Titel: | Industrie der Bittermandelölgrün; von Dr. Otto Mühlhäuser. |
Autor: | Otto Mühlhäuser |
Fundstelle: | Band 263, Jahrgang 1887, S. 249 |
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Industrie der Bittermandelölgrün; von Dr. Otto
Mühlhäuser.
Mühlhäuser, Industrie der Bittermandelölgrün.
Bekanntlich entstehen durch Condensation primärer, secundärer und tertiärer Basen mit
Bittermandelöl oder gewissen Substitutionsproducten desselben farblose amidirte
bezieh. amidsubstituirte Triphenylmethane sogen. „Leukobasen“ die durch Oxydation in Farbstoffe übergehen.
Den Untersuchungen von E. und O.
Fischer (vgl. 1879 233 166. 234 424. 1880 236 75. 237 155) dankt die Farbentechnik diese Methode zur
Herstellung basischer Triphenylmethan-Farbstoffe. Leider läſst die schwierige
Beschaffung der geeigneten kernsubstituirten Benzaldehyde die Uebertragung der
Methode mit allen ihren Folgerungen in den Betrieb nicht zu, so daſs man von der
Herstellung von Fuchsin und seinen Abkömmlingen absehen muſs und nur die Herstellung
grüner Farbstoffe technisch möglich ist.
Die grünen Farbstoffe, welche man nach der Fischer'schen
Methode herstellt, sind:
1) die Salze des Tetramethyldiamidotriphenylcarbinols,
2) die Salze des Tetraäthyldiamidotriphenylcarbinols,
3) die Sulfosäuren des Diäthyldibenzyldiamidotriphenylcarbinols.In geringen Mengen stellte man auch eine Zeit lang die Sulfosäuren des
Dimethyldibenzyldiamidotriphenylcarbinols dar. Die Handelsnamen
dieser Salze sind verschieden und jede Farbenfabrik gibt ihren Farbstoffen eine
eigene Bezeichnung; doch ist die Bezeichnung „Malachitgrün“ für das Oxalat des Methyl-, „Brillantgrün“ für das Sulfat des Aethyl- und
„Säuregrün“ für die Sulfosäure des
Aethylbenzylderivates des Diamidotriphenylcarbinols fast allgemein angenommen. Alle
3 Farbstoffe sind Gegenstand einer ziemlich bedeutenden Industrie geworden.
Das Malachitgrün wurde zuerst von Otto Fischer durch
Condensation von Bittermandelöl mit Dimethylanilin und Oxydation des entstehenden
Tetramethyldiamidotriphenylmethans dargestellt, Kurz nach Fischer erhielt es Döbner (vgl. 1878 228 558. 1879 233 166. 1881
239 406) durch Einwirkung von Benzotrichlorid auf
Dimethylanilin und Chlorzink. Die rasch sich entwickelnde Fabrikation des
Bittermandelöles gab jedoch Veranlassung zur allgemeinen Einführung des Fischer'schen Verfahrens. Die technischen Chemiker
haben die Methode, wie sie Fischer gab, in fast allen
Einzelheiten angenommen, aber auch rasch erweitert. Durch die Substitution des
Dimethylanilins durch die leicht beschaffbaren Basen Diäthyl- und Aethylbenzylanilin
reihte sich der Fabrikation des Malachitgrün diejenige der nicht minder werthvollen
Farbstoffe Brillant- und Säuregrün an. Unter Benutzung der bei Herstellung anderer
Farbstoffe gemachten Erfahrungen konnte das anfangs nur als Pulver in den Handel
gebrachte Malachitgrün bald im höchsten Grade der Reinheit und Farbkraft, wie sie
nur der Krystall vereinigt, dem Färber geliefert werden. Die Fabrikation der
Krystalle des Fuchsins zwang dem Farbentechniker die Methode, Krystalle des
Malachitgrün herzustellen, auf; hier wie dort konnte die Krystallausscheidung durch
ein geeignetes Salz aus dem Lösungsmittel bewerkstelligt werden. Eine unmittelbare
Uebertragung dieser Thatsachen auf das Brillantgrün ergab sich von selbst.
Die Sulfosäuren des Malachit- und Brillantgrün haben sich nur sehr kurze Zeit das
Vertrauen des Farbenmarktes erhalten können, woran nicht allein die mit schlechten
Färbeeigenschaften behafteten Säuregrün Hauptschuld waren, sondern namentlich die
verhältniſsmäſsig schwierige Herstellung eines reinen, farbkräftigen Grün. Die hier
gemachten Erfahrungen, deren gewichtigste eine unmittelbare Sulfirung der Farbstoffe
ausschloſs und nur die Bindschedler'sche Methode der
Sulfurirung der Leukobasen zulieſs (vgl. 1883 247 134),
kamen nach Entdeckung des Diäthyldibenzyldiamidotriphenylmethan der Herstellung des
neuen Säuregrün zu Gute und ermöglichten dessen rasche und allgemeine Einführung in
die Farbentechnik. Das Malachit- und Brillantgrün, von denen das erstere gewöhnlich
als oxalsaures, das letztere als schwefelsaures Salz im Handel vorkommt, bilden
die grünen Farbstoffe der Baumwoll- und Seidenfärberei, während das Säuregrün seine
Hauptverwendung in der Wollfärberei hat und dort an Stelle von Indigo in vielen
Fällen Verwendung findet.
1) Fabrikation des
Säuregrün.
Die Bildung der Leukobase des Säuregrün geschieht durch Condensation von 1 Mol.
Benzaldehyd und 2 Mol. Aethylbenzylanilin durch wasserfreie Oxalsäure, gemäſs
folgender Gleichung:
Textabbildung Bd. 263, S. 251
Durch Sulfurirung der so entstehenden Leukobase mit rauchender
Schwefelsäure entsteht ein Gemenge von Di- und Trisulfosäuren des
Diäthyldibenzyltriphenylmethan:
C37H38N2 + 2SO4H2 = C37H36(SO3H)2N2 +
2H2O
C37H38N2 + 3SO4H2 = C37H35(SO3H)3N3 +
3H2O.
Die mit Bleisuperoxyd ausgeführte Oxydation der Säure führt
zum grünen Säurefarbstoffe, gemäſs der Gleichung:
C37H36(SO3H)2N2 + PbO2
= C37H34(SO3)2PbN2 + H2O.
den man in das Natronsalz überführt.
Bei einer Tageserzeugung von etwa 150k Säuregrün
benöthigt man folgende Apparate:
4 gußeiserne Doppelkessel mit
emaillirter Innenfläche. Die Auſsenkessel stehen mit der Dampf- und Wasserleitung in
Verbindung. Das Rührwerk der Kessel macht etwa 20 Umdrehungen in der Minute. Der
Deckel besitzt ein Mannloch, ein Manometer, eine Verbindung mit der Preſsluft und
einen Stutzen zum Einsatze des Abdrückrohres zur Beförderung des Kesselinhaltes nach
dem Destillator.
1 Abtreibapparat: Zum Abtreiben des
bei der Condensation nicht angegriffenen Oeles dient ein mit einem Bleikühler in
Verbindung stehender und mit gewölbtem Boden versehener behelmter Destillator. Der
auf einem Gemäuer sitzende Kessel hat dicht am Boden einen weiten Hahn, der eine
vollkommene Entleerung des Kessels gestattet. Im Inneren des Kessels befindet sich
eine Dampfschlange zum indirekten und ein offenes Dampfrohr zum direkten
Erhitzen.
Unterhalb des Hahnes liegt in einem eisernen Mantel eine Kupferschale, deren Erhitzung durch direkten Dampf
geschieht und welche zur Trennung der Leukobase von Flüssigkeit und zum Trocknen der
Base dient.
1 Sulfurirungskessel aus Guſseisen
von ähnlicher Beschaffenheit wie der Condensationskessel, aber nicht emaillirt.
1 Kalkbütte mit Rührwerk und 3000l Inhalt.
2 Montejus von je 2000l Inhalt,
Eine 18- und eine 12-kammerige Filterpresse.
1 groſser eiserner Kasten mit
kupferner Dampfschlange und 6000l Inhalt.
1 Oxydationsbütte mit Rührwerk und
3000l Inhalt.
1 kleinerer Behälter mit kupferner
Dampfschlange, 1800l Inhalt.
3 kupferne, mit Kratzrührwerk versehene Abdampfpfannen.
1 Kugelmühle.
Herstellung der Leukobase: In einen mit Rührwerk
versehenen emaillirten Doppelkessel, welcher mit Dampf- und Wasserleitung zum
jeweiligen Kühlen oder
Erhitzen in Verbindung steht, bringt man: 21k
Benzaldehyd und 80k Benzyläthylanilin. Zu der
durch Rühren in Bewegung gehaltenen Mischung gibt man 34k scharf getrocknete und fein gesiebte wasserfreie Oxalsäure langsam und
innerhalb einer Stunde zu. Nach vollbrachter Mischung schlieſst man den Kessel,
bringt das Wasser im Auſsenkessel auf 60° und erhält diese Temperatur einen Tag
lang. Die folgenden 2 Tage hält man die Temperatur auf 80°, den 4. Tag endlich
unterhält man Kochhitze des Wassers. Durch Einhalten der gegebenen Temperatur in den
angeführten Zeitabschnitten und bei fortwährendem Umrühren der Masse bewerkstelligt
man eine sehr regelmäſsig verlaufende Reaction. Man erhält so durch 4tägiges
Erhitzen die Leukobase in Form eines weichen, grünlichen Teiges, dem noch
Benzoesäure und Bittermandelöl beigemengt ist. Der Mannlochdeckel wird entfernt und
der warme Teig mit Natronlauge unter Umrühren neutralisirt. Ungefähr 100k Lauge von 36° B. sind dazu nöthig.
Den auf etwa 80° erwärmten Kesselinhalt drückt man nach Schluſs des Mannloches und
Einsatz des Abdrückrohres in den Abtreibapparat vollständig hinüber, wo durch
Destillation mit Wasserdampf das im Ueberschusse vorhandene Bittermandelöl von der
Leukobase getrennt wird. Ist der Ansatz herüber gedrückt, so schlieſst man den
Destillator und erhitzt erst mit indirektem Dampfe zum Kochen. In die kochende Masse
selbst läſst man nun direkten Dampf einströmen, welcher das unangegriffene
Bittermandelöl mitreiſst. Man destillirt so lange, bis nur noch klares Wasser
überdestillirt, also eine vollkommene Trennung von Bittermandelöl und Base erreicht
ist. Der am Boden des Kessels befindliche weite Hahn gestattet eine vollständige
Entleerung des Kessels in eine unterstellte Doppelpfanne. Nach dem Erkalten wird die
schwach alkalische Lauge von der fest gewordenen Leukobase abgehebert und die
Leukobase nochmals mit Wasser gewaschen. Abzug und Waschwasser werden auf oxalsaures
Natron verarbeitet.
Die auf der Kupferpfanne zurückbleibende Base wird geschmolzen und ungefähr 1 Tag
lang unter Umrühren bis zur vollkommenen Trockene erhitzt. Nach dem Erkalten wird
die Base aus der Doppelpfanne herausgebrochen und durch Zerschlagen mit dem
Holzhammer möglichst fein zertheilt. Die Ausbeute beträgt 93k:
Aethylbenzylanilin
Benzaldehyd
Oxalsäure
Nation 36° B.
Ausbeute
80
21
34
100
95
80
21
34
105
92
80
21
34
98
93
Bedingung zur Erzeugung einer guten Base sind reine Rohstoffe: reines Bittermandelöl und reines
Benzyläthylanilin nebst vollkommen entwässerter Oxalsäure.
Sulfurirung: In einen gerade so wie bei der Darstellung
der Leukobase ausgerüsteten Kessel bringt man 200k
20procentige rauchende Schwefelsäure. Dazu trägt man unter Umrühren 50k gepulverte Leukobase ein so zwar, daſs vorerst die
Temperatur von 45° nicht überschritten wird, was durch schnellen Durchgang von
kaltem Wasser durch den Auſsenkessel leicht zu bewerkstelligen ist. Die Base löst
sich in kurzer Zeit vollkommen in der Schwefelsäure auf unter Entwickelung von SO2 und CO2, welch
erstere gelöst in der Schwefelsäure vorhanden ist und durch die letztere verdrängt
wird. Die Kohlensäure rührt von der der Base noch anhängenden Oxalsäure her. Nach
dem Eintragen der Leukobase erhitzt man den Kessel auf 80 bis 85°, sowohl höhere wie
niederere Temperatur vermeidend.
Aus dem Kessel gezogene Proben, welche man etwa nach 2 stündiger Sulfirung dem Kessel
entnimmt, in einem Probecylinder mit destillirtem Wasser übergieſst und mit Ammoniak
im Ueberschusse versetzt, zeigen den Fortgang und das Ende der Sulfurirung an. Zeigt
eine dem Kessel entnommene Probe nach dem Ammoniakzusatze keine Trübung mehr, so
kann man in der Färberei diese Probe gegen die Type prüfen und dann, je nachdem der
Farbton erreicht oder nicht erreicht ist, den Prozeſs unterbrechen oder noch einige
Zeit andauern lassen.
Die vollkommen sulfurirte Masse wird erkalten gelassen und am folgenden Tage in einer
Holzbütte mit 1000l Wasser gemischt, was durch
Herüberdrücken mit Luft geschieht. Zur Trennung von Schwefelsäure versetzt man mit
Kalkmilch – die man sich aus 150k Kalk hergestellt
hat – bis zur schwach alkalischen Reaction. Man erhitzt die Masse mit direktem
Dampfe zum Kochen. Zur krystallinischen Abscheidung des Gypses setzt man nun
ungefähr 500l kaltes Wasser unter Umrühren zu,
d.h. bringt die Temperatur auf 60 bis 65°, läſst den ganzen Inhalt in den Montejus
ab und filtrirt durch eine Filterpresse mittels Luftdruck. Das Filtrat läſst man in
einen groſsen eisernen Kasten laufen, der eine kupferne Dampfschlange enthält. Die
in der Presse zurückbleibenden Kuchen werden nach jeder Entleerung durch einen Kanal
in die Kalkbütte fallen gelassen und nach Vereinigung sämmtlicher Rückstände mit
1000l Wasser aufgekocht und, wie besprochen,
weiter verarbeitet. Den nunmehr verbleibenden Rückstand gibt man verloren, die
vereinigten Filtrate dampft man auf ein Volumen von 1200l ein und filtrirt dann durch ein offenes Filter in die unterstellte
Oxydationsbütte ab, wo die Flüssigkeit auf 19 bis 20° erkalten gelassen wird.
Oxydation: Zur Herstellung des Bleisuperoxydes werden 22k Bleiglätte in
40k Essigsäure von 40 Proc. Gehalt und 100l Wasser vollkommen in einem Holzbottiche unter
Umrühren und Einleiten von Dampf gelöst und die erhaltene Bleizuckerlösung mit einem
fein gesiebten Chlorkalkbreie, den man sich aus 27k Chlorkalk und 54l Wasser bereitet hat,
so lange versetzt, bis alles essigsaure Blei in Bleiperoxyd umgewandelt ist. Man
erkennt das Ende der Reaction, wie folgt: Ein mit einem Glasstabe auf einen Streifen
Filtrirpapier gebrachter Tropfen gibt einen braunen Peroxydfleck, der durch einen
farblosen feuchten Rand
begrenzt ist. Wird letzterer mit etwas filtrierter Chlorkalklösung betupft an der
Berührungszone gelb, so muſs noch so lange Chlorkalk zugesetzt werden, bis eine
Gelbfärbung nicht mehr eintritt, d.h. alles Blei in Peroxyd umgewandelt, also
Bleisalz nicht mehr in Losung vorhanden ist.
Man läſst dann das Bleiperoxyd sich absetzen, decantrirt die schwach essigsaure
Lösung durch ein Filter. Nach noch 2 maligem Aufkochen mit Wasser und Absitzenlassen
bringt man den schwarzbraunen Schlamm aufs Filter, läſst abtropfen, bringt die
feuchte, gut ausgewaschene Paste in ein gewogenes Fälschen und stellt das Ganze mit
Wasser auf 56k Nettogewicht.
Herstellung des Säuregrün: Man oxydirt unterhalb 20°,
setzt das Schnellrührwerk der Bütte in Gang und säuert die Masse mit 10k Schwefelsäure von 67° B. an. Zur stark bewegten
Flüssigkeit gibt man, so schnell es eben das Einschöpfen erlaubt, den
Bleisuperoxydschlamm zu. Die farblose Lösung wird dann tief grün, es entsteht
Säuregrün.
Fertigstellung: Nach 10 Minuten langem Umrühren scheidet
man aus der Lösung allen Kalk und alles Blei durch Einstreuen von etwa 25k Soda aus. Man hört mit dem Sodazusatze auf,
sobald eine entnommene Probe nach dem Filtriren und Verdunnen mit Wasser mit
Sodalösung keinen Niederschlag mehr gibt. Nach dem Sodazusatze erhitzt man auf
ungefähr 70°, läſst die Masse in den Montejus ab und filtrirt durch eine mit
doppelten Filtertüchern versehene 12-kammerige Filterpresse. Das Filtrat leitet man
in einen mit Dampfschlange versehenen Eisenkasten. Man dampft hier die Grünlösung
auf etwa 600l ein und läſst sie dann in die unten
stehenden, mit Kratzrührwerk versehenen kupfernen Rührpfannen ablaufen, wo man zur
Trockene abdampft und den Rückstand noch 2 bis 3 Tage in die Trockenkammer auf
Zinkblechen fertig trocknet.
Das getrocknete Grün wird in der Kugelmühle gemahlen und kommt als dunkelgrünes
Pulver zum Versand. Auſser in trockener Form kommt das Säuregrün auch in 10- oder 20
procentiger Lösung in den Handel und heiſst dann flüssiges
Säuregrün. Die Ausbeute ist 85k,5:
Leuko-base
RauchendeSäure von20% SO3
CaO
SO4H2
PbO
Essig-säure
Chlorkalk
Soda
Säure-grün
50
200
150
10
22,3
40
27
25
85,5
50
200
160
10
22,3
40
27
20
87,0
50
200
150
10
22,3
40
27
23
88,5
(Schluſs folgt.)