Titel: | Ueber die Blaubrüchigkeit des Eisens und Stahles; von Prof. A. Ledebur in Freiberg. |
Autor: | A. Ledebur |
Fundstelle: | Band 262, Jahrgang 1886, S. 166 |
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Ueber die Blaubrüchigkeit des Eisens und Stahles;
von Prof. A. Ledebur in Freiberg.
Ledebur, über die Blaubrüchigkeit des Eisens und
Stahles.
Die letzten 10 Jahre haben uns verschiedene recht werthvolle Untersuchungen über eine
eigentümliche Eigenschaft des Eisens (bezieh. Stahles) gebracht, welche man als
Ergänzung der Ausdrücke „Rothbruch“ und „Kaltbruch“ mit dem Namen „Blaubruch“ oder „Blaubrüchigkeit“ bezeichnen kann. Dieselbe beruht in einer
plötzlichen Steigerung der Sprödigkeit des Eisens, wenn dasselbe auf jene Temperatur
erwärmt bezieh. (wenn es vorher rothglühend war) abgekühlt wird, wo es blau anläuft,
also auf etwa 300° oder allgemeiner 250 bis 350°. Während aber Kaltbruch und Rothbruch
durch die Anwesenheit gewisser Körper – des Phosphors in dem einen, des Schwefels in
dem anderen Falle – bedingt werden, scheint die Eigenschaft des Blaubruches allen
Eisen- und Stahlsorten ohne Ausnahme anzugehören und, obgleich kaum zu bezweifeln
ist, daſs die Anwesenheit gewisser Körper im Eisen das Maſs dieser Eigenschaft
steigern wird, so fehlen doch gerade hierüber noch alle Ermittelungen. Daſs
Fluſseisen stärker als Schweiſseisen zum Blaubruche neigt, will man indeſs mit
Sicherheit beobachtet haben. Der Erste, welcher auf dieses Verhalten des Eisens
aufmerksam machte, war Valton (vgl. Berg- und Hüttenmännische Zeitung, 1877 S. 25);
eingehendere Versuche wurden von Huston (1878 227 502), später (1882) von Walrand (vgl. Zeitschrift des Vereins deutscher
Ingenieure, 1886 S. 137) u.a. angestellt (vgl. auch Stromeyer u.a. 1886 261 46. 138). Walrand fand, daſs Stäbe aus verschiedenen Eisensorten,
welche in der Kälte sich ohne Schwierigkeit biegen und theilweise flach
zusammenschlagen lieſsen, eine solche Biegung nicht ertrugen, sondern abbrachen oder
Risse bekamen, wenn sie auf 300° erhitzt wurden. Festigkeitsversuche, von Walrand, Huston, Greiner ausgeführt, zeigten
übereinstimmend, daſs die Zähigkeit, gemessen durch die vor dem Zerreiſsen
stattfindende Längenausdehnung oder durch die Querschnittscontraction des
Probestabes, durch die Erwärmung auf etwa 300° verringert wurde- die
Festigkeitsziffer des erhitzten Stabes zeigte bei einigen Untersuchungen höhere, bei
anderen niedrigere Werthe als in gewöhnlicher Temperatur. Bekanntlich schlieſst eine
Steigerung der Festigkeit nicht aus, daſs auch die Sprödigkeit zunimmt. Auch die von
J. Kollmann mitgetheilten Tabellen über die
Festigkeit erhitzten Eisens (vgl. 1881 239 * 141) lassen
ziemlich deutlich eine plötzlich eintretende Abnahme der Zähigkeit in bestimmter
höherer Temperatur erkennen, die bei stärkerem Erhitzen wieder verschwindet. Nach
Kollmann's Ermittelungen liegt diese gefährliche
Temperatur meistens etwas höher, als oben angegeben wurde, jedoch stets tiefer als
Dunkelrothglut (500°).
Welche groſsen Nachtheile aus der Nichtbeachtung des Blaubruches entstehen können,
bedarf kaum der Erwähnung. Jedes Eisenstück, welches in jener Temperatur
geschmiedet, gebogen oder sonst bearbeitet wurde, läuft Gefahr, Risse zu bekommen,
welche, vorläufig nur bei sehr sorgfältiger Untersuchung wahrnehmbar, gar leicht
Veranlassung zu einem späteren Bruche werden können. Manche scheinbar unerklärliche
Vorkommnisse lassen sich, wie ich glaube, hierauf zurückführen. Es sei gestattet,
hier eines derartigen Falles zu erwähnen, welcher seiner Zeit vielfache Erwägungen
veranlaſste und vielleicht einiges allgemeinere Interesse besitzt.
Für eine Grube war ein neues Kunstgestänge beschafft und man hatte
zu dessen Herstellung Bessemereisen, aus bestem Siegener Roheisen erzeugt, gewählt.
Eine Prüfung des Materials ergab eine Festigkeit von nahe an 50k bei etwa 20 Proc. Längenausdehnung. Der
Querschnitt der Stangen war reichlich bemessen. Kurze Zeit nach dem Einbaue des Gestänges trat
ein Bruch einer der Stangen ein; mehrere andere Brüche folgten im Laufe eines Jahres
nach. Eine sorgfältige Untersuchung der Ursachen dieser Erscheinung wurde nun
beschlossen.
Zunächst zeigte eine Besichtigung der Bruchstellen, obgleich diese
sich inzwischen theilweise mit Rost bedeckt hatten, doch zweifellos, daſs überall
da, wo ein Bruch entstanden war, schon ein feiner, rechtwinklig gegen die
Stangenachse gerichteter Riſs vorhanden gewesen war, welcher in einzelnen Fällen
mehr als die Hälfte des Stangenquerschnittes einnahm. Die Wände desselben waren
vollständig eben und auffallend glatt, so daſs sie sehr deutlich von dem
eigentlichen Bruchquerschnitte sich unterschieden, welcher das bekannte feinkörnige
Gefüge des geschmiedeten Fluſseisens zeigte, ohne sonstige auffällige Merkmale zu
besitzen. An einzelnen Stellen der glatten Riſsflächen war deutlich eine blaue
Anlauf färbe zu bemerken; von dem Roste waren die Riſsflächen weniger als die
wirklichen Bruchflächen angegriffen.
Die mit einer geschliffenen und polirten Bruchfläche angestellte
Aetzprobe lieſs nichts Besonderes erkennen. Mit einer guten Lupe konnte man zwar,
wie häufig bei geätztem Fluſseisen, sehr zahlreiche, ganz feine Gasbläschen
erkennen, deren Zahl und Gröſse nach der Mitte hin, wo die Verdichtung weniger stark
gewesen war, zunahm; aber die Anwesenheit derselben lieſs sich unmöglich als die
Ursache des unter so auffälligen Umständen stattgehabten Bruches betrachten.
Eine genaue chemische Untersuchung zweier der gebrochenen Stangen
ergab:
I
II
Kohlenstoff
0,209
0,236
Silicium
0,090
0,356
Phosphor
0,045
0,009
Schwefel
0,048
0,040
Arsen
0,048
0,045
Antimon
0,045
0,031
Kupfer
0,101
0,095
Mangan
0,420
0,630
Der niedrige Phosphor- und mäſsige Kohlenstoffgehalt läſst auf ein
für den in Rede stehenden Zweck vortrefflich geeignetes Material schlieſsen; etwas
auffällig erscheint der nicht ganz geringe Arsen- und Antimongehalt. Man durfte
vermuthen, daſs dieser im Vereine mit dem anwesenden Schwefel- und Kupfergehalte
vielleicht Rothbruch erzeugt und solcherart die erste Veranlassung zur Entstehung
der erwähnten Risse gegeben habe. Um Gewiſsheit hierüber zu erlangen, wurden Proben
der untersuchten Stangen an zwei verschiedene Eisenwerke gesendet mit dem Ersuchen,
sie sorgfältig auf ihre Schmiedbarkeit prüfen zu lassen. Die Stange I erwies sich
als sehr gut schmiedbar und zeigte nur bei sehr scharfer Prüfung eine ganz schwache
Andeutung von Rothbruch; die Stange II war vollständig frei von Rothbruch. Es geht
hieraus hervor, daſs die gefundenen Mengen von Arsen und Antimon nicht nachtheilig
auf die Schmiedbarkeit des Eisens einwirken, wenigstens dann nicht, wenn, wie es
hier der Fall ist, neben denselben Mangan in nicht ganz unerheblichen Mengen zugegen
ist.
Ein Versuch, die Stange I zu schweiſsen, gelang ohne
Schwierigkeit.
Nach dem Ausfalle aller dieser Prüfungen bleibt meines Erachtens zur Erklärung der
Entstehung der Risse nur noch die Annahme übrig, daſs sie bei Bearbeitung des Eisens
in jener Temperatur entstanden seien, wo dasselbe mit einem Male spröder wird als in
Rothglut und in gewöhnlicher Temperatur, in der Blauhitze. Sämmtliche Risse befanden
sich in der Nähe der Stangenköpfe; vermuthlich waren diese noch rothglühend und
wurden geschmiedet, während die eigentlichen Stangen bereits stärker abgekühlt
waren; ein Schlag an eine zu stark abgekühlte Stelle konnte die Entstehung eines Risses veranlassen,
welcher dann unter den fortgesetzten Erschütterungen des Schmiedens und vielleicht
auch der Spannung, welche das spätere Erkalten und Schwinden des Kopfes hervorrief,
mehr und mehr wuchs. Daſs durch den Arsen- und Antimongehalt die Blaubrüchigkeit des
Eisens erhöht wurde, ist nicht undenkbar. Wie schon erwähnt, fehlen uns noch
vollständig die Ermittelungen, welchen Einfluſs die chemische Zusammensetzung des
Eisens auf jene Eigenschaft ausübt. Jedenfalls muſs die Anstellung fernerer
Untersuchungen über diesen Gegenstand in hohem Grade wünschenswerth erscheinen. Nur
mit Hilfe der Praxis wird man bei solchen Versuchen befriedigende Ergebnisse
erlangen können. (Aus Glaser's Annalen, 1886 Bd. 18 S. 206.)