Titel: | Der polarisirte Doppelschreiber von Ed. Estienne in Paris. |
Fundstelle: | Band 261, Jahrgang 1886, S. 108 |
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Der polarisirte Doppelschreiber von Ed. Estienne in
Paris.
Mit Abbildungen.
Estienne's polarisirter Doppelschreiber.
In dem Berichte über die auf der Wiener Elektricitäts-Ausstellung vorgeführten
Neuerungen auf dem Gebiete der Telegraphie und Telephonie (vgl. 1883 250 * 395) ist bereits der polarisirte Schreibtelegraph
von Ed. Estienne in Paris und seine eigenartige
SchriftbildungObwohl Estienne auch jetzt noch für gewöhnlich
bloſs zwei Schriftelemente – „Strich“ und „Halbstrich“ oder
„Punkt“ – verwenden will und durch Ströme von gleicher Länge,
aber verschiedener Richtung eine Steinheilschrift erzeugt, welche der
Morseschrift bei Aufrechtstellung der sonst liegenden Striche an die Seite
gestellt werden kann, hat er kürzlich vorgeschlagen, durch gelegentliche Anwendung längerer Ströme neben
den kürzeren zu diesen beiden Schriftelementen von verschiedener Breite und
gleicher Länge noch zwei weitere von größerer Länge und verschiedener Breite
hinzuzufügen. Die Schrift würde dadurch wesentlich den Charakter einer
Stöhrerschrift annehmen. Estienne will indessen
diese vier Schriftelemente nicht als ganz gleichwerthig für die
Schriftbildung behandeln, sondern dabei bleiben, in der eben angedeuteten
Weise aus den beiden kürzeren ein die Morseschrift nachahmendes Alphabet
zusammenzustellen und die beiden längeren Schriftzeichen nur für gewisse
Zwecke, zu weiterer Abkürzung der Schrift, zu verwenden und dadurch die
Leistungsfähigkeit seines Telegraphes noch zu erhöhen. erwähnt
worden. Dieser Apparat, welcher damals in der französischen Abtheilung der
Ausstellung in Bréguet'scher Ausführung vorgeführt war,
ist seither von dem Erfinder in wesentlichen Theilen abgeändert worden.
Da die Versuche mit dem neuen Apparatsystem in der Deutschen
Reichs-Telegraphenverwaltung günstige Ergebnisse geliefert haben und deshalb die
theilweise Einführung desselben bereits erfolgt ist, so mag im Nachstehenden eine
Beschreibung des von dem Erfinder angenommenen Modelles für den Empfangsapparat und
die Doppeltaste nach Armengaud's Publication industrielle, Bd. 30 * S. 49 folgen und im
Anschlusse daran auf die bei Einführung des Apparates in Deutschland getroffenen
Aenderungen hingewiesen werden.
Das Laufwerk des Empfängers ist, wenn von der Regulirbarkeit der Laufgeschwindigkeit
abgesehen wird, von der des gewöhnlichen Morse'schen
Empfängers französischer Ausführung nicht verschieden; ebenso ist die Papierführung
im Wesentlichen beibehalten. Neu und eigenartig sind an dem Empfänger die in Fig. 1 bis 4 dargestellten, an der
vorderen Wange des Laufwerkkastens liegenden schreibenden Theile mit der
Stellvorrichtung des Farbkastens und die in Fig. 5 gezeichneten, an
der Rückwand des Kastens liegenden elektromagnetischen Theile mit der
eigenthümlichen Polarisationsvorrichtung.
Während bei der ursprünglichen Ausführung des Empfängers und zwar sowohl bei dem
Modell Breguet, wie bei dem von Postel-Vinay, zur Herstellung des ganzen Striches die gleichzeitige
Wirkung beider neben einander liegenden Schreibfedern in Anspruch genommen wurde,
schreibt bei dem neuen Modelle jede der beiden Federn von der anderen unabhängig das
ihr zukommende Zeichen. Die Federn sind dazu jetzt nicht mehr seitlich neben
einander gelagert, sich in ihrer ganzen Breite zur Länge des Strichzeichens
ergänzend; sie liegen vielmehr, um ihren Aufhängungspunkt beweglich, in der Ruhelage
des Empfangsapparates mit der Breitseite an einander, sich auf die sie zum Schreiben
gegen den Papierstreifen heran bewegende Gabel N
stützend und durch ihre genau abgeglichene Schwere in der Gleichgewichtslage
haltend. Ihrer Bestimmung entsprechend hat die linke Feder, die Punktfeder, an ihrer
Schreibseite die Breite des Halbstriches, die rechte, die Strichfeder, dagegen die
des ganzen Striches. Wird die linke Feder durch den sogleich zu erörternden
Schreibmechanismus gehoben, so tritt die rechte entsprechend zurück und
umgekehrt.
Zur eigentlichen Schreibvorrichtung sind die in Fig. 6 bis 9
dargestellten Schreibfedern J mit den zugehörigen
Schreibhebeln K zu rechnen. Jede Schreibfeder besteht
aus zwei durch ein Gelenk j mit einander verbundenen
Flügeln J1 und J2, welche in
schreibfertigem Zustande durch eine an J2 angenietete Blattfeder j1 zusammengehalten werdenIn den Zeichnungen sind die Unterscheidungsziffern der Buchstaben als
Exponenten hochstehend eingesetzt. . Um die Feder schreibfertig
zu machen, werden die beiden Flügel durch einen auf die etwas vorstehenden Ränder
derselben ausgeübten Druck geöffnet, wonächst man einen Streifen sämisch
bearbeiteten Schafleders
von passender Breite zwischen dieselben legt und die Flügel wieder schlieſst.
Fig. 1., Bd. 261, S. 110
Fig. 2., Bd. 261, S. 110
Der eine der beiden Flügel jeder Feder und zwar derjenige,
welcher bei der betriebsfertig gemachten Feder im Farbgefäſse nach unten zu liegt,
mithin auch bei niedrigem Flüssigkeitsspiegel unmittelbar in die Farbflüssigkeit eintaucht, besitzt
einen rechteckigen, fensterartigen Ausschnitt, durch welchen die Farbe zur
Saugledereinlage gelangen kann. In Folge der Capillarität durchtränkt sich das Leder
mit ihr bis vorn an die Schreibfläche des Federgestelles; die Feder ist nun zum
Schreiben zusammenhängender schmälerer oder breiterer Striche vorbereitet. Jede
Schreibfeder ist mit ihrem Schreibhebel durch Vernietung verbunden. An ihrem der
Feder entgegengesetzten oberen Ende tragen beide Schreibhebel eine längere Hülse,
die bei k2 über einen
in die vordere Gestellwange des Apparates eingesetzten Dorn geschoben wird, um
welchen dann jeder derselben beweglich ist. Zwei drehbare Stiftchen k1 (Vorreiber) halten
in ihrer in Fig.
3 gezeichneten Lage die Schreibhebel auf den Dornen zurück und verhüten
somit ein Herabgleiten derselben während ihrer Bewegung, Beide Schreibhebel haben,
der Wirkung der Schwere folgend, das Bestreben, sich frei nach unten zu legen.
Diesem Bestreben wirken jedoch die Zinken der Gabel N,
auf welche sich die Schreibhebel mit ihren nach hinten vorstehenden Anschlagstiften
k3 auflegen,
entgegen, so daſs die Federn in der Ruhelage der Gabel, d.h. bei stromloser Leitung,
wie in Fig. 1 dargestellt, neben einander im
Gleichgewichte liegen. Tritt jetzt ein Strom von bestimmter Richtung auf, durch
welchen beispielsweise die mit dem Anker U (Fig. 5) aus
weichem Eisen auf derselben Welle n befestigte Gabel
N nach rechts gelegt wird, so drückt die linke
Zinke gegen den Anschlagstift des linken Schreibhebels, die Punktfeder steigt und
bewirkt auf dem um die Druckrolle v geführten
Papierstreifen den Abdruck des Halbstriches. Im Augenblicke des Aufhörens der
Stromwirkung kehrt der Anker U und die mit demselben
auf gleicher Achse aufgesteckte Gabel N nebst der
linken Feder durch den weiter unten beschriebenen Polarisationsmagnet beeinfluſst,
in die Ruhestellung zurück, wohin unter der Einwirkung der rechten Zinke auch die
bisher gesenkte Schreibfeder wieder emporsteigt. Ein entgegengesetzt gerichteter
Strom legt den Anker und die Gabel nach links, wobei die Strichfeder gehoben wird
und schreibt.
Das Farbgefäſs M (Fig. 1
bis 4) ist an
der vorderen Apparatwange verstellbar und kann zwei bestimmte Lagen, eine hohe und
eine tiefe, einnehmen. In der hohen Lage tauchen beide Federn in die Farbflüssigkeit
ein. Stellt man den Hebel M2 nach links, so wird das Farbgefäſs aus der hohen in die tiefe Stellung
übergeführt. Es geschieht dies mittels des in einen Einschnitt der Messingplatte M1 eingreifenden
Daumens dieses Hebels, welcher, je nachdem er von links nach rechts oder umgekehrt
gedreht wird, die Platte an der Gestellwange herunter führt oder in die Höhe steigen
läſst. Die Platte M1
besitzt zwei Hülsen, durch welche zwei an dem Farbgefäſse M sitzende eiserne Stifte hindurchgreifen und sich durch Schlitze in der
Apparatwand auch noch durch diese hindurch fortsetzen. Zwischen M1 und M liegt noch die
Fig. 3–10., Bd. 261, S. 112
an der Apparatwand A mittels der
Schraube m festgeschraubte Stahlplatte m2. In der hohen
Stellung kann das Farbgefäſs nicht abgenommen werden, weil der hintere Rand
desselben gegen die Schreibfedern Stoſsen und von diesen zurückgehalten werden
würde; in der tiefen Stellung dagegen sind die Federn aus der Farbflüssigkeit
herausgehoben und somit dem Abnehmen des Gefäſses nicht mehr im Wege; in der hohen
Stellung des Farbgefäſses tritt zugleich die Platte m2 in zwei Schlitze der Stifte des
Schreibgefäſses hinein und verhindert so das Abnehmen des Farbgefäſses, bis dasselbe
in seine tiefe Stellung gebracht ist.
Bei richtig eingestelltem Apparate sollen die bei ruhendem Laufwerke bewirkten
Abdrücke beider Zeichen sich decken, d.h. es soll nur die von der rechten Feder
erzeugte Strichmarke auf dem Streifen erscheinen. Ist dies nicht der Fall, so muſs
der Apparat durch Einstellen des Ankers bezieh. der Gabel in die genaue Mittellage
bezieh. durch Anziehen oder Lösen der das Spiel der Gabel begrenzenden
Anschlagsschrauben und durch geeignete Einstellung der mittels einer besonderen
Stellplatte V (Fig. 4) an der vorderen
Apparatwange verstellbar befestigten Druckrolle v
regulirt werden. In Fig. 3 erscheint die obere Walze D1 des Papierzuges von der unteren D abgehoben; durch Zurücklegen des Hebels E1 wird sie auf D herabgelegt.
Zu den elektromagnetischen Theilen gehören die beiden Elektromagnetschenkel Q (Fig. 5) mit
Verbindungsstück und verstellbaren Polschuhen Q1, zwischen denen die obere Hälfte des auf der Achse
n befestigten Ankers V
spielt. Derselbe wird bei stromloser Leitung durch die Wirkung des in die Deckplatte
des Apparatkastens eingelassenen und mit der messingnen Grundplatte B des Apparates verbundenen zweilamelligen
Hufeisenmagnetes aus Wolframstahl in seiner Ruhelage, der sogen.
„Mittelstellung“, erhalten. Die Elektromagnetschenkel sind an der
hinteren Apparatwange befestigt und durch einen abnehmbaren, mittels Haken und Oesen
zu befestigenden Holzdeckel gegen zufällige Beschädigungen geschützt. Die messingene
Welle n, welche vorn die Gabel N, hinten dagegen den Anker U trägt, ist,
leicht drehbar, in den Bügeln N1 gelagert, welche an die vordere und hintere
Apparatwange angeschraubt sind. Das untere Ende des Ankers U läuft in eine Schneide aus, welche dem Nordpole des Hufeisenmagnetes
gegenübersteht, jedoch nicht ohne Vermittelung. Zwischen der Schneide des Ankers U und dem Nordpole des Magnetes befindet sich in einem
entsprechenden Ausschnitte der Grundplatte der Läufer u
(Fig.
10), d. i. ein beweglicher Polschuh aus weichem Eisen; derselbe ist
prismatisch abgeschliffen, so daſs die Kante des Prisma nach oben gerichtet ist. Die
Kante des Prisma ist in den Schlitz eines auf der Grundplatte des Apparates
verschiebbaren Messingschlittens U1 (Fig. 5) eingelöthet,
wodurch Läufer und Schlitten zu einem unwandelbaren Systeme verbunden sind. Der
Schlitten, welcher die Stellvorrichtung für den Anker bildet, hat nach hinten zwei aufwärts stehende
Backen, in welche zwei mit Schraubengewinde versehene Stifte und etwas tiefer zwei
Führungsstifte eingesetzt sind. In geringem Abstande von dem Schlitten sind rechts
und links neben demselben auf der Grundplatte B zwei
Träger aufgesetzt, welche die beiden in jene Ansätze eingeführten Schraubenspindeln
aufnehmen. Mittels dieser beiden Schrauben – und zwar indem man die eine Mutter u1 lüftet, die andere
anzieht – kann der Schlitten U1 in engen Grenzen von links nach rechts und
umgekehrt verschoben werden, bis die richtige Mittellage des Ankers erreicht ist,
wobei die Schneide des Ankers U scharf gegen die obere
Kante des Eisenprisma u gerichtet ist.
Vor den Polen des Magnetes liegt ein Schlieſsungsanker aus weichem Eisen, welcher
durch einen an die Unterseite der Grundplatte B
angeschraubten Messingbügel geführt wird. Der Schlieſsungsanker ist in seiner Lage
von der Stellung des Bremshebels des Laufwerkes abhängig. Ist der Hebel nach rechts
gestellt, wobei das Laufwerk gehemmt ist, so liegt der Eisenstab, den Magnet
schlieſsend, vor den Polen desselben; in der linken Stellung des Bremshebels dagegen
ist der Magnet offen und das Laufwerk ausgelöst. Weil der Empfangsapparat
geräuschlos arbeitet, so wird ihm für Leitungen, die nicht in ununterbrochenem
Betriebe sind, ein Wecker beigegeben, für welchen der Bremshebel zugleich als
Kurbelumschalter dient. In der rechten Stellung des Hebels ist nämlich die an das
Apparatgestell geführte Telegraphenleitung auf Wecker geschaltet; in der linken
dagegen wird der aus der Leitung ankommende Strom durch den Empfangsapparat geführt
und der Wecker ist dabei ausgeschaltet. Eine Abweichung hiervon zeigen jetzt die
Apparate des Reichs-Postamtes. Um nämlich zu verhüten, daſs der Telegraphirende bei
Berührung des Bremshebels von einer durch die Leitung zum Apparatgestelle kommenden
atmosphärisch-elektrischen Entladung getroffen werde, wird die Leitung gar nicht an
den Apparat geführt, sondern an eine Schiene, welche zwar vom Bremshebel aus bewegt
wird, dabei aber nicht in metallische Berührung mit ihm kommt; eine an der Schiene
angebrachte Contactfeder berührt in den beiden Stellungen des Bremshebels die eine
oder die andere von zwei messingenen Contactschienen und schaltet so die Leitung auf
den Wecker oder auf den Schreibapparat; zugleich läſst eine mit einer Theilung
versehene Messingplatte erkennen, wie weit der Bremshebel und durch diesen der
Schlieſsungsanker verschöben und so die Wirkung des Magnetes in der von Estienne gewählten, gleich näher zu besprechenden Weise
abgeändert wurde.
Neuerdings bringt Estienne an Stelle des rechten und
linken Contactes des Bremshebels auf der Vorderseite der Grundplatte und zwar
innerhalb der durch den Hebel bestrichenen Ebene drei Contactknöpfe an. Dieselben
gestatten eine Einstellung des Hebels auf drei verschiedene Stellen und hierdurch
Abstufung der magnetisirenden Kraft des Läufers und die Einnahme einer
Zwischenstellung, je nachdem die Stärke der Telegraphirbatterie im gebenden Amte
eine Abstufung der Empfindlichkeit des Empfängers erwünscht erscheinen läſst. Eine
weitere Neuerung besteht darin, daſs der Anker U auf
der Schreibwelle n nicht mittels eines durchgesteckten
Stiftes befestigt, sondern beweglich angebracht wird: das Einstellen desselben in
die genaue Mittellage erfolgt dabei durch zwei Anschlagschrauben, zwischen denen die
Zunge U spielt. Der Schlitten U1 und dessen Stellvorrichtung fallen bei
dieser Anordnung fort.
Der zum Apparatsysteme gehörige Sender, ein Doppeltaster, ist in Fig. 11 bis 16 in
verschiedenen Ansichten und Sellungen, z. Th. im Schnitte dargestellt. Die beiden
Hebel A und A1 des Doppeltasters sind durch eine
Ebonitzwischenlage in zwei gegen einander isolirte Theile getrennt. Der Stromlauf
ist leicht zu verfolgen, wenn man sich mit dem Säulchen H1 den Empfangsapparat, mit den Contacten
G bezieh. G1 und den Federn d1 bezieh. d den Zink-
bezieh. Kupferpol der Batterie, mit der Feder J am
Säulchen D die Erde und mit dem Lagerbocke B der beiden Tastenhebel die Telegraphenleitung
verbunden denkt. Es wird dann nämlich beim Drucke des linken Tasterhebels A1 die mit der Leitung
verbundene wagerechte Blattfeder H durch den am
isolirten vorderen Ende des Hebels angebrachten Stift h1 von dem Säulchen H1 abgehoben und
Kupferstrom in die Leitung geschickt, während gleichzeitig der Zinkpol der Batterie
an Erde gelegt wird. Umgekehrt tritt beim Drucke des rechten Tasterhebels Zinkstrom
in die Leitung, während der Kupferpol an Erde gelegt wird. Der aus der Leitung
ankommende Strom geht über die wagerechte Blattfeder H
und das Contactsäulchen H1 zum Empfangsapparate bezieh. zum Läutewerk und zur Erde. Dem Sender ist
eine Entladungsvorrichtung beigegeben, deren Einrichtung in Fig. 13 erkennkar ist.
Gegen das in die Schraube i1 eingedrehte Schräubchen drückt die lothrechte Blattfeder J, welche mittels i1 beliebig vor- und zurückgestellt werden kann; die
Vertikalfeder trägt bei i eine kleine Nase aus Platin,
welche dazu bestimmt ist, mit der wagerechten, mit der Leitung verbundenen
Blattfeder H bei deren Aufwärtsbewegung sowie beim
Niedergange einen Erdcontact zu bilden. Beim Einstellen der Entladungsvorrichtung
ist zu beachten, daſs, wenn die Vertikalfeder I zu weit
vorgestellt ist, die Horizontalfeder H an der Nase
angehalten werden kann, wodurch dann ihr Zurückgehen in die Ruhelage und die
derselben entsprechende Verbindung mit dem Empfangsapparate verzögert wird.
Die im J. 1884 für Rechnung und nach den Angaben der Reichs-Telegraphenverwaltung bei
den Gebrüder Naglo in Berlin erbauten 100
Empfangsapparate des Systemes Estienne sind, abweichend
von dem Modelle des Erfinders, unter thunlichster Anpassung an den
Morse-Normalfarbschreiber ausgeführt worden. Ebenso zeigt das vom Reichs-Postamte
angenommene Modell des Senders gegenüber dem durch Postel-Vinay
ausgeführten Estienne'schen Sender in so fern eine wesentliche
Abweichung, als bei demselben die zum Betriebe des Apparates erforderlichen Ströme
verschiedener Richtung zwei besonderen Batterien entnommen werden, deren unbenutzte
Pole an Erde gelegt sind.
Fig. 11–19., Bd. 261, S. 116
Diese Anordnung gewährt den Vortheil, daſs bei gröſseren
Aemtern, denen mehrere Estienne'sche Systeme überwiesen
sind, nach Umständen gemeinsame Batterien zum Betriebe mehrerer Leitungen benutzt werden
können. Ebenso können auch jedem der beiden Hebel des Senders annähernd dieselbe
Einrichtung und dieselben Verbindungen gegeben werden wie dem einfachen Taster für
Arbeitstrombetrieb.
Bei diesen Telegraphen wurden Laufwerk und Aufziehvorrichtung des
Normalfarbschreibers unverändert beibehalten; auch die Unterbringung der Papierrolle
in dem Untersatzkasten, sowie die Anordnung der Papierführung und der
Papierzugwalzen ist dieselbe. Ebenso ist die Befestigungsweise des Farbekastens an
der vorderen Apparatwange beibehalten. Nur die Oeffnung in der Deckplatte des
Farbekastens muſste der abweichenden Einrichtung der Schreibvorrichtung entsprechend
abgeändert werden und die Einguſsöffnung wurde in eine nach vorn zu sich
erstreckende halbrunde Erweiterung des Farbekastens verlegt. Die Schreibfedern und
die Befestigung der Federhalter an der Apparatwand, ferner die Gabel, welche die
Federn zum Schreiben an den um die verstellbare Druckrolle herumgeführten
Papierstreifen heranbewegt, der auf die Gabelachse aufgesteckte Anker aus weichem
Eisen nebst dem denselben magnetisirenden Hufeisenmagnete sind in der vorstehend
beschriebenen Einrichtung und Anordnung beibehalten oder nur unwesentlich abgeändert
worden.
Durchgreifender sind die Aenderungen an dem deutschen Doppeltaster, welcher in Fig. 17 bis
19
dargestellt ist. Die Wirkungsweise desselben wird leicht klar, wenn man sich mit der
Klemme K1 den
Kupferpol, mit K2 den
Zinkpol je einer Batterie verbunden denkt und wenn ferner an K6 die Leitung, an K5 die Erde und an K4 die Apparatzuleitung
geführt werden. Wenn die Strichtaste T1 gedrückt wird, so tritt – von der auch hier wie
bei dem Estienne'schen Taster vor sich gehenden
Entladung abgesehen – Kupferstrom über die Schiene S1
, den Hebel T1, die Achse a1, den Ständer C1 und K6 in die Leitung, während beim Drucke der Punkttaste
T2 Zinkstrom über
S2, T2, a2, C, a1, C1 und K6 in die Leitung
geschickt wird. Der beim Empfangen aus der Leitung ankommende Strom dagegen nimmt
seinen Weg über K6, C1, S6, D, die Feder F, das
Säulchen J, S4 und K4 zum Empfangsapparat
bezieh. zum Läutewerk und zur Erde. Die Stifte h1 und h2 haben bei der vorliegenden Anordnung nur den
Zweck, die Blattfeder F beim Drucke des einen oder
anderen Tasterhebels von dem mit der Apparatklemme K4 verbundenen Säulchen J abzuheben.
Von sonstigen kleineren Aenderungen ist noch zu erwähnen, daſs zur Sicherung des
Contactes mit der Leitung auſser der unmittelbaren Verbindung durch die Achsen der
Tasterhebel noch eine um a1 bezieh. a2
gelegte Stahldrahtspirale dient, deren freie Enden einerseits an den Hebeln T1 bezieh. T2, andererseits an den
Lagerböcken C1 bezieh.
C2 angeschraubt
sind. Auſserdem sind neuerdings die äuſseren Seiten der Ebonitplatten e1 bezieh. e2 zur Verhütung eines
unabsichtlichen Heruntergleitens des auf sie drückenden Fingers mit erhöhten Rändern
versehen worden, was der in Fig. 19 dargestellte
Schnitt nach der Linie I-II in Fig. 18 deutlich sehen
läſst.
Die Leistungsfähigheit des neuen Systemes ist vor der
Einführung desselben auf ober- und unterirdischen Leitungen zwischen Berlin und
Leipzig, sowie auf unterirdischen Leitungen zwischen Berlin und Frankfurt a. Main
erprobt worden. Auch zwischen Berlin und Karlsruhe (Baden) sind Apparate Estienne'scher Lieferung unter Benutzung einer in
Cassel eingerichteten Uebertragung mit bestem Erfolg in Betrieb gesetzt worden. Mit
Apparaten deutscher Bauart hat sogar in letzter Zeit auf der rund 600km langen unterirdischen Linie von Berlin nach
Köln (Rhein) ein sicherer Verkehr ohne Uebertragung bezieh. Relais
stattgefunden.
Die Uebertragung ist nach dem Archiv für Post und
Telegraphier 1885 * S. 495 nach dem Vorschlage des Telegraphendirektors Pröll in Berlin nach der Schaltungsskizze Fig. 20 unter Verwendung von je 2 Relais R1 und R3 bezieh. R2 und R4 durchgeführt worden;
sie fällt übrigens wesentlich zusammen mit der von E.
Matzenauer bereits im August 1847 erdachten, in der Zeitschrift des Oesterreichischen Ingenieurvereins, 1851 S. 28 und 63
bezieh. 1863 S. 139 besprochenen Uebertragung für die damals in Oesterreich in
Gebrauch befindlichen Bain'schen Nadeltelegraphen, die
ja ebenfalls mit Arbeitströmungen von zwei verschiedenen Richtungen betrieben
wurden. Von den paarweise hinter einander geschalteten vier polarisirten (Hughes-) Relais sprechen R1 und R2 auf positive, R3 und R4 auf negative, aus L2 bezieh. L1 ankommende und über d2, i2, e2 bezieh. d1, i1, e1 zur Erde E gehende Telegraphirströme an und geben dabei in
bekannter, aus der Figur leicht ersichtlicher Weise zugleich die positiven Ströme
der Batterie + B bezieh. die negativen der Batterie
–B in die Leitung L1 bezieh. L2 weiter.
Fig. 20., Bd. 261, S. 118
Natürlich würden sich an Stelle der vier polarisirten Relais auch zwei Estienne'sche Apparate selbst als Uebertrager benutzen
lassen und zwar läſst sich die Uebertragung mittels derselben ebenso wohl bei
Verwendung zweier getrennter und mit dem einen Pole (wie +B und –B in der obigen Skizze) an Erde
gelegten Linienbatterien durchführen wie mit einer einzigen Batterie, wie dies E. Zetzsche in der Elektrotechnischen Zeitschrift, 1886 * S. 112 eingehender aus einander
gesetzt hat.