Titel: | Ueber Phenazin, die Muttersubstanz des Toluylenroth und des Safranins. |
Fundstelle: | Band 262, Jahrgang 1886, S. 480 |
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Ueber Phenazin, die Muttersubstanz des
Toluylenroth und des Safranins.
V. Merz bez. Bernthsen, über Phenazin.
V. Merz (Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft,
1886 S. 725) hat nachgewiesen, daſs durch Erhitzen von o-Toluylendiamin mit
Brenzcatechin ein Körper, das Methylphenazin, entsteht,
dessen Constitution durch die Formel
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ausgedrückt wird. Dasselbe Methylphenazin ist nun durch Abbau
eines Farbstoffes der Toluylenroth-gruppe (vgl. 1879
233 247) von A.
Bernthsen und H. Schweitzer (a. a. O. S. 2604)
erhalten worden. Zunächst wurde gefunden, daſs das Toluylenroth C15H16N4.HCl, welches durch Einwirkung von
Nitrosodimethylanilin auf Metatoluylendiamin und Oxydation des zunächst gebildeten
Indamins Toluylenblau C15H18N4.HCl entsteht, eine durch Behandlung mit salpetriger Säure abspaltbare
Amidogruppe enthält. Das entstehende Product besitzt vielfache Aehnlichkeit mit dem
von Witt durch Einwirkung von o-Amidoazotoluol auf α-Naphtylamin dargestellten zu den Chinoxalinen
gehörigen Eurhodin (vgl. 1886 260 423). Der durch Diazotirung dieses Farbstoffes entstehende Körper
besitzt die Formel C15H15N3; derselbe bildet prächtige
granatrothe, grünglänzende Nadeln oder flache Prismen, hat basischen Charakter, löst
sich in verdünnten Säuren mit violetter, in concentrirter Schwefelsäure mit
rothbrauner Farbe, welche beim Verdünnen in grün, blau und violett übergeht, und
besitzt ausgezeichnete goldgelbe Fluorescenz. Dieser Körper ist unzweifelhaft als
Dimethylamidomethylphenazin
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anzusehen. Durch Anwendung von p-Phenylendiamin statt
Nitrosodimethylanilin und Zusammenoxydiren des ersteren mit m-Toluylendiamin erhält
man ein einfaches Toluylenblau und dann ein
Toluylenroth, welche beide an Stelle der Gruppe N(CH3)2 den Amidorest enthalten. Wird dieses
einfachste Toluylenroth C13H14N4.HCl in gleicher Weise mit salpetriger Säure behandelt, so werden 2
Amidgruppen gegen Wasserstoff ausgetauscht und es bildet sich eine schwach basische,
in gelben Nadeln (vom Schmelzpunkt 117 bis 117,5°) sublimirende, in concentrirter
Schwefelsäure mit blutrother Farbe lösliche Verbindung, welche unzweifelhaft identisch mit dem Methylphenazin und mit dem Claus'schen Azophenylen homolog ist (vgl. auch C. Ris a. a. O. S.
2206).
Den Farbstoffen der Toluylenrothgruppe liegt also als Muttersubstanz das Phenazin
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zu Grunde. Die Bildung des Toluylenroth geht folgendermaſsen
vor sich:
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Dem Leukotoluylenroth kommt
sonach die Formel zu:
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deren Aehnlichkeit mit der Formel des Leukomethylenblau, Leukothionins u.s.w. aufföllt. Wie ersichtlich, spielt
der Imidrest in der Toluylenrothgruppe dieselbe Rolle wie der Schwefel in der
Methylenblaugruppe. Da das Toluylenroth in nächster Beziehung zu den Safraninen steht, so ist es kaum mehr zweifelhaft, daſs
auch die letzteren Derivate des Phenazins sind.
Diese Ansicht entwickelt Bernthsen a. a. O. S. 2690
ausführlicher. Der einfachste Vertreter der Safraningruppe, dessen Trimethylderivat
das gewöhnliche Safranin C21H20N4.HCl darstellt, ist das Witt'sche Phenosafranin, das sich vom Diamidophenazin C12H6N2(NH2)2 durch ein Mehr von C6H4 unterscheidet, d.h. es leitet sich von
diesem durch Austausch von H gegen C6H5 ab. Dieser Austausch kann aber, unter
Berücksichtigung von Nietzki's Untersuchungen (1883 249 386), nur in dem Sinne gedeutet werden, daſs diese
Phenylgruppe sich an dem Stickstoffatom befindet, welches die zweitmalige Verbindung
der beiden anderen Benzolreste vermittelt. So entsteht die Leukoverbindung des
Phenosafranins durch Oxydation eines Gemisches von 1 Mol. p-Diamidodiphenylamin
(Leukoindamin) mit 1 Mol. Anilin:
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Diese Auffassung deckt sich mit der Ansicht Nietzki's, wonach nur primäre Amine mit Leukoindamin Safranine geben können, nicht aber
secundäre und tertiäre. Die gewöhnliche Safraninbildung durch Zusammenoxydiren von 1
Mol. Paradiamin und 2 Mol. primären Amins läſst sich durch das nachstehende
Formelbild verdeutlichen:
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Auch hier zeigt sich, wie beim Toluylenroth, die nahe
Beziehung zum Leukothionin, in welchem S die Stelle der Gruppe NC6H5 im Leukophenosafranin einnimmt.
Für die Safraninfarbstoffe selbst, welche sich um ein Weniger von 2 H von den Leukoverbindungen
unterscheiden, ergeben sich nach Bernthsen zwei
Formeln:
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Für die zweite Formel spricht der Umstand, daſs das Safranin
sowohl eine Diazo-, wie eine Tetrazoverbindung liefert und daſs darin deshalb 2
Amidogruppen anzunehmen sind, wie auch die Fähigkeit des Toluylenroth, sich
diazotiren zu lassen. Unter Zugrundelegung dieser zweiten Formel wäre das Safranin
somit ein Diamidophenylphenazoniumchlorid, womit seine
Nichtfällbarkeit durch Alkali in Einklang stände. Zu Gunsten der ersten Formel
spricht die vollkommene Uebereinstimmung der Safranine mit den Farbstoffen der
Thioningruppe, sowie die Thatsache, daſs auch das Rosanilin eine Tridiazoverbindung liefert, obwohl in seinen Salzen eine
Imidgruppe und nur 2 Amidgruppen angenommen werden.
Zu erwähnen ist noch, daſs M. Andresen (a. a. O. 1886 S.
2212) unabhängig von Bernthsen zu ganz gleichen
Anschauungen über die Constitution der Safranine und ihre Beziehung zu den Körpern
der Methylenblaugruppe gelangt ist.