Titel: | Ueber die Fabrikation der Arsensäure; von P. Schoop. |
Autor: | P. Schoop |
Fundstelle: | Band 259, Jahrgang 1886, S. 327 |
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Ueber die Fabrikation der Arsensäure; von P.
Schoop.
Mit Abbildungen.
Schoop, über die Fabrikation der Arsensäure.
Von den verschiedenen Vorschlägen der Herstellung von Arsensäure durch Oxydation der
Arsenigsäure ist bis jetzt auſser der Behandlung mit Salpetersäure kein anderer in
der Praxis aufgenommen worden. Obschon sich durch Einleiten von Chlor in eine
alkalische Lösung von Arsenik sehr leicht Arsensäure gewinnen läſst, bietet dieser
Weg doch keinerlei Vortheile gegenüber dem eben erwähnten. Auch durch Anwendung des
elektrischen Stromes läſst sich die Arsenigsäure
oxydiren, indem die Lösung derselben mit der positiven Elektrode in Berührung
gebracht wird, während die negative Elektrode., durch eine poröse Scheidewand von
der Arseniklösung getrennt, sich in einer gut leitenden Flüssigkeit befindet. Ist
auch dieser Vorschlag sehr einleuchtend, indem derselbe gestattet, mechanische
Energie unmittelbar in chemische Arbeit überzuführen, so wurde doch bis jetzt von
einer industriellen Anwendung desselben Nichts bekannt. In der That ist auch das
gebräuchliche Verfahren der Arsensäuregewinnung so billig, daſs dasselbe wohl noch
längere Zeit in Anwendung bleiben dürfte. Würde der Prozeſs in theorethischer Weise
verlaufen, dann sollten mit einer Menge Salpetersäure beliebige Mengen Arsenik in
Arsensäure verwandelt werden können. Wirkt nämlich concentrirte Salpetersäure auf
Arsenigsäure ein, so wird dieselbe unter Abgabe von Sauerstoff zu Salpetrigsäure
reducirt. Indem die Salpetrigsäure mit Luft gemischt wird, geht dieselbe wieder in
Salpetersäure über, welche, in den Condensationstöpfen aufgefangen, nieder von Neuem
zur Oxydation verwendet werden kann. Nun bilden sich aber in Wirklichkeit neben
Salpetrigsäure auch noch andere Oxydationsstufen des Stickstoffes, worunter
wahrscheinlich auch Stickoxydul Auftritt, welches durch den zugeführten Sauerstoff
der Luft nicht mehr oxydirt wird und dabei entweicht. Es geht also ein gewisser
Theil der angewendeten Salpetersäure verloren und muſs immer wieder ersetzt werden.
Ohne Zweifel hängt die Menge der entweichenden, nicht wieder zu gewinnenden Gase von
der Concentration der Salpetersäure, von der Menge derselben, von der Temperatur des
Gemisches u. dgl. ab. So genau diese Verhältnisse bei der Schwefelsäurefabrikation
studirt worden sind, so wenig ist darüber bei der Arsensäuregewinnung bekannt. Durch wissenschaftliche
Untersuchung des hierbei auftretenden Gasgemenges und vielleicht durch Anwendung
geeigneter Absorptionsapparate wird sich sehr wahrscheinlich der Verlust an
Salpetersäure vermindern und dadurch die jetzige Herstellungsweise noch vollkommener
und gewinnreicher gestalten lassen. Nachfolgende Beschreibung möge ein Bild des
heute gebräuchlichen Fabrikationsganges geben; vielleicht daſs dieselbe ihren Zweck
erfüllt und maſsgebende Persönlichkeiten auf eine wissenschaftliche Behandlung
derselben lenkt.
Die im Grundrisse Fig. 1 in 1/200 n. Gr.
dargestellte Anlage besteht aus den Entwicklern A, den
Absorptionsgefäſsen B, einer Neutralisirpfanne C und einer Eindampfpfanne D. 6 Entwickler A sind mit 5 Vorlagen v auf geeignete Art verbunden. Von der letzten Vorlage
führt das Rohr r zu den Condensationstopfen B. Nachdem die Gase diese Gefäſse durchströmt haben,
treten sie durch ein Rohr z in den Kamin. Kurz vor dem
Austritte ist eine Glasröhre g eingeschaltet, welche
die Farbe der Gase erkennen läſst.
Fig. 1., Bd. 259, S. 328Fig. 1.; Arsenikfässer;
SalpetersäureflaschenFig. 2., Bd. 259, S. 328 Der Entwickler besteht aus einem etwa 300l fassenden Thongefäſse A (Fig. 2 in 1/30 n. Gr.), welches drei mit
Wasserverschluſs versehene Oeffnungen besitzt. Die mittlere, groſse Oeffnung ist zur
Aufnahme eines cylindrischen Thoneinsatzes R bestimmt.
Der Einsatz ist in seiner unteren Hälfte siebartig durchbohrt. Durch eine kleinere
Oeffnung o im Deckel wird das Arsenikpulver
eingetragen. Die Oeffnung a dient zum Eintragen der
Salpetersäure, während die dritte kleinere Oeffnung das Gasableitungsrohr
n aufnimmt. Das ganze Thongefäſs steht in einer
Holzbütte H und kann mit Wasser umgeben werden, dessen
Temperatur mittels eines Wasser- bezieh. Dampf leitungsrohres w und d beliebig geregelt
werden kann. Die Abzugröhre n mündet in ein Thongefäſs,
welches im Wesentlichen dieselbe Form hat wie die in Fig.
3 in 1/30 n. Gr. abgebildeten Condensationsgefäſse B, jedoch mit 3 (anstatt 2) Oeffnungen versehen ist. Die 5 Vorlagen v sind unter sich und mit den Entwicklern A derart verbunden, daſs die Dämpfe eines Entwicklers 2
bis 3 Vorlagen durchstreichen müssen, ehe dieselben in die eigentlichen
Condensationstöpfe B gelangen. Diese Anordnung ist
namentlich zur Verhütung von Verlusten bei etwaigem Uebersteigen der Reactionsmasse
eines Entwicklers so getroffen, indem der Schaum leicht in den Vorlagen v Platz findet und die Condensationstöpfe B nicht zu erreichen im Stande ist.
Von groſser Wichtigkeit ist die Beschaffenheit des Thonmaterials, indem die
Entwickler leicht dem Springen ausgesetzt sind. Bevor ein Topf beschickt wird, muſs
derselbe zuerst für sich sehr langsam durch das Wasserbad bis auf den Siedepunkt des
Wassers angewärmt werden. Dann wird derselbe sehr langsam erkalten gelassen, indem
die Oeffnungen sämmtlich zugestopft bleiben. Erst nach dieser Probe wird der Topf
beschickt. Die Holzbütten H sind zweckmäſsig stark mit
Theer auszustreichen, um beim Platzen eines Entwicklers die Reactionsmasse zu
halten.
Fig. 3., Bd. 259, S. 329Fig. 4., Bd. 259, S. 329 Die Condensationsgefäſse B (Fig. 3 und 4) enthalten
zwei groſse Oeffnungen für die Aufnahme des Gaszu- und des Gasableitungsrohres,
sowie eine kleine Oeffnung i zum Nachfüllen von Wasser
bezieh. verdünnter Salpetersäure. Nahe des Bodens ist endlich eine kleinere, durch
einen Thonhahn verschlossene Oeffnung x, welche zum
Ablassen der Salpetersäure dient. Die Zahl der Töpfe ist wenigstens auf 60 zu
bemessen, um unvollständige Condensation zu vermeiden. In dem Maſse, als der Inhalt
der den Entwicklern A zunächst stehenden Töpfe die
nöthige Concentration erlangt (das specifische Gewicht soll 1,32 bis 1,35 sein),
wird derselbe abgezogen und durch die gleiche Menge Flüssigkeit aus dem nächsten,
von den Entwicklern entfernten Topf ersetzt. Während man in den dem Kamine zunächst
stehenden Topf Wasser einfüllt, zieht man vom ersten Condensationsgefäſse Salpetersäure von 1,34
sp. G. ab. In sehr bequemer Weise, unter Ersparung aller Handarbeit, wird derselbe
Zweck erreicht durch die mit Ueberlauf- und Vertheilungsrohr versehenen
Condensationsgefäſse von Espenschied in Friedrichsfeld.
Der ununterbrochene Strom läuft in entgegengesetzter Richtung wie der Gasstrom. In
allen Fällen wird die Colonne an einem kühlen, vor Sonne geschützten Ort mit freier
Luftbewegung aufgestellt.
In je einen Entwickler werden 180k Salpetersäure
von 1,35 bis 1,40 sp. G. gefüllt und nun 150k
Arsenikpulver eingetragen. Während ganz reine Salpetersäure erst bei höherer
Temperatur oxydirend wirkt, dann aber fast augenblicklich, beginnt die rohe
Salpetersäure schon bei gewöhnlicher Temperatur zu wirken, was wahrscheinlich einer
kleinen Beimengung von Salzsäure zuzuschreiben ist. Die Hauptreaction beginnt aber
erst bei etwa 65°. Während unterhalb dieser Temperatur die Reaction sehr träge
verläuft, erreicht dieselbe die gröſste Heftigkeit gegen 70°; über dieser Temperatur
nimmt die Stärke der Reaction wieder ab. Es wird also am Anfange nur wenig Arsenik
eingetragen, dann durch Einleiten von Dampf in das Wasserbad erwärmt bis gegen 70°
und nun sehr vorsichtig Arsenik in kleinen Posten eingetragen. Durchschnittlich
dauert die Reactionszeit 60 Stunden. Zuletzt wird stärker erhitzt und das Ende der
Einwirkung durch Proben festgestellt. Eine kleine Probe der Masse wird in einem
Porzellanschälchen mit etwas Arsenik auf der Spiritusflamme erhitzt und, wenn dann
nur noch eine spurenweise Entwickelung von Salpetrigsäuredämpfen stattfindet, der
Prozeſs unterbrochen. Die Masse wird etwas erkalten gelassen und dann mittels Heber
aus den Entwicklern A abgezogen und in die
Neutralisirpfanne C gebracht. Enthält das Gemisch
sämmtlicher 6 Entwickler noch etwas freie Salpetersäure, so wird Arsen zugefügt;
enthält derselbe aber überschüssige Arsenigsäure, dann wird Salpetersäure zugesetzt
In beiden Fällen wird der Kesselinhalt so weit erhitzt, bis die Gasentwickelung
vollständig aufhört. Die Concentration der Arsensäure wird auf 75° gebracht und die
syrupförmige Masse nach dem Erkalten in Fässer abgezogen. Von gröſster Wichtigkeit
ist eine fortwährende, sorgfältige Ueberwachung der Entwickler, um ein Uebersteigen
der Masse zu verhüten. Ist die Gasentwickelung sehr heftig, so wird kaltes Wasser
aus der Leitung w in die Holzbütte H flieſsen gelassen und erst nach Beruhigung des
Inhaltes wieder erwärmt.
Im Allgemeinen hält sich die Temperatur des Gemisches ziemlich fest, indem die
Gasentwickelung desto mehr Wärme absorbirt, je stärker dieselbe vor sich geht,
Natürlich darf nie Arsenik in gröſserer Menge vorhanden sein, indem dann leicht die
bei der Reaction stattfindende Wärmeentwickelung ein Uebersteigen veranlaſst. Durch
den lose aufliegenden Deckel strömt so viel Luft zu, als zur Oxydation der
Stickoxyde erforderlich ist. Zeigt das Glasrohr g (Fig. 1) vor dem Kamine gelbe Färbung, dann ist entweder
zu wenig Luft in den Absorptionstöpfen B, oder die
Einwirkung in sämmtlichen Entwicklern A ist zu
stürmisch. Bei sorgfältig überwachtem Betriebe werden etwa 75 Procent der
Salpetersäure zurückgewonnen, wobei sicherlich noch bessere Regenerirung zu
ermöglichen ist.
Auſser zur Erzeugung von Fuchsin wurde die Arsensäure
bezieh. das Natronsalz derselben als Beize bei der Zeugdruckerei und auch in der Türkischrothfärberei verwendet. Dasselbe ist jedoch in letzterer Industrie
durch das phosphorsaure Natron verdrängt worden. Die Prüfung des Arseniks geschieht durch Auflösen einer Durchschnittsprobe in
einer Lösung von Natriumbicarbonat und Titration mit Jodlösung. Wie die Arsensäure
auf freie Salpetersäure oder auf Arsenigsäure geprüft wird, ist oben bereits
angegeben. Der Gehalt der Handelsproducte wird durch Ermittelung des specifischen
Gewichtes bestimmt.
Innsbruck, November 1885.