Titel: | Die Industrie des Resorcins; von Dr. Otto Mühlhäuser. |
Autor: | Otto Mühlhäuser |
Fundstelle: | Band 263, Jahrgang 1887, S. 154 |
Download: | XML |
Die Industrie des Resorcins; von Dr. Otto
Mühlhäuser.
Mühlhäuser, über die Industrie des Resorcins.
Die Erzeugung des Resorcins auf industriellem Wege geschieht durch Schmelzen von
benzoldisulfosaurem Natrium mit Natronhydrat, seine Gewinnung aus der Schmelze durch
Zersetzung des Resorcinnatriums mit einer Säure und Extraction des Resorcins mittels
Aether oder Amylalkohol. Die Reindarstellung bewerkstelligt man durch Destillation
in der Luftleere.
Die Herstellung des Resorcins aus Benzol umfaſst folgende Arbeiten:
1) Herstellung der Benzolsulfosäuren: Monosulfosäure daraus
Disulfosäure.
2) Herstellung des Resorcins: Schmelzung, Ansäuern und
Extraction.
3) Reindarstellung: Destillation im luftverdünnten Raume.
Zur Ausführung dieser Arbeiten sind folgende Apparate
nöthig.
Für die Herstellung der Monosulfosäure: Ein guſseiserner Doppelkessel mit Rührwerk. Der äuſsere
Mantel ist mit Dampf- und Wasserleitung verbunden. Inhalt des Kessels 400l. Der Kessel steht mit einem aufsteigenden
Bleikühler in Verbindung.
Für die Herstellung der Disulfosäure:
Ein durch freies Feuer erhitzbarer guſseiserner Doppelkessel mit Rührwerk. Der
Mantel dient zur Aufnahme von Oel. Der Kessel ist mit einem absteigenden Bleikühler in
Verbindung. Inhalt 800l. Eine Bütte vom Inhalt
3000l mit Rührwerk zum Auskalken, verbunden
mit einem sogen. Montejus (Inhalt 3000l) und einer
Filterpresse von 18 Kammern. Ein guſseiserner Kasten (6000l Inhalt) zur Aufnahme des Filtrats mit zwei über
einander liegenden Dampfschlangen zum Abdampfen der filtrirten Lösung. Umsetzkasten
von 3000l Inhalt. Montejus (Inhalt 3000l) nebst 6kammeriger Filterpresse. 2
Dickrührpfannen mit Rührwerk, Inhalt 1500l. 2
Trockenpfannen von 150cm Durchmesser und 30cm Höhe. Mühle.
Für die Schmelzung ist ein
guſseiserner, über freiem Feuer sitzender Kessel mit Rührwerk und 600l Inhalt erforderlich.
Zum Absäuern dient ein Steintrog
(Inhalt 1500l) mit Deckel, welcher 2
Trichterröhren zum Einlaufenlassen der Säure und einen Abzug nach dem Schornsteine
trägt, ferner ein ausgebleiter Montejus von 1500l
Fassung.
Die Extraction erfolgt in einem
Apparate, bestehend aus dem geschlossenen, mit Rührwerk versehenen Mischkessel von
2000l Inhalt, dem sogen. Decantator (2000l) und dem Fuselbehälter von 500l Inhalt. Ferner sind erforderlich:
Fuselabtreibapparat (Inhalt 1200l),
Destillationskessel mit Dampfmantel, Helm, bis auf den Boden tauchendem
Dampfeinströmungsrohr und ein Kühler.
Die Reinigung erfordert eine
emaillirte Trockenpfanne, einen Vacuumapparat, bestehend aus dem über freiem Feuer
sitzenden und mit Thermometer versehenen Kupferkesselchen von 75l Inhalt, dem Liebig'schen Kühler aus Kupfer, schlieſslich der ein Vacuummeter tragenden
Vorlage zur Aufnahme des Destillates.
1) Herstellung der Monosulfosäure: In einen mit Rührwerk
versehenen Doppelkessel kommen 300k Schwefelsäure
von 67° B. und 60k reinstes Thiophen freies
Benzol. Nach der Einfüllung der Substanzen bringt man den Kessel mit einem bleiernen
Rückfluſskühler in Verbindung. Durch andauerndes Rühren leitet man die Reaction ein
und unterstützt dieselbe durch Einströmenlassen von Dampf in den Heizmantel, so
zwar, daſs das den Kessel und Kühler verbindende Rohr sich beim Anfühlen mit der
Hand nur wenig warm erweist. Die sich im Kühler verdichtenden Benzoldämpfe flieſsen
zurück. Nach etwa 10 stündigem fortwährendem Mischen der mäſsig erwärmten Stoffe
vollendet sich die Reaction unter Bildung von Benzolmonosulfosäure.
2) Herstellung der Disulfosäure: Die im Ueberschusse von
Schwefelsäure gelöste Benzolmonosulfosäure wird (am anderen Tage) in den im Oelbade
sitzenden, mit Rührwerk versehenen und mit absteigendem Bleikühler verbundenen
Guſskessel übergegeben, um daselbst in Disulfosäure verwandelt zu werden. Zu dem
Zwecke mischt man zur Masse 85k gemahlenes und
scharf getrocknetes Sulfat, setzt das Rührwerk in Gang und erhitzt das Fettbad
dauernd auf 240°. Nach etwa 4 stündigem Erhitzen nimmt der Kesselinhalt die
Temperatur von etwa 225° an. Diese Wärme wird ungefähr 8 Stunden bei immerwährendem
Gange des Rührwerkes unterhalten, wobei in der ersten Hälfte der Zeit Benzol
überdestillirt und Schwefligsäure entweicht. In der Vorlage wird ersteres
aufgefangen, während letztere abzieht.
3) Gewinnung des Natriumbenzoldisulfates: Folgenden Tags
wird der noch mäſsig warme Kesselinhalt mit 1500l
Wasser in einer 3000l haltenden Holzbütte
vermischt und daselbst mit einer aus 200k Kalk
hergestellten und durch ein Sieb filtrirten Kalkmilch ausgekalkt. Die kochend gemachte, schwach
alkalische Masse wird zur Erzeugung von feinkörnigem, leicht filtrirbarem Gypse mit
etwa 800l kaltem Wasser abgeschreckt, der weiſse
Bütteninhalt in den vorgelegten Montejus abgelassen und durch die 18 kammerige
Filterpresse filtrirt. Das Filtrat leitet man in einen groſsen Abdampfkasten. Die
Preſskuchen werden nochmals mit ungefähr 1500l
Wasser aufgekocht und nach Auffüllung der Bütte mit Wasser vom Gypse, wie oben
beschrieben, getrennt. Die vereinten Filtrate dampft man etwa auf 2000l ein, dann läſst man die Salzlösung in den
Umsetzkasten ablaufen. Ein Zusatz von 6 bis 10k
Soda genügt, um allen Kalk auszufällen. Die in einen Druckkessel abgelassene Brühe
trennt man vom Calciumcarbonate mittels einer Filterpresse. Das Filtrat selbst wird
in 2 Rührpfannen so lange eingedampft, bis die Kratzrührer stehen bleiben, d.h. bis
die Zähigkeit der Masse das Rühren nicht mehr erlaubt. Das feuchte Salz wird in
flachen Doppelpfannen unter andauerndem Umarbeiten mittels eines Eisenstabes zum
pulverigen Mehle getrocknet, welches man mahlt und siebt. Ausbeute 200k. Folgende Tabelle zeigt 2 Grenzwerthe für sogen.
Retouröl und Ausbeute zweier Arbeitsposten:
Schwefelsäure
Benzol
Sulfat
Kalk
Soda
Retouröl
Ausbeute
300
60
85
200
6,5
14
180
300
60
85
210
9,0
8
200
4) Schmelzprozeſs: In den über freiem Feuer stehenden
und mit Rührwerk versehenen offenen Guſskessel kommen 250k festes Aetznatron, welchem man, um schnellere
Lösung zu erzielen, noch 10k Wasser zusetzt. Das
Feuer der Kokesflamme schlägt unmittelbar an den Kessel an und verflüssigt das
Natron unter Bildung einer Haut. Dieser Ueberzug zeigt an, daſs das Natron noch
nicht heiſs genug ist, um den Zusatz der Natronsalze ertragen zu können, d.h. um es
in sich aufzunehmen, ohne daſs die Mischung fest würde. Man erhitzt daher so lange,
bis die Haut sowohl, wie die an der Kesselwandung anhängenden Krusten vollständig
sich verflüssigt haben. Löst sich ein in die Masse hineingeworfenes Stückchen Salz
unter Zischen rasch auf, so hat der Kessel die zur Mischung nöthige Temperatur. Das
Rührwerk wird nun in Gang gesetzt und in kurzer Zeit 125k trockenes Salz eingetragen, doch so, daſs der Kesselinhalt nicht
übersteigt, was man durch Abstellung oder Inganghaltung des Rührwerkes regelt. Das
Eintragen dauert etwa 30 Minuten. Die Masse beginnt zu schäumen, weil Wasser
entweicht; allmählich wird der Kesselinhalt ruhiger, wird ölig und behält einen
weiſsen Schaum. Nach einiger Zeit wird der gelblichweiſse Fluſs gelb, endlich braun
unter heftigem Spritzen der Masse. Arbeitet die braune Schmelze nicht mehr stark, so
ist dieselbe fertig und man schöpft den heiſsen Brei mittels eiserner Schöpfer auf
Eisenbleche, wo er erkaltet,
5) Absäuern: Die zerkleinerten Schmelzstücke wirft man
in einen groſsen Steintrog, der ungefähr 500l
Wasser enthält. 9 bis 10 Flaschen concentrirte Salzsäure treiben daraus alle
schweflige Säure aus und erzeugen eine mäſsig saure Resorcinlösung. Man setzt so viel Säure
zu., bis blaues Lackmuspapier von der Lösung schwach roth gefärbt wird.
6) Extraction: Die in den vorgelegten ausgebleiten
eisernen Behälter abgelassene Brühe wird in den mit Rührwerk versehenen wagrecht
liegenden Mischkessel durch Oeffnen eines Lufthahnes übergedrückt. In dem
Mischkessel zieht man die Resorcin haltige Lösung 4 mal mit je 100l gereinigtem Amylalkohol aus. Man mischt hierbei Lösung und Fuselöl etwa 30 Minuten
lang und hebt dann die Flüssigkeit in den hochstehenden Spitzcylinder. Nach
einstündigem Absitzen läſst man die Salzlösung in den Mischer zurücklaufen und
leitet das tiefbraune mit Resorcin beladene Fuselöl in den Fuselbehälter. Nach
4maliger Wiederholung der Extraction mit je 100k
Fuselöl ist die Salzlösung erschöpft und der vierte Auszug ist kaum mehr gefärbt.
Die vereinten Auszüge werden nach nochmaligem 12 stündigem Stehen und Trennung von
anhängender Salzlösung in den Abtreibapparat abgelassen.
7) Destillation mit Wasser dampf: Die amylalkoholische
Resorcinlösung wird durch indirekten Dampf auf ungefähr 100° erhitzt. Sobald diese
Temperatur erreicht ist, läſst man direkten Dampf einströmen, welcher den Alkohol
mit sich fortreiſst und das Resorcin im Kessel zurückläſst. Kommt aus dem
Condensator nur noch Wasser, so unterbricht man die Destillation und läſst die
Resorcinlösung auf eine emaillirte Eisenpfanne auslaufen. Dort wird das Wasser
weggedampft. Das Trocknen dauert etwa 12 Stunden. Das Rohresorcin wird nun
gereinigt.
8) Reinigung: Man reinigt das Resorcin durch
Destillation in der Luftleere. Zu dem Zwecke schöpft man den flüssigen Inhalt der
Doppelpfanne (etwa 30k) in einen mit Thermometer
versehenen Kupferkessel und verschlieſst denselben. Ein mit dem Deckel verbundener
Liebig'scher Kupferkühler leitet das Destillat in
eine mit Auslaufhahn versehene kupferne Vorlage, welche ihrerseits mit der Saugpumpe
in Verbindung gebracht ist. Die erhitzte Masse läſst zuerst etwas Wasser und Phenol
übergehen, was man durch Oeffnen des Hahnes der Vorlage auslaufen läſst. Bei etwa
190° schlieſst man den Ablaufhahn und vermindert den Luftdruck auf 630mm. Bei weiterem Erhitzen beginnt das Resorcin zu
sieden und destillirt in die Vorlage über. Bei der Destillation ist Vorsicht geboten
wegen möglicher Verstopfung des Kühlers, der jedoch durch mäſsiges Einströmenlassen
von Wasser ins Kühlrohr bezieh. zeitiger Unterbrechung der Wasserzufuhr leicht zu
begegnen ist. Das sich in der Vorlage ansammelnde flüssige Resorcin läſst man in
Kupferformen aus verzinntem Kupfer in bestimmter Menge ablaufen und erhält so das
Handelsproduct bei einer Ausbeute von 20 bis 23k
reinem Resorcin für 125k Benzoldisulfat:
Natron
Benzoldisulfat
Salzsäure
Fuselöl
Rohresorcin
Resorcin
250
125
720
400
28
19
250
125
740
400
29
23
Argenteuil bei Paris, Mai 1885.