Titel: | Ueber Neuerungen an auslösenden Dampfmaschinen-Steuerungen mit schwingenden Cylinderschiebern. |
Fundstelle: | Band 262, Jahrgang 1886, S. 489 |
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Ueber Neuerungen an auslösenden
Dampfmaschinen-Steuerungen mit schwingenden Cylinderschiebern.
(Patentklasse 14. Schluſs des Berichtes S. 147 d.
Bd.)
Mit Abbildungen im Texte und auf Tafel 31.
Neuere Steuerungen mit schwingenden Cylinderhähnen.
Auf der Weltausstellung in Antwerpen befanden sich unter den 17 gröſseren
Dampfmotoren vier liegende Maschinen mit Steuerung durch schwingende
Cylinderschieber. Die an Leistung bedeutendste war nach dem Compoundsysteme von P. van den Kerchove in Gent gebaut und besaſs zwei
Cylinder von 381mm und 762mm Durchmesser bei 1524mm Hub; dieselbe machte in der Minute 66
Umdrehungen und leistete bei 9at Dampfspannung 400
Pferd. Beide Cylinder besaſsen schwingende Cylinderschieber zur Dampfvertheilung.
Diese Maschine lieferte durch einen 800mm breiten,
auf dem Schwungrade liegenden Riemen die Betriebskraft für die Dynamomaschinen zur
elektrischen Beleuchtung der Ausstellungshalle. Die Société
anonyme des anciens Établissements Cail in Paris hatte eine Dampfmaschine
von 150 Pferd und 500mm Cylinderdurchmesser
ausgestellt mit einer Steuerung, welche gegen die frühere Anordnung (vgl. 1879 233 * 6) nur in unwesentlichen Punkten abweicht; diese
Maschine betrieb einen Theil der französischen Abtheilung. Zum Betriebe der
deutschen und englischen Abtheilung diente eine von H.
Bollinckx in Brüssel erbaute Maschine von gleicher Leistung; dieselbe
besaſs 600mm Cylinderdurchmesser, 1200mm Hub und machte in der Minute 55 Umdrehungen.
E. Boyer in Lille führte eine Compoundmaschine mit
Condensation von derselben Leistung (150 Pferd) vor; die Cylinderdurchmesser waren
356mm und 560mm, der Hub 857mm und machte die
Maschine, welche einen Theil der französischen Ausstellung mittels Hanfseile
betrieb, in der Minute 60 Umdrehungen.
An der Dampfmaschine von H. Bollinckx ist zunächst die
Construction des Cylinders bemerkenswerth. Derselbe besteht, abgesehen von den
Deckeln, aus zwei Theilen und zwar in der Art, daſs den einen Theil der
Innencylinder mit den vorderen Hahngehäusen, den anderen der Dampfmantel mit den
hinteren Hahngehäusen bildet. Die Verbindung ist, wie aus Fig. 1 Taf. 31 zu
entnehmen, an der Vorderseite durch eine Flanschenverschraubung hergestellt; an der
Hinterseite aber ist der Innencylinder bloſs mit seinem cylindrisch abgedrehten Ende
in die genau schlieſsende Bohrung des Mantels eingesteckt. Durch diese Verbindung
soll den etwa vorkommenden verschiedenen Ausdehnungen des Cylinders und seines
Mantels Rechnung getragen und jede hieraus hervorgehende schädliche Spannung
vermieden werden. In wie weit jedoch diese Verbindung sowie die ohne Kitt
hergestellte Flanschenverschraubung den Ansprüchen auf Dampfdichtheit genügt, wird
freilich abzuwarten sein. Jedenfalls ist eine ganz ausnehmend sorgfältige Arbeit dabei erste Bedingung.
Die Auſsenseite des Dampfcylinders ist mit umlaufenden Riffelungen von dreieckigem
Querschnitt versehen, so daſs die Oberfläche dadurch etwa zweimal so groſs wird als
bei glatter Cylinderfläche; hierdurch soll eine erhöhte Wärmeaufnahme aus dem
Dampfmantel zur Vermeidung aller etwa möglicher Condensation im Cylinder erzielt
werden. Um den Dampf schon vor seinem Eintritte in den Cylinder möglichst zu
entwässern, stöſst derselbe bei der Einströmung durch das Dampfrohr rechtwinkelig
gegen den Cylinder, an welchem er scharf nach rechts oder links abgelenkt wird, um
nach den Einlaſshähnen zu gelangen; dabei wird das mitgerissene Wasser in seiner
Hauptsache nach unten in den Mantelraum geschleudert, von wo es durch ein Rohr a nebst dem im Mantel entstandenen Dampfwasser
abflieſst. Als Stützen für den Cylinder dienen die Ausblasestutzen, welche sich zu
einem wagerechten, nach dem Condensator führenden Rohre vereinigen und, wie Fig. 2 Taf. 31
ersehen läſst, mit breiten Fuſsplatten mit dem Grundmauerwerke verschraubt sind.
Der Dampfkolben ist von ungewöhnlicher Länge; derselbe ist hohl gegossen und durch
Rippen verstärkt. Nur ein einziger, durch Federn angedrückter Dichtungsring aus
Phosphorbronze ist angebracht. Die groſse Länge des Kolbens bezweckt jedenfalls, das
Gewicht desselben vornehmlich auf dem Cylinder und nicht in den Stopfbüchsen
aufruhen zu lassen, damit letztere nicht so bald den für Condensationsmaschinen,
wegen der Lufteinsaugung, so unangenehmen Fehler der Undichtheit erhalten.
Die Construction der Einlaſsschieber zeigt nichts besonders Bemerkenswerthes; in die
Nuth der im Inneren des Gehäuses rechteckig gestalteten Spindel greift die
eigentliche Schieberplatte von ⊥-förmigem Querschnitte mit ihrem Stege ein. Fünf
kräftige Spiralfedern, welche in Bohrungen der Spindel liegen, bewirken ein sicheres
Anschlieſsen des Schiebers an das Gehäuse. Die Form der Auslaſshähne – ein etwas
mehr als den Halbkreis umfassender Kreisausschnitt – ist mit Rücksicht darauf
gewählt, möglichst dichten Anschluſs derselben an den Kolben bei dessen
Endstellungen zur Vermeidung schädlichen Raumes zu erhalten; zu diesem Zwecke ist
der Kolben nach unten beiderseits abgeschrägt. An beiden Enden der Auslaſsschieber
sind radial nach oben drückende Federn eingesetzt, welche ein stetes Anpressen der
Schieber an ihren Sitz bewirken.
Die äuſsere Steuerung dieser Maschine ist von bemerkenswerther Einfachheit. Von dem
auf der Schwungradwelle sitzenden Excenter werden die beiden Auslaſsschieber durch
die Stange K unmittelbar bewegt; die Hebel A auf deren Spindeln aber sind nach oben verlängert
(der Winkel ist ein stumpfer, was durch die Krümmung verborgen erscheint) und
mittels einer Stange C an die Hebel B angeschlossen, welche lose auf den Spindeln der
Einlaſsschieber, oder vielmehr auf cylindrischen Ansätzen der Gehäusedeckel
derselben drehbar sind. Auch diese Hebel sind nach der anderen Seite verlängert und
tragen hier die Zugklinken D, welche, durch eine Feder
zum Einfallen in die auf den Schieberspindeln festsitzenden Hebel E veranlaſst, diese und damit den Einlaſsschieber
drehen und so den Dampfzutritt in den Cylinder bewirken. Bei dieser Drehung der
Schieber gelangt aber der in excentrischer Form gebogene Schweif der Klinke unter
einen Riegel F, welcher in dem Zapfen eines nach oben
stehenden Armes des Schiebergehäuses verschiebbar angebracht ist; je nach seiner
Stellung wird dieser Riegel die Klinke D früher oder
später auslösen, so daſs nun der vorher angehobene Kolben in dem Cylinder J unter dem Einflüsse des äuſseren Luftdruckes
niederschnellen und den Einlaſsschieber schlieſsen kann. Um den Riegel F zu verstellen, ist neben demselben noch ein drehbarer
Arm G angebracht, welcher mit einem excentrischen
Anschlage gegen das obere Ende des Riegels F drückt.
Dieser Arm G wird vom Regulator mittels der Stange H entsprechend verstellt. Da der Riegel F, sobald die Klinke D
gegen denselben trifft, in seiner Führung beträchtliche Reibung erfährt, nicht
minder auch an der Berührungsstelle desselben mit dem Anschlage des Hebels G Reibung auftritt, so hat der Druck der Klinke D wenig oder gar keine Rückwirkung auf den Regulator
zur Folge.
Was die Wirkung der Steuerung anbelangt, so ergibt sich nach den in der Revue industrielle, 1886 * S. 63 bezieh. Engineer, 1885 Bd. 60 * S. 468 mitgetheilten
graphischen Untersuchungen, daſs sowohl die Einlaſs-, wie die Auslaſskanäle bereits
nach 7 Procent des Kolbenhubes völlig geöffnet sind; die Auslaſskanäle schlieſsen
sich erst, wenn der Kolben noch 30mm Weg zurück zu
legen hat, so daſs also eine merkbare Compression nicht stattfindet. Die schädlichen
Räume sind dank der hierauf verwendeten besonderen Sorgfalt auf 2 Procent des
Cylinderinhaltes bezieh. des vom Kolben beschriebenen Raumes herabgezogen
worden.
Die Ausführung der Maschine zeigte noch mehrere bedeutsame Eigenthümlichkeiten. So
waren sämmtliche bewegte Theile der Steuermechanismen, um die möglichste Sicherheit
gegen Abnutzung zu erhalten, aus Stahl hergestellt, gehärtet und schlieſslich auf
genaue Form geschliffen; ebenso waren sämmtliche Hebel, Zapfen, die Kurbel und sogar
das Schwungrad auf ihren Wellen bezieh. in den Augen nur mittels Aufpressen, unter
Vermeidung aller Keile, befestigt; dieses Verfahren soll befriedigen (vgl. auch Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1886 * S.
63).
Auch die Maschine von P. van den Kerchove in Gent, über
welche im Génie civil, 1886 Bd. 9 * S. 241 berichtet
wird, zeigt eine eigentümliche Construction des mit Dampfmantel versehenen
Cylinders, welche, obschon von der Bollinckx'schen
Anordnung ganz verschieden, doch den gleichen Zweck verfolgt, nämlich eine
verschiedene Ausdehnung von Cylinder und Dampfmantel ohne Gefahr von Brüchen zu
gestatten. Zu diesem Zwecke verbindet P. van den
Kerchove den als besonderes Stück gegossenen Mantel, wie in Fig. 3 Taf. 31 rechts
unten verdeutlicht ist, mit dem Cylinder. Der letztere wird an beiden Enden mit
Z-förmigen Flanschenringen versehen (wie dies übrigens schon bei Schneider-Creuzot's Maschine ausgeführt ist, vgl. 1884
253 * 182), von welchen der eine, z.B. der linke, ein
klein wenig mehr Durchmesser hat als der rechte. Auf den äuſseren Umfangflächen
beider Flanschenringe wird Gewinde von gleicher Steigung geschnitten und der an
beiden Enden mit entsprechendem Muttergewinde versehene Mantel darüber geschraubt.
Der etwas verschiedene Durchmesser der Gewinde erleichtert diese Arbeit. Nachdem
diese ausgeführt, zieht man über die Enden des Mantels noch zwei Schwindringe von
Schmiedeisen auf wodurch die Verbindung völlig fest und dicht wird. Die
Nachgiebigkeit der Z-förmigen Flanschen genügt, um innerhalb der hier gezogenen
Grenzen eine verschiedene Ausdehnung von Cylinder und Mantel zu gestatten. Im
Uebrigen gleicht die äuſsere Anordnung des Cylinders ganz der vorher beschriebenen.
Als Füſse desselben dienen wieder die Auslaſsrohre für den Abdampf, welche von den
auf der Unterseite der Cylinder liegenden Auslaſsschiebern ausgehen; die Gehäuse für
letztere, wie für die Einlaſsschieber, sind in den Cylinderdeckeln angebracht.
Die äuſsere Steuerung erfolgt von dem Excenter aus mit Hilfe des von Corliſs schon bei seinen ersten Constructionen
angewendeten fünfarmigen Hebels, welcher aber hier aus der Gestalt einer Scheibe in
einen eigentümlich geformten schwingenden Rahmen umgewandelt ist. Am unteren Zapfen
A desselben greift in üblicher Weise die
Excenterstange B an; die Auslaſsschieber sind mit ihren
Armen an dem Rahmen durch Gelenkstücke verbunden, während die Einlaſsschieber in
folgender Weise bewegt werden: Auf den Schieberspindeln sitzt ein lose aufgesteckter
Winkelhebel am, welcher bei m den durch einen Zapfen mit ihm verbundenen kurzen Arm l trägt, an dem eine vorspringende harte Stahl platte
angebracht ist. Diese Stahlplatte greift unter das ebenfalls mit einer harten
Stahlplatte versehene Ende des Hebels s, welcher auf
der Schieberspindel festsitzt, und hebt denselben und damit auch den mit Hebel s verbundenen Luftbufferkolben an. Das obere Ende des
Armes l ist durch eine Zugstange mit dem um w drehbaren Hebel p
verbunden, welcher vom Regulator mehr nach links oder nach rechts gedreht werden
kann. Bei der Hebung des Gelenkpunktes m wird natürlich
die Mitnahme von s durch l
desto früher aufgehoben, je mehr der Hebel p nach links
(am anderen Cylinderende natürlich nach rechts) geneigt ist. Da die Stahlplatte des
Armes l beweglich angeordnet und nur durch eine Feder
f in ihrer Arbeitsstellung gehalten ist, so kann
dieselbe beim Niedergange des Gelenkzapfens m vom Hebel
am von Neuem unter den Arm s fassen. Durch die Stellung, welche die Hebelarme und Verbindungsstangen gegen die
Bewegungsrichtung der Zapfen am Gelenkrahmen einnehmen, wird bewirkt, daſs sich die
Schieber sehr rasch öffnen und der volle Dampfeinlaſs beispielsweise schon nach 7
Procent Kolben weg erreicht ist. Merkwürdigerweise wird trotz der sehr hohen
Kolbengeschwindigkeit von 3m,5 jede Voreinströmung
des Dampfes grundsätzlich vermieden und auch gleicherweise von Compression gänzlich
abgesehen. In einem von P. van den Kerchove
herausgegebenen Schriftchen wird, wie Prof. Brauer in
der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1886
* S. 65 mittheilt, hierfür der Grund angegeben, „die Voreröffnung sei unnöthig,
da der Einlaſs bereits auf den angegebenen kurzen Theil des Hubes ganz geöffnet
sei, die Compression aber gefährlich, da Cylinderbrüche in Folge
eingeschlossenen Wassers dadurch hervorgebracht werden könnten. Zudem hätten
beide Anordnungen den Erfolg, den Gang der Maschine ruhig zu erhalten, auch wenn
wesentliche Spielräume in den Gestängelagern vorhanden seien, wodurch der
Maschinenwärter gewöhnt werde, diese wichtigen Theile zu vernachlässigen.“
Trotzdem diese Maschine bei 3m,5
Kolbengeschwindigkeit ganz ruhig ging, dürften doch die vorhin erwähnten
Gesichtspunkte über Voreinströmung und Compression kaum den allgemeinen Beifall der
Techniker finden.
Der Regulator beeinfluſst die Steuerungen beider Cylinder in ganz gleicher Weise, so
daſs also in denselben stets gleiche Füllungsgrade stattfinden. Zwischen den beiden
Cylindern liegt der Zwischenbehälter (Receiver): mit diesem steht ein besonderer
Ueberhitzer in Verbindung, wodurch es möglich gemacht wird, daſs der Dampf mit
höherer Temperatur in den groſsen Cylinder gelangt, als er aus dem kleinen
entweicht. Das Condensationswasser wird durch eine besondere kleine Pumpe aus dem
Zwischenbehälter abgezogen und in einen Ueberhitzer gedrückt; letzterer liegt im
Fuchs der Dampfkesselanlage und das Wasser wird in demselben wieder in Dampf
übergeführt, dessen Temperatur höher ist als diejenige in den Dampfkesseln selbst.
Dieser überhitzte Dampf wird in den Zwischenbehälter zurückgeleitet, wo sich
derselbe mit dem aus dem kleinen Cylinder abströmenden Dampfe mischt und dann zur
Arbeit dem groſsen Cylinder zugeführt wird. Der Condensator steht senkrecht unter
der Pleuelstange des groſsen Cylinders und wird von der Kurbel der Schwungradwelle
angetrieben. Durch diese Art der Aufstellung wird eine Raumersparniſs erzielt,
welche wegen der ohnehin schon groſsen Längenausdehnung der Maschine sehr
wünschenswerth erscheint. Die Hebelübersetzung, welche die Kurbelbewegung auf die
Kolbenstange des Condensators überträgt, ist so gewählt, daſs die Geschwindigkeit
der letzteren nicht hoch ist und die Luftpumpe ohne Geräusch arbeitet.
Auffallend erscheint das ungemein groſse Verhältniſs vom Kolbenhub zum
Cylinderdurchmesser (1524 : 380, d. i. mehr als 4), welches bei dem kleinen Cylinder in
Anwendung gekommen ist; dasselbe ist offenbar der hohen Kolbengeschwindigkeit zu
Liebe gewählt; man darf aber billig bezweifeln, ob damit an und für sich irgend ein
erheblicher Vortheil erreicht wird. Hohe Kolbengeschwindigkeit ist doch nur in so
fern von Vortheil, als dadurch die Abmessungen der Maschine verringert werden; man
hebt aber diesen Vortheil wieder auf, wenn man der Verringerung der Durchmesser eine
Vergröſserung der Längen gegenüberstellt. Ganz richtig bemerkt Prof. Brauer a. a. O., daſs jedenfalls dem Besitzer der
Maschine nicht damit gedient sein wird, wenn durch übergroſse Cylinderlänge die
ganze Maschine um das 4½ fache dieser Zugabe verlängert wird, nämlich 1fach beim
Cylinder, 2 ½ fach bei der Pleuelstange, 1fach bei der Kurbel. Ergibt sich
solchergestalt bei der Anschaffung kein Vortheil, so ist auch beim Betriebe kein
solcher zu sehen. Der Dampfverlust, an welchem allein gespart werden kann, ist zwar
vom Verhältnisse zwischen Inhalt und Oberfläche nicht unabhängig; einen weit
gröſseren Einfluſs hat aber die Dauer einer Arbeitsperiode: denn je kürzer die Zeit
ist, während welcher eine Dampfmenge mit den Wänden eines Gefäſses in Berührung ist,
um so geringer wird der Bruchtheil der Dampffüllung sein, welcher sich dabei
condensirt. In dieser Beziehung ist also ein langer Hub nur nachtheilig. Handelt es
sich aber um die Betreibung rasch laufender Maschinen, wie z.B. bei elektrischen
Beleuchtungsanlagen, so ist die Verminderung der Umlaufzahl durch Einführung eines
ungewöhnlich langen Hubes erst recht unvortheilhaft. Dieses Beispiel wird also kaum
als ein nachahmenswertes zu betrachten sein, wenn schon die Maschine in Antwerpen
dank ihrer im Uebrigen trefflichen Anordnung, vorzüglichen Ausführung und der hohen
Anfangsspannung des Dampfes recht gute Betriebsergebnisse aufzuweisen hatte.
Textabbildung Bd. 262, S. 494Die beigegebenen Diagramme sind von dem Niederdruck- bezieh.
Hochdruckcylinder genommen und ergeben als mittlere Ordinate 1k,14 bezieh. 4k,02; auf der anderen Kolbenseite aber betragen diese Werthe 1k,125 und 4k,00.
Bei einem Cylinderquerschnitte von 1140qc,02
erhält man die Gesammtarbeitsdrücke für den kleinen Cylinder 4583k und 4560k oder
im Mittel 4571k und für den groſsen Cylinder bei
einer Kolbenfläche von 4560qc,37 diese Drücke zu
5199k und 5130k oder im Mittel zu 5165k. Bei 66
minutlichen Umdrehungen ergibt sich die Kolbengeschwindigkeit zu 3m,353 und hieraus die mittlere Leistung der
Maschine:
N=\frac{3,353\,(4571+5165)}{75}=205,7+230,9=436,6 Pferd.
Im Anschlusse an diese Mittheilungen gibt das Génie civil, 1886 Bd. 9 S. 262 noch eine Uebersicht der
Betriebsergebnisse, welche mit einer ganz ähnlichen Compoundmaschine während
7tägiger Versuche (15. bis 22. Oktober 1884) auf der Nourse-Mill in den Vereinigten Staaten von Nordamerika erhalten worden
sind; diese beziffern sich, wie folgt:
Verbranntes Holz zum Anzünden der
Feuer
1319,40k
Steinkohlenmenge, welche dem calorischen
Werthe des Holzes entspricht (40%)
527,76
Kohlenmenge zum Anheizen
9445,41
Kohlenverbrauch während des Ganges
19653,48
–––––––––––
Gesammtmenge der verbrannten Kohlen
29626,65k
Abzug für Kohle, welche nur theilweise
verbrannt aus den Oefen gezogen wurde, 206k,8, zu 80% gerechnet
165,44
–––––––––––
Wirklich verbrannte Kohlen innerhalb 7
Tagen
29461,10k
Arbeitszeit der Maschine
79 Std. 52 Min.
Mittlere Umdrehungszahl in der
Minute
57,10
Kohlenverbrauch in der Stunde
368k,88
Mittlere Leistung der Maschine (aus 636
Diagrammen berechnet)
499e,13
Kohlenverbrauch für Stunde und
Indicatorpferd (im regelmäſsigen Betriebe)
0k,739
Dampfverbrauch für das Indicatorpferd in
der Stunde, mit Kesseln, welche auf das Pferd 81 Wasser in
der Stunde verdampfen
5k,912
Bei diesen Versuchen hatte die Umdrehungszahl der Maschine
zwischen den Grenzwerthen 56,84 und 57,56, der Kohlenverbrauch für Indicatorpferd
und Stunde zwischen 0k,706 und 0k,760 geschwankt.
Bei der Maschine von E. Boyer, welche in ihrer Anordnung
ganz der oben beschriebenen Bollinckx'schen Maschine
gleicht, ist hauptsächlich die Zusammensetzung des Cylinders bemerkenswerth.
Derselbe besteht aus drei Theilen, den beiden Kopfstücken mit den Gehäusen für die
Steuerschieber und dem eigentlichen Cylinder, welche, wie in Fig. 5 Taf. 31
veranschaulicht ist, stumpf zusammenstoſsen. Das besondere Arbeitsfutter für den
Kolben wird an den Rändern von den Kopfstücken gefaſst, welche hierzu etwas
ausgedreht sind. Auf dieses Arbeitsfutter ist zur Bildung eines Dampfmantels ein
zweiter Cylinder aufgeschoben, welcher oben den Dampfzutrittskanal erhält, und auf
diesen nochmals ein äuſserer Cylinder aufgezogen. Der Dampfmantel wird durch in
besondere Ausdrehungen am Arbeitsfutter und dem umhüllenden Cylinder eingestoſsenen
Asbest gedichtet. Das bei der Beschreibung der Bollinckx'schen Maschine über die Cylinderanordnung Gesagte trifft auch
hier zu.
Für die Vernon Spinning Company in Stockport hat J. B. Hamond daselbst eine groſse Betriebsdampfmaschine
geliefert, deren Dampfvertheilung nach dem Textile
Manufacturer, 1886 * S. 243 ebenfalls mittels schwingender Cylinderschieber
erfolgt. Diese sind alle vier, wie aus Fig. 4 Taf. 31 zu
entnehmen ist, am unteren Theile des Cylinders angeordnet, so daſs wie bei der Wheelock'schen Anordnung (vgl. 1878 229 * 418) ein Einlaſs- und ein Auslaſsschieber je neben
einander liegen. Entgegen dem Bewegungsmechanismus der letzteren Steuerung erhalten
jedoch die Auslaſs- und die Einlaſsschieber, je zusammen, gesonderte Bewegung von
Excentern auf der Schwungradwelle aus. Die Einwirkung des Regulators auf die
Steuerung der Dampfeinlaſsschieber ist die bekannte; die Verstellung der
Auslöseknaggen für die federnden Mitnehmerklinken bedingt eine geringere oder gröſsere
Füllung des Cylinders. Die Verbindungsstange zwischen dem Regulatormuffe und den
Stellhebeln für die Auslöseknaggen ist jedoch aus zwei durch starke Federn
verbundenen Theilen zusammengesetzt; auſserdem erfolgt die Verbindung der beiden
Stangentheile durch einen Hebel, welcher für gewöhnlich die Federn gespannt erhält
und die Mitnahme des unteren Stangentheiles vom oberen bewirkt. Tritt im Gange der
Maschine eine zu groſse Geschwindigkeit ein, so daſs der Regulator auf einmal
plötzlich ausschlägt, so vermag der Hebel die Spannung der Federn nicht mehr zu
halten, die letzteren kommen zur Wirkung und drehen die Auslöseknaggen auf einmal so
viel, daſs ein Dampfeinlaſs in den Cylinder nicht mehr stattfinden kann, die
Dampfmaschine also stehen bleibt. Der Regulator läuft sehr schnell; derselbe macht
bei mittlerem Gange 230 Umdrehungen minutlich bei einer Pendellänge von 280mm.