
des Hopeïns vielleicht die gröſste Bedeutung für die Bekämpfung zymotischer
Krankheitsprozesse erlangen, da ein groſser Schritt vorwärts gemacht würde, wenn es
gelänge, die Mikroorganismen im Blute durch Einspritzungen unter die Haut (subcutane
Injection) zu tödten. Alle diesbezüglichen Versuche scheiterten bisher an dem
Umstände, daſs sämmtliche bisher bekannten Antiseptica nicht in solchen Mengen
verwendet werden konnten, welche, ohne das Leben und die Gesundheit des Kranken zu
gefährden, die antiseptische Wirkung zur Geltung gebracht hätten. Hopeïn vereinigt
zweifellos eine stark narkotische mit der antiseptischen Wirkung, eine
Eigenthümlichkeit, welche keinem der bekannten Alkaloide in diesem Grade
zukommt.
Um den Grad der Wirkung des Hopeïns auf Mikroorganismen
festzustellen, wurden gährungsfähige, mit Hefe versetzte Flüssigkeiten, wie Most,
Bierwürze, Zuckerlösung, Honig, ferner in der Essigbildung begriffene alkoholische
Flüssigkeiten mit geringen Mengen Hopeïn versetzt, ebenso frische Milch und mit
faulendem Käse versetzte Milch, sowie endlich Reinkulturen von Bacillen.
Die Tödtung der Mikroorganismen erfolgt in allen Fällen in weniger
als einer Stunde, bei gröſseren Mengen plötzlich; das Fortschreiten des
Gährungsprozesses bezieh. der Fäulniſs wurde gehemmt und, wenn der Zutritt von neuen
Keimen aus der Luft zu den so behandelten Flüssigkeiten verhindert wurde, so fand
auch eine Fortsetzung der Gährung u.s.w. bei günstigster Temperatur und im Uebrigen
freiem Luftzutritte nicht mehr statt, so daſs auf eine wirkliche Vernichtung der
Pilze geschlossen werden konnte.
Um den Tod der Keime nachzuweisen und den Stillstand der
Zersetzungsprozesse festzustellen, wurden die gährungsfähigen Flüssigkeiten in drei
Theile getrennt: in dem ersten wurde durch Analyse der Zucker- bezieh. Alkoholgehalt
bestimmt, der zweite wurde in eine Glasflasche gebracht, deren Gummistöpsel mit zwei
je 0m,3 langen, sich erweiternden Glasröhren
versehen war. Die Glasröhren wurden mit Baumwolle dicht verstopft, so daſs wohl
Luft, aber keine Keime aus der Luft zu der Flüssigkeit gelangen konnten. Der dritte
Theil wurde offen mit dem mit Hopeïn versetzten, gleichzeitig durch 3mal 24 Stunden
der für die Gährung bezieh. Essigbildung günstigsten Temperatur ausgesetzt. Nach
Ablauf dieser Zeit wurden die beiden Flüssigkeiten untersucht und festgestellt, daſs
in der mit Hopeïn behandelten Lösung keine Gährung stattgefunden, in der anderen
diese ihren gewöhnlichen Verlauf genommen hatte. Die mikroskopische Untersuchung,
soweit solche möglich war, bewies stets die Bewegungslosigkeit der Mikroorganismen,
welche auf deren Tödtung schlieſsen lieſs. Bei Bier, Most u.s.w. war natürlich die
mikroskopische Prüfung auf die Beweglichkeit kaum ausführbar wegen der Unklarheit
der Proben; wohl aber konnte dieselbe bei den Reinkulturen von Bacillen erfolgen.
Die Tödtung der Gährungs- und Fäulniſspilze findet statt und die Gährung wird
unterbrochen, wenn man zu je 1cc Flüssigkeit
zusetzt:
Für
gährungsfähigen
Most
0,05mg
„
„
Bierwürze
0,05
„
„
Honig
0,03
„
„
Zuckerlösung
0,01
In
Essiggährung
befindlichen
Wein
0,08
„
„
„
Bier
0,09
„
„
„
Alkohol
0,04
Frische Milch mit faulendem Käse versetzt, ging in wenigen Stunden
in günstiger Temperatur unter Gerinnung in faulige Zersetzung über, während durch
Hopeïnzusatz diese so kräftig verhindert wurde, daſs Gerinnen erst nach 20 Stunden
erfolgte und der von dem Zusätze des faulenden Käses anfangs vorherrschende Geruch
allmählich verschwand. Aehnliches Verhalten zeigte das Blut. Die mikroskopische
Untersuchung war aber in beiden Fällen eben wegen der Unklarheit der Proben ebenso
schwierig wie bei Most und Würze.
Es versteht sich von selbst, daſs reines Hopeïn als Antisepticum für die Zymotechnik
nur in so weit von Interesse ist, als es in vielen Hopfensorten enthalten ist und so
zur Conservirung der gehopften Biere beiträgt. Im Uebrigen ist die Reindarstellung des Alkaloides eine so
kostspielige und sein Preis ein so hoher, daſs an eine technische Verwendung
vorläufig nicht zu denken ist; wohl aber erscheint Hopeïn der besonderen Beachtung
des Arztes werth.