Titel: | A. Nörholm's Nähmaschine; von Ernst Müller in Hannover. |
Autor: | Ernst Müller |
Fundstelle: | Band 259, Jahrgang 1886, S. 308 |
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A. Nörholm's Nähmaschine; von Ernst Müller in
Hannover.Nach dem vom Verfasser gef. eingesendeten Sonderabdruck: „Die Ausstellung
deutscher Nähmaschinen zu Hannover“ aus der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1884 * S.
985.
Mit Abbildungen.
Nörholm's Nähmaschine.
Auf der Ausstellung deutscher Nähmaschinen zu Hannover, welche vom 26. September bis
2. Oktober 1884 stattfand, brachten Hengstenberg und
Comp. in Bielefeld eine neue Greifermaschine
zur Schau, welche von H. Hengstenberg und A. Nörholm in Bielefeld (* D. R. P. Kl. 52 Nr. 30272
vom 13. April 1884) angegeben ist. Es ist diese Maschine eine Doppelsteppstichmaschine, welche auch den Unterfaden unmittelbar von den Holzspulen verarbeitet,
wie sie im Handel zu haben sind, wodurch das zeitraubende Umspulen erspart wird,
welcher Zweck schon früher bei den Nähmaschinen von Lathrop (1873 207 * 24) bezieh. Du Laney (1876 221 * 21) zu
Grunde gelegt war. (Vgl. auch Hurtu 1885 257 * 352.)
Fig. 1., Bd. 259, S. 308Fig. 2., Bd. 259, S. 308 Bei der neuen Maschine ist die Holzspule mit dem Unterfaden in der Mitte
eines zweispitzigen, sich gleichmäſsig drehenden
Spulenträgers a untergebracht, wie aus Fig. 2 ersichtlich ist. Diese Figur zeigt die Ansicht
der Maschine unter Hinweglassung der für die nachfolgende Beschreibung
nebensächlichen Stoffrücker und Stoffdrücker. Von einem Zahnrade b aus wird die obere Welle c, welche die Nadelbewegung einleitet, doppelt so rasch getrieben als die
untere Welle d, welche den Spulenträger a in Umdrehung versetzt. Die Nadel wird durch ein
Schubkurbelgetriebe senkrecht auf- und abgeführt, also mit Umgehung der mechanisch unschönen
Curvenscheiben und Nuthenführungen. Die Schubstange e
(vgl. Fig. 1) ist im Verhältnisse zum Halbmesser der
Kurbel kurz, so daſs die Nadel f rasch durch den Stoff
niedergestoſsen und rasch wieder gehoben wird, während die Bewegung für den Leergang
der Nadel langsam stattfindet. Der Antrieb des Greifers a erfolgt durch einen sich gleichmäſsig drehenden zweifingerigen Mitnehmer
g. Der in einem zweitheiligen Gestellringe sich
drehende Greifer steht etwas schräg gegen die Achse seines Mitnehmers, so daſs immer
auf der oberen Seite der betreffende Finger aus seiner Oeffnung heraustritt, den
Oberfaden also frei hindurch schlüpfen läſst. Die Abmessungen sind hierbei derart
gewählt, daſs der Antrieb auf ⅗ des gesammten Umfanges erfolgt. Denselben
Bewegungsmechanismus für den Wheeler-Wilson'schen
Greifer hat bereits B. Brüncker (1883 248 * 231) angewendet.
Fig. 3., Bd. 259, S. 309Fig. 4., Bd. 259, S. 309Fig. 5., Bd. 259, S. 309 Der Greifer der vorliegenden Maschine ist
jedoch so ausgebildet, daſs er die groſse Holzspule h
(vgl. Fig. 3 bis 5) zu
fassen vermag, ohne daſs eine Störung durch die hiermit bedingte gröſsere Schlinge
zu befürchten wäre; Fig. 4 und 5 zeigen die Führung des Unterfadens und die Lagerung
der Holzspule. Die im Greifer a befestigte Achse wird
von dem Rohre umschlossen, welches die Spule aufnimmt und an seinem Auſsenende die
Spannungsregelung für den Unterfaden trägt; diese Regelung wird durch das mehr oder
weniger starke Anziehen der Druckfeder mit Hilfe der Schraube in der Mitte bewirkt,
was möglich ist, ohne daſs man die Spule herauszunehmen braucht. Eine geringste
Spannung erleidet aber der Faden bereits durch die Umschlingung des
Führerblättchens. Beim Gange der Maschine wird sich also der Greifer drehen, die
Hülse mit der Spannvorrichtung bleibt ruhig und die Holzspule dreht sich nur dem
Fadenabzuge entsprechend. Ein Herausrutschen der Spule wird durch die seitwärts
klappbare Sicherungsfeder i verhindert.
Zur Erklärung der Stichbildung mögen die nachstehenden
Figuren dienen, welche acht verschiedene auf einander folgende Stellungen der
zusammen arbeitenden Werkzeuge wiedergeben, wobei noch zu bemerken ist, daſs der
Deutlichkeit der Zeichnung wegen der Abstand zwischen der Stichplatte und dem
Greifer und der Abstand zwischen Stoff und Stichplatte unverhältniſsmäſsig groſs
ausgedrückt ist. Die Stichbildung soll für den Beginn einer neuen Naht gezeigt
werden und der Unterfaden sei bereits auf die bekannte Weise nach oben
heraufgeholt.
Stellung I gibt die Lage von Greifer und Nadel an, wenn letztere ihren tiefsten Stand erreicht
hat; der Greifer dreht sich in der Pfeilrichtung. Geht die Nadel nach oben, so wird
sich auf derjenigen Seite der Nadel, auf welcher keine Rille ist – d. i. hier die
hintere – eine Schlinge des Oberfadens bilden, welche durch die eine Greiferspitze
erfaſst wird (Stellung II). Die Nadel steigt weiter, der Greifer führt die Schlinge
nach unten (Stellung III) und zieht sie so weit aus, daſs sie über den mittleren
Theil des Spulenträgers gleiten kann und damit über die Unterfadenspule übergeworfen
worden ist (Stellung IV). Der Stoff ist schon vorher um die Stichlänge nach links
geschoben worden, die Nadel durchbohrt den Stoff an der neuen Stelle und bringt den
Oberfaden nach unten.
Textabbildung Bd. 259, S. 310 So weit ist der Vorgang ganz ähnlich wie bei der Wheeler-Wilson'schen Maschine. Die groſse Schlinge wird nun aber nicht
unmittelbar abgeworfen, sondern bleibt noch weiter durch die Schaufel des Greifers
gestützt, wie die Stellungen V bis VIII erkennen lassen. Die untere Welle dreht sich
ja nur halb so rasch als die obere; es ist also in der Stellung V die Nadel bereits
wieder in der tiefsten Lage angekommen und bildet beim Aufwärtsgange (Stellung VI)
eine neue Schlinge, welche durch die jener ersten Spitze gerade gegenüber liegende
zweite Spitze erfaſst und ausgezogen wird (Stellung VII). Die Verhältnisse sind nun
so gewählt, daſs in der Schlinge immer Zug ist, sie
also nie schlaff wird; um so viel die eine Schlinge gröſser wird, wird die andere
ungefähr kleiner. Zur Vergröſserung der zweiten Schlinge wird unmittelbar benutzt,
was die erste
hergibt; die Schlinge des vorhergehenden Stiches wird immer durch die nachfolgende
Greiferspitze zugezogen. Durch das Nadelöhr geht also nur so viel Faden hin und her,
wie der Hubhöhe der Nadel und der Stichlänge entspricht; der bei den verschiedenen
Lagen frei werdende Oberfaden wird mittels Fadenhebel l
nach oben gezogen und ist die Form der Nuth in der Antriebcurvenscheibe m hierdurch bestimmt.
In der Stellung VIII ist der erste Stich fertig, die Fadenverschlingung für den
zweiten Stich ist vollständig gebildet und die Fadenschleife für den dritten Stich
findet bei dem nachfolgenden Nadelaufgange (Stellung V) statt; es folgen nun in
unmittelbarer Reihenfolge nieder V bis VIII, da wegen des vollständig symmetrischen
Baues des Greifers nun I mit V, II mit VI u.s.w. übereinstimmt.
Die in Fig. 2 angedeuteten beiden Curvenscheiben n1 und n2 dienen zur Bewegung
des Stoffrückers, welcher nichts wesentlich Neues bietet; der Stoffdrücker o ist in Fig. 1 mit
gezeichnet.
Was endlich die Leistungsfähigkeit sowohl bezüglich der
Schnelligkeit des Nähens, als auch der Festigkeit und Güte der Naht anlangt, so ist
diese ganz auſserordentlich, wobei noch zu berücksichtigen ist, daſs die geprobte
Maschine die erste Versuchsmaschine war. Die leichtesten Stoffe, Atlas u. dgl.,
wurden mit derselben Schönheit genäht wie Englischleder und appretirter Drell;
selbst Piqué, einer der ärgsten Feinde der Nähmaschinen, wurde mit Leichtigkeit
überwunden. Der Gang ist ruhig.
Wenn die Reibung bei der beschriebenen Maschine sich vielleicht auch etwas gröſser
herausstellen dürfte als bei einer Wheeler-Wilson'schen
Maschine, so ist doch jedenfalls der Kraftbedarf geringer als der einer Singer'schen Maschine nach der heute noch üblichen
Bauart.