Titel: | Elektrische Arbeitsübertragung zwischen Creil und Paris. |
Fundstelle: | Band 261, Jahrgang 1886, S. 503 |
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Elektrische Arbeitsübertragung zwischen Creil und
Paris.
Lévy, über Marcel's elektrische Arbeitsübertragung.
Die in D. p. J. 1885 258 332
und 1886 259 140 bereits besprochenen, zwischen Creil und
Paris ausgeführten Versuche Marcel Deprez's über die
elektrische Arbeitsübertragung sind seitdem fortgesetzt worden. Ein aus Mitgliedern
der französischen Akademie und aus sachverständigen Ingenieuren zusammengesetzter
Ausschuſs war mit der Feststellung der Versuchsergebnisse beauftragt und ein
Unterausschuſs, bestehend aus J. Bertrand als
Vorsitzendem und Becquerel, Collignon, Cornu, Laussedat,
Maurice Lévy und A. Sartiaux als Mitgliedern,
während der Ingenieur im Mineurcorps, Léon Lévy, als
Schriftführer thätig war, hat kürzlich der französischen Akademie (vgl. M. Levy in den Comptes
rendus, 1886 Bd. 103 S. 314) Bericht über die Versuche erstattet, welcher
im Wesentlichen die nachfolgenden Mittheilungen enthält.
Die für die Versuche gestellte Aufgabe war: Es sollten 200e, welche in der Station Creil der Nordbahn
verfügbar waren, elektrisch bis zum Bahnhofe La Chapelle (Paris), d.h. auf eine
Entfernung von 56km übertragen werden, mit einer
wirthschaftlichen Leistung von 50 Proc. Die Arbeit sollte in Creil durch 2
Locomotiven geliefert werden; eine einzige Strom erzeugende Dynamomaschine sollte
die Arbeit auf 2 Strom empfangende Dynamomaschinen in Paris übertragen. Da indessen
nur eine Empfangsmaschine ausgeführt war, so konnte man
in Paris nur 50e aufnehmen, während in Creil 100
Pferd (100e) entnommen wurden.
Die ersten, unter Mitwirkung eines Fachausschusses (Collignon, Vorsitzender, Aron, Baron, Cail,
Constantin, Delebecque, Alb. Sartiaux), seit dem November 1885
durchgeführten Versuche lieferten kein gutes Ergebniſs; die Ursache war eine
fehlerhafte Ausführung der Dynamomaschinen. Die Strom erzeugende Maschine in Creil
und die empfangende in Paris besaſsen zwei hinter einander geschaltete Gramme'sche Ringe auf gemeinschaftlicher Achse. Deprez hatte vorgezogen, die Kerne der Ringe, anstatt
aus weichem Eisendraht, aus dünnen, durch paraffinirtes Papier gegen einander
isolirten Blechscheiben herzustellen; die Isolirung war aber unvollkommen, da von
den bloſs laekirten Verbindungsbolzen beim Durchstecken der Lack abblätterte, sich
deshalb gewaltige Foucault'sche Ströme entwickelten und
fast die ganze motorische Kraft verzehrten.
Die Leistung verbesserte sich, als man Eisendraht zu den Kernen nahm; da dieser aber
nicht lackirt, sondern bloſs doppelt mit Seide besponnen war, man auch die Drähte so
gewickelt hatte, daſs zwischen benachbarten Drähten groſse Potentialdifferenzen
auftreten konnten, so traten oft Beschädigungen ein, u.a. am 5. December beim
Besuche der Mitglieder der Akademie (vgl. 1886 259
144).
Zufolge dieses Unfalles beschloſs Deprez, die Ringe nach
seinem früheren Gedanken neu auszuführen, und dabei ging er, um zu groſsen
Umänderungen der Maschinen vorzubeugen, mit dem Ringdurchmesser von 1m,40 auf 0m,78
und mit der Geschwindigkeit von 400 auf 200 Umdrehungen zurück. Die Spulen wurden so
angefertigt, daſs jede nur 1/7 des Umfanges einnahm; sie wurden lagenweise aus
einem einzigen Drahte gewickelt, so daſs nur Drähte mit geringer Potentialdifferenz
neben einander lagen. Die Ringe aus Blech wurden nicht aus dem Ganzen, sondern nach
zwei Kreisausschnitten hergestellt, von denen der eine 6/7, der andere 1/7 des Umfanges
ausfüllte; auf ersteren wurden 6 Spulen aufgereiht, dann der andere zugleich mit der
7. Spule eingefügt. Dadurch wurden die Ringe nicht nur einfacher, sondern auch
fester und etwa auftretende Schäden lieſsen sich leichter entfernen, nämlich durch
Auswechselung der beschädigten Spule. Diese neuen Spulen waren seit Februar d. J. in
Dienst und arbeiteten 5, 6 bis 9 Stunden täglich, ohne Beschädigung und nur mit
einer (aus den Widerstandsänderungen berechneten) Temperaturerhöhung auf etwa
47°.
Die Inductoren der Strom erzeugenden Maschine bestehen aus 8, in durch die Ringachse
gelegten Ebenen einander gegenüber liegenden Hufeisen-Elektromagneten, so daſs deren
Polerweiterungen die Ringumfänge gut umschlieſsen.Bei der Maschine in Creil ist indessen der Zwischenraum zwischen dem Umfange
der Ringe und den Polflächen der Inductoren etwas zu groſs; bei der durch
genauere Construction zu erreichenden Verminderung dieser Entfernung wird
das magnetische Feld wirksamer werden. Die Anwendung von zwei
Ringen mit Hufeisen-Elelektromagneten ist sehr vortheilhaft, weil dabei alle
Folgepunkte vermieden und alle Pole vollständig ausgenutzt werden; Deprez hatte diese Anordnung schon bei den Versuchen
auf dem Nordbahnhofe gewählt, aber nur 2 Elektromagnete anstatt 8 angewendet. Nach
der Theorie würde man ein magnetisches Feld billig herstellen durch Anwendung von
dicken Elektromagneten in kleiner Zahl.
Die Strom empfangende Maschine in La Chapelle ist etwas kleiner als die erzeugende
Maschine, weil sie nur ungefähr die Hälfte der in Creil verbrauchten Arbeit
empfängt; ihre Ringkerne sind aus Eisendraht und deshalb hat sie beständig gut
gearbeitet.
Der Leitungsdraht hat, da die Entfernung 56km
beträgt, hin und zurück eine Länge von 112km; er
besteht aus Siliciumbronze, hat 5mm Durchmesser
und 97,45 Ohm Widerstand, also so viel wie ein gewöhnlicher Telegraphendraht von
10km Länge. Man hatte den Draht auf ⅔ seiner
Länge mit einer Hülle von mit Harz getränktem Hanf umgeben und diese in ein Bleirohr
eingeschlossen. Trotzdem trat der Unfall vom 5. December 1885 ein. Diese Isolirung
ist also unnöthig, zwingt zufolge des gröſseren Gewichtes zur Anwendung eines
gröſseren Durchhanges und erleichtert die Berührung mit anderen Drähten; bei
feuchtem Wetter, wo die Isolation der Leitung nicht vollkommen ist, wird der Leiter
die Rolle eines gefährlichen Condensators spielen.
Daher werden für die Leitung bloſs folgende Vorsichtsmaſsregeln vorgeschlagen:
Isolirung beim Eintritte und Austritte aus den Maschinen, wo sie im Bereiche der
Hände ist; überall sonst Anbringung in unerreichbarer Höhe und Aufhängung in
genügend groſser Entfernung von allen Telegraphen- und Telephonleitungen zur
Verhütung aller Berührungen und jeder Induction. Bei Anwendung einer Rückleitung
erscheint eine Entfernung von 0,75 bis 1m
ausreichend. Bei Arbeitsübertragungsversuchen ohne Rückleiter müſste die Entfernung
weit gröſser sein und könnte nur durch den Versuch festgestellt werden.
Als Erreger des magnetischen Feldes der Dynamomaschinen in Creil und in La Chapelle
dienten Gramme'sche Maschinen für niedrige Spannung.
Die Maschine in La Chapelle hatte nach Deprez's
Vorschlag doppelte Bewickelung und die eine Bewickelung bildete einen Nebenschluſs,
welcher die Potentialdifferenz an den Klemmen der Maschine merklich gleich groſs
erhalten sollte, trotz etwaiger Widerstandsänderungen im Stromkreise. Die Maschine
in Creil war eine gewöhnliche.
Hätte man, um die Kraft zum Betriebe der Erreger zu ersparen, die Dynamomaschinen mit
Selbsterregung versehen wollen, so hätten die magnetischen Felder unter dem
Einflüsse des Linienstromes von hoher Spannung gestanden und es hätten plötzliche
Aenderungen in der Stromstärke grelle Aenderungen im Magnetismus und dadurch
elektrische Wirkungen im Gefolge haben können, welche für die Ringe gefährlich
werden können.
Die Ingangsetzung der Strom erregenden Maschine machte in Creil keine
Schwierigkeiten, weil man da über die Betriebskraft verfügt; hier trieben die
Locomotiven mittels Riemen die Welle der Ringe der Strom erzeugenden Maschine und
deren Welle trieb die erregende. Der so erzeugte Strom würde aber in La Chapelle
kein magnetisches Feld in der empfangenden Maschine vorgefunden haben und deren
Ringe nicht in Umdrehung versetzen können, wenn Deprez
daselbst nicht einen Anlaſs-Umschalter aufgestellt
hätte, welcher anfänglich den Linienstrom sowohl den Ringen, wie den Elektromagneten
der empfangenden Maschine zuführt, so daſs die Ringe sich zu drehen anfangen, durch
einen Riemen auch die
Welle der erregenden Maschine in Gang setzen, dadurch das magnetische Feld der
empfangenden Maschine verstärken, bis – in wenigen Augenblicken – das magnetische
Feld seine richtige Stärke erreicht hat; von da an wird selbstthätig der erregende
Lokalstromkreis von dem Linienstromkreise getrennt und die erregende Maschine nun
bloſs noch von der empfangenden aus mechanisch getrieben. Der Umschalter fügt
anfänglich 4 der 6 Abtheilungen der Bewickelung der Elektromagnete der empfangenden
Maschine in Hintereinanderschaltung in die Linie Creil-Paris ein, nimmt dieselben
alsdann nach und nach wieder heraus und schaltet sie neben einander in den
Stromkreis der erregenden Maschine ein.
In La Chapelle wurde die Kraft ganz oder vorwiegend zum Betriebe der Pumpen im
Bahnhofe benutzt; der Ueberschuſs wurde vertheilt auf einen Hammer von 80k Bärgewicht und 0m,8 Hubhöhe, eine Drehbank, eine elektrische Winde für einen Laufkrahn für
Lasten von 300k, eine elektrische Locomotivbremse.
Dazu trieb die Welle der Strom empfangenden Maschine auſser ihrer erregenden
Maschine noch eine andere Gramme'sche Maschine und der
Strom der letzteren wurde unter die verschiedenen Arbeit empfangenden Maschinen
vertheilt. Von diesen hat die Maschine für die Drehbank ebenfalls zwei Bewickelungen
zur Erzeugung einer möglichst unveränderlichen Klemmenspannung und Geschwindigkeit;
dieselbe leistet 54mk in der Secunde oder etwa ⅔
Pferd und läuft mit 1130 Umdrehungen in der Minute; wenn man plötzlich den Drehstahl
wegnimmt, so steigt die Geschwindigkeit nicht über 1400 Umdrehungen.
Von den Versuchsergebnissen wird zunächst hervorgehoben der gute und regelmäſsige
Gang der Maschinen und die Abwesenheit von Funken an den Bürsten. An der Strom
erzeugenden und empfangenden Maschine treten weniger Funken auf als an den
erregenden Maschinen; dies ist die Folge der groſsen Stärke des magnetischen Feldes
und des guten Verhältnisses zwischen dem Strome der Ringe und dem der
Elektromagnete. Die Bürsten stellt Deprez nur 4 bis 5°
vor, was für die Leistung sehr vortheilhaft ist. Die Erwärmung ist selbst nach
mehrstündigem Gange nicht groſs. Die Strom erzeugende Maschine macht 200 bis 220
Umdrehungen in der Minute, was einer Umfangsgeschwindigkeit von 7m,50 in der Secunde entspricht, während diese bei
einer mit 1000 bis 1200 Umdrehungen laufenden Gramme'schen Maschine 12m,50 erreicht. Seit
Februar 1886 hat man die Maschinen nach Belieben bis zu 9 Stunden hinter einander
laufen lassen können.
Nachdem die Meſsinstrumente geaicht waren, hat man am 24. Mai 1886 eine Reihe von
Versuchen gemacht, über welche eine Tabelle a. a. O. S. 337 ausführliche Auskunft
gibt. Man hat die Geschwindigkeit der Strom erzeugenden Maschine von 168 bis 218
Umläufen in der Minute gesteigert und dadurch ihre elektromotorische Kraft von 4887 bis 6290 Volt. Die
in Creil verbrauchte Arbeit stieg (unter Weglassung der Decimalen) von 67 auf 116,
die in Paris gelieferte von 27 auf 52 Pferd, die wirthschaftliche Leistung von rund
41 bis 45 Proc., letztere wuchs im Allgemeinen mit der Zahl der übertragenen Pferd.
Die theoretische Erörterung der Ergebnisse des Versuches mit den 116 Pferd, 6004
Volt Klemmenspannung an der Strom erzeugenden und 5456 Volt an der empfangenden
Maschine und 9,789 bezieh. 9,824 Ampère Stromstärke liefert folgende Zahlen:
Verlust
durch
die
Erzeugende
116,0 – 80,4 = 35,6
Pferd
„
„
„
Empfangende
73,1 – 52,1 = 21,0
„
Verlust auf der Linie
80,4 – 73,1 = 7,3
„
Aus dem Widerstände 97,45 Ohm der Leitung und der mittleren Stromstärke 9,85 Ampère
dagegen ergibt sich als Leistungsverlust auf der Linie (97,45 × 9,852): 75g = 12,7
Pferd und daraus und aus dem Gesammtverluste 116 – 52 = 64 Pferd als Gesammtverlust
in den Maschinen 64-12,7 = 51,3 (anstatt 35,6 + 21,0 = 56,6) Pferd, wovon (bei
Anwendung desselben Verhältnisses der Vertheilung auf die beiden Maschinen) 32,2
Pferd auf die Strom erzeugende und 19,1 Pferd auf die empfangende Maschine zu
rechnen wären.
Da hiernach der Verlust auf der Linie gegen den in den Maschinen sehr klein ist, so
wird a. a. O. der wirthschaftliche Werth der Maschinen einer weiteren Untersuchung
unterworfen, bei welcher sich herausstellt, daſs dieselben im Vergleiche mit einer
Gramme'schen Maschine, Typus A, in Betreff der Erzeugung des magnetisches Feldes
sehr vortheilhaft sind und daſs auch deren Ring dieselbe Leistung liefert, trotz des
viel langsameren Ganges.
Die Gefährlichkeit der bis 6290 Volt reichenden hohen Spannungen scheint nach den
Erfahrungen bei den Versuchen von Creil für gewöhnlich überschätzt zu werden im
Vergleiche mit der Gefährlichkeit anderer gewerblicher Unternehmungen. Auch der
Elektricitätsverlust bei den hohen Spannungen hat sich als keineswegs bedeutend
erwiesen. Bei einer Steigerung der Geschwindigkeit auf 300 Umdrehungen erwartet Deprez noch günstigere Erfolge und bei Verminderung des
Widerstandes der Ringe die Erreichung einer Leistung von 50 Proc.
Die Kosten einer Anlage zur Uebertragung von 50 Pferd zwischen Paris und Creil
dürften sich belaufen auf 40000 M. für die Strom erzeugende, 24000 M. für die
empfangende Maschine und 35840 M. für die Leitung von 56km, zusammen 99840 M. Die Wirkungen der Selbstinduction haben sich als
sehr gering herausgestellt.
Es sei schlieſslich erwähnt, daſs in dem Bulletin
international de l'Electricité, 1886 S. 127 der Preis des
Siliciumbronzedrahtes allein auf 31360 M. berechnet wird, wras die Gesammtkosten der Leitung von 56km Länge auf rund 44000 M. erhöhen würde; daselbst
wird darauf hingewiesen, daſs selbst bei 99200 M. Anlagekosten die 5 Proc. Zinsen
und 5 Proc. Tilgung
allein bereits, bei 300 Arbeitstagen im Jahre, einen Preis für das Stundenpferd von
mehr als 6,4 Pf. bedingen würden, während sie thatsächlich jetzt in Paris nur 8 Pf.
und in den Provinzen noch weit weniger koste.