Titel: | Untersuchungen über das rasche Vergilben des Papieres; von Prof. Dr. Julius Wiesner. |
Autor: | Julius Wiesner |
Fundstelle: | Band 261, Jahrgang 1886, S. 386 |
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Untersuchungen über das rasche Vergilben des
Papieres; von Prof. Dr. Julius Wiesner.
Wiesner, über das rasche Vergilben des Papieres.
Hr. Dr. Leithe, Direktor der Bibliothek der k. k.
technischen Hochschule zu Wien, hat, veranlaſst durch eine starke Vergilbung
zahlreicher in den 60er und 70er Jahren ausgegebenen, in der genannten Bibliothek
aufgestellten Werke, an mich das Ersuchen gestellt, ihm die Ursachen bekannt zu
geben, welche zu dieser unwillkommenen und sich so rasch einstellenden Veränderung
heutiger Druckwerke führen. Die Schädigung solcher Werke selbst bei einer
Aufstellung, bei welcher Bücher älteren Ursprunges völlig unversehrt bleiben, ist bekannt genug und fordert
die Vorstände groſser Büchersammlungen recht dringend auf, durch geeignete
Aufstellung der Bücher dem Umsichgreifen der genannten Veränderung des Papieres
möglichst zu steuern. In der Hoffnung, durch passende Aufstellung der Bücher dem
Uebel Einhalt zu thun, wird Direktor Leithe durch den
Umstand bestärkt, daſs mehrere Exemplare ein und desselben Werkes in verschiedenen
Bibliotheken in sehr verschiedenem Grade vergilbt erscheinen.
Die Angaben über das Zustandekommen des raschen Vergilbens heutiger Papiere, welche
ich in der Litteratur vorfand, waren so ungenügend, daſs ich mich zur Anstellung
besonderer Versuche veranlaſst sah, deren Ergebnisse ich hier in Kürze mittheilen
will.
Zuerst aber noch einige Worte über die bisherigen, das Vergilben betreffenden
Ansichten. Es ist allgemein bekannt, daſs man zwischen dem im Laufe langer Zeiträume
sich einstellenden Vergilben der Papiere und jenem Gelbwerden zu unterscheiden habe,
welches viele heutige Papiere schon nach kurzer Zeit zeigen, namentlich wenn solche
der Luft frei ausgesetzt sind. Die erstere Art des Vergilbens wird auf eine
Humificirung zurückgeführt, wofür aber bisher noch keine Belege beigebracht wurden.
Die letztere Art, das rasche Vergilben – und nur mit
diesem werde ich mich in diesem Aufsatze beschäftigen – wird derzeit ausschlieſslich
dem Holzschliffpapiere zugeschrieben. Aus Nadelholz erzeugtes Papier soll der
Vergilbung mehr unterliegen als Papier, welches aus Laubholz bereitet wurde. Aus
jungem Holze erzeugte Papiermasse soll besonders rasch vergilben. Viele betrachten
auch diese Art der Vergilbung als eine durch Feuchtigkeit begünstigte rasche
Humificirung der Holzfasern des Papieres. Dieser Ansicht scheint auch Prof. Hoyer hinzuneigen, obwohl einige seiner Angaben wieder
vermuthen lassen, daſs er auch dem Lichte, ja sogar dem Ammoniakgehalte der
Atmosphäre eine Rolle bei diesem Prozesse zuschreibe.Vgl. E. Hoyer: Das Papier, seine Beschaffenheit und
deren Prüfung (München 1882). Auf andere in der
Litteratur vorfindliche z. Th. sehr abenteuerliche Erklärungen des Vergilbens will
ich hier nicht näher eingehen.
Zu meinen Versuchen dienten zunächst Papiere, welche nach Ausweis der von mir zuerst
vorgeschlagenen Phloroglucin-Probe reich an Holzsubstanz waren und die bei
mikroskopischer Untersuchung als Holzschliffpapiere sich erwiesen.
Stücke solchen Papieres wurden dem unmittelbaren Sonnenlichte ausgesetzt und von Zeit
zu Zeit mit Proben desselben Papieres verglichen, welche vor Einwirkung selbst des
schwächsten Lichtes geschützt waren. Bei hohem Sonnenstande und nahezu senkrechtem
Einfalle der Sonnenstrahlen lieſs sich schon nach einer Stunde der Beginn des
Vergebens erkennen. Da bei jenen Temperaturen, welchen die Papiere während der Bestrahlung
ausgesetzt waren, im Dunkeln keine Veränderung wahrnehmbar wurde, so muſste geschlossen werden, daſs das Licht bei der Vergilbung
der Holzpapiere betheiligt ist.
Wird ein Stück desselben Papieres in der Toricelli'schen
Leere dem Sonnenlichte ausgesetzt, so stellt sich auch nach Monate langer Einwirkung
keine Spur einer Vergilbung ein, selbst wenn man im Quecksilber etwas Wasser
aufsteigen läſst und das Probepapier alsbald im feuchten Raume sich befindet. Dieser
Versuch zeigt, daſs auch die Luft bei der Vergilbung betheiligt ist, und es kann
wohl, namentlich mit Rücksicht auf den Umstand, daſs Stickstoff und Kohlensäure dem
Holzschliffpapiere gegenüber sich völlig indifferent verhalten, keinem Zweifel
unterliegen, daſs die Vergilbung des Holzpapieres ein durch
das Licht bedingter Oxydationsprozeſs ist.
Bringt man einen Streifen des Holzpapieres in ein Proberöhrchen, welches durch
Schwefelsäure abgesperrt ist, so findet man selbst nach Wochen lang währender
Aussetzung im Sonnenlichte keine Veränderung; erst nach mehrmonatlicher Einwirkung
des Lichtes stellt sich eine schwache Vergilbung ein. Hieraus folgt, daſs Feuchtigkeit allerdings die Vergilbung sehr begünstigt,
indeſs zum Eintritte der Erscheinung nicht unbedingt erforderlich ist.
Die Stärke des Lichtes, ganz besonders aber die Brechbarkeit desselben (Lichtfarbe)
haben auf die Vergilbung der Holzpapiere groſsen Einfluſs.
Was zunächst das erstere Verhältniſs anlangt, so bemerke ich, daſs ein bestimmtes, an
geschliffenem Holz reiches Papier (auf welchem das „Neue Wiener Tagblatt“
gedruckt ist), nach 6 tägigem Liegen an einem Nordfenster, also bloſs dem diffusen
Tageslichte ausgesetzt, sich nur so weit färbte als nach 1½ stündiger Einwirkung
direkten Sonnenlichtes. Nach mehrwöchentlicher Einwirkung des Sonnenlichtes wurde
das Probepapier tief braungelb. In ähnlicher Weise färbte sich das Papier erst nach
mehrmonatlicher Einwirkung des diffusen Lichtes.
Im Gaslichte ist die Vergilbung eine so schwache, daſs sie
erst nach sehr langer Einwirkung beobachtet werden kann. Ich will dies
durch folgende Beobachtung belegen. Ein Stück des Tagblatt-Papieres wurde am 27.
Februar 1886 im Dunkelzimmer des Pflanzenphysiologischen Institutes vor einer Flamme
aufgestellt, welche eine Leuchtkraft von etwa 8 Normalkerzen hatte und. zwar in
einer Entfernung von 75cm. Die Flamme brannte Tag
und Nacht. Nach Ablauf eines Monates war so gut wie keine Färbung noch zu bemerken
und erst nach viermonatlicher Einwirkung des Gaslichtes
stellte sich eine geringe Färbung ein, vergleichbar jener, welche in der Sonne
schon nach etwa zwei Stunden eintritt.
Die geringe Wirkung des Gaslichtes gegenüber dem Sonnen- und diffusen Tageslichte ist
indeſs mehr auf den Unterschied der Brechbarkeit als auf jenen der Stärke zu
stellen, wie sich aus folgendem Versuche ergibt.
Ich fülle eine doppelwandige Glasglocke (Senebier'sche
Glocke) mit einer Lösung von doppeltchromsaurem Kali, eine zweite mit schwefelsaurem
Kupferoxydammoniak. Schichtendicke und Lösung sind so gewählt, daſs die eine Glocke
– ich will sie kurz die „gelbe Glocke“ nennen – bloſs Roth bis Grün, die
andere – sie sei kurz als „blaue Glocke“ bezeichnet – Grün bis Violett
durchläſst. Während unter der blauen Glocke, namentlich im Sonnenlichte, sehr rasch
die Vergilbung des Holzschliffpapieres sich einstellt, ist dieselbe im diffusen
Tageslichte gar nicht abzuwarten, so schwach ist die Wirkung. Da nun, wie bekannt,
photographisch empfindliche Platten und Papiere (z.B. das Talbot'sche Papier) ein gleiches Verhalten unter den beiden Glasglocken
darbieten, so folgt, daſs es ähnlich der Wirkung des Lichtes
gegenüber den Silbersalzen vorwiegend die stark brechbaren Strahlen sind
(blaue bis ultraviolette), welche die Vergilbung des
Holzschliffpapieres bedingen.
Da nun die Gasflamme hauptsächlich Strahlen geringerer Brechbarkeit aussendet und nur
relativ wenig stark brechbare Strahlen, welcher Umstand es genügend erklärt, warum
im gewöhnlichen Gaslichte das Photographiren unter Anwendung der gewöhnlichen Mittel
nicht durchführbar ist, so wird es begreiflich, daſs das Gaslicht dem Holzpapiere
gegenüber fast vollständig wirkungslos ist.
Einige chemische Veränderungen, welche Folge der Vergilbung sind, lassen sich leicht
und mit Sicherheit feststellen. Um ein richtiges Verständniſs dieser Verhältnisse zu
ermöglichen, muſs ich die chemische Beschaffenheit der verholzten Zellwand in Kürze
schildern. Man nahm früher an, daſs in den verholzten Geweben neben Cellulose noch
ein anderes chemisches Individuum, der Holzstoff (Lignin) vorkomme. Diese auch mit
dem sehr unpassend gewählten Worte „inkrustirende“ Materie bezeichnete
Substanz ist nun nach den hauptsächlich von mir und meinen Schülern ausgeführten
Untersuchungen ein Gemenge mehrerer Körper, unter welchen Vanillin, Coniferin,
ferner eine durch Salzsäure sich gelb färbende, nicht näher bekannte Substanz und
mehrere Gummiarten nie fehlen. Das Vanillin, welches nach unseren Untersuchungen die
sogen. Holzstoff-Reactionen bedingt, ist am sichersten durch Phloroglucin und
Salzsäure, das Coniferin durch ein Gemenge von Phenol, Salzsäure und chlorsaurem
Kali nachzuweisen, welche Reagentien das Coniferin durch eine besonders im
Sonnenlichte stark hervortretende Blaufärbung zu erkennen geben.
Im Lichte wird nun im Papiere die durch Salzsäure sich gelb
färbende Substanz nicht zerstört, wohl aber Coniferin und Vanillin. In
stark am Sonnenlichte gebräuntem Holzschliffpapier ist in der Regel kein Coniferin
durch Phenol-Salzsäure nachweisbar. Hingegen läſst sich die Gegenwart des Vanillins
feststellen. Allein ein Vergleich mit frischem Holze oder frischem, noch nicht
vergilbtem Holzschliffpapiere lehrt, daſs das Vanillin bei der Vergilbung stark
abgenommen hat.
Weiter läſst sich noch feststellen, daſs die Stärkemenge in dem am Lichte vergilbten
Papiere abgenommen hat, indem dasselbe im Vergleiche zu dem übrigen Papiere mit
wässeriger Jodlösung nur eine sehr schwache Blaufärbung annimmt, selbst wenn man
früher mit Salzsäure angesäuert hat.
Das am Lichte vergilbte Papier wird durch Kalilauge stark braun. Weder durch Wasser,
noch durch Aether und Alkohol läſst sich ein vergilbtes Papier entfärben, auch dann
nicht, wenn Siedehitze angewendet wird.
Da es die Bestandtheile der verholzten Zellwand sind,
welche die im Lichte sich einstellenden Veränderungen des Papieres bedingen, so ist
es eigentlich selbstverständlich, daſs erstlich alle jene Papiere, welche irgend
welche verholzte Gewebsbestandtheile enthalten, dieselbe Erscheinung zeigen müssen
und daſs Holzstoffpapiere, deren Fasern von der sogen. Holzsubstanz vollkommen
befreit wurden, der Vergilbung nicht unterliegen. Zu den letzteren sind jene in
neuerer Zeit so viel gebrauchten, im Vergleiche zu Holzschliffpapieren so guten
Holzstoffpapiere zu zählen, deren Fasern durch chemische Mittel aus dem Holze
gewonnen wurden.
Aus Juteabfällen bereitete Papiere verhalten sich, da die Jutefaser, wie ich zuerst
zeigte (vgl. 1869 194 * 244), sehr stark verholzt ist,
wie Holzschliffpapiere. Strohstoff enthält namentlich in den Gefäſsen Holzsubstanz.
Ist Strohstoff nicht vollständig gebleicht, so vergilbt ein daraus bereitetes
Papier, aber selbstverständlich weniger als Holzschliffpapier.
Aus völlig unverholzten Fasern bestehende Papiere (alle guten Sorten von reinem
Hadernpapier) unterliegen gar nicht der Vergilbung. Im Lichte sowohl, als im
Finsteren der Luft ausgesetzt, behalten sie vollständig ihre ursprüngliche Farbe,
wenn nur dafür Sorge getragen wird, daſs auf dieselben kein Staub auffällt.
Die kleinen Mengen von Ammoniak, welche stets in der Atmosphäre vorkommen, scheinen
gar keinen Einfluſs auf die Holzschliffpapiere auszuüben, wie man aus dem Verhalten
von Holzschliffpapieren, die Monate lang dem Luftzutritte bei Ausschluſs des Lichtes
ausgesetzt sind, entnehmen kann. Wohl aber färben Ammoniakdämpfe das
Holzschliffpapier sofort; an freier Luft, rascher in Essigsäuredämpfen verliert sich
diese Färbung wieder.
Da die stark brechbaren Strahlen des Lichtes bei Gegenwart von Sauerstoff die rasche
Vergilbung aller jener Papiere hervorbringen, deren Fasern noch sogen. Holzsubstanz
enthalten, dieser Prozeſs aber durch Feuchtigkeit sehr begünstigt wird, so ergeben
sich die Regeln zum Schütze solcher Papiere bezieh. von Werken, welche auf
Holzschliffpapier gedruckt sind, von selbst: Sonnenlicht wirkt schädlicher als
diffuses Licht, sehr schwaches, stark abgedämpftes Tageslicht wird, zumal in sehr
trockenen Räumen von ungemein geringer Wirkung sein.
Gaslicht ist wegen seines geringen Gehaltes an stark brechbaren Lichtstrahlen fast
ganz unschädlich. Hingegen wird elektrisches Bogenlicht
und überhaupt jede kräftige Lichtquelle, welche viel stark brechbare Strahlen
aussendet, das Vergilben begünstigen. Mit Rücksicht auf die Gefahr der Vergilbung der Papiere wird somit in Bibliotheken die
Gasbeleuchtung der elektrischen Beleuchtung im Allgemeinen vorzuziehen sein.